Islandreise 2003
oder: Warum manch einer mit einem Laptop auf Radtour geht.

Der Übersicht wegen gibt es diesen Reisebericht auf mehrere Teile aufgespalten:
Gesamt Teil 1 Teil 2 Teil 3

Im Wintersemester 2003/2004 wollte ich endlich mal ein wenig länger in Island bleiben, um dort mal einen Winter zu erleben. Eigentlich wollte ich das schon lange mal, aber in dem Jahr hat es endlich mal geklappt: Ein Auslandssemester an der Uni in Akureyri. Die ganze Geschichte gibts auch noch irgendwann mal zu lesen, aber erst das Vergnügen dann die Arbeit. Denn so ein Semester fängt in Island meistens Ende August an, wenn die Reisezeit zuende ist. Und was liegt da näher, als schon ein wenig früher zu kommen und noch ein wenig durchs Land zu reisen.
Und in Island bin ich am liebsten mit dem Rad unterwegs, so also auch diesmal. Den Großteil von dem Zeug, was man in einem halben Jahr Auslandsstudium so braucht, wollte ich mir nachschicken lassen per Post. Das war sowieso etwas mehr als das übliche Freigepäck, das man im Flieger so mitnehmen darf. Aber meinen Laptop wollte ich doch nicht so gern auf dem Postweg aufgeben, also kam zu meiner üblichen erprobten Ausrüstung doch noch ein wenig was dazu.

Reisevorbereitung ist irgendwie immer so ein Thema für sich bei mir. Mittlerweile kenne ich Island doch einigermassen gut und plane höchstens ein paar grobe Ziele und halte dafür unterwegs um so mehr Ausschau nach schönen Abstechern und Nebenstrecken. Über ein paar ausgefallene Ecken von Island hab ich mich dann doch noch ein wenig schlauer gemacht, hauptsächlich indem ich Bekannte gefragt hab. Aber so richtig Vorbereitet war ich höchstens durch mein vieles Radfahren zuhause, was dies Jahr auch ein wenig kurz gekommen war.
Die grobe Route stand sowieso fest, ich wollte erstmal so schnell wie möglich nach Akureyri und ein bißchen Ballast irgendwo unterstellen. Dann wollte ich in die Gegend von den Kárahnjúkar, weil dort gerade ein großes Staudammprojekt am Laufen ist und man wohl nicht mehr so oft Gelegenheit hat die dortige Landschaft im Urzustand zu bewundern. Und weil das alles im Osten und im Hochland zu finden ist wollte ich auch endlich mal zur Askja kommen, wenns irgendwie dazupassen würde. Liegt ja schliesslich fast auf meinem Rückweg nach Akureyri, wo ich dann zum Studieren antreten musste.
Die Flüge hab ich wieder so etwa eine Woche vor Abflug gebucht, diesmal waren es zwei Etappen mit Zwischenstop in London und einem Tag Aufenthalt dort. Kann nicht schaden. Ich hatte nämlich davor Zuhause an der Uni noch eine Menge zu tun und nicht wirklich Zeit zum Überlegen und Packen. Eventuell Vergessenes konnte ich dann in der Großstadt noch besorgen. Ausserdem konnte ich so zum ersten mal von Nürnberg aus losfliegen und hatte keine Probleme mit der Bahn, Rolltreppen und ähnlichem. Jaja, das ist gar nicht so einfach mit nem Fahrrad.

Der Reiseverlauf war dann sehr erholsam und genau die Art von Islandurlaub die ich mir nach all dem Stress des vergangenen Jahres verdient hatte. Ich hatte nicht wirklich viel Regen, eher Probleme mit trockenem Sand. Auch der Wind war alles in allem nicht so schlimm wie manches andere Mal. Abgesehen vom Anfang hatte ich auch keine wirklichen Pannen oder Probleme. Ingesammt verlief alles viel besser als "geplant". Wahrscheinlich weil ich von der letzten Reise her deutlich schlechteres Wetter gewohnt war und damit auch dieses Jahr wieder gerechnet hatte. Achja, eine kleine Karte mit der endgültigen Route hab ich mittlerweile auch zusammengebastelt.


30. Juli 2003
Anreise
Der stressigste Tag der ganzen Reise. Abends sollte es losgehen nach London, Direktflug von Nürnberg. Genaugenommen hab ich am Tag vorher noch eine kleine Party gefeiert mit meinen Freunden die ich ein halbes Jahr lang nicht mehr sehen würde, irgendwann zwischen 3 Uhr nachts und 7 Uhr morgens ein wenig geschlafen. Morgens dann nochmal an die Uni, meine Studienarbeit fertigschreiben und abgeben, am Nachmittag noch kurz beim Fahrradladen vorbeigeschaut und zwei neue Mäntel besorgt, schnell meine Wohnung ein wenig aufgeräumt und auf dem Weg zu meinen Eltern, wo meine ganze Reiseausrüstung normalerweise lagert, nochmal kurz in der Arbeit vorbeigeschaut und ein paar Formulare abgegeben. Dann hatte ich noch etwa drei Stunden Zeit zum Packen, Zelt, Schlafsack und Anhänger aus ihren Winterquartieren hervorzusuchen und alles was sonnst dazugehört. Außerdem musste ich in der selben Zeit noch irgendwie zum Flughafen kommen, einchecken und alles. Vergessene Kleinteile könnte ich irgendwo in England dann sicherlich noch nachbesorgen...
Man soll ja immer anderthalb Stunden vor Abflug am Check-In sein. Das war ungefähr die Zeit, als mein Vater mit mir, Rad und Gepäck von Zuhause losgefahren ist, in Richtung Flughafen. Trotzdem war ich noch rechtzeitig, hab meine Sachen beim Sperrgepäck abgegeben und bin sogar mal ganz ohne Piepsen durch die Sicherheitskontrolle gekommen. Im Flugzeug war ich dann einigermassen erschöpft und hab aus dem Fenster raus Abschied genommen vom Alltagsstress.
Die Landung in London Stanstead sah dann aber gar nicht einladend aus. Alles war regennass und nicht wirklich sommerlich freundlich. Aber der Flughafen hat eine gut funktionierende Gepäckausgabe und alle meine Sachen kamen zügig an. Genaugenommen hatte ich mein erstes "Verrückter-Radler-Erlebnis" schon dort im Flugzeug als ich und meine Sitznachbarn zuschauen konnten wie mein Sperrgepäck als erstes ausgeladen wurde. "Was man nicht alles im Flugzeug mitnehmen kann heutzutage".
Es dämmerte schon ein wenig als ich endlich herausgerollt bin aus dem Flughafengebäude. Ich hatte etwa 23 Stunden Zeit bis zum Weiterflug und wollte erstmal wenn möglich irgendwo hin wo es schön ist und wo man gut zelten kann. Radeln versteht sich. Aber ich hatte mich noch kaum an den Linksverkehr und die etwas mangelhaft beschilderten aber wuderschön einsamen englischen Landstraßen gewöhnt, Krach, Stop, Pause. Mein Anhänger hatte ein Problem. Und was für eins. Die senkrechte Achse an der sich das Ding normalerweise so schön dreht und die ihm seine guten Fahreigenschaften ermöglichen, die war gebrochen. "Pivot-Bolt" heißt das Ding in der Fachsprache. Im Endeffekt hieß das, der Hänger war tiefergelegt und schrammte beim Fahren recht unsanft auf der Straße.
Als eine erste Notlösung steckte ich die beiden gebrochenen Teile verkehrtherum wieder an ihren Platz. Auf Asphalt konnte ich damit ganz gut fahren, aber wenn das kurze Ende oben herausgerüttelt würde, wäre ich wieder genausoweit wie vorher. Mein überarbeiteter, neuer Plan: mit der Bahn oder wie auch immer erstmal nach London ins Zentrum, eine Jugendherberge aufsuchen und Schlafen!
Die zwei drei Kilometerchen die ich schon geschafft hatte war ich schnell wieder zurück, nach ein wenig Rumfragen und Warten saß ich dann im Zug Richtung London Zentrum. Dort fand ich mich überraschend schnell zurecht, es gab fast nur Einbahnstraßen und, nachdem es mittlerweile schon fast 11 Uhr nachts war, nicht mehr viel Verkehr. Im erst besten Youth Hostel hab ich mich dann einquartiert und bin weggedöst bevor ich mir Sorgen machen könnte wie ich in dieser riesen Stadt morgen einen Radladen finden könnte.

31. Juli 2003
London

Der nächste Tag sah schon gleich viel besser aus. Alles war nämlich trocken und sommerlich warm. Meine Sachen waren bald beisammen und ich machte mich auf Sightseeing-Tour per Rad durch eine Großstadt. Mit Anhänger. Und nebenbei hielt ich Ausschau nach Radläden. An Bordsteinkanten hatte ich immer Sorgen aber ansonsten hielt meine Notlösung noch ganz gut. Und ich hatte auch schon recht bald das Glück an einem ersten Radladen vorbeizukommen. Denen hab ich mein Problem gezeigt und gleich waren die recht freundlich zu mir und versuchten mir bestmöglich weiterzuhelfen. Daheim in Deutschland bekomme ich meistens nur große Augen zu sehen wenn ich den Namen meines Anhängers "BOB Yak" erwähne. Hier wurde ich erstmal an ein paar Kollegen verwiesen die öfters mal solche Dinger verkaufen.
Und so hab ich dann den Laden "Bikefix" kennengelernt. Dort wurde auch gleich wieder in Verzeichnissen und Telefonbüchern rumgeblättert, niemand hatte das entsprechende Ersatzteil auf Lager. Die Bestellzeit von einem Tag konnte mich auch nicht wirklich erfreuen, noch am Abend ging mein Weiterflug nach Island. Nachdem ich also lange genug mit langem Gesicht dreingeschaut hatte kam plötzlich jemand auf die Idee, einen originalverpackten neuen Anhänger zu zerlegen und mir das ausgebaute Teil zu verkaufen. Somit war mein Anhänger und mein Urlaub gerettet, nach 10 Minuten Bastelei konnte ich wieder vernünftig fahren und mich auf Island freuen. Keine Ahnung was ich gemacht hätte, wenn das in Island passiert wär. An dieser Stelle nochmal herzlichen Dank an diesen netten Laden!
Beruhigt konnte ich also mit ein paar britischen Pfund bewaffnet das übrige Touristenprogram abklappern. Entlang der Themse radeln, Big Ben und Westminster Abbey, irgendein großer Aufzug am Buckingham Palace mit berittener Garde und den schicken roten Uniformen und allem was sonst dazugehört. Leider sind die meisten Parks für Radler gesperrt, und mit meinem Gespann wäre ich sicherlich negativ aufgefallen, wenn ich das missachtet hätte. Immerhin hatte ich Schlafsack, Zelt, einen Benzinkocher und einen Laptop hinten am Hänger, mich wundert es, daß mich nicht schon so jemand angesprochen oder komisch angeschaut hat.
Wie auch immer, ich wollte noch zurückradeln nach Standstead, zum Flughafen. Ich hoffte mich an irgendwelchen Schildern orientieren zu können, laut Karte wußte ich, daß ich an irgendeinem Fluss entlang radeln könnte. Und so radelte ich dann munter über die Tower Bridge und am Lloyds-Tower vorbei, ließ den King-Cross Bahnhof, an dem ich gestern angekommen war, links liegen und kam in mehr und mehr kleine Stadtteile, Orte, alles mögliche. Aber so richtig die Orientierung behalten und mich zurecht finden konnte ich nicht, obwohl mir das normalerweise wirklich nicht schwer fällt. Aber wenn eine Straße wie die andere aussieht, an jeder Ecke ein arabisch aussehender Supermarktangestellter Melonen vor die Ladentüre stellt, überall ein Off-License-Store nebenan ist und auch die Frisörläden gegenüber alle gleich ausschauen...
Kurz und gut, nach einer Stunde drehte ich um und suchte den Weg zurück zur Kings-Cross-Station und war in Gedanken schon in den kleinen ländlichen Ortschaften Islands, wo es nur eine Tankstelle gibt, vielleicht noch einen Supermarkt, oder wo man zumindest am Horizont schon ein Ende und eine ruhige Landstraße ausmachen konnte. Schließlich haben mich die Schalterangestellten der Bahn wieder ein wenig komisch angeschaut, als verrückten Radler, dem man noch ein Extra-Ticket verkaufen muss.
So bin ich dann schon am frühen Nachmittag am Bahnhof in Bishops Stropford rausgekommen, was ungefähr noch 5 Kilometer vom Flughafen entfernt ist. Am englischen Land radeln ist doch gleich etwas ganz anderes, mit Baumreihen überall entlang der Straßen, rollenden Hügeln und gemütlichen kleinen Ortschaften. Bloß die Beschilderung ist recht abenteuerlich und reicht meistens nicht über den Nachbarort hinaus. Allerdings hilft mir das natürlich auch nicht weiter, weil ich nunmal leider nicht alle fünf Dörfer zwischen Bishops Stropford und dem Flughafen Stanstead kenne. Irgendwie hab ichs trotzdem geschafft mein Ziel zu finden. Starten und landen ja schließlich genug Flieger dort.
Das Einchecken zum zweiten Mal in zwei Tagen war diesmal ein wenig langwieriger und abenteuerlicher. Man hatte mir gesagt ich sollte mein Fahrrad einfach mitbringen, das wird dann dort am Flughafen schon geregelt. Naja, der verwirrte Mann am Schalter musste erstmal seine Kollegin fragen "Do we charge something extra for bikes?"... Irgendwann wusste dann auch er was ich schon lange im Internet nachgelesen hatte, 15 Britische Pfund extra flossen in seine Kassen und ich hatte wiedermal nur meinen Laptop als Handgepäck dabei.
Im Tax Free Shop hab ich dann noch "Hitchhikers Guide through Galaxy" erstanden, dann nur noch warten auf den Abflug. Leider waren keine anderen Radler da, nicht so viele verwegen gerüstete Outdoor-Gurus, nur schweigsame Isländer auf dem Heimweg vom Urlaub. Aber ein lustiges Erlebnis gab es doch noch vor dem Start. Scheinbar hatte jemand eingecheckt, Gepäck aufgegeben und war dann spurlos verschwunden. Als "übliche Sicherheitsmaßnahme" musste das Gepäck wieder rausgekramt und aus dem Flieger entfernt werden, weil das ist ja schonmal verdächtiges Verhalten. Zehn Minuten Verspätung. Und noch etwas was ich mir beim nächsten mal merken werde: der Billigflieger IcelandExpress verlangt extra wenn man im Flug was zu Essen oder Trinken will. Aber für den kurzen Flug kann man auch verzichten.
Abends dann Ankunft in Keflavík, zum zweiten mal in zwei Tagen die Uhr um eine Stunde zurückstellen. Die Ferienbomber von LTU kamen erst später, so bin ich weiterhin der einzige Radler der seine Sachen zusammenbaut. Immernoch nichts verlorengegangen, der neue "Pivot-Bolt" an meinem Hänger funktioniert bestens.
Im letzen Dämmerlicht dann das erste Stück Weg in Island. Erstmal wie immer die fünf Kilometer zum Zeltplatz in Keflavík, das hat Tradition. Dort dann mein Zelt aufgebaut, in den hinterlassenen Vorräten der anderen ein wenig gekramt. Schnell hatte ich Benzin und als wahren Schatz ein paar Kartoffeln gefunden. Ein erstes Abendessen, willkommen in Island. Es war ein wenig wolkig, windig, trocken und angenehm kühl, kein schlechtes Wetter also. Und es war Schlafenszeit.
Bilder der Tages:

1. August 2003
Erster Tag in Island

Über Nacht waren noch deutlich mehr Leute angekommen, Radler. Schnell kam ich morgens mit denen ins Gespräch, ich war nicht der einzige mit Anhänger. Gegenüber von meinem "Stammstein", an dem ich hier immer mein Zelt aufbaue, hat sich eine Gruppe von vier Deutschen breit gemacht, mit nochmal zwei Anhängern. Ein wenig Fachsimpelei wie üblich, welche Route, ein paar Tips und alles was noch dazugehört. Bestimmt sehen wir uns später wieder...
Aber erstmal brauchte ich wieder ein paar Kilometer Auslauf. Und eine Route die ich langfahren mochte. Irgendwie Richtung Þingvellir, also zwangsläufig erstmal durch Reykjavík oder daran vorbei. Na das war doch schonmal ein Ziel für eine Mittagsrast. Also, packen und auf gehts. Ich war glaub ich der erste Radler der an dem Tag losgekommen ist, auf die 41 Richtung Hafnarfjörður. Natürlich war viel Verkehr wie immer, aber mit ruhigeren Straßen in Aussicht konnte ich das verschmerzen. Reykjavík mit dem Großstadtverkehr wollte ich links liegen lassen, auch die meist vergebliche Suche nach einer ruhigeren Alternative als das letzte Mal davor hat bei mir Tradition. Unterwegs fiel mir auf, daß zwischen Keflavík und Raykjavík wohl eine zweite Spur in Bau ist, also die Straße bald noch breiter wird und noch weniger schön zum Radeln wird, was bisher auf dem Seitenstreifen eigentlich noch ganz gut ging.
Unterwegs begegnete mir auch bald der nächste Radler. Er war auf der 420 an der Küste entlang geradelt, um dem Verkehr ein wenig zu entgehen, und nun radelten wir gemeinsam ein Stück weiter bis nach Hafnarfjörður. Die Zeit und die Strecke vergingen dabei wie im Fluge, mit schönem sonnigen Wetter, kaum Wind und schon gar keinem Gegenwind. Mittags rollten wir dann auf den Hauptplatz in Hafnarfjörður, dort gabs erstmal eine Mittagspause und noch ein ausgiebigeres Schwätzchen. Mein Mitradler hatte nicht so lange Zeit für seinen Islandurlaub und wollte erstmal nur die Südküste erkunden mit all ihren Sehenswürdigkeiten. Und zuhause hat er auch einen Anhänger, den selben wie ich, bloß hatte er Bedenken wie er den im Flieger mitnehmen könnte und hat deswegen doch die traditionellen Packtaschen. Ich hatte dieses Jahr im übrigen einen leichten Rucksack am Rücken und das übrige Gepäck im Anhänger. Irgendwie traue ich nach diversen schlechten Erfahrungen der Stabilität des Hängers (und des "Pivot-Bolt") immer weniger und packe da nur noch etwa 20 kg drauf, mehr nicht.
Während wir im Sonnenschein auf der Bank saßen und Karten studierten, fiel mir plötzlich eine gute Route ein die ich heute noch radeln könnte, eine die ich noch nicht kannte. Irgendwo hinter Reykjavík als kleiner Abzweig von der 431 führt sie direkt zum Südufer des Þingvallavatn. Also verabschiedte ich mich von meinem Begleiter, der erstmal einen Tag hier in der Metropole bleiben wollte. Irgendwie suchte ich mir einen Weg durch die Vororte der Großstadt in dem hoffnungslosen Versuch, die "Autobahnen" zu meiden die alles durchziehen. Die kürzeste Route war das wohl wiedermal nicht, aber immerhin nur einmal Verfahren und Umdrehen, ich bekomm langsam Übung. Außerdem traf ich einen isländischen Radler, der machte wohl auch öfters solche Touren, war heute aber nur in der Stadt unterwegs. Bemerkenswert, einen der wenigen Isländer am Fahrrad zu treffen.
Aber dann endlich fand ich meine Straße, die natürlich nicht ganz so ausgeschildert war, wie ich erwartet hatte. Sie führte neben einer Stromleitung und neben einer Heißwasserleitung entlang, und erstmal monoton bergauf. Die Landschaft rundherum war eine flache Heide und insgesamt hatte ich das Gefühl überhaupt nicht vorwärts zu kommen. In der Ferne vor mir konnte ich die Dyrafjöll sehen, die nur sehr langsam näherrückten. Dahinter irgendwo lag mein Ziel für heute, der Þingvallavatn.
Als ich die Berge endlich erreicht hatte, die erste "Ich-komme-überhaupt-nicht-voran-Ebene" durchquert hatte, und mich so langsam wieder ans Langsam-Sein gewöhnte, hatte ich mit dem nächsten Problem zu kämpfen. Die Landschaft war hier zwar endlich wirklich reizvoll und interessant, viele kleine grasig grüne Täler mit kleinen Bergrücken dazwischen. Mit ein paar Wolken, Sonnenschein und dem schönen Wetter also wirklich sehr schön. Aber ich musste eben auch immer rauf und runter radeln. Und das war ich noch nicht so recht gewöhnt auf meiner ersten Tagesetappe. Also hatte ich schon wieder das Gefühl, überhaupt nicht vorwärtszukommen. Und langsam beunruhigte mich das, denn langsam brach der Abend herein.
Letztendlich kam ich dann weit oberhalb des Geothermalkraftwerks Nesjavellir heraus und weiß jetzt endlich, was für die riesen Dampfwolken am Südufer des Þingvallavatn verantwortlich ist. Ich war jedenfalls mitten in einer schönen Ecke Island. Leider war es ein wenig diesig geworden und die Aussicht über den See hätte besser sein können. Ich war auch endlich so gut wie an meinem Tagesziel angekommen. Nur noch ein kurzes Stückchen bis zu einem Zeltplatz, und dabei ging es wieder bergab. Was will man mehr.
Landschaftlich fand ich die paar Kilometer auf der Piste 360 am Südufer des Sees sehr schön und nahm mir vor, irgendwann nochmal eine komplette Seeumrundung miteinzuplanen auf einer meiner Reisen. Aber für den Tag war ich heilfroh als ich endlich am versprochenen Zeltplatz am Úlfljótsvatn angekommen war. Und ich war ziemlich fix und fertig, die letzten paar Wochen vor meiner Abreise hatte ich nicht so viel Radtouren unternommen, so daß diese 80 km Tagesetappe mir für ersten Tag auf Tour völlig ausreichte.
Bilder der Tages:

2. August 2003
Am nächsten Morgen hab ich erstmal lange ausgeschlafen. Über Nacht waren einige Wolken aufgezogen, es sah ein wenig nach Regen aus. Aber erstmal musste ein wenig Frühstück sein. Noch hatte ich mehr als genug Vorräte, die hatte ich in Keflavík und in Reykjavík bei kurzen Stops im Supermarkt besorgt. Heute wollte ich auf dem Weg zum Geysir in Laugarvatn gleich nochmal ein wenig einkaufen gehen, morgen sollte es ins Kjölur-Hochland losgehen, ohne Einkaufsmöglichkeiten. So plante ich in Gedanken meine weitere Tour an diesem Morgen, daß ich noch vor kurzem daheim ordentlich Stress in der Uni hatte und in London mit meinem Anhänger, das war weit weit weg und lange vergangen.
Als ich dann gegen 10 Uhr fertig zum Packen war hatte sich immer noch niemand um irgendwelche Zahlungsformalitäten gekümmert, wahrscheinlich wäre es bei dem Hochbetrieb der heute herrschte nicht weiter aufgefallen wenn ich einfach verschwunden wäre. Das Bankfeiertagswochenende war angebrochen, also waren überall um mein Zelt herum die typischen isländischen Campingmobile. Durch diese suchte ich mir jetzt einen Weg zum Verwaltungsgebäude, fand deren Bewohner und schwatzte mit denen ein wenig, natürlich auch über meine Route. "Highway" nannten die den Kjölur, ein passender Name...
Jedenfalls hab ich dann endlich gepackt, mein Regenzeug vorsichtshalber schonmal griffbereit ganz oben drauf gespannt und es ging los. Entlang des Ostufers am Þingvallavatn entlang. Die Landschaft war wiedermal völlig anders als gestern, ein flaches ödes Lavafeld aus dem sich ab und zu mal ein größerer Berg erhebt. Und der See ist auch größer als man so denkt. Jedenfalls war ich motiviert und frisch, die gestrige Etappe war ein gutes Training und heute kam ich langsam wieder in Form. Bloß hatte ich das Gefühl daß mein Anhängerrad ein wenig Luft verlor.
Bald kam ich in das bekannte überwucherte Lavafeld am Nordende des Sees, in dem auch die üblichen Touristenattraktionen der Gegend liegen. Die Bäume und Sträucher zwischen den scharfkantigen Felsen waren grün und üppig, Sommer in Island. Bald zweigte ich ab auf die 365 Richtung Laugarvatn und Geysir, meinem heutigen Tagesziel. Und dort hatte ich auch endlich den Verkehr den ich für das Bankfeiertagswochenende gewohnt war. Bisher hielt sich das nämlich noch ziemlich in Grenzen. Und ich traf außerdem endlich mal wieder auf Radler, die sich genau wie ich den Berg hinaufquälten. Es war eine ganze Familie, auch Deutsche natürlich, und sie hatten sich auch den Kjölur und den Weg nach Akureyri vorgenommen. Respekt, sowas mit Kind und Kegel zu unternehmen.
Eine Weile radelten wir gemeinsam, den Berg rauf und den nächsten runter. Dort machten wir irgendwo mitten im Nichts eine Mittagspause. Nach der Pause fuhr ich aber alleine weiter, die Familie war mir zu langsam unterwegs, mit Kind und Kegel eben, und das passte nicht ganz zu meinem Rhytmus. Ich hatte es einigermaßen eilig nach Norden und Osten und ins Hochland zu kommen. Und meinen Laptop irgendwo loszuwerden, der irgendwo vergraben und weich gepolstert im Hänger schlummerte. Auf dem Weiterweg hab ich auch noch einen isländischen Radler überholt, der nun wirklich sehr trödelig unterwegs war. Aber immerhin, es gibt nicht nur deutsche Radler in Island, wie man sieht.
Ein paar Kurven weiter in der Abfahrt nach Laugarvatn hielt ich aber dann gleich ganz an und wurde meinserseits wieder überholt. Ich machte eine Pause um mein Regenzeug endgültig anzulegen. Bisher war es ja nur wolkig, aber nun auch nieselig und das wurde definitiv stärker und stärker. Als ich dann am Supermarkt in Laugarvatn eine Rast machte war es definitiv schon Regen. Während ich mich drinnen ein wenig unterstellte und meine letzten Besorgungen machte, trudelte auch die deutsche Familie ein. Die hatten die selbe Idee wie ich: erstmal ein wenig unterstellen, ein Eis essen, und warten. Nach ein wenig Schwätzen und einem beeindruckenden Großeinkauf für die ganze Familie klarte es draußen auch schon wieder auf. Also abermals Abschied nehmen, mein Regenzeug wieder auf den Anhänger gespannt und es ging weiter.
Die folgende Strecke war recht eintönig, grüne Farmlandschaft ab und zu ein wenig Dampf, der aus dem Boden aufsteigt, und unter den Rädern eine recht gerade und flache Asphaltpiste mit der Nummer 37. Viele Radler kamen mir unterwegs entgegen, die Strecke steht wohl bei den meisten mit auf dem Programm. Der Himmel klarte immer weiter auf und wurde immer freundlicher blau. Bald kam hinter einer letzten Biegung auch das Haukadalur in Sicht mit der nächsten großen Touristenattraktion, dem Geysir.
Dort an der Tankstelle wieder Hochsaison wie immer, Busladungen von Touristen standen im Kreis, wie immer, der Geysir spuckte ein wenig, wie immer. Mir persönlich kam es aber so vor als wären die Eruptionen irgendwie nicht mehr so häufig und nicht mehr so hoch wie früher. Heute jedenfalls machte ich mal kein Foto, das mit der blauen Blase lass ich sein, ein hoffnungsloses Unterfangen.
Ich stand ein wenig ratlos da zwischen all den Menschenmassen. Keine Ahnung was die alle noch vor hatten heute. Bestimmt mehr als ich, so eilig wie sie's hatten. Ich selber hatte eigentlich keinen genauen Plan mehr, hier am Geysir gab es einen Zeltplatz und ein Freibad. Ein Stückchen weiter vermutete ich einen ruhigeren Zeltplatz in Brattholt, ohne Freibad. Danach Kjölur, das wollte ich heute nicht mehr anfangen.
Während ich so ein wenig rumstand, fiel mir noch ein Radler auf, noch ein Isländer wie sich bald herausstellte. Der Dritte seiner Art, der mir in so kurzer Zeit begegnet. Ich schwatzte auch mit ihm ein wenig, er reiste mit seiner Familie ein wenig in Island herum und unternahm dann immer kurze Tagestouren mit seinem Mountain Bike. Und er meinte, vielleicht treffen wir uns wieder im Norden, da fährt er nämlich auch hin. Den langen Weg außenherum und mit dem Auto, nicht durchs Hochland wie ich. Na mal sehen.
Ich selbst beschloß, noch weiter zu radeln, hier war mir irgendwie zu viel Betrieb. Auch wenn das Bad natürlich verlockend wäre. Nach wenigen Kilometern kam ich an das Hinweisschild Brattholt, der nächste Zeltplatz. Allerdings war da das Zeichen "Zeltplatz" eindeutig vor kurzem entfernt worden. Also überlegte ich mir das nochmal, machte schließlich doch wieder kehrt in Richtung Geysir. Das mit dem Bad ist eigentlich eine recht verlockende Idee, ich war ja schließlich noch in keinem isländischen Freibad dies Jahr. Und vielleicht ergibt sich Abends oder Morgens auch mal eine Gelegenheit, den Geysir ohne Menschen zu sehen.
Also baute ich mein Zelt in einem kleinen geschützten Nebental am Campingplatz am Geysir auf, machte mich dann an meinem Anhängerreifen zu schaffen der definitiv Luft verlor und suchte dann das Freibad auf. Entspannen bei 40 Grad, so muss das sein. Dabei entdeckte ich zwei weitere Fahrräder, eines davon ein Liegerad. Die Radler selbst waren aber wie vom Erdboden verschluckt, und die Räder standen vor dem Hotel, was mir einigermaßen komisch vorkam. Auf dem Rückweg zum Zelt traf ich noch zwei Franzosen, beide mit Rad und Anhänger unterwegs und beide recht abenteuerlich. Also war der Abend mit weiteren Fachsimpeleien gerettet, auch wenn das Englisch recht zäh und französisch klang. Sie waren schon auf der Gæsavatnaleið unterwegs, und wollten eigentlich auf der anderen Hvításeite ins Kjölur Hochland und dann auf der Hauptroute F35 zurück. Hochland pur also.
Später trafen am Zeltplatz noch zwei Schweizer mit Mietwagen ein. Die hatten keinen Kocher dabei, weil die Flughafenkontrolle ein wenig zu streng war. Also fragten sie mich ob sie meinen haben könnten. Klar, ich hatte sowieso genug Benzin, also gabs für uns drei noch ein paar mehr leckere Nudeln. Weil, ich bekam natürlich was ab...
Bilder der Tages:

3. August 2003
Kjölur



Das Wetter hatte sich über Nacht noch weiter gebessert, die drohenden Regenwolken vom Vortag waren schon seit Laugarvatn wieder vergessen. Leichter Nordwind, gute Bedingungen für Südisland also. Aber vor dem Aufbruch zum Kjölur stand erst noch das alltägliche lästige Packen, was ich gerne noch ein wenig vor mir her schob. Nebenan am Geysir hab ich selten so wenig Leute gesehen. Nur zwei drei verlorene Seelen waren an dem Morgen schon auf. Trotzdem fiel mir der Abschied nicht schwer, in spätestens einer Stunde würde hier wieder ein vollklimatisierter Reisebus nach dem anderen auftauchen.
Bei blauem Himmel arbeitete ich mich die kleinen Hügel hinauf zum Gullfoss. Im Vorbeifahren merkte ich im übrigen, daß der Zeltplatz in Brattholt tatsächlich irgendwas zwischen geschlossen und nicht mehr vorhanden war. Naja, wenigstens der Gullfoss fällt weiterhin seine zwei Stufen hinab und wird weiterhin von unzähligen Touristen umschwärmt. Von einem Regenbogen war so früh allerdings noch keine Spur zu sehen, also alles in allem recht unspektakulär - wie mans nimmt. Ich jedenfalls fand die Pferde, die sich auf der anderen Straßenseite direkt gegenüber vom Parkplatz von Neugierigen streicheln und fotografieren ließen, viel interessanter als den altbekannten Wasserfall.
Aber bei dem wunderbaren Wetter hielten mich auch die nicht allzulange auf, es war Radelwetter. Nicht umsonst hatte ich meine kurze Radhose angezogen heute. Also ging es los auf die holperige Staubpiste. Die war hier am südlichen Ende im übrigen noch genau so holprig und ungemütlich, wie ich sie in Erinnerung hatte.
Unterwegs begegneten mir bald schon wieder zwei Schweizer, diesmal aber am Rad. Einer von ihnen hatte, so ein Zufall, auch einen Anhänger. Außerdem kamen sie gerade von den Kerlingarfjöll. Das Wort "Nachmacher" kam mir ein wenig in den Sinn, und ich musste an meine Tour vor zwei Jahren zurückdenken. Jedenfalls hat der BOB Yak offensichtlich enorme Popularität unter Islandradlern.
Natürlich begegneten mir auch ne Menge Autos an dem Tag, Feiertagsverkehr am "Highway" eben. Ich selbst kam trotz der ständigen Staubwolken ebenfalls gut voran. Bald fuhr ich an der Blechhütte "Hotel Sandá" vorbei. Ich radelte auch an einigen interessanten Abstechern und Nebenrouten vorbei, die ich mir irgendwann nochmal vornehmen wollte. Zum Gletschersee Hagavatn oder auf dem alten Reiterweg auf der anderen Seite vom Bláfell entlang. Ein andermal, wenn ich nicht gerade meinen Laptop mit mir herumschleppe. Für heute ragte der Bláfell immer drohender, näher und höher vor mir auf.
Schließlich und endlich stand ich vor dem letzten tief eingeschnittenen Tal das ich durchqueren musste. Danach müßte die Piste bergauf gehen, bis ich am Bláfellsháls ganz oben angekommen wäre. Also rollte ich das letzte Mal abwärts und schaltete dann auf den "Bergauf-Gang". Und ich kam gut vorwärts. Fast ganz ohne Schieben kam ich den ganzen Bláfell hinauf. Ich war mittlerweile wohl schon wieder einigermaßen gut in Form und die Eingewöhnungsphase war vorbei. Trotzdem gabs oben am größten Steinhaufen Islands erstmal eine ausgiebige Rast als Mittagspause. Mit strahlend blauem Himmel und grandioser Aussicht.
Links der Langjökull mit seinen Gletscherzungen, an dessen Fuß der Hvítárvatn. Nur wenige Eisberge trieben heute auf ihm. Dahinter in der Ferne unter ein paar Wolken die markanten Berge des Kjölur-Tales, Hrútfell, Kjalfell, Innriskúti und Fremriskúti. Auf der anderen Seite konnte man schon den Hófsjökull erahnen mit den Kerlingarfjöll davor. Während ich genüßlich ein paar Kekse verdrückte, ließ ich das Panorama wirken. Willkommen Zuhause, oder so ähnlich.
Natürlich legte ich einen Stein auf den Haufen, daneben rasten ein paar Autos vorbei, ohne Rast oder Halt. Sicherlich müssten die Insassen heute noch Gullfoss und Geysir abhaken, ein kleiner Aussichstpunkt mehr oder weniger zählt da nicht. Eines der Autos zögerte dann doch ein wenig, bremste auf Schrittgeschwindigkeit, was ist denn das da für eine komische Gestalt, achso nur ein Radler, warum hält der denn hier mitten im Nichts, ach er genießt wohl nur ein wenig die Aussicht, naja weiter. Schließlich hielt noch ein Reisebus, gerade als ich wieder weiterfahren wollte. Das war zwar Zufall, aber gar kein so schlechter wie ich finde.
Die zweite Hälfte des Bláfellsháls war jetzt natürlich die leichtere, wie das Pässe so an sich haben. Ich genoß den Fahrtwind. Zwar war es hier am Nordhang ein wenig schattig und kühl, aber insgesamt war ein angenehmer und warmer Tag und ich werd bestimmt gleich wieder warm wenn die Abfahrt zuende ist. Unten vor der Hvítá-Brücke, wo ich keine Viertelstunde später schon angekommen war, begegneten mit auch schon die nächsten Radler, nochmal zwei Schweizer die bei den Kerlingarfjöll waren und nach Süden unterwegs waren. Aber sie hatten keinen Anhänger, das beruhigt. Dafür hatten sie ansonsten alles was teuer und gut ist an ihren Rädern verbaut, Scheibenbremsen, noble Federgablen und Schnick und Schnack...
Auch ein Auto nutzte die Hvítá-Brücke für einen kurzen Fotostop. Als sie weiterfahren wollten, ging ihr Autoalarm los und weil ich grade in dem Moment vorbeifahre riefen sie mir fröhlich zu "Did you hear that, somebody wanted to steal our car". Das waren dann aber auch für eine Weile die letzten Menschen die mir begegneten. Etwa 10 Kilometer weiter ist eine einsame Berghütte, dort hatte ich meine nächste Pause eingeplant. Und dort ist mir auch der nächste Radler begegnet. Einer von den beiden, die am Vortag am Geysir waren. Sein Liegeradelnder Kollege fuhr den Kjölur per Bus weil er nämlich irgendwelche Probleme mit seinem Liegerad hatte. Während dem kurzen Pauseschwätzchen, das wir hatten, bekam ich außerdem den Eindruck, daß die beiden irgendwie in Cowboy-Manier durch die einsamen Länder der Welt reisen, nicht so sehr um sie kennenzulernen, sondern mehr um dagewesen zu sein. Naja, jedem das seine, aber mir meine isländischen Hochlandpisten bitte. Bei Sonnenschein, genau so wie heute!
Von Norden waren langsam ein paar dunkle Wolken immer weiter nach Süden gezogen. Richtig bedrohlich sah das nicht aus, eher nach ein paar kurzen Schauern, die ich weit vor mir auch schon herunterpasseln sah. Als ich bei der Hütte losfuhr, war noch alles trocken und sonnig, aber ich radelte geradewegs auf das schlechte Wetter zu. Weil es noch so früh war, hatte ich beschloßen heute noch zu den Kerlingarfjöll zu kommen. Das schien mir ein erreichbares Ziel zu sein. Die Piste ist ganz ordentlich, erst hinter meiner Abzweigung wird sie wieder ungemütlich, soviel wußte ich von meiner letzten Kjölur-Tour. Direkt neben der Piste standen immer wieder einige sonnenbeschienene Steinhaufen, ansonsten sah ich hinter mir und zu meinen beiden Seiten noch eine sonnige und öde Steinwüste. Als Kontrast dazu hatte ich vor mir die dunklen Regenschauer. Islandlicht eben, wie aus dem Bildband.
Als ich dann nach zwei Stunden bei einem großen Hinweisschild ankam, "Þú ert í Hálendið, Kerlingarfjöll 15 mínútar", und mittlerweile schon eine geraume Weile unter schattigen Wolken dahingeradelt war, war ich mir nicht mehr ganz so sicher, daß das Weiterfahren so eine gute Entscheidung war. Die selbe Tagesetappe Kerlingarfjöll-Geysir hatte ich von der letzten Kjölur-Tour als recht lang in Erinnerung. Und außerdem war das doch recht frisch geworden mit der kurzen Hose heute. Andererseits war es natürlich schon lange zu spät zum Umdrehen und das warme Bad bei den Kerlingarfjöll-Hütten lockte.
Also bog ich hinter dem Innriskúti rechts ab und stand schon bald bei der ersten Furt. Noch zwei weitere hatte ich vor mir, wenn die Piste sich nicht allzusehr verändert hatte, allesamt nicht tief und mit etwas Mut leicht zu durchschieben. Also Schuhe und Socken irgendwo befestigt und mit den Watsandalen weiterradeln. Es begann schon ganz leicht zu dämmern als ich am Flugfeld vorbeiradelte, schon seit längerem war nichts mehr los mit Verkehr oder so etwas. In ein bis zwei Stunden sollte ich spätestens mein Zelt stehen haben, dann wird es finster.
Die zweite und tiefste Furt. Letztes Mal wollte ich hier nicht durchschieben und hatte stattdessen abgeladen und rübergetragen. Aber darauf hatte ich heute keine Lust mehr, und so richtig tief schien sie mir heute eigentlich auch nicht mehr. In der Zwischenzeit hatte ich eine Menge ganz anderer isländischer Furten erlebt. Also ab und durch, auch das ging problemlos, auch wenn ich mir in Gedanken aufschrieb: Kette mal wieder frisch einölen.
Auf der Weiterfahrt, hinter dem nächsten Bergrücken, wieder eine tolle Aussicht auf dicke Wolken über den Gipfeln der Kerlingarfjöll, Lichtstimmungen wie man sie sich besser nicht wünschen könnte. Das Tal hinuntergerollt nahm ich nicht die Abzweigung zurück zum Gullfoss, dachte aber an die beiden Franzosen die dort lang wollten und einen Holländer von dem ich weiß, daß er dort schonmal langgeradelt ist. Noch sowas, was ich bei Gelegenheit nachholen müßte.
Für heute war ich froh, als ich nach nach ein paar weiteren kleinen Hügeln und Bächen die Hütten greiffbar vor mir hatte. Die letzte Furt, die vor zwei Jahren frisch überbrückt war, entwickelte sich wieder mehr und mehr zur Furt. Denn der Bach verlegte sein Bett ein wenig. Trotzdem, hinter dem letzten steilen Berg müßten die Hütten liegen und ein ruhiger Zeltplatz mit Bad nebendran...
...und heute außerdem eine Campingburg. Es war Feiertag, da fährt man ins Hochland und genießt mal ein wenig Natur. Die Ausländer waren eindeutig in der Unterzahl auf dem gerammelt vollen Zeltplatz.
Naja, erstmal in der Haupthütte kurz Hallo sagen, Zelt aufbauen und ab in den Hot Pot. Der Preis war mit 750 ISK incl. Bad höher als erwartet, aber ich war schon froh, daß es die Hot Pots und das schöne grüne Fleckchen überhaupt gab. Während ich im heißen Wasser lag und den Himmel anschaute, überlegte ich ein wenig: Ich hatte gehört, daß das Wetter in Südisland schon die ganze letze Woche sonnig und warm war. Die Wolken denen ich heute entgegengeradelt war kamen eindeutig mit dem Nordwind, waren also vermutlich für Südisland nicht wirklich gefährlich. Andererseits, wenn das so weiterging und ich so weiterfuhr wie bisher, würde das für mich bald ungemütlich und nass. Andererseits, wenn das schon eine Woche lang so ging mit Nordwind, wirds langsam Zeit, daß der Wind dreht und dem Süden Regen und dem Norden Sonne bringt. Vielleicht hätte ich dann weiterhin Glück mit dem Wetter. Und während ich mich so stundenlang im warmen Wasser eingeweicht hab, merkte ich, daß der Wind tatsächlich gedreht hatte. Südwind. Ich sollte mich morgen beeilen nach Norden zu kommen.
Eigentlich hatte ich aber erstmal einen Wandertag eingeplant gehabt, weil das Wandern war bei meinem letzten Besuch in den Kerlingarfjöll ein wenig zu kurz geraten. Mal sehen wie das morgen wirklich wird, aber erstmal ist es noch Heute und Abend.
Von irgendwo hinter den Bergen leuchtete der tägliche einzigartige rotgoldene Sonnenuntergang herüber, und in der Zeltburg kehrte langsam Leben ein. Bier und Hochprozentiges wurde ausgepackt, ein großer Holzhaufen, der extra dafür aufgeschichtet war, wurde angezündet, die Hüttenbewohner kamen herunter. Die Besitzer und Hüttenwärte brachten ein paar Noten und Liedtexte, die anderen brachten Instrumente mit, an Schlaf war nicht zu denken. Bankfeiertag, man entkommt ihm nirgends. Am ersten Augustwochenende kann man nur auf schlechtes Wetter hoffen, sich ärgern daß irgendjemand nebenan so laut feiert, daß man nicht schlafen kann, oder sich dazustellen und ein wenig mitfeiern. Was auch immer eigentlich gefeiert wird.
Immerhin, allzulange ging das nicht, gegen Mitternacht hatte sich jeder in sein Wohnzelt zurückgezogen, trank vielleicht noch ein wenig, aber es war ruhig und ich konnte gut schlafen, nach einem anstrengenden und wunderschönen Sonnentag.
Bilder der Tages:

4. August 2003
Kjölur

Nach all meinem Philisophieren über das Wetter am Vortag konnte es mich nicht mehr wirklich überraschen, daß es am nächsten Morgen dick zugezogen und bewölkt war. Südwind. Es fiel mir ein wenig schwer mich zu meiner geplanten Wanderung aufzuraffen. Besonders oben in der Bergen wo die heißen Quellen direkt am Gletscherrand zu sehen sind, dort sah es richtig neblig und unangenehm aus. Naja, dachte ich mir, probieren kann ichs ja mal. Meine nächste Etappe bis Hveravellir sollte sowieso nicht so anstrengend sein. Wenn ich jetzt loswandere klart es heute entweder noch auf oder ich dreh irgendwann wieder um und radel gemütlich am Nachmittag noch weiter.
Also meine Wanderstiefel hervorgekramt zwischen Laptop und Digitalkamera und aufgebrochen. Ich wollte über den Hveradalahnjúkur oder daran vorbei auf einem angeblich markierten Wanderweg ins Tal der heißen Quellen und dann auf der anderen Seite des Flusses wieder zurück. Zumindest so ungefähr. Der Anfang war einfach, bergauf von einem Stecken zum nächsten, soweit konnte man trotz Nebel noch problemlos schauen. Aber dann war irgendwie kein Stecken mehr auszumachen in dem Nebel. Oder den Wolken. Schwer zu unterscheiden.
Nach ein wenig Zögern bemerkte ich, daß der Weg hier eine scharfe Biegung nach Osten machte, fast im rechten Winkel. Und als ich in der richtigen Richtung gesucht hab, fand ich auch weiterhin Wegmarkierungen. Also bergauf bergab, an Schneefeldern vorbei, an einem Schneefeldern entlang. Dann fand ich definitiv keine Markierung mehr. Und zu sehen war eigentlich auch noch nichts anderes als Nebel. Nach ein wenig herumtapsen und Spurensuchen gab ich auf. Und nach Wetterbesserung sah es auch noch nicht gerade aus. Dann eben nicht, dachte ich nach dem einstündigen Ausflug. Hab ich wenigstens einen guten Grund mal wieder hierher zu kommen.
Den Rückweg hab ich vergleichsweise einfach wiedergefunden, war ja noch nicht lange her, daß ich ihn in der anderen Richtung marschiert war. Das gab mir auch wieder Hoffnung, daß meine Orientierung doch gar nicht so schlecht war, wie ich ein paar Tage zuvor in London noch gedacht hatte.
Als ich endlich wieder aus den Wolken herauskam und das Tal mit den Hütten unter mir liegen sah, war auch die Zeltburg der Isländer wieder zum Leben erwacht. Einige mutige Spaziergänger kamen mir sogar entgegen. Sie hatten wohl die selbe Idee mit den heißen Quellen und ein wenig Wandern. Kein guter Tag für diese Idee, und so kam ich gegen Mittag zu meinem Zelt und meinem Rad zurück. Ein wenig enttäuscht war ich schon, aber bei dem Südwind hoffte ich im Norden wenigstens auf weniger Wolken.
Nach dem alltäglichen Packritual zog ich kurze Zeit später von dannen. Immerhin, es regnete noch nicht mal. Auf der Piste kamen immer wieder Autos an mir vorbei, eines sogar zweimal. Das war der Hüttenbesitzer der ein paar Wanderer zurück zur Hauptpiste und zu ihrem Busanschluss brachte. Das macht er öftermal soweit ich weiß. Für mich ging das alles etwas langsamer vorwärts, dafür aus eigener Kraft.
Ein wenig überrascht war ich, als ich kurz hinter der zweiten Furt eine einsame Gestalt mit großem Rucksack ausmachte. Ein Wanderer der die Strecke zu Fuß bewältigen wollte. Wir kamen natürlich ein wenig ins Gespräch, er war auch aus Deutschland und wollte die nächsten Tage in den Kerlingarfjöll wandern und auf gutes Wetter warten. Na dann viel Glück.
Als ich eine kleine Furt und eine kurze Weile später am "Highway" ankam und wieder nach rechts auf die Hauptpiste einbiegen wollte, sah ich in der Ferne zwei Radler in die selbe Richtung rasen. Mit gemütlichem Radeln hatte das nicht viel am Hut, schon bald hatte ich sie hinter einigen Hügeln wieder aus den Augen verloren. Und ich dachte eigentlich, daß ich selber schon viel zu zügig unterwegs bin.
Die Piste wurde zusehends holpriger, steiniger, schlechter. Ich war ungefähr genau in der Mitte von nirgendwo. Und vor mir ragte die Wasserscheide und der höchste Punkt der ganzen Route auf. Klar zu erkennen war auch der große Steinhaufen, der dort als Denkmal für den Planer der heutigen Route errichtet ist. Und dort holte ich dann auch endlich die beiden anderen Radler ein, die ich vorhin schon gesehen hatte.
Es waren natürlich "alte Bekannte", die beiden Franzosen mit den Anhängern, die ich schon am Geysir getroffen hatte. Und sie machten gerade zwischen den Steinen eine Mittagspause. Natürlich gesellte ich mich ein wenig zu ihnen. Sie waren vor drei Wochen oder so schonmal hier, damals hatte es geschüttet und war richtig ungemütlich. Heute waren sie mit kurzer Hose recht zufrieden unterwegs. Und sie wollten sowieso gerade weiterfahren als ich daher kam. Da bot es sich natürlich an, ein wenig gemeinsam zu radeln.
So machten wir uns also auf, mit drei Anhängern, nebeneinander, hintereinander, jedenfalls nahmen wir mit unseren Gespannen die ganze Breite der Piste ein. Nicht daß das irgendjemanden gestört hätte, nur ein unvergessliches Erlebnis war das schon, drei Räder, drei Hänger.
Unterwegs hatte ich auch ein wenig Zeit die Räder der anderen zu studieren. Auch wiedermal die Creme de la Creme die da verbaut war, Magura Scheibenbremsen, eine hochwertige Vollfederung, alles was man sich so wünschen kann. Außerdem fiel mir auf, daß der eine von den Anhängern ordentlich mitgenommen aussah. An mehreren Stellen waren scheinbar Schweißnähte gebrochen, nun notdürftig geflickt mit Baumarkt-Teilen die richtig zum abenteuerlichen Gesamteindruck passten. Und das Rad lief auch ein wenig schief. Das ist irgendwo auf der Gæsavatnaleið passiert, erfuhr ich später. Keine Ahnung ob sie da einen isländischen Super-Jeep drüberfahren haben lassen, sie selber meinten es sei wohl ein Montagsmodell. Naja, wenn erstmal eine einzige Schweißnaht nicht mehr hält kommt wohl die ganze Konstruktion an die Grenzen der Belastbarkeit und fällt leichter mal auseinander. Und eine Schweißnaht bricht bei diesem Tempo schnell mal.
Viel Zeit blieb für solche Betrachtungen nämlich nicht, die verging wirklich wie im Fluge. Wir rasten zu dritt durch das Hochland, daß man es beim besten Willen schon nicht mehr als ungefährlich bezeichnen konnte. Der kleine Bach, die einzige "Furt", war in null komma nichts durchbraust, nichtmal richtig angehalten wurde für so eine Pfütze. Weiter bergauf, bergab, über Steine hoppeln, vor den gröbsten Schlaglöchern irgendwie beiseitespringen... Ein Höllenritt! In zwei Stunden kam ich so von der einen Kreuzung, wo es zu den Kerlingarfjöll geht, zur nächsten, wo es nach Hveravellir geht. Ein Wunder, daß noch alles ganz war.
Dort bei der Kreuzung machten wir mal wieder eine kurze Pause, auch wenn es nicht mehr weit war zu den heißen Quellen. Ein paar Kekse wurden ausgetauscht und verspeist. Und während wir da ein wenig rasteten, kam ein Jeep an und blieb vor den vielen Wegweisern stehen. Erstmal wurde im Inneren heiß diskutiert. Nach ein paar Minuten kam jemand auf die richtige Idee. Eine Karte wurde herausgekramt und aufgeschlagen, daß sie die volle Breite des Wagens einnahm. Wir draußen bei unseren Rädern beobachteten das ganze eher gelassen bis amüsiert und verdrückten weiter Kekse. Nach weiteren fünf Minuten fuhr der Jeep noch ein Stückchen, um die Wegweiser aus einer anderen Perspektive zu sehen, danach weitere Beratungen. Wir drei überlegten langsam schon, ob wir nicht hingehen und ihnen helfen sollten, ließen das dann aber. Und Tatsache, nach weiteren fünf Minuten hatten sie es auch alleine geschafft, die Karte wurde wieder zusammengefaltet und verschwand. Man hat sich geeinigt, daß die Route nach links womöglich die richtige nach Hveravellir ist. Wir applaudierten ein wenig und lachten herzhaft als der Jeep umständlich seinen Weiterweg antrat.
Auch wir packten unsere Sachen. Es war wie gesagt nicht mehr weit, ein paar letzte kleine Hügelchen, dann rollten auch wir hinab zu den Hütten Hveravellir, wo natürlich wiedermal Hochsaison war. Irgendwie verlor ich die Franzosen bald aus den Augen, die haben wohl erstmal gekocht oder so. Nach einem Gruppenfoto der drei Räder schob ich mein Gespann bald alleine auf den Zeltplatz um nach den Flecken mit Fußbodenheizung Ausschau zu halten. Und ich hatte Glück. Scheinbar wußten die anderen Gäste nichts von dem unterirdischen Bach der da langfließt. So wie ich bei meinem ersten Besuch ja auch nicht. Mittlerweile weiß ichs aber besser und für mein kleines Zelt war genau noch richtig Platz. Das Rad lehnte ich an die steile Böschung vor meinem Eingang. Frieren würde ich heute nicht mehr!
Erstmal machte ich mich aber ein wenig zum Wandern oder besser Spazierengehen auf. Das Wetter war mittlerweile deutlich einladender dafür, wenn auch immernoch recht bewölkt. Außerdem war es mir schon einigermaßen spät. So kam ich nur noch zu Eyvindurs Höhle und zu seinem Schafstall, einigen Basaltformationen nicht weit vom Zeltplatz. Dieser Geächtete hat überall im isländischen Hochland ein paar Spuren und Ruinen hinterlassen. Nachweislich, versteht sich. Na, wenns nicht stimmt ists gut erfunden.
Danach besuchte ich noch ein wenig die heißen Quellen. Sie spuckten ihren Dampf wie eh und je, die Warmwasserversorgung für den Hotpot funktionierte einwandfrei wie immer. Und nach ein wenig Abendessen ging es ab ins warme Wasser. Es war richtig spät, und auch wenn ich heute nicht allzuweit geradelt war, es war ein Höllenritt der mir noch ordentlich in den Knochen saß. Das Entspannungsbad tat da richtig gut.
Im Pool hörte ich dann nicht nur "Ach, mit sowas könnte man zuhause ein Vermögen verdienen" und die anderen üblichen Poolgespräche. Statt dessen traf ich zwei Deutsche die mit Auto unterwegs waren und heute ins Þjófadalur gewandert waren. Sie schwärmten von dem unglaublichen Grün, daß sie dort gesehen hatten und ärgerten sich ein wenig über die Ungenauigkeit ihres Wanderführers, dank dessen sie sich fast verlaufen hatten. Außerdem war ein junges deutsches Mädel da, die 6 Wochen durch Island trampen wollte. Aber sie hatte schon eine ganze Weile damit verbracht, auf eine neue Kamera zu warten. Ihre alte war irgendwie kaputgegangen, aber sie hat genug Zeit das gelassen zu sehen, und sich per Post eine neue hinterherschicken zu lassen. Und wie üblich waren natürlich alle drei schwer beeindruckt, wie man sich Island mit dem Fahrrad antun konnte. Ich persönlich hab noch sehr viel mehr Respekt vor den Hochlandwanderern, wie dem deutschen von heute Mittag. Aber die sind meistens in so abgeschiedenen Ecken unterwegs, daß sie niemanden treffen.
Jedenfalls genoß ich den Abend, machte ein paar vage Pläne für morgen, hatte aber immer noch kein genaues Ziel vor Augen. Irgendwie eben nach Akureyri, und dort ein wenig überflüssiges Gepäck zwischenlagern. Danach könnte ich alles etwas gemütlicher angehen und mich auf die nächsten Hochlandetappen im Osten einstellen. Auch wenn das für mich alles noch weit weg war, noch viel weiter weg waren Alltag, Stress und alles was mich vor einer Woche noch voll und ganz im Griff hatte.
Bilder der Tages:

5. August 2003
Kjölur

Am nächsten Morgen sah es überraschenderweise doch wieder ein wenig wolkiger aus. Nicht so richtig durchweg grau und dunkel und regnerisch, aber auch nicht blau mit ein paar wenigen Wolken. Irgendwas dazwischen, viele kleine Cumuluswolken die eine dicke Schicht bildeten. Angenehmes Radelwetter jedenfalls, nicht zu warm und staubig, aber eben trotzdem warm und angenehm trocken. Wie auch immer, ich verabschiedete mich schon bald von den beiden Franzosen, die wieder zurück in den Süden wollten. Auch ein holländischer Radler, der gestern noch eingetroffen war, hatte andere Pläne als ich, er wollte die zweite Hälfte Kjölur mit dem Bus fahren.
Aber bei dem Wetter war ich schon recht früh auf der Piste. Ich war prächtig erholt nach der angenehmen Nacht mit Fußbodenheizung. Und bald war ich schon wieder an der Kreuzung mit den vielen Wegweisern nach Norden und Süden. Ich wandte mich nach Norden, Richtung Blönduós und Varmahlíð. Das erste Stückchen war noch recht holprig und steinig, recht bald kam dann der längste Zaun Islands, quer durch die Insel. Anhalten, Absteigen und Gatter aufmachen war angesagt. Und weil in der Ferne gerade ein großer Reisebus von Norden ankam (so früh schon so weit?) machte ich noch ein kurzes Kekspäuschen und hielt denen das Gatter offen. Somit hatte ich auch ausgiebig Zeit, das Schild vom Gesundheitsamt oder Landwirtschaftsamt Islands zu lesen, das den Zaun erbaut hatte, um die Ausbreitung von Schafseuchen einzugrenzen: Bitte das Tor schließen!
Bald danach führte die Piste über ein paar Hügel am Dúfunefsfell, dahinter wurde sie besser, wenn ich mich richtig erinnerte. Ein deutscher Radler kam mir entgegen. Er hatte bei der Nothütte Arnarbæli übernachtet und bei der kurzen Plauderpause wollte er jetzt wissen, wie denn die Piste so weitergehen würde. Er nahm es einigermaßen gelassen, daß er gerade am Anfang des schelchtesten Stückchens war, die richtige Einstellung bei dem heutigen Wetter.
Ich selber genoß den Tag immer mehr. Vor mir waren zusehends weniger Wolken, hinter mir die zerzauste Cumulusschicht, die sich wie ein wunderschönes Gemälde über die Kulisse des Kjölur Hochlandes spannte. Ein wenig schattig war es zwar gelegentlich, aber nachdem ich immer mal wieder ein wenig bergauf zu strampeln hatte war Frieren nicht so sehr ein Problem. Schließlich kam ich zum Hügel mit der roten Schutzhütte Arnarbæli und dort oben machte ich ein Päuschen.
Abgesehen von der eindrucksvollen Aussicht auf das Land das ich in den letzten Tagen durchradelt hatte gab es ein interessantes Gästebuch zu studieren, in dem ich mich auch abermals verewigte. Was da alles für Leute vorbeikommen, und wieviele verschiedene Gedanken an das Hochland sie dort hinterlassen, immer wieder spannend. Und während ich da so blätterte, hielt draußen vor der Türe ein Auto. Es waren die beiden Deutschen die ich gestern im HotPot von Hveravellir getroffen hatte. Erst jetzt hatten sie mich eingeholt, und als sie mein Fahrrad gesehen haben hielten sie mal kurz an. Und weil es hier trockener war als im heißen Wasser gestern, bekamen sie noch ein paar der "Geheimtips" über die wir geplaudert hatten auf der Karte gezeigt, bedankten sich und wünschten mir noch viel Glück, und schon waren sie weitergebraust.
Ich machte mich auch bald wieder auf den Weiterweg. Die Piste wurde deutlich besser, die Landschaft wieder deutlich grüner und freundlicher. Hinter dem nächsten Hügel kam eine "Blindhæð", eine unübersichtliche Stelle mit Überholverbot und dem ersten Hinweisschild seit langem. Das vermutlich unnützeste derartige Schild in ganz Island, trotzdem hielt ich mich außnahmsweise auch ohne Verkehr mal an meine Spur.
In den grünen buckeligen Hügeln, die sich anschlossen, gab es auch zum ersten Mal seit längerem wieder Schafe zu sehen. Ich kam der Zivilisation deutlich schneller näher als ich es mir gedacht hätte. Am Horizont konnte ich sogar schon die Ufer des Blöndulón ausmachen. Dort würde die Piste nur zu bald zwischen den Stauseen entlangführen.
So radelte ich bald über die nächste Brücke. Irgendwo dort zweigte eine kurze Piste nach Áfangi ab, einem kleinen Kaffe mit Zeltplatz, Pferdeverleih und wer weiß was noch allem. Dort wurde ein wenig gebaut, Bagger schaufelten eifrig neben der Piste im Erdreich herum, warum auch immer. Für mich war der nächste Halt oben am Gipfel des Áfangafells, oberhalb der Hütte Áfangi.
Von dort hatte ich einen letzten Blick auf Hófsjökull, Kerlingarfjöll, Kjalfell und natürlich Langjökull. Das gesamte Hochland also, all die Berge die in den letzten Tagen so schnell oder langsam an mir vorbeigezogen waren. Mit den unzähligen kleinen Wölkchen darübergestreut ein wunderbarer Anblick. Da muss ich wieder mal hin, soviel steht fest, vielleicht auch mal zu Fuß an die abgeschiedeneren Ecken, wer weiß.
Aber für heute war es gerade mal Mittag, noch genug Zeit um ein ganzes Stück weiterzukommen heute, vermutlich sogar noch bis Varmahlíð. Also schwang ich mich nach ein paar Mittags-Keksen wieder auf meinen Drahtesel und es ging weiter. Das letzte Stück war einigermaßen langweilig, immer wieder Stauseen auf beiden Straßenseiten, ein paar kleine Hügel rauf und runter, ansonsten alles eintönig grün und flach. Die durch Frost geformten Buckelwiesen auf beiden Seiten des Weges sind zwar eine angenehme Abwechslung, wenn man gerade aus dem steinigen, vegetationslosen Hochland kommt, aber irgendwie waren sie auf Dauer auch recht eintönig.
Das Wetter wurde im Norden wie erwartet immer besser und sonniger, genauso wie die Piste. Während ich mit den wenigen Schatten der Wolken um die Wette radelte, kam ich zügig voran. Schon von weitem sah ich aber einen Radler der mir entgegenkam, deutlich langsamer. Er hatte ja auch den Wind von vorne und nicht von hinten. Beim kurzen Gespräch, das sich natürlich zwangsläufig ergab, fragte er, ob das kleine Kaffe in Áfangi noch existiert, so wie in seinem Radreiseführer beschrieben. Na klar. Das ist gut, Koffein ist immer gut... Er war wohl erst recht spät in die Gänge gekommen heute, und vermutlich war ihm dabei der Morgenkaffe ausgegangen.
Naja, am frühen Nachmittag stand ich am oberen Ende des Blönduvirkjun Kraftwerkes, oberhalb der Schlucht der Blandá. Und ich hatte allerbeste Laune. Trotz der ordentlichen Distanz, die ich heute schon geradelt war, fühlte ich mich noch kein bißchen erschöpft. Bis Varmahlíð komm ich heute noch ohne Probleme. Genug Zeit für eine zweite kurze Mittagspause. Vor mir lag erstmal eine asphaltierte Abfahrt hinunter ins Tal, dann noch ein größerer Pass und schon wäre ich im Skagafjörður, einer völlig anderen Landschaft als noch heute morgen. Das merkte ich auch schon als ich unten im Tal angekommen war. Landwirtschaft prägte das Bild, verstreute einsame Farmen, typisch Island. Und ein Traktor überholte mich natürlich auch gleich. Durch derartige Landschaft würde ich wohl die nächsten paar Tage noch länger fahren, bevor ich wieder ins Hochland abbiegen wollte.
Außerdem kam ich mal wieder auf andere Strecken, nicht nur eine "F35". Hier fingen die Nummern alle mit ner 7 an. 733, 731, was auch immer. Und nach zwei Brücken über Blandá und ihren Nebenfluss Svartá kam ich sogar auf die Ringstraße Nummer 1, zum ersten mal auf dieser Reise. Die Ringstraße führte bald wieder hinauf in die Höhe, aus der ich eigentlich gerade gekommen war. Also mußte ich wieder ordentlich bergauf strampeln. Aber auch das war kein wirkliches Problem und ich genoß mehr die Aussicht als mir über den Berg Gedanken zu machen.
Als ich oben war konnte ich nach rechts hinten ein paar letzte Blicke auf den Langjökull werfen und in das tiefe Tal der Blandá. Der Kjölur "highway" der für so viele Radler jedes Jahr die Hochlanderfahrung schlechthin ist, war für mich eher der gemütliche Einstieg, "Training on Tour" für das was in Ostisland noch vor mir lag. Aber davor sollte ich doch besser erstmal meinen Laptop irgendwie in Akureyri zwischenlagern, dieses Stück Extra mußte nun wirklich nicht sein.
Vor mir lag der Vatnshlíðarvatn in einem Nebental des Skagafjörður, in das ich nun gemütlich hinabrollen konnte. Überhaupt ging es nur noch bergab und der Fahrtwind pfiff recht ordentlich. Trotz meines enormen Tempos konnte ich noch rechtzeitig Halt machen bei einem Parkplatz, von dem man das Skagafjörðurtal überblicken kann. Wiedermal erinnert ein Steinhaufen an bedeutende Persönlichkeiten, diesmal einen Dichter aus der Gegend. Dahinter breitete sich das Tal aus, breiter als die meisten vom Gletscher eingeschnittenen Fjorde. Ist wohl auch anders entstanden, vor ein paar Millionen Jahren verlief hier mal "Die Grenze zwischen amerikanischer und eurasischer Platte".
Auf dem weiteren Hinunterweg nach Varmahlíð kam ich am Abzweig zur Kirche Víðimýri vorbei. Allerdings sah der Weg so ungemütlich steinig aus, daß ich beschloß, erstmal lieber mein Gepäck zum Zeltplatz zu bringen. Und weil ich nicht so genau wußte wo das eigentlich genau war, machte ich noch einen Halt bei der Tankstellensupermarktimbissbude und versorgte mich mit ein paar frischen Vorräten. Später dann ein leckeres Abendessen auf dem recht einsamen und gemütlichen Zeltplatz, ein Sonnenuntergang der die gegenüberliegenden Hänge rot anleuchtete, ich beschloß meinen Besuch bei Víðimýri abermals zu verschieben, auf morgen früh. Auch das Schwimmbad hatte um diese Uhrzeit nichts mehr zu bieten, also verkroch ich mich fröhlich, frisch und munter in meinen Schlafsack. 100 Kilometer Hochland? Das war mir nicht genug für heute!
Bilder der Tages:
  • 03-1-20-hveravellir.jpg(37861 bytes): Mein Gefährt am längsten Zaun Islands im Kjölur Hochland
  • 03-1-27-afangafell.jpg(39075 bytes): Cumuluswolken und Steinhaufen am Nordende des Kjölur Hochlands
  • 03-1-28-blanda.jpg(29639 bytes): Das Tal der Blandá, zwischen Blönduós und Varmahlíð
  • 03-1-29-varmahlid.jpg(45618 bytes): Am Zeltplatz in Varmahlíð mit bestem Blick auf den Skagafjörður
  • pano-arnarbaeli.jpg(189139 bytes): Das Kjölur Hochland zwischen Hofsjökull und Langjökull, aufgenommen bei der Schutzhütte Arnarbæli. (Panorama erstellt aus 6 Einzelbildern)

6. August 2003
Skagafjörður



Ich war meinem Zeitplan, soweit ich überhaupt einen hatte, wiedermal weit voraus. Genaugenommen hatte ich an der Uni in Akureyri bescheidgegeben, daß ich am Wochenende vermutlich mal vorbeikommen wollte, also erst in drei Tagen, um meinen Laptop endlich loszuwerden beispielsweise. Jedenfalls hatte ich noch genügend Zeit ein wenig im Skagafjörður herumzuradeln heute und dann den langen Weg an der Küste entlang rund um die Tröllaskagi zu nehmen. Also hatte ich es auch nicht besonders eilig mit dem Aufstehen am nächsten Tag, zumal es ein wenig zugezogen war über Nacht. Vielleicht lichtet sich das nach ein bißchen Warten ja noch.
Erstmal machte ich einen kurzen Ausflug zurück zur Kirche Víðimýri, kurz vor dem Ort. Diese kleine Kirche schaut irgendwie noch richtig nach Wikingern aus. Laut irgendeinem isländichen Museumsdirektor, Präsidenten oder was auch immer ist sie eine der typischsten für Island. Jedenfalls finde ich dieses schwarze Holz mit ein paar leuchtenden umrahmten Fenstern unter einem Grassodendach immer wieder reizvoll und genoß deshalb dieses kleine Kirchlein.
Aber obwohl es schon auf Mittag zuging war der Himmel immer noch zugezogen. Also heute mal wieder die lange Radelhose ausgepackt und alles andere gut eingepackt, dann ging es los mit meinem Gespann. In Glaumbær gab es noch ein berühmtes Museum, danach vielleicht nach Hólar, wo es ein Bad und einen Zeltplatz nebeneinander geben sollte. Sowas ist immer ein lohnendes Ziel für den Abend. Also machte ich mich auf der 75 Richtug Sauðarkrókur und Norden auf.
Schon nach weniger als einer halben Stunde kam ich in Glaumbær an. Das ist ein alter Priestersitz, also gibt es eine große Kirche und ein großes altes Wohnhaus, das sich bis heute erhalten hat. Und was macht man heutzutage mit so einem alten Ding? Natürlich ein Museum. Das Mädel, das dort als Sommerjob gerade die Eintrittskarten verkauft hat, sprach sogar ein wenig Deutsch. Allzuviele Touristen waren nicht unterwegs, also hab ich mit ihr ein wenig geübt. Und mir natürlich das Museum angeschaut, die ganzen alten Gerätschaften und was nicht alles sonst noch dort ausgestellt ist. Schon beeindruckend wie geräumig und wohlhabend so ein Priesterhof früher war, auch wenn natürlich viel mehr Leute unter einem Dach wohnten.
Als ich dann weiter wollte war der Himmel immer noch recht zugezogen und grau. Ich dachte schon, das wird wohl nichts mehr, hab im Geiste schon das Regenzeug angezogen, aber es blieb trocken. Und so kam ich nach Sauðarkrókur. Dort an der Tankstelle mal wieder ein Softeis, ein wenig im Supermarkt herumtrödeln, dann wollte ich auch schon wieder weiter. Aber während ich mich noch im Ort zurechtzufinden versuchte, klarte der Himmel mehr und mehr auf. Na das wurde aber auch Zeit. Das Weiterfahren fiel da doch gleich viel leichter.
Ich war weiter auf der Straße Nummer 75 unterwegs, die hier einen Bogen machte und mich jetzt an der Küste entlang nach Osten führte. Und auf halbem Wege durch das breite Tal liegt dort eine Halbinsel Hegranes, mit Flüssen auf beiden Seiten. Vermutlich sind das irgenwelche alten Vulkangesteine die dort auf dem ehemaligen mittelatlantischen Rücken alte Magmakammern bildeten und jetzt vom Wasser nicht so leicht abzutragen waren, aber ich hab ja keine Ahnung. Jedenfalls waren es mal wieder ein paar kleine Hügel, die ich hinaufstrampeln mußte und hinuterrollen konnte.
Im Nu waren die Wolken von heute Morgen restlos verschwunden, mittlerweile hatte ich wieder bestes Sommer-Sonnen-Wetter. Als ich dann an einem kleinen Hinweisschild "Hegranesþing" vorbeikam, nutzte ich den Abstecher für ein bißchen Rast. Laut Hinweisschild spielte hier ein wichtiger Teil der Grettirsaga, aber eigentlich ist von alter Größe und der alten Þingstätte nicht viel zu sehen. Höchstens ein paar Mauerreste kann man unter den Grasbuckeln erahnen, auf denen jetzt die Schafe weiden. Trotzdem, an einem angenehm warmen Sommertag ein wenig im Gras liegen und den nicht-existenten Wolken zuschauen, das ist Urlaub!
Irgendwann raffte ich mich wieder auf und radelte auf die andere Seite des Skagafjörðurtales. Dort konnte ich schon von weitem die Autos auf der Straße 76 langflitzen sehen, nach Norden, Hofsós und Siglufjörður und nach Süden zurück ins Tal. Als ich selber Richtung Hofsós einbog, fiel mir zum wiederholten Male auf wie landwirtschaflich geprägt die Gegend ist, und wofür sie am berühmtesten ist: Pferde! Neben ein paar Kühen gab es hier fast nur Pferde auf den Weiden, und man merkte bald, daß die Bewohner auch stolz auf ihre Pferde sind. In die Hoftore waren stilisierte Pferde eingearbeitet, an den Hauswänden gelegentlich noch mehr Pferdebilder. Ein paar Reiter kamen mir dann auch entgegen, auf dem kleinen Reitweg neben der Asphaltstraße. Wir grüßten uns freundlich.
Aber schon bald bog ich nach rechts ab, Richtung Hólar. Nun war ich wieder in einem typischen schmalen Gletschertal unterwegs. In der Mitte ein kleiner Fluß zu dessen beiden Seiten einige vereinzelte Höfe stehen, weiter oben wird der Talrand steil um hinter der obersten Kante unvermittelt plötzlich in einer Hochebene auszulaufen. Weit vor mir sah ich schon bald einen markanten spitzen Kirchturm aufragen. Ich konnte mir denken, daß das wohl der isländische Bischofssitz und somit Hólar sein mußte. Sah jedenfalls nett aus heute, zwischen sonnenbeschienenen Weiden mit einem kleinen dunklen Wäldchen nebenan und mit dem riesigen Berg dahinter, über dem sich ein klarer blauer Himmel spannte. Sommer eben!
Am Ort selber gönnte ich mir schon wieder ein Eis, spazierte dann ein wenig herum, zur Kirche, durch den Wald und zu ein paar alten Torfhäusern die gerade renoviert wurden. Alles in allem wirklich einladend und schön und ich hätte gern hier übernachtet. Aber es war eigentlich noch recht früh heute und ich könnte auch noch eine ganze Ecke weiterradeln. Während ich eine Weile im Wald herumwanderte und mir auch sonst alle erdenkliche Zeit ließ, wollte mir auch keine so rechte Lösung einfallen. Schlussendlich entschied ich mich doch noch ein wenig zu radeln. Was ich heute schaffte bräuchte ich morgen nicht mehr zu radeln, und wer weiß, wie das Wetter morgen wird. Ich war noch nicht so wirklich weit gekommen da bereute ich das schon wieder ein wenig. Eigentlich war Hólar doch ein recht netter Ort zum Verweilen. Aber ich wollte nicht schon wieder umdrehen, also beschloß ich statt dessen lieber ein andermal wiederzukommen.
Diesmal radlte ich auf der anderen, nördlichen Flusseite entlang zurück auf die Hauptroute nach Hofsós. Beide Wege schienen mir schön, bei dem Sonnenschein. Ein wenig eintönig ging es dann weiter auf der 76 zwischen Höfen und Feldern. Aber ich hatte eine schöne Aussicht auf die Bucht und die Inseln darin. Auf denen wimmelt es im Frühsommer angeblich nur so von Vögeln und deswegen waren sie in alten Tagen die "Vorratskammer" des Skagafjörður. Auch Grettir der Starke, der alter isländische Sagenheld soll auf eine der Inseln verbannt worden sein.
Wie auch immer, ich erreichte bald das nächste Kirchlein und meinen nächsten Halt, Gröf. Somit war das wohl der kirchenreichste Tag der Reise. Eine wirklich nette kleine Holzkirche und gleichzeitig eine der ältesten in ganz Island kam zu meiner heutigen Sammlung dazu.
Nur wenig weiter lag dann auch schon der Ort Hofsós. Eigentlich hatte ich immer noch keine rechte Lust anzuhalten, aber im Farmland nördlich von hier wild zelten wollte ich noch weniger, und die nächste richtige Zeltgelegenheit war dann noch eine ganze Ecke weiter entfernt. Also hab ich mich ein wenig in dem kleinen Flecken umgeschaut, das laut Karte eigentlich deutlich größer aussah. Bei einer ersten Rundtour konnte ich noch keinen Zeltplatz finden, dafür einige schöne neu-alte Häuser am Hafen. Nach noch einer Runde durch den Ort fand ich schließlich neben dem Sportplatz, wo auch sonst, eine Zeltwiese mit nur sehr wenigen Gästen. Ein einfaches aber gemütliches Plätzchen.
Abends unternahm ich noch einen kleinen Spaziergang durch den Ort, stellte bei genauerer Unersuchung fest, daß die schönen alten Häuser am Hafen ein "Auswanderermuseum" beherbergen, gewidmet den vielen Isländern die ihr Glück in der neuen Welt suchten. Außerdem sah ich am Horizont fern im Süden den Mælifell aufragen, den man vom Kjölur Hochland aus anpeilen kann, wenn man in den Skagafjörður kommen will. Vorerst meine letzte Erinnerung ans Hochland. Ein schöner stiller Sonnenuntergang war draußen am Meer zu sehen und eine angenehme ruhige Nacht brach an.
Bilder der Tages:

7. August 2003
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, strahlte die Sonne schon was das Zeug hält. Das gibt sicherlich noch Regen am Abend, dachte ich mir, ich bin ja schließlich in Island. Aber fürs erste genoß ich das gute Wetter und packte mein Zeug zusammen. Aber, ein Problem hatte ich noch. Gestern war nirgends jemand da der Geld haben wollte für den Zeltplatz. Und heute morgen auch nicht. Und einen Hinweis, ob man denn irgendwo anklopfen und nachfragen sollte, konnte ich auch nicht finden. Als ich um 10 Uhr abfahrbereit war und immer noch nichts bezahlen musste, beschloß ich kurzerhand, daß der Platz hier heute kostenlos war, und radlte los.
Die Hauptstraße am Ort vorbei und weiter nach Norden wurde gerade ein wenig umgeleitet, weil irgendwo eine Brücke repariert wurde. Das hatte ich schon bei meinem abendlichen Spaziergang gestern festgestellt, und so fand ich trotz der schwierigen Verkehrssituation den richtigen Weg auf die einzige Straße weit und breit.
Die Landschaft, durch die ich bald kam, war sehr ruhig und einsam. Ein paar verstreute Schafe streunten durch die Wiesen und Weiden und immer wieder gab es einen Zaun aus den malerischen alten Holzpfosten. Mit Sonnenschein und dem Nordatlantik an meiner Seite war das Vorwärstkommen ein Genuß.
Bald schon wurde die Landschaft karger und die Schafe seltener. Auch die immer spärlicheren Höfe hatte ich bald hinter mir gelassen, von Verkehr kann man auf diesen einsamen Strecken sowieso nicht wirklich reden. Schließlich ließ ich auch den Asphalt wieder hinter mir, zumindest für ein kleines Stückchen. Asphalt und eine feste Schotterpiste wechselten sich ab. Außer mir waren wie gesagt nur wenige Autos unterwegs, auffällig viele vom Vegagerðin. Vermutlich wurde grad ausgelotet, wie man auch die fehlenden Stückchen noch mit Asphalt versehen könnte. Im übrigen kam ich auch hin und wieder an den bekannten blauen Hinweisschildern vorbei, einen Zeltplatz und ein oder zwei Bauernhofhotels gab es dort. Und irgendwo sogar ein Bad, dessen Öffnungszeiten auf einem Schild neben der Straße standen. Vermutlich insbesondere für die Einheimischen, die auf den umliegenden Höfen verstreut leben. Touristisch erschlossen ist diese Ecke Island jedenfalls nicht wirklich, was ihr aber keineswegs den Reiz nimmt.
Rechts von mir ragten schon seit einiger Zeit die Berge des Tröllaskagi hoch empor. Bald konnte ich auch einen Blick auf das nördlichste Ende der Halbinsel werfen. Hinter den Bergen, ganz im Norden liegt irgendwo Siglufjörður, und da führte meine Straße auch hin, wenn ich nicht rechtzeitig abbog. Lange Zeit führte zu diesem abgelegenen Ort gar keine Straße und es war mühsam dorthin zu gelangen. Heutzutage schien es mir nur noch für Radler mühsam, eine Bucht hinein, die nächste wieder hinaus und gelegentlich mal über einen kleinen Berg, fast schon eine Fjordlandschaft.
Eine kleine Pause von karger Berglandschaft hatte ich in der Bucht Fljótavík. Dort sah ich wieder ein typisches vom Gletscher eingeschnittenes Tal in dem heute ein kleiner Fluß zwischen grüner Weidelandschaft ein paar verstreuten Farmen ein Auskommen ermöglicht. Und dieses Tal hinauf führte meine weitere Route, über einen Pass nach Ólafsfjörður und weiter bis Akureyri. Bei der Wegkreuzung von 76 und 82 gab es auch eine kleine Tankstelle und die nutzte ich zu einer frühen Mittagsrast.
Auf der Weiterfahrt das Tal hinauf wurde es bald immer schattiger und wolkiger. Zunächst machte mir das nicht so viel aus, denn es ging ein paar Berge hinauf und wieder hinunter, eine gute Übung zum warm werden also. Isländische Straßenplanung ist nicht für Radler ausgelegt. Auf einem kleinen Gipfel hielt schon ein Caravan, dahinter ging es nochmal halsbrecherisch runter vor dem eigentlichen Pass. Als ich ebenfalls ein kleines Verschnaufpäuschen einlegte, kamen die Insassen heraus und sprachen mich mit einem astreinen englischem Akzent an. Komisch, das Nummernschild war doch französisch. Wie auch immer, sie waren 6 Wochen lang hier unterwegs und während wir über die Routen berieten erzählten sie, sie hätten irgendwo aufgeschnappt, die Sprengisandur-Piste sei landschaftlich reizvoller als die Kjölur-Route. Ich widersprach zwar heftig, aber erfolglos. Naja, aus der Autofahrerperspektive vielleicht, das kann ich nicht beurteilen.
Bald rollte ich wieder weiter, den steilen Berg hinab. Vor mir sah ich schon den Hreppsendasúlur, den Berg wo der Verwaltungsbezirk endet, und hinter dem ging es laut Karte in einer Kurve steil bergauf in die Lágheiði. Die Karte hatte recht. Und so hatte ich bald einen recht schönen Ausblick auf das Tal hinter und unter mir und bei dem etwas zähen Tempo bergauf auch genug Zeit, den zu genießen. Leider war von dem besten Sonnenschein nicht mehr viel übrig, aber trotzdem leuchteten in Moos und Gras wunderschöne Grüntöne.
Die Piste ging weiter steil hinauf und hinauf, bis ich oben bei der Schutzhütte angekommen war dauerte das noch ein Weilchen. Die Aussicht von dort oben in das nächste Tal auf Ólafsfjörður, Fjord, Tal und Ort gleichen Namens, war schon recht beeindruckend. Noch schöner wäre es aber gewesen, wenn nicht der kalte Wind aufgekommen wäre und nicht die dicke Wolkenschicht vor die Sonne gezogen wäre.
Als nächstes musste ich die ganzen Höhenmeter wieder hinunterradeln und -rollen. Das wurde dann richtig unangenehm kühl im Fahrtwind. Zudem musste ich ja nicht wirklich selber was zum Tempo beitragen, eher bremsen auf dem steinigen Straßenbelag, also kühlte ich noch mehr aus und bereute es langsam wirklich, daß ich bei dem sonnigen Morgen lieber die kurze Radhose angezogen hatte.
Und während ich da so hinunterdüste, sah ich weit vor mir irgendwo auf der Piste einen einsamen Radler mir entgegenkommen, ohne Packtaschen ohne alles. Sicher nur irgendein Junge der zum Nachbarshof radelt dachte ich mir. Aber weit gefehlt! Als ich näher kam, erkannte ich den Radler wieder. Und er mich. Vor ein paar Tagen erst hatten wir uns am Geysir gesehen, es war der Isländer der mit Familie, Fahrrad und Auto das Land bereiste. Und wie gesagt wollte er in den Norden, und dort trafen wir uns jetzt wieder. Er wollte heute auf ein paar wirklich abenteuerlichen Bergpisten zwischen Siglufjörður und Ólafsfjörður sein Rad ausfahren. Alte Fahrwege die niemand mehr kennt oder benutzt. Mountain-Biken ohne Gepäck eben. Na dann viel Spaß!
Nach dem freudigen Wiedersehen kam ich am frühen Nachmittag in den ersten größeren Ort seit langem. Ólafsfjörður. Nicht daß er wirklich groß wäre, aber er hat wohl alles was man so braucht. Sogar eine Skisprungschanze mitten im Ort, weil es im Winter wohl oft recht viel Schnee dort gibt. Ein wenig eigenartig im übrigen, als Olaf in Ólafsfjörður auf der Ólafsgata am Ólafhúsið vorbeizuradeln. Ich gönnte mir mal wieder einen HotDog, aber abgesehen von den Namen gab es heute nicht allzuviel was mich dort gehalten hätte. Wenn ich weiter so zügig unterwegs war, schaffte ich es vielleicht heute noch bis Akureyri. Einen Versuch ist es wert.
Dummerweise gab es gleich hinter dem Ort einen Tunnel zu durchfahren. Es gibt auch eine alte Piste über den Berg, aber die sah von unten schon recht arg steinig und verfallen aus. Also ab in den Tunnel. Licht hatte ich nicht an meinem Rad, aber dafür gibts ja die Straßenbeleuchtung. Und der besondere Kick: die Straße ist nur einspurig mit gelegentlichen Ausweichstellen. Als Radler kommt man aber gelegentlich nicht mehr bis zur nächsten Ausweichstelle, also musste ich auch ab und zu mal zwischen Straße und Wand halten. Und dabei merkte ich dann, wie schlammig und nass das in so einem Tunnel doch sein kann. Und kalt. Und das Ganze ging etwa 3400 Meter lang so, meistens schnurgerade, so daß man das Gefühl hat gar nicht voranzukommen. Im übrigen patroullierte wohl gerade eine Geschwindigkeitskontrollstreife. Und die haben bei mir eindeutig geblitzt, vermutlich um zu sehen was das denn für ein Ding ist da im Schatten am Straßenrand, jedenfalls bestimmt nicht weil ich zu schnell war. Vermutlich ist der Tunnel offiziell für Radler gesperrt, oder sagen wir mal so, er wäre es wenn irgendjemand damit rechnen würde daß sich überhaupt jemand mit dem Rad dorthin verirren könnte. Jedenfalls war ich heilfroh als ich am anderen Tunnelende unversehrt herausgekommen war.
Dort machte ich erstmal eine kleine Pause und schaute in den Eyjafjörður. Dort hinten in Akureyri würde ich also das nächste halbe Jahr verbringen (und im übrigen auch zum großen Teil diesen Bericht schreiben). Naja, das werd ich mit weniger Wolken sicherlich auch nochmal erleben, dachte ich mir. Mittlerweile war es von Süden her einigermaßen zugezogen, wird bestimmt noch regnen, dachte ich mir. Trotzdem machte ich mich frohen Mutes auf, um Dalvík zu erreichen, hinter dem nächsten Berghang.
Die ganze Gegend dort ist recht steinschlaggefährdet, wie man diversen Hinweisschildern entnehmen konnte. Deswegen auch all das Gehabe um den Tunnel, der eine vom Steinschlag unabhängige wichtige Verbindung von Ólafsfjörður mit Akureyri sicherstellt. Für mich als Radler bedeutete das Steinschlagrisiko heute nur, daß es abwechslungsreiche Felsbrocken entlang der Straße zu sehen gab. Als ich um die nächste Ecke bog und den Gefahrenbereich verließ, sah ich auch schon Dalvík in der Bucht vor mir liegen.
Dalvík war als potentielles Tagesziel ein paar Mal durch meinen Kopf gegeistert. Allerdings war es jetzt erst etwa halb fünf abends und Akureyri lag nicht mehr so wirklich weit entfernt. Nach ein wenig Nachgrübeln bei ein paar Keksen beschloß ich, den örtlichen Zeltplatz und das topmoderne Schwimmbad heute nicht auszuprobieren. In Akureyri treff ich bestimmt noch ein paar nette andere Radler und einen geselligen Abend vermißte ich schon fast ein wenig. Außerdem hatte ich dann morgen den ganzen Tag Zeit, mich um alles mögliche zu kümmern.
Also ging es weiter, wieder an einem kleinen Denkmal für einen bedeutenden Isländischen Dichter vorbei. Die Landschaft war recht eintönig, langweilig und zog sich schier ewig dahin. 40 Kilometer noch, stand auf dem Hinweisschild. Ingesamt wäre das dann etwa eine 140 km Etappe, rekordverdächtig. Meine Gedanken trieben schon wieder weiter, die Asphaltstraße mit viel Verkehr ging einigermaßen vollständig an mir vorüber. Nur selten gab es für mich etwas interessantes zu sehen, das Svarfaðardalur als eines der großen Seitentäler des Eyjafjörður, eine nette Kirche in Árskógur, dann lange lange Zeit nur Farmen, Felder, Schafe und Kühe. Es fing schon an ein wenig dunkel zu werden als ich in der Ferne die nächste Kirche erahnen konnte, Möðruvellir. Vielleicht wurde es auch gar nicht wirklich dunkel, sondern nur noch dichter bewölkt? Wie auch immer, von hier aus war es nicht mehr weit.
Schließlich kam ich an eine Brücke über die Hörgá. Von den Spitzen Gipfeln der Öxnadalsheiði zu meiner Rechten bekam ich vor lauter Wolken aber nicht viel zu sehen. Während ich mich den letzten Berg hinaufarbeitete und am Ende der Straße 82 ankam, fing es tatsächlich zu regnen an. An der Kreuzung mit der Ringstraße überlegte ich, mein Regenzeug anzulegen. Nach ein paar Keksen Bedenkzeit schwächelte der Regen aber schon wieder, also ließ ich das vorerst bleiben. Vor mir ging es nur noch ein wenig bergab, die Lichter von Akureyri waren schon nicht mehr zu übersehen. Willkommen zuhause, hier werde ich bis Weihnachten noch studieren.
Aber fürs erste hatte ich ganz andere Probleme. Ampeln. So richtig mit Rot und Grün. Sowas war mir seit Reykjavík schon nicht mehr untergekommen. Trotzdem fand ich leicht den Weg zum Zeltplatz, stellte erschöpft mein Rad ab und zahle die Platzgebühren. Ein langer Tag war das.
Während ein wenig Verschnauffen verschaffte ich mir einen Überblick über den Platz. Natürlich gab es wieder die Einheitszeltburgen diverser Reisegruppen, und noch eine Umenge anderer Zelte. Und auch viele Radler. Und ein paar alte Bekannte. Die Vierergruppe mit den zwei Anhängern, die ich schon in Keflavík bei der Ankunft kurz getroffen hatte. Natürlich baute ich mein Zelt gleich nebenan auf und wir kamen schnell ins Gespräch. Aber dazu später mehr. Erstmal muss ich mein Zelt sturmsicher machen. Es sah nach Regen und ein bißchen Wind aus, aber nachdem das aus Süden kam, nahm ich das nicht sonderlich ernst und vermutete stattdessen, daß sich das wohl sehr bald wieder legen würde.
Ich selbst legte mich für heute auch bald schlafen, nach einem ausgiebigen Abendessen. Für morgen war Wäschewaschen, Fahrrad kontrollieren und reparieren, und noch vieles anderes geplant.
Bilder der Tages:
  • pano-fljotavik.jpg(215766 bytes): Mein Fahrrad an der Nordküste Islands, nahe der Abzweigung nach Siglufjörður. (Panorama erstellt aus 4 Einzelbildern)

8. August 2003
Akureyri
Ein Ruhetag war also angesagt, ohne Radeln, ohne 140 km am Tag. Nebenan campierte ja die Vierergruppe mit den beiden Anhängern, Johanna, Viginie, Tobias und Sascha, das Team von www.globebike.de. Und die hatten ähnliche Pläne. Mal wieder ein wenig am Rad schrauben und reparieren, ein wenig in der Stadt bummeln und sich bloß nicht hetzen. Das Wetter passte dazu, Wolken, gelegentliche Schauer, richtig regnerisch wurde es erst abends.
Aber zunächsteinmal machte ich ein wenig Gebrauch von meinem Laptop, den ich ja die ganze Zeit unnütz mit mir rumgeschleppt hatte. Also testen ob er überhaupt noch geht und dann Bilder von der Digitalkamera herunterladen. So saß ich doch tatsächlich auf nem Zeltplatz und spielte an meinem Computer rum. Zum ersten Mal in meinem Leben im übrigen, und hoffentlich auch zum letzten Mal. Aber trotz der neuen Megabyte für meine Digitalkamera nahm ich mir für heute auch noch vor ein wenig Zusatzspeicher zu besorgen, wenn ich schonmal in ner größeren Ortschaft war.
Außerdem besorgte ich mir bei einem Einkaufbummel auch endlich mal eine isländische Telefonkarte mit einer isländischen Nummer und isländischen Tarifen. Und isländischer Anleitung. Naja, für meinen geplanten monatelangen Aufenthalt sicher noch eine nützliche Anschaffung, und im übrigen deutlich günstiger zum nach Hause telefonieren.
Weiterhin besuchte ich den Auslandsbeauftragten der Háskólinn á Akureyri und somit den Campus Solborg im Tal der Glerá. Klemenz, den ich per Email natürlich schon kannte, begrüßte mich recht herzlich, führte mich ein wenig in den kleinen aber feinen Universitätsgebäuden herum, auch den Chef der Informatikabteilung, mit dem ich wohl noch öfter zu tun bekommen würde lernte ich dabei kennen. Und ich konnte endlich meinen Laptop und ein bißchen anderes Sperrgepäck unterstellen. Das Packen wird morgen sicherlich eine Freude, einer der wenigen Tage wo das mal Spaß macht!
Aber noch war es eine Weile bis das Semester anfängt. Ich radelte erstmal zurück zum Zeltplatz. Nach noch ein wenig Einkaufen von Essensvorräten und ein wenig Keksen zum Mittagessen steckte ich meine Wäsche in die Maschine. Dann war endlich mein Fahrrad dran. Das globebike-Team nebenan war auch gerade bei den Zelten und wir kamen wiedermal schnell ins Fachsimpeln. Über die Anhänger beispielsweise, sie hatten nicht nur einen BOB Yak Hänger, sondern auch einen einigermaßen baugleichen von Koolstop, dessen Vor- und Nachteile natürlich gleich diskutiert wurden. Außerdem hatten sie fast alle Magura Hydraulikbremsen und noch allerlei kleinen Schnickschnack und Details die das Radlerherz höher schlagen lassen, wie ein automatisches Kettenschmiersystem im Leitröllchen und so. Die machen öfter mal solche Touren, auch in Madagaskar und Korsika waren sie schon. Und für morgen wollten sie erstmal in die gleiche Richtung weiter wie ich, Mývatn.
Naja, an meinem eigenen Fahrrad kontrollierte ich mal die Laufräder und zog die Speichen ein wenig nach. Zum ersten Mal war ich mit selbst eingespeichten Laufrädern unterwegs, das Vorderrad hatte ich gerade noch rechtzeitig fertigbekommen, daß es auch mitkam auf die große Reise. Probefahren mußte ausfallen. Und trotzdem waren die Räder beide ziemlich stabil bisher. Ich hatte sie beide nicht ganz exakt gerade zentriert bekommen und die selben leichten Dellen und kaum erahnbaren Achter waren jetzt immernoch drin. Besser als nichts.
Die globebiker von nebenan bekamen nebenbei noch eine kurze Unterrichtsstunde im zentrieren, davon hatten sie bisher immer gerne die Finger gelassen. Einer von ihnen hatte diesmal Probleme mit seinem Hinterrad, die Alesa Explorer Felge hatte unzählige feine Haarrisse. Der einzige Radladen weit und breit meinte zwar, das wäre nicht weiter tragisch, aber Tobias, der mit der Felge noch um halb Island kommen musste, der machte sich schon ein wenig Sorgen.
Aber noch mehr alte Bekannte traf ich am Zeltplatz wieder. Tobias Weisenberger, ein Bekannter vom alljährlichen Islandtreffen der mich sofort wiedererkannt hatte (ich ihn aber ehrlichgesagt nicht) war dies Jahr trampen, mit Bus und zu Fuß unterwegs, hatte bisher aber in Südisland kein richtiges Glück mit dem Wetter. Außerdem hat seine selbstaufblasende Luftmatraze sich zusehends in einen selbstaufblasenden Luftballon verwandelt. Insgesamt machte er einen etwas niedergeschlagenen Eindruck, hoffte aber, daß er im Kjölur Hochland noch besseres Wetter bekäme. Außerdem erzählte er, er hätte Dieter Graser am Mývatn getroffen. Als ich von dessen Reiseplänen hörte, hoffte ich zwar gleich mal, daß ich den in den nächsten Tagen auch noch erwischen könnte, aber daraus wurde nichts.
Jedenfalls verging so mit Schwatzen, Fahrradbasteln und auf die Waschmaschine warten der restliche Tag im Handumdrehen. Gegen Abend wurde es immer regnerischer und ich beschloß, wie die meisten anderen, noch ein wenig ins Freibad zu gehen. Dort traf ich sogar die Caravan-Familie von gestern wieder, mit dem Französischen Nummernschild und dem Oxford-Akzent. Und ich konnte in den vielen HotPots, die in fast jeder Temperatur zu haben waren, vorzüglich entspannen.
Als ich davon genug hatte und mich ans Abendessen machte, regnete es natürlich und draußen kochen macht nicht so viel Spaß. Die kleine Hütte mit dem Unterstand war schon randvoll besetzt mit allerlei anderen Zeltgästen, Hochbetrieb und keiner hatte Lust im Regen zu sitzen. Also beschloß ich mit dem globebike-Team, die natürlich das selbe Problem hatten, einen anderen Unterstand zu suchen. Direkt neben dem Zeltplatz ist ein Nebengebäude der Háskólinn á Akureyri, und der dortige Eingang hat ein wunderbares Vordach. Dort machten wir uns breit, es gab HotDogs. Und davon nicht gerade wenig. Ich machte mir schon ein wenig Gedanken, wenn ich hier später mal studieren würde und täglich in das Gebäude rein- und rausginge, dann müßte ich wohl jedesmal an diesen Abend zurückdenken. "HotDog-Trakt" wird dieser Teil der Uni also getauft. (Ich muss wirklich immer an den Abend zurückdenken, wenn ich da reingeh, was während des Studiums nicht gerade selten war).
Am Ende waren wir alle pappsatt. Zu den HotDogs gab es noch Kartoffelbrei und die letzten Reste mußten wir uns schon wirklich reinzwingen. Ein unvergesslicher Abend. Der Regen hatte mittlerweile ein wenig nachgelassen, aber es wurde sowieso Schlafenszeit und im Zelt wars ja trocken. Morgen sollte es für uns alle auf in neue Abenteuer gehen, mit der nächsten Stadt weit weit weg.

Der Übersicht wegen gibt es diesen Reisebericht auf mehrere Teile aufgespalten:
Gesamt Teil 1 Teil 2 Teil 3

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