16. August 2003 |
Das schöne Wetter hatte sich über Nacht nicht gehalten. Der Südwind zwar schon, aber heute brachte er dicke Wolken, die nicht danach aussahen, als würden sie sich bald lichten. Trotzdem, mein Entschluß war gefasst und meine Vorräte hatte ich auch schon. Es ging für mindestens die nächste Woche ins Hochland. Erst nochmal Kárahnjúkar von der anderen Flußseite, dann Kverkfjöll, Askja und irgendwie zurück zum Mývatn. Also packte ich zusammen, verschnürte meine Vorräte irgendwie obendrauf und wo sonst noch Platz war, und war bald abfahrbereit. Jean-Jacques, der französische Radler den ich gestern getroffen hatte, wollte in die selbe Richtung. Kurzfristig entschied ich mich, eine Weile mit ihm zusammen zu radeln, solange ich eben noch auf der Ringstraße unterwegs war. Er machte einen etwas unsicheren Eindruck, als fürchtete er, sein Rad würde auseinanderfallen, oder sonst irgendetwas würde schief laufen. Vielleicht konnte ich ihn mit meinen verrückten Plänen ein wenig aufmuntern, und wenigstens mußte ich nicht alleine auf der Ringstraße radeln. Zusammen verließen wir also Egilsstaðir, kamen am Flughafen vorbei und über die Brücke auf die andere Seite des Lagarfljót. Ab dort ging es teilweise recht steil bergauf, durch die nächste Stadt Fellabær. Danach offene Weidelandschaft mit vereinzelten Höfen und immernoch bergauf, bergauf, bergauf. Bis kurz vor dem nächsten Tal, der Jökulsá í Dal, ging es mehr oder weniger ununterbrochen 20 km lang nur aufwärts. Immerhin hatten wir Rückenwind, das Wetter war bewölkt und nicht zu warm, genau richtig zum Radeln. So kamen wir mühsam aber zügig voran. Kurz bevor es wieder abwärts ging, in der Mitte der Heide, stand abseits der Straße ein einsames Rentier recht verloren da. Schon wieder ein Rentier. Bei weitem nicht so beeindruckend, wie die Herde die mir vor drei Tagen über den Weg gelaufen war, aber für meinen französischen Begleiter, und für ein paar Autos die sogar extra ein wenig langsamer wurden, auf jeden Fall trotzdem eine Attraktion. Bei diesem Stop fiel mir ein, ich könnte mich doch mal wieder bei meinen Eltern telefonisch melden und abmelden. Bald hatte ich ja wieder kein Handy-Empfang. Und so nutzte auch ich diese Pause, wenn auch nicht zum Fotografieren. Ein paar hundert Meter weiter, auf der anderen Seite einer letzten Steigung, ging es steil und ausgiebig bergab ins Tal der Jöklá. Der selbe Fluß, an dessen Ostufer mir in den vergangenen Tagen die Rentiere begegnet waren. Jetzt wollte ich am westlichen Ufer entlang zur Schlucht Dimmugljúfur und weiter, fast bis zum Gletscher aus dem er entspringt. Noch ein weiter Weg jedenfalls. Fürs erste ließen wir uns ins Tal hinunterrollen, nicht auf der Ostseite wo die Straße 924 entlangführt, sondern weiter auf der Ringstraße, die später am Westufer liegt. Unten sahen wir schon von weitem die Brücke, die über den Fluß und eine kleine Schlucht führt. Und neben dieser Brücke ist ein kleiner Rasplatz, von dem ich schon in unzähligen Radreiseberichten gelesen hatte, so von wegen "erstes Mittagessen nach Ankunft mit der Fähre" und so. Selber dort war ich noch nie. Aber das holte ich heute nach. Auch wenn es eigentlich noch recht früh für eine Mittagspause war, wir teilten ein paar unserer Vorräte und machten Rast. Während wir da saßen, rauschten auf der Straße neben uns zwei Radler vorbei. Jean-Jacques erzählte mir, das seien zwei Schweizer, die er schonmal getroffen hatte. Vielleicht holten wir die ja später wieder ein, erstmal waren wir aber damit beschäftigt, die Futtertaschen wieder herzurichten. Als wir dann weiterradelten machte die Straße einen Knick nach Südwesten, im Tal und am Fluß entlang eben. Und das hieß für heute Gegenwind. Und auch wenn wir die beiden Schweizer gelegentlich noch ein paar Kurven vor uns sahen, sie waren irgendwie schneller unterwegs und uneinholbar für uns. Als wir an die Brücke kamen, wo die 924 sich wieder mit der Ringstraße vereint, hatten wir die beiden schon längst aus den Augen verloren. Etwa auf diesem Stück Ringstraße hatte ein Jahr zuvor meine Pannenserie begonnen. Nicht daß ich abergläubisch wäre, aber ich warf trotzdem hin und wieder einen besorgten Blick auf meinen Hinterreifen. Und das nicht ganz grundlos, ich hatte den Eindruck, daß er deutlich Luft verlor. Irgendwann war ich mir da sogar einigermaßen sicher. Also machte ich eine Pause um mal nachzusehen, was denn da los ist. Erstmal schaut man natürlich am Ventil, schon allein weil es mir zu lästig war, Anhänger abzuhängen, Rad auszubauen und so weiter. Und diesmal hatte ich sogar Glück im Unglück: das Ventil war nicht ganz festgedreht. Das war wohl passiert, als ich morgens nochmal ein wenig Luft nachgepumpt hatte. Ich drehte es diesmal also sorgfältig und feste rein, auf daß die Luft ab sofort richtig hält. Nach dieser kleinen Unterbrechung konnte es bald schon weitergehen im Tal der Jöklá, mal ein wenig aufwärts, mal ein wenig abwärts. Entlang der Straße wurden die Höfe kurzzeitig wieder ein wenig zahlreicher, bald kam die letzte Tankstelle bevor die Ringstraße das Tal verließ. Kurz davor sahen wir auf einem kleinen Hügel zwei Fahrräder und ein schweizer Pärchen daneben sitzen. Mittagsrast, auch bei ihnen. Wir gesellten uns kurz dazu, schon allein, um über das woher und wohin zu plaudern, wie immer... Aber bald ging es weiter und wir kamen zu einigen Schildern "Oræfaferð! Veit einher um leiðin þín?", "Wüstenfahrt! Weiß jemand von deiner Route?". Für die Ringstraße fand ich das reichlich übertrieben, zumindest um diese Jahreszeit sollte es schwer sein, dort verloren zu gehen. Für meine eigene Route traf dieses Schild schon eher zu, trotzdem weckte es in mir eher ein Lächeln als Sorgen. Wenn die wüßten was ich mir für eine Route ausgesucht hab. Von Jean-Jacques mußte ich mich hier verabschieden, er wollte direkt weiter zum Mývatn. Ich selbst nahm nicht den steilen Weg hinauf in die "Wüste", sondern blieb im Flußtal auf der Straße Nummer 923. Etwa bei dieser Kreuzung fing es auch zu tröpfeln an. Noch kein wirklicher Regen, aber ich war kaum eine Viertelstunde weiter geradelt, da wurde es zu einem richtigen Regen. Also hielt ich kurz an und packte mein Regenzeug aus. Es war richtig ungemütlich, warm und schwitzig und von oben ein wenig nass und von unten spritzte Schlamm hinauf. Die Asphaltstraße hatte ich für die nächste Woche hinter mir gelassen. Und den Verkehr auch. Die Straße verlief recht langweilig im Tal entlang, den einen Hügel hinauf und den nächsten wieder hinab, ab und zu noch ein paar vereinzelte Höfe. Ansonsten war sie so, wie ich sie letztes Jahr kennengelernt hatte: wolkenverhangen und naß. Und so kam ich zum zweiten Mal in einer Woche bei Regen nach Brú, irgendwie hab ich in diesem Ort immer Regen. Diesmal musste ich den Berg hinaufradeln, meine Straße verließ hier das Tal. Die keine Steigung war aber deutlich einfacher zu nehmen, als manche andere. Und so stand ich bald wieder auf der Kreuzung der F910 mit der F907, und hatte die Wahl zwischen Kverkfjöll und Sænautasel. Ich fuhr westwärts weiter, Richtung Kverkfjöll. Die Piste wurde langsam ein wenig abenteuerlich, steinig und holprig. Bald kam ich an ein paar verloren wirkenden Baufahrzeugen vorbei, die wohl die Piste ein wenig herrichten und ausbauen sollten. Und nebenbei hatten sie wohl das neue Schild "Kárahnjúkar links ab" aufgestellt, das ich bald erreichte. Bei dieser Kreuzung machte ich wieder eine kleine Pause, bevor ich die nummerierten und gepflegten Straßen hinter mir ließe. Und außerdem kam mir gerade ein Jeep entgegen, dessen Insassen wohl noch nie einen Radler im Hochland getroffen hatten und mich gleich fotografieren mussten. Als ich ihnen erzählte, ich wolle heute noch nach Laugarvellir, meinten sie da kämen sie grade her und der Hot Pot da sei genau richtig warm und sie wünschten mir noch viel Glück. Und schon waren sie wieder abgedüst. Ich war also wieder alleine unterwegs unter dicken Wolken, mittlerweile ohne Regen, auf einer schwarzen Sand und Schotterpiste durch eine schwarze Sand und Schotterlandschaft, die langsam schwärzer und schwärzer wurde, weil die Sonne langsam am untergehen war. Aber die Sonne konnte ich sowieso den ganzen Tag lang nur erahnen, irgendwo hinter den Wolken. Als ich kurze Zeit später an einen großen Steinhaufen am Hügel Múli kam, von dem aus man manchmal angeblich eine tolle Aussicht hat, konnte ich weit im Süden, rund um den Snæfell die einzige Wolkenlücke ausmachen, ansonsten war alles nassgeregnet und sah im Dämmerlicht noch bedrückender aus. Vor mir führte die Straße bergab, ins Laugarvalladalur. Und dort gabelte sie sich angeblich, entweder im Tal entlang direkt nach Laugarvellir, oder auf den Bergrücken Skógarháls hinauf, der zwischen Laugarvalladalur und dem Canyon Dimmugljúfur liegt. In meinen älteren Karten waren zumindest noch beide Pisten eingezechnet, laut einer neueren Ausgabe war die Piste im Tal entlang nicht mehr vorhanden. Ich hab auch keine Spuren von einer Abzweigung gesehen, also gehe ich mal davon aus, daß diese alte Route wirklich nicht mehr befahrbar ist, nicht nur laut Karte. Eine kleine Furt wollte noch durchschoben werden, danach ging es wieder aufwärts, auf besagten Bergrücken hinauf. Und auch wenn die Entfernung nicht so groß erscheint zogen sich diese letzten 10 km vor Laugarvellir noch schier endlos dahin. Lange sehnte ich mir meine Abzweigung herbei. Aber bei der ersten konnte man nur auf den Berg Hallarfjall und das sparte ich mir, auch wenn man von dort sicher wieder eine hervorragende Aussicht hat, wenn denn das Wetter mitspielt. Für heute wartete ich nur noch sehnsüchtiger auf den nächsten Wegweiser. Die Piste war insgesamt eigentlich gar nicht so schlecht, auch wenn ich gelegentlich recht großen Steine und Schlaglöcher ausweichen mußte und insgesamt nur langsam vorwärts kam. Als ich doch endlich zu meiner Abzweigung kam, links ab nach Laugarvellir, rechts ab zur Dimmugljúfur, und auf die kleine Stichstraße einbog, ging es für heute nur noch bergab. Schon nach der nächsten Biegung konnte ich das Tal unter mir liegen sehen, und sogar die Hütte erahnen. Und ich sah zu meinem nicht geringen Erstaunen eine ganze Kolonne Jeeps dort bei der Hütte. Schon am Snæfell hatte ich mitbekommen, daß die Gegend seit Begin des Staudammprojektes enorm an Popularität gewonnen hatte, und auch viele Isländer mal eine Tagestour hierhin unternahmen. Und es war Wochenende. Während ich die Piste hinunterrumpelte kamen mir allerdings drei der Autos entgegen, nur noch zwei standen jetzt dort. Und bevor ich mein Fahrrad und Zelt dazustellen konnte, musste ich natürlich nochmals durch eine kleine Furt. Dann war ich angekommen und konnte die Autos genauer begutachten. Beides waren VW-Busse, und beide aus Deutschland. Und einer davon hatte eine mir bekannte dunkelrote Farbe und eine mir bekanntes Nummernschild "LAU". Ich war ungefähr genauso überrascht wie Uwe und Birgit, daß wir uns hier wiedertrafen. Ich schlug also noch schnell fast schon im Dunklen mein Zelt auf, und wollte mir ein Abendessen kochen. Uwe bot mir an, bei ihnen im Bus zu kochen. Nachdem ich zum wiederholten mal auf dieser Reise eine verstopfte Benzindüse am Kocher hatte und heute auch noch die feine Nadel zum reparieren abbrach, nahm ich das Angebot dankend an. Und so plauderten wir im warmen windgeschützten Bus, wohin wir noch alles wollten und ähnliches, während meine Nudeln lagsam fertig wurden und meine Regensachen draussen im Wind trockneten. Für das heiße Bad, das der Name "Laugarvellir" verspricht, hatte ich an dem Tag allerdings keine Zeit mehr. Oder bessergesagt kein Tageslicht mehr. Morgen vielleicht, für heute verkroch ich mich bald in den Schlafsack, nach wiedermal über 100 km am Tag, und das auf nicht gerade angenehmen Pisten. Bilder der Tages:
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17. August 2003 Kárahnjúkar |
Der nächste Tag fing gleich mal sonnig und warm an. Also machte ich schnell Frühstück und sah währenddessen schon Uwe und Birgit in Richtung heiße Quelle laufen. Ich eilte natürlich bald hinterher, ich war ja hauptsächlich für dieses Bad überhaupt hierher gekommen. Das Wasser war zwar eher warm als wirklich heiß, aber trotzdem sehr angenehm. Und als besondere Attraktion gab es etwas weiter den Bach abwärts noch den heißen Wasserfall, eine natürliche Dusche. Nach dem ganzen Schlamm, Moos und sonstigen Grünzeug, das den Pool anfüllte, war eine Dusche gerade richtig, und als Rückenmassage auch ganz gut zu gebrauchen. Auch die anderen VW-Busfahrer gesellten sich bald dazu ins warme Wasser. Solchermaßen erfrischt warf ich auch noch einen Blick in die kleine, halbverfallene Hütte Laugarvellir. Sah nicht sonderlich einladend aus dort drinnen, und es gab auch kein Gästebuch zum eintragen und schmökern. Also war ich bald wieder draußen im Sonnenschein und wartete noch ein wenig, daß mein Handtuch trocknete. Schließlich fing ich aber mit dem Packen an, das Handtuch konnte ich irgendwie auf meinen Rucksack packen und dort während der Fahrt weiter trocknen lassen. Als ich alle meine Sachen beisammen hatte verabschiedete ich mich von meinen Nachbarn. Uwe wollte noch ein Foto von mir Radler, also mußte ich noch ein paar Minuten posieren, mit all meinem Sack und Pack, danach ging es wieder durch die kleine Furt und im Schneckentempo den ganzen Berg hinauf, den ich gestern abends hinuntergerollt war. Während die Hauptpiste ja auf dem Bergrücken entlang verläuft waren meine beiden Abstecher, Laugarvellir und Dimmugljúfur, jeweils auf den beiden Seiten. Also musste ich jetzt quer drüber zu dem Canyon und danach erst sollte es weiter nach Süden gehen. Nach einer Weile anstrengedem Berg aufwärts ging es also wieder bergab in Richtung der Schlucht. Vom Canyon selbst hatte ich bisher eigentlich noch nichts gesehen, außer dem Wegweiser. Recht unscheinbar ging es in ein Tal hinab, und dort mußte er doch irgendwo sein... Während ich so vor mich hinfuhr und es immer steiler bergab ging beschloß ich irgendwann, mein Rad abzustellen und den Rest zu Fuß zurückzulegen. Das alles wieder hinaufschieben muss ja nun auch nicht sein. Und ich war noch nicht weit gelaufen, da holt mich ein dunkelroter VW-Bus mit alt bekanntem Kennzeichen ein. Also hatte ich noch eine Mitfahgelegenheit, die letzten paar hundert Meter, bis zu einem Parkplatz mit Informationstafel. Von dem Canyon war immer noch nicht wirklich viel zu sehen. Irgendwo war ein kleines Tal in der Landschaft, auf der anderen Seite ging es steil bergauf... Nach einer kleinen Wanderung Richtung Norden auf einem schlecht markierten Pfad und einer Biegung nach rechts hatten wir die Schlucht dann endlich vor uns, vom besten und meistfotografierten Aussichtspunkt aus. Und jetzt erst konnte man erahnen, wie groß die Schlucht wirklich war. Nicht breit, man hatte fast den Eindruck, da oben könnte man mit einem großen Satz drüberspringen. Aber es ging ziemlich steil und weit runter zwischendurch. Beeindruckend steil und beeindruckend weit. Unten waren die reißenden Wassermassen der Jökulsá í Dal, die mit ordentlich Getöse und Gedonner zwischen den Felswänden eingesperrt waren. Atemberaubend. Der Canyon an sich wird durch die Baumaßnahmen natürlich "in keinster Weise beeinträchtigt". Nur werden die Wassermassen reduziert und wohl nicht mehr ganz so beeindruckend und reißend dahintosen wie bisher. Zu sonstigen Risiken und Nebenwirkungen lesen sie bitte die Packungsbeilage oder fragen sie Landsvirkjun oder ihren Umweltschützer. Nach einiger Zeit und vielen Fotos wanderten wir zu dritt nahe am Canyon entlang zurück Richtung Parkplatz. Unterwegs trafen wir unter anderem auch die anderen beiden deutschen VW-Bus Fahrer aus Laugarvellir wieder, die natürlich ebenfalls die Schlucht besuchen wollten. Bei dem schönen Wetter konnte man sich wohl kaum einen besseren Tag dafür aussuchen. Schließlich standen wir am oberen Rand etwa an der höchsten Stelle der Schlucht, unter dem Parkplatz. Der Eindruck, daß man fast auf die andere Seite hinüber springen könnte, relativierte sich etwas. Der Gesamteindruck den die Schlucht hinterlassen hat allerdings keineswegs. Man konnte noch um ein zwei Biegungen weiter sehen, aber grundsätzlich zieht sich die Schlucht wohl noch kilometerweit so fort, wenn auch vielleicht nicht überall ganz so tief. Aber für heute wollte ich noch eine ganze Strecke weiterkommen, parallel zu der Schlucht allerdings außer Sichtweite auf der Piste. Also verabschiedete ich mich bald von Uwe und Birgit, die noch eine Weile hierbleiben wollten, und marschierte zurück zu meinem Fahrrad. Das stand natürlich, was sollte man anderes erwarten im einsamen Hochland, genauso da, wie ich es zurückgelassen hatte. Und so arbeitete ich mich auch das letzte Stückchen bergauf und stand schon wieder an der Kreuzung Richtung Brú, Laugarvellir, Dimmugljúfur und Kárahnjúkar. Und damit ich alle vier Richtungen mal ausprobiert hätte, bog ich diesmal nach Süden ab. Diese Piste führte über einen kleinen Hügel, Lambafell, irgendwo kurz dahinter sollte die Baustelle beginnen. Von oben genoß ich ein wenig die Aussicht über die ganze Gegend. Man konnte bis zur Vesturöræfi hinüberschauen und natürlich thronte dahinter im Sonnenschein der Snæfell, der markanteste Berg der Gegend. Davor tanzten im Wind einzelne Staubwolken über Containersiedlungen und neuen Pisten. Richtig schönes Sonnenwetter war heute und ein wenig Südwind, der mir das Vorwärtskommen ein wenig erschwerte. Und so kam mir alles wieder ziemlich langsam vor, wie ich so an einer Kreuzung und Abzweigung nach der anderen vorbeikam. Manche sahen ansich recht einladend aus, endeten aber wohl bald an einer der Containersiedlungen. Andere hatten weniger einladende Schilder "Vorsicht, Sprengungen", und "Keep out". Und irgendwo wollte ich abbiegen auf meine nächste nicht nummerierte Piste, Richtung Grágæsadalur und F910. Nun war es recht schwierig, eine namenlose Piste womöglich auch noch ohne Hinweisschild zu finden. Meine Karten von der Gegend waren auch alle nicht so ganz genau und aktuell. Als ich schließlich schon die Brücke über die Jöklá sah, wurde ich unruhig. Diese Brücke führte zurück Richtung Egilsstaðir und auf die andere Hälfte der F910, die ich schon entlanggefahren war. Immerhin war genug Verkehr unterwegs, rund um die Baustelle. Also fragte ich beim erst besten vorbeikommenden Auto mal nach. Man sah mich lange und zweifelnd an, schließlich "Jaja, gleich da unten ist die Abzweigung". Also bin ich nach "gleich da unten" gerollt und tatsächlich war dort zu meiner Überraschung sogar ein Wegweiser "Brúardalir". Demnach bog ich jetzt auf die Brúardalarleið ein, entlang der Sauðá. Auch dieser Fluß wird aufgestaut und überflutet, und mit ihm die atemberaubende Landschaft aus Hügeln und kleinen Erosionsschluchten in Richtung Jöklá. Nicht zu übersehen war auch der kleine Wasserfall Sauðáfoss, die Piste hat mich direkt dorthingeführt. Irgendwo hatte ich mal recht beeindruckend schöne Bilder von diesem ganzen Bachtal gesehen, aber als ich jetzt hier war fand ich es trotz dem warmen Sonnenschein nicht wirklich so beeindruckend und schön wie auf den Bildern. Mittlerweile hab ich noch ein wenig genauere Informationen gefunden, die Fotos stammen wohl von südlich der Sauðá entlang der Jöklá und man kommt nur zu Fuß hin und nur wenn man sich auskennt. Für diesmal hab ich das also leider verpasst. Immerhin war ich wieder in einer grünen Landschaft unterwegs. Die vielen Täler, Sauðárdalur, Laugarvalladalur und Jökládalur trafen hier alle zusammen, und jedes für sich war relativ fruchtbar. Und daß alle drei zumindest teilweise überflutet werden merkte ich auch bald wieder recht deutlich, als ich gerade einen kleine Hang hinaufradelte und dort oben eine Reihe kleiner Markierungsstöckchen mit roter Spitze sah. An einem war ein Schild "Hæða lóni", "Höhe des Sees". Dort machte ich eine kleine Pause und warf nochmal einen ausgiebigen Blick zurück auf die Landschaft, die ich in den letzten paar Tagen wenigstens ansatzweise erkundet hatte. Wenn möglich wollte ich in den nächsten Sommern nochmal wiederkommen, um das noch ein wenig ausgiebiger zu tun. Solange wie möglich. Schließlich wandte ich mich um und radelte weiter auf meiner Piste. Bisher war mir noch kein anderes Fahrzeug begegnet, seit ich die Baustellenstraßen verlassen hatte. Und bisher war die Piste noch angenehm und gut zum Radeln. Aber so langsam kam ich aus dem Grün heraus, der reiche erdige Boden blieb zurück. Statt dessen hatte ich bald wieder Steine, Sand und Schotter unter mir. Wüstenlandschaft. Trotzdem war die Piste eigentlich noch recht ordentlich, zumindest bei dem Sonnenwetter, das ich hatte. Und eigentlich war der Hauptverlauf der Piste auch weiterhin gut auszumachen. Trotzdem gab es unzählige Spuren von Jeeps die, aus welchem Grund auch immer, abseits der Piste mal ein wenig durch die Wüste führten. Nur so zum Spaß vermutlich. Solche Spuren sieht man ja recht oft im isländischen Hochland, aber so oft wie hier hatte ich das noch nie erlebt. Hinter mir hatte ich ständig den Snæfell, der alle anderen Hügel rundherum deutlich in den Schatten stellte. Vor mir hatte ich hingegen eine Hügelkette, die mir die Sicht auf die anderen markanten Berge der Umgebung, Herðubreið und Kverkfjöll, versperrte. Aber diese Hügelkette kam näher und näher, und ich konnte mir schon bald ausmalen, wo meine Piste oben drüber führte. Ausnahmsweise nicht über einen Gipfel. Aber noch bevor ich soweit war kam ich an eine Kreuzung, sogar mit Wegweiser. Mitten im absoluten Nichts. In einer kleinen Senke war ein See, einer der Vesturdalsvötn. Vermutlich hieß die kleine Senke dementsprechend Vesturdalur. Ein wenig Grün hielt sich rund um die Gewässer, zur Not gibt das einen Zeltplatz ab. Aber für mich war heute der Wegweiser interessanter. Eigentlich hatte keine der drei Richtungen ein wirkliches Ziel, schon gar keine Straßennummer, deswegen gab es drei blaue Schilder, Richtung Hafrahvammagljúfur, wo ich herkam, Richtung Grágæsavötn, wo ich ein andermal noch hinmuss, und schließlich Richtung Möðrudalur, wo ich zwar eigentlich gar nicht hinwollte, aber trotzdem langfuhr. Wahrscheinlich ist das nur so ein Tick von mir, aber so einsame Wegweiser mit meinem Rad davor fotografier ich gerne, und das hier ist wohl einer der einsamsten in meiner Sammlung. Schließlich radelte ich aber doch weiter, einen kleinen Hang hinauf über die Hügelkette hinüber. Und dabei kam mir auch endlich mal ein Auto entgegen, irgendwoher müssen die ganzen Spuren ja kommen. Aber ausser einmal kurz Winken hatten die nichts für mich übrig und waren auch schon verschwunden, Richtung Kárahnjúkar. So konnte ich mich wieder voll und ganz auf die Hügel konzentrieren. Auf der anderen Seite konnte ich jetzt schon den Gipfel des Herðubreið ausmachen. Der Snæfell wäre jetzt nach vielen Tagen endlich mal außer Sicht, und das dauerhaft. Auf der anderen Seite ging es auch lange und ausgiebig und holprig wieder bergab. Und ich konnte schon kilometerweit voraussehen, daß es danach langsam wieder etwas aufwärts ging, und schließlich verschwand die Piste hinter einem kleinen Gipfel aus meinem Sichtfeld. Aber es gab noch viel mehr zu sehen mittlerweile. Direkt vor mir lag das Fagridalur, das schöne Tal, das seinem Namen im einsetzenden Abendlicht alle Ehre machte. Am Ende des Tals glitzerte ein großer Fluß, der träge seinen Weg durch Sandbänke suchte, Kreppá. Eigentlich wollte ich ja nur auf deren andere Seite, aber dafür mußte ich noch etwa 40 km nach Norden fahren, zu einer der wenigen Brücken, und dann auf der anderen Seite das ganze Stück wieder in die andere Richtung. Mit Blick wieder nach Norden konnte ich jetzt auch die ganze Bergkette Álftadalsfjall sehen, die ich hier überquerte. Wie schon westlicher und östlicher Möðrudalsfjallagarður, die ich etwa eine Woche zuvor durchquerte, zieht sich diese Hügelkette entlang der Plattengrenze zwischen Amerika und Europa. Daß sie als Kraterreihe entstanden waren, kann man sich demnach leicht ausdenken. Die Piste war nach wie vor ganz passabel zu radeln, ein wenig hügeliger und steiniger als zuvor und staubig und trocken, aber alles in allem mindestens so gut wie manche nummerierte Hochlandpiste. Bloß mit deutlich weniger Verkehr. Wenn hier was passiert, hast du ein Problem, dachte ich mir. Und um zur Sicherheit nochmal zu schauen, daß mein Gepäck noch alles beisammen war am Anhänger, wandte ich mich um. Und das ist immer ein wenig ein kompliziertes Manöver, wie vielleicht manch einer bestätigen kann, der das schonmal selber ausprobiert hat mit all dem Gerümpel am Fahrrad. Und da war es dann auch schon passiert und mein Vorderrad kommt aus der Fahrspur und ich lieg am Boden. Ups. Aber mein Rad und mein Anhänger sind robust genug, denen ist nichts passiert, und mir auch nicht, und so bin ich nochmal mit dem Schrecken davon gekommen. Trotzdem, nachdem mir erst ein einziges mal ein Gepäckstück vom Hänger gefallen ist und ich schon unzählige Male ins Schlingern geraten war, als ich das während der Fahrt überprüfen wollte, beschloss ich, das in Zukunft lieber sein zu lassen. Laut meiner Karte sollte ich auf der weiteren Strecke dann an drei kleinen Seen vorbeikommen. Zwei davon hab ich auch wirklich gefunden, der dritte war wohl ausgetrocknet. Ebenso wie die unzähligen kleinen Bachläufe, die auf der Karte verzeichnet sind. Keine Furten also. Dafür gab es sogar ab und zu Stecken um die Piste zu markieren. Gelegentlich gab es auch ein paar Alternativen, auf er anderen Seite von dem Stein herum, mal ein bißchen Off-Road oberhalb am Hang und andere Kleinigkeiten. Grundsätzlich war die Piste aber in einem deutlich besseren Zustand, als ich das von einer Piste erwartet hätte, die nur in jeder zweite Karte vorhanden ist und auch da meist nur als dünn gestrichelte Jeep-Piste. So radelte ich dahin und kam eine gute Stunde später über den kleinen Hügel, hinter dessen Gipfel vorhin die Piste verschwunden war. Langsam wurde es dämmrig, und so beschloß ich bei der nächsten grünen Stelle mein Zelt aufzuschlagen. Nur kam keine grüne Stelle. Statt dessen ging es nach einer schieren Ewigkeit in einem Bogen nach Westen in ein Tal hinunter, das voll Bimstein und Sand war. Gelegentlich war das ein wenig unangenehm zu radeln, aber ich dachte mir, wenn das die Horrorgeschichten vom Sand hier in der Gegend sind, dann sind die maßlos übertrieben. Schließlich ging es aus dem Tal wieder hinaus und dort konnte ich endlich meinen Zeltplatz für heute Abend ausmachen. Vor mir, nach einem kurzen Stück Geröllwüste, waren ein paar Sanddünen mit zartem Grün. Da findet sich bestimmt ein windstilles Plätzchen. Und noch vor den Sanddünen lag die F910, die Piste zu den Kverkfjöll, die ich morgen entlangfahren wollte. Ein perfektes Fleckchen also, Wasser hatte ich aus Laugarvellir genug mitgenommen. Noch während ich einigermaßen windgeschützt mein Zelt im Sand aufbaute, kam ein Autokonvoi aus dem Hochland vorbei. Deutlich mehr Verkehr, als ich heute auf der Brúardalarleið hatte. In den vier Stunden von den Kárahnjúkar bis hierher war mir wie gesagt nur ein einziges Auto begegnet. Den Windschatten für mein Zelt hatte ich heute dringend nötig, es blies zusehends stürmischer aus Süden. Zum Glück aus Süden. Wolken und Regen hatte der Wind nicht mit im Gepäck. Trotzdem, so richtig ruhig war die Nachtruhe nicht. Und auch wenn ich mich wirklich anstrengte, Sand hatte ich auch bald überall, nicht nur unterm Zelt, zusehends auch außen auf der Zeltplane, im Zelt, in den Nudeln zum Abendessen, und sogar ein paar Körnchen im Schlafsack. Bilder der Tages:
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18. August 2003 |
Nach einer sandigen und stürmischen Nacht hatte sich das Wetter wieder ein wenig beruhigt, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Aber nur ein wenig. Das erste was ich wahrnahm, als ich aus dem Zelt herausgekrochen kam, war die grandiose Landschaft um mich herum mit dem klaren, wolkenlos blauen Himmel darüber. Zu beiden Seiten, vor allem aber im Osten, zogen sich Kilometerweit die "hyaloklastischen Rücken" hin, die Bergketten Álftadalsfjall und Möðrudalsfjallgarður, die ich schon am Tag zuvor bewundert hatte. Das grandiose daran war, das davor ein flaches Tal war, aus dem sich die Berge um so höher erhoben. Und irgendwo mitten in dieser flachen, sandigen Landschaft saß ich nun mit meinem Zelt. Der zweite Gedanke war von wesentlich praktischerer Natur. Ich sollte meine Wasservorräte vielleicht doch bei Gelegenheit wieder auffüllen. Zwar wollte ich eigentlich bis zur Hütten an den Kverkfjöll kommen heute, aber zur Not sollte das auch noch für eine weitere Nacht wild Zelten reichen. Und auch wenn ich heute die Kreppá überqueren mußte, einen der mächtigen Gletscherflüße, das Trinkwasser wollte ich mir doch lieber anderswo besorgen. Laut meiner Karte war unweit meiner Kreuzung eine Furt, die ich zwar eigentlich in weitem Bogen umfahren hatte, jetzt aber trotzdem noch besuchen wollte. Der Fluß war nämlich kein Gletscherfluss und hatte somit hoffentlich klares Trinkwasser, deutlich einladender als die staubige Kreppá-Brühe. Während ich früh morgens um halb neun also ohne Gepäck zum Fluß radlete, da wurde mir schon wieder vor Augen geführt, wieviel Verkehr hier auf der Hauptpiste unterwegs war. Zwei Kleibusse mit Gepäck und flatternder Plane am Dach kamen aus dem Hochland. Die waren wohl wirklich früh aufgebrochen heute. Naja, mein Trinkwasserfluß sah deutlich größer aus als ich gedacht hätte und ich war froh, daß ich den nicht furten mußte. Das Trinkwasser hatte ausserdem ein paar Algen drinnen, was mich doch ein wenig störte. Aber was solls. Zurück beim Zelt fiel mir auf, wieviel Sand der Wind in einer Nacht so transportieren kann. Auf meinem Außenzelt hatte sich auf der Windseite, bei der man natürlich nicht seinen Eingang hat, ein ganz ordentliche Menge angesammelt. Aber wenigstens war der Sand nicht naß und blieb nicht überall kleben, bis man genug hat und ihn mit der Hand wegwischen will, mit dem einzigen Resultat, daß man an der Hand auch Sand hat. Sowas hatte ich ein Jahr zuvor. Trotzdem befürchtete ich schon ein wenig, daß das noch ein interessanter Tag werden könnte, bei staubtrockenem Sonnenwetter auf ein paar der sandigsten Pisten Islands unterwegs zu sein. Beim Aufbruch hatte ich trotzdem noch beste Laune, die paar sandigen Meter zurück zur Piste waren bald vergessen und ich holperte wieder zwischen Steinen und Geröll dahin. Südwärts auf der F910. Weiterhin wollte ich heute auf der östlichen Kverkfjallaleið F903 an Hvannalindir vorbei zur Kverkfjöll-Hütte. Das war zumindest der Plan. Und zunächst schien mir das auch realistisch und ich kam bestens voran. Bald führte die Piste zwischen ein paar größeren Hügeln hindurch, dann erreichte ich ein Lavafeld, in dessen zerklüfteten Felsen sich ein wenig Sand sammelte. Alles überragte für heute durchgehend der Herðubreið, der zweite richtig markant aus der Ebene ragende Berg des östlichen Islands, der mir wohl auch die kommenden Tage immer im Sichtfeld stehen würde. Ungefähr dort am Anfang des Lavafeldes überholte mich ein Bus, einer dieser Hochland-Abenteuertour-Busse, die mit den großen Reifen. Den merkte ich mir nur deshalb, weil er auch nicht wesentlich schneller als ich über Sand, Felsen und Schotter fuhr. Und weil ich ihn nach der nächsten Biegung wieder einhohlte. Dort machte der Bus eine Pause, allerlei Leute stiegen aus und konnten endlich mal eine Fotopause einlegen. Zu sehen gab es hier die Kreppá, endlich live und in Farbe und direkt vor mir. Und zu sehen gab es hier die Brücke über die Kreppá. Eigentlich hätte ich gern mein Fahrrad daraufgestellt, mir ein paar Minuten Zeit genommen, das ganze in Szene zu setzen, und ein Foto gemacht. Aber so liefen ständig fremde Leute durchs Bild, die mich eigentlich allenfalls am Rande wahrnahmen, so gefesselt waren sie davon, dass sie mal raus konnten aus ihrem Bus. Also ließ ich das mit dem Bild bleiben und radelte weiter. Der Guide machte grade das Gatter an der Brücke auf und Grüße freundlich. Ich erwiederte natürlich den Gruß und lächelte weiter auf das Schild, das da sagte "Krepputunga, Zelten Verboten außer in Kverkfjöll, 40km von hier". 40km! Na wenn das mal stimmt, dann wird das ja ein Kinderspiel heute. Auf der anderen Flußseite hatte ich weiterhin das Lavafeld um mich, in das ich vor wenigen Minuten erst gekommen war. Laut Karte bestand fast die gesamte Krepputunga aus diesem Lavafeld. Krepputunga, das ist im übrigen das Gebiet zwischen Kreppá und Jökulsá á Fjöllum, zwei der größten Gletscherflüsse Islands, die sich nur unweit von hier zu einem mächtigen Strom vereinen und später den Dettifoss hinunterstürtzen. Faszinierend ist daran, daß die beiden Flüße Kilometerlang fast direkt nebeneinander her fließen, einer in Sichtweite des anderen. Außerdem ist das Gebiet nur über zwei Brücken (oder über den Gletscher, gell Dieter?) erreichbar, eine davon hatte ich gerade überquert. Und apropos Sichtfeld. Während ich so zwischen den Lavafelsen auf Bimstein, Schotter und anderem mehr oder weniger festen Material dahinfuhr, hatte ich bald noch einen makanten Berg vor mir. Wie eine Pyramide, oder bessergesagt wie eine Unzahl kleiner ineinander gebauter und verschachtelter Pyramiden erhob sich vor mit das Upptyppingar-Massiv. Eigentlich begleitete dies mich die kommenden Tage sogar viel unablässiger als Herðubreið, aber davon später mehr. Irgendwann überholte mich der Bus wieder, den ich an der Brücke überholt hatte. War ja auch zu erwarten. Überhaupt war viel Verkehr unterwegs, hauptsächlich Busse. Aber wie ich an diesem einen Bus sah, kamen die auch nicht so wesentlich schneller vorwärts als ich mit meinem Rad. Etwa einen Kilometer vor mir, mitten im Lavafeld, machte der Bus schon wieder einen Fotostop mit Pinkelpause. Ich genoß die Landschaft lieber durchgehend, bei dem sonnigen Wetter die bessere Alternative. Und Fotografieren kann man diese Rundumansicht sowieso nicht so wirklich. Und so kam es, daß ich den Bus schon wieder überholte. Die Insassen waren gerade verstreut über den bizarr aufragenden Lavafelsen, ich wurde wiedermal keines Blickes gewürdigt, was mir auch ganz recht war. Langsam wurde die Piste aber immer interessanter. Oder anstrengender. Zwischen den Basaltformationen ging es unregelmäßig bergauf und bergab. Und in den Senken sammelten sich nicht mehr nur Bimsteine und festes Geröll, oft lag darüber auch eine dicke Schicht schwarzer Sand. Nicht immer angenehm zum Radeln, gelegentlich musste ich ein paar Meter weit schieben. Sand und die Horrorgeschichten rund um diese Pisten eben. Bald führte die Piste aber nicht mehr durch die zerklüftete Lavalandschaft, statt dessen öffnete sich eine Ebene vor mir an deren anderem Ende ich den Lónshnjúkur und die Kreppuöldur aufragen sah. Und dazwischen in der Ebene hing Staub in der Luft, Steine und viel Sand lagen auf der Piste darunter. Irgendwo hier überholte mich "mein" Bus endgültig und war bald ausser Sicht. Ich hingegen revidierte mein voriges Urteil nochmal, ob es wirklich besser ist, an so einem Tag die Landschaft mit dem Fahrrad zu genießen. Ich fand es einigermaßen anstrengend vorwärtszukommen, immer wieder mußte ich schieben, und das jetzt auch für längere Strecken. Unterwegs mitten in der Ebene kam mit ein alter roter Nissan oder so entgegen, mit einem der alten, schwarzen isländischen Kennzeichen. Vollbesetzt mit Leuten. Auch wenn er mir entgegenkam, ich würde ihn nur allzubald wiedersehen. Ingesamt weiß ich nicht, wie ich die Strecke bis zum Lónshnjúkur geschafft hab. Ich fand sie nicht angenehm zu fahren, ziemlich sandig und so, aber alles in allem gings doch recht flott und ich konnte wenigstens noch stückweise fahren. Und ich hatte ja keine Ahnung, daß der richtig harte Teil erst noch vor mir lag. Mittlerweile konnte ich um die Upptyppingar, die verschachtelten Pyramidenberge, herumschauen, und in der Ferne die Dyngjufjöll und Askja mit den markanten Schneefleckchen sehen. Bessergesagt erahnen. Eine recht dichte Staubglocke hing darüber, Sandsturm. Und richtig viel Sand hatte ich jetzt auch vor mir. Nicht so lächerliches Geklecker wie bisher, sondern zentimetertiefen Sand, keine Chance noch anders als schiebend vorwärtszukommen. Und schon das Schieben war anstrengend genug. Ständig will irgendeines von meinen drei Rädern igendwo anders hin als es soll, ständig kommt Sand in meine Schuhe, ständig stoße ich beim Schieben an die Pedale. Am Anfang dieser Sandetappe dachte ich noch, irgendwann muss das ja wieder aufhören, vielleicht da hinter dem nächsten Hügel, hinter der Biegung, irgendwo da vorne bestimmt. Falsch. Irgendwann sah ich dann einen Wegweiser. Genaugenommen sah ich erstmal in der Ferne ein Auto nach rechts abbiegen, während laut Karte meine Piste geradeaus weiterführte. Also redete ich mir ein, bis zu der Kreuzung hat das bestimmt aufgehört und man kann wieder radeln. Als ich noch ein paarmal mehr Seite gewechselt hatte, meine Arme taten mir weh, sah ich ein, nagut, vor dem Wegweiser vielleicht nicht mehr, aber dahinter wird das bestimmt bald besser, das kann ja nicht ewig so weitergehen. Letztlich stand ich dann da, mitten im Sand, leerte zum dritten Mal in einer halben Stunde ein Kilo Sand aus meinen Schuhen. Bei der Kreuzung und den gelben Wegweisern hatte das also noch nicht aufgehört mit dem Sand. Ich kramte einen Schatz aus meinen Taschen, einen Apfel, und machte eine ausgiebige Rast. Danach schob ich mit neuer Hoffnung weiter. Mittlerweile war wieder ein kantig zerrissenes Lavafeld auf meiner rechten Seite. Hinter einer Biegung verschwand da die Straße, da wirds bestimmt besser und ich kann endlich wieder aufsatteln. Und es wurde tatsächlich langsam wieder besser. Sprich, ich kam an einen kleinen Hang der über und über mit richtig großen Kieseln bestreut war. Man konnte zwar auch hier unmöglich radeln, wenn man noch Gepäck dabei hat, aber immerhin kam weniger Sand in die Schuhe. Es war eine wirkliche Qual dort entlang. Mittlerweile war die Askja völlständig von der Staubglocke veschluckt. Ab und zu konnte ich wieder ein paar Meter weit radeln, nach der nächsten Biegung musste ich wieder ein paar Meter schieben und meine Schuhe ausleeren. Es ging wenigstens vorwärts. Und wenigstens störte mich der Gegenwind bei meinem Tempo nicht wirklich ernsthaft. Irgendwann überholte mich wieder ein Bus. Ein kleiner, weißer Bus, der nicht mit Allrad ausgestattet war, und einen Anhänger hatte. Durchs Fenster konnte ich sehen, daß es die Sightseeing-Tour ist Mývatn, Kverkfjöll, Askja, Herðubreið. Und durchs Fenster konnte ich die Insassen sehen, die ein wenig amüsiert hinauswinkten. Hmpf! Aber kaum 100 Meter weiter, um die nächste Biegung, wurde es wieder richtig sandig. Und da stand er dann auch, der kleine weiße Bus, ohne Allradantrieb, mit seinem Anhänger. Und die Insassen standen da auch, buddelten und schoben und steckten fest. Ein amüsantes Wiedersehen. Gleich kam mir einer von denen entgegen, meinte er sei Australier und eigentlich auch Radler, aber heute sei er froh, das Rad am Mývatn gelassen zu haben. Australier... Radler... da fängt irgendwas bei mir zu rattern an... Aber fürs erste war mal wieder Pause und Fototermin angesagt, und ich ließ mich auch mal mit meiner eigenen Kamera knipsen. Der Tag wäre auch ohne Foto absolut unvergesslich eingebrannt bei mir. Nach kurzen aufmunternden Gesprächen schob ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht neben der Piste am steckengebliebenem Bus vorbei, ließ die mal weiterschaufeln und -fluchen. Auf der nächsten kleinen Anhöhe hatte schon ein anderes Auto geparkt, mit Videokamera wurde das Geschehen festgehalten. Ich war bald wieder auf festem Terrain unterwegs und machte ein ganzes Stück zum Bus gut. Trotzdem ging es noch weiter auf und ab, durch Sand über Felsen. Irgendwann kam von hinten ein alter roter Nissan oder sowas und hält neben mir. Drinnen sitzt eine junge Isländerin, macht die Beifahrertüre auf und schaut heraus. Ob ich irgendwas bräuchte oder sie mir irgendwie helfen könnte. Ob sie nicht vielleicht mein Gepäck mitnehmen sollte zur Kverkfjöll-Hütte... es gäbe auch eine kleine sehr gemütliche Hütte in Hvannalindir, nicht mehr allzuweit von hier, ob ich vielleicht dorthin wollte. Wirklich sehr nett und zuvorkommend, und sie kannte offensichtlich jeden Stein hier. Ich überlegte ein wenig, das mit dem Gepäck klang verlockend. Aber nachdem ich wirklich noch nicht wußte, wie weit ich an so einem Tag noch kommen könnte, beschloß ich, lieber all meine Sachen bei mir zu behalten, dann könnte ich zur Not irgendwo mein Zelt aufbauen und übernachten. Mit den besten Wünschen verabschiedete sich also der alte rote Nissan oder sowas wieder, von hinten sah ich jetzt auch das selbe Nummernschild wieder wie vorhin. In mir kommt der Verdacht auf, daß das nicht unsere letzte Begegnung war, daß wir uns bei der Hütte in den Kverkfjöll wiedersehen würden. Jemand der diese Strecke an einem Tag zweimal fährt und noch dazu so hilfsbereit und nett ist und sich noch dazu so gut auskennt, das könnte ein Hüttenwart sein. Irgendwann nach vielen Stunden Schieben wurde die Piste doch endlich wieder besser. Steiniger. Eine normale Hochlandpiste eben. Allerdings war ich einigermaßen erschöpft nach den Strapazen und es war deutlich später als ich geplant hatte. Der kleine Bus ohne Allrad und mit Anhänger (und mit diesem Australier) hatte zwar eine Stunde gebraucht, mich aber mittlerweile doch wieder überholt. Ich peilte für heute nur noch Hvannalindir an, wenn es da wirklich eine kleine nette Hütte geben sollte... warum nicht. Und schließlich kam dann auch ein letzter kleiner Hügel, von dem man nochmals eine prächtige Aussicht hatte auf die Kverkhnjúkar, die Hügelkette nördlich der Kverkfjöll. Und vor der Hügelkette in einem kleinen Tal lag eine grüne Oase, Hvannalindir. In der Ferne konnte ich sogar schon die Hütte erahnen, und nicht weit davon fuhr gerade der kleine weiße Bus ohne Allradantrieb und mit Anhänger. Und irgendwo mittendurch floß die Lindaá, ein Fluß der die Oase mit frischem Quellwasser versorgt. Und irgendwo dort waren auch die zwei Furten, die die Straße noch durchquerte, bevor sie zur Hütte kam. Naja, besser als Sand. Also rollte ich meinen Hügel wieder hinunter und stand auch schon direkt vor der ersten der beiden Furten. Und die sah dann doch recht wenig einladend und tief aus. Aber, nachdem ich erst vor wenigen Metern am Schild "Zelten Verboten" vorbeigekommen war und der Flecken als Rastplatz sowieso nicht sonderlich geeignet war, machte ich mich furtklar und schleppte meine Sachen in alter Radlermanier hinüber: erstmal hineinwaten und günstigste Stelle Suchen, Gepäck abladen, Fahrrad rüberschleppen, zurück durchs knietiefe Wasser, Gepäck anpacken und weils so schön war noch einmal ab durch den Fluß. Naja, hatte ich aber auch schon schlimmere Erlebnisse mit Furten. Drüben ging es dann nochmal auf einen kleinen Hügel hinauf mit vielen Steinen rundherum, kein Sand, kein Grün, und dann wieder hinunter den Hügel. Und, wer hätte das gedacht, der selbe Fluß will schon wieder gefurtet werden. Drüben ist aber schon ein kleiner Parkplatz zu sehen und ein Fahnenmast ohne Fahne und ein Klohäuschen und das Hüttendach. Das vor Augen und den hier etwas weniger tiefen Fluß vor den Füßen, beschloß ich, hier nicht schon wieder mein Gepäck abzuladen, sondern in einem Zug durchzuschieben. Auch das war machbar, auch wenn es ein wenig tiefer war als ich gedacht hätte. Ein wasserdichter Packsack ist schon praktisch. Drüben überdachte ich meine Optionen. Eigentlich war es noch nicht so spät, wenn es sein müßte, könnte ich sicher noch weiter bis zur Kverkfjöll-Hütte. Hier zu zelten ist strikt verboten, und nachdem ich das bißchen zarte Gras hier mitten zwischen Lava, Felsen und Sand gesehen hatte, hielt ich mich lieber auch daran. Blieb noch die Hütte. Eigentlich hatte ich noch nie in einer Hütte, unter einem festen Dach oder auch nur auf einer Matraze geschlafen, sooft ich auch in Island war. Mal sehen. Nach einem flüchtigen Blick in die Hütte, eigentlich schon von außen, wie die sich da an die Felsen schmiegt, das muß ja gemütlich sein... Innen gab es drei Betten, zwei davon übereinander, einen kleinen Tisch, einen Gaskocher, kein fließend Wasser und eine Menge Kerzen. Aber alles in allem war die Entscheidung schnell gefallen. Die Hütte machte einen mehr als einladenden Eindruck. Also schob ich mein Rad auf dem Fußpfad vor den Eingang, packte meine wichtigsten Sachen aus und richtete mich ein. Und ich lernte das Bezahlsystem des Ferðafélag Íslands endlich mal persönlich kennen. Nachdem es keinen Hüttenwart gab, nahm ich einen dafür bereitgelegten Umschlag, schrieb Namen und Adresse auf, steckte die ausgeschriebenen 1000 ISK hinein und ab damit in den Hausbriefkasten. Dank Gasherd brauchte ich heute auch nicht meinen Benzinkocher anwerfen, und ich hatte massenweise Kerzen und konnte außnahmsweise mal lange aufbleiben und lesen und sowas. Draußen wurde es mittlerweile schon so gegen halb zehn langsam düster. Die windstille Hütte und ein richtiger Stuhl, das tat gut nach so einem Tag. Und es gab viele deponierte Teebeutel, so daß ich mal ein paar andere Sorten ausprobieren konnte. Und es gab ein Gästebuch, in dem ich schmökern konnte. Allerdings fand ich nur isländische Einträge. Die dafür auch aus den letzten zehn Jahren oder so. Kurz und gut, ich gönnte mir eine sehr entspannende Nacht, mit fließend Wasser aus der Lindaá, die weniger Algen hatte als das Wasser was ich heut morgen geholt hatte. Und auch wenn ich mein Tagesziel nicht erreicht hatte war ich hier richtig zufrieden. Bilder der Tages:
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19. August 2003 Kverkfjöll |
Die Nacht über hat der Südwind draußen kräftig weiter geweht. Von meiner gemütlichen Liege konnte ich durchs kleine Fenster hinausschauen, aber der Sonnenaufgang war dann doch nicht mehr so ganz in meinem Blickfeld. Dennoch wachte ich zeitig auf. Das Zusammenpacken war heute mal recht schnell erledigt, ich mußte mal nicht mein Zelt abbauen. Dafür mußte ich die Stube fegen. Durch jede noch so kleine Ritze war schwarzer Sand hereingeweht und eine dünne Schicht lag nun überall, am Boden, am Tisch, und einfach überall. Und so kam ich auch erst nach dem Fegen zum Frühstücken. Und während ich meine Sachen raus zum Fahrrad trug, kam natürlich so viel neuer Sand herein, daß ich den gleich nochmal zusammenkehren mußte. Nachdem ich auch den Gashahn außen wieder abgedreht hatte und die Türe zugezogen nahm ich Abschied von meiner gemütlichen Hütte, schob mein Gespann wieder auf die Piste und dachte an mein heutiges Tagesziel, Kverkfjöll. Das Wetter war mittlerweile deutlich ruhiger, der Südwind blies nur noch schwach und es waren Wolken aufgezogen, sah aber nicht nach Regen aus. Laut Karte mußte ich erst nochmal durch eine richtig sandige Ebene auf den Lindakeilir zufahren, dann durch ein paar kleine Hügel zur Kverkhnjúkarskarð, wo ich auf die andere Piste F902 zu den Kverkfjöll kommen sollte. Also radelte ich zunächst noch an einem Lavafeld entlang. Die weite "Sandebene" konnte ich schon von weitem sehen, und da trauerte ich schon dem kleinen grünen Flecken Hvannalindir nach. Allzuviel Sand war in der Ebene eigentlich nicht, hauptsächlich Steine in allen möglichen Variationen. Ein wenig fühlte ich mich an die Marsbilder erinnert, die man immer so zu sehen bekommt. Bloß daß mitten durch diese Marslandschaft eine kaum erkennbare Piste führte. Und typisch für eine Ebene konnte ich die Berge vor mir zwar langsam näher und näher kommen sehen, hatte aber trotzdem nicht das Gefühl, daß ich vorankäme. Nach schier endloser Zeit hatte ich endlich wieder Hügel auf beiden Seiten um mich. Es ging zwar auch wieder ein wenig auf und ab, aber das war mir insgesamt lieber als die öde Ebene hinter mir. Und nach ein paar Biegungen entdeckte ich an den schwarzen Hängen sogar leuchtend rote und andere Gesteine, so daß es richtig was zu sehen gab. Und im Handumdrehen stand ich dann auch schon vor einem einsamen gelben Wegweiser und hatte meine erste Etappe für heute erreicht. Ich war überrascht, daß ich keine Probleme mit tiefem Sand hatte bisher. Ich bog ab auf das verbleibende Stück Piste Richtung Kverkfjöll. Der Weg führte geradewegs wieder hinaus aus den Bergen und vor mir öffnete sich die Landschaft wieder, diesmal in Form eines Lavafeldes. Und irgendwo am Ende des Lavafeldes müßte ich an eine Hütte kommen. Also radelte ich mit gutem Mut voran, ein Stück hinauf, ein Stück hinab, über blanken Basalt und über ein wenig Sand. In Windeseile kam ich vorwärts. Zumindest hatte ich so einen Eindruck. Als sich der Pistenverlauf ein wenig beruhigt hatte und ich nurmehr auf einer Steinebene unterwegs war, ohne dem zerklüfteten Lavafeld, kramte ich nochmal die Karte raus. Das Stück kam mir deutlich länger vor, als es da eingezeichnet war. Nagut, zum Falsch-Abbiegen hatte ich nicht so viel Gelegenheit in letzter Zeit, also muß ich ja irgendwann ankommen. Über mir zogen dicke Wolken her, und eigentlich rechnete ich jeden Moment mit Regen. Nicht zuletzt deswegen war ich so begierig, anzukommen. Aber ich kam nur an immer neuen einsam in der Ebene stehenden kleinen Bergen vorbei, die Hügelkette links neben mir führte auch ewig geradeaus in die selbe Richtung, und die steinige Ebene nahm sowieso kein Ende. Bald hatte ich die verstreuten Gipfel auf meiner rechten Seite alle hinter mir gelassen und eine offene Sicht auf den Gletscher Dyngjujökull, wie der Vatnajökull hier heißt. Rund um diesen Eisschild flossen unzählige kleine Schmelzwasserbäche ab und vereinten sich zur Jökulsá á Fjöllum. Schon jeder einzelne dieser "Bäche" war beeindruckend, erst recht je weiter sie am Nordende der Eiszunge waren. Irgendwo hinter dem unentwirrbaren Geflecht aus Inselchen und Wasseradern konnte ich den alten Schildvulkan Trölladyngja erkennen und später auch die Askja östlich davon, über der sich schon wieder ein Sandsturm zusammenbraute. Alles in allem kam ich nach sehr viel mehr Zeit als ich gedacht hätte und mit sehr viel weniger Sand als ich gefürchtet hätte auf einen letzten Hügel. Vor mir lag eine steile Abfahrt, und am anderen Ende des kleinen Tals sah ich die Hütte, Sigurðskáli. Endlich. Auf dem letzten Stück überholten mich mal wieder zwei Jeeps, aber insgesamt war wenig Verkehr unterwegs heute. Und als ich mein Fahrrad an der Hütte abstellte, sah ich auch viele alt bekannte Fahrzeuge der letzten Tage wieder. Unter anderem den kleinen weißen Bus ohne Allradantrieb mit dem Anhänger. Erstmal ging ich in die Hütte, um für den Zeltplatz zu zahlen. Und um herauszufinden, wo denn die berühmten heißen Quellen eigentlich zu finden sind und wo man sonst noch hinwandern könnte. Und, wie erwartet, traf ich dort die Isländerin wieder, die mir gestern angeboten hatte, mein Gepäck zu transportieren. Sie empfahl mir zwei Wanderungen, den Biskupsfell hinauf, gleich hinter der Hütte, und das würde so etwa 4 bis 5 Stunden dauern. Oder eine Tageswanderung ins Hveradalur, zu den heißen Quellen. Allerdings ist die Brücke auf dem "normalen" Wanderweg vor etwa zwei Wochen davongespült worden, also müßte ich über den Gletscher. Und da gibt es hier und dort ein paar Spaltenfelder, da müßte ich aufpassen. Und das würde so etwa 8-10 Stunden dauern. Hmm. Über den Gletscher. Na das klingt ja lustig. Aber nachdem es mittlerweile sowieso schon Nachmittag war, beschloß ich erstmal mein Zelt aufzubauen und heute nur noch auf den Biskupsfell zu steigen. Also suchte ich mir ein grünes Fleckchen auf dem "idyllischen" impotierten Rollrasen, direkt unter dem großen Stein, falls den jemand kennt, und schlug mein Lager auf. Dabei merkte ich, daß einer der Reißverschlüße in meinem Außenzelt nicht mehr schloß. Offensichtlich nahm mein Zelt mir das übel, daß ich gestern zum ersten Mal in der Hütte geschlafen hatte und das Zelten bleiben ließ. Aber solang es nicht regnet und wenn ich ja bald sowieso am Ende meiner Reise wäre, konnte ich damit leben. Einigermaßen frustriert hatte ich bald meine Sachen vom Anhänger ins Zelt umgeladen und ließ das alles hinter mir um mich mit meinen Wanderstiefeln aufzumachen in Richtung Biskupsfell. Unterwegs besserte sich meine Laune wieder zusehends. Der Weg war zunächst gut markiert und einfach zu gehen, und als die Hütte erstmal ausser Sicht war und ich auch an ein paar schnatternden Italienern vorbei war, war auch das letzte bißchen Zivilisation schier endlos weit weg. Über schwarze Geröllbrocken führte mein Pfad. Überhaupt war schwarz schon fast seit Hvannalindir durchgehend die dominierende Farbe. Die Berge, Hänge und Hügel rundherum waren schwarz, der Weg sowieso, das Gletschereis, das man gelegentlich sah, war auch eher schwarz-grau, und am Himmel zogen ebenfalls mehr und mehr dunkelgraue Wolken zusammen. Eine düstere Mondlandschaft. Der Weg teilte sich und führte mich bald steil den Hang hinauf, über ein paar Schneefelder und immer steiler immer weiter hinauf. Allerdings hielt sich die Aussicht in Grenzen, auf der einen Seite ging es nur bergauf, auf der anderen Seite war fast nur der Virkisfell zu sehen. Als ich aber schließlich nach einem weiteren Bogen endlich an den Gipfel des Biskupfell kam, war das schon deutlich besser mit dem Rundumblick. Im Norden erhoben sich die vielen Bergrücken des Kverkfjallarani, rundum im Süden war der Eispanzer des Vatnajökull zu sehen. Besonders gut zu sehen war allerdings der Kverkjökull, eingerahmt auf beiden Seiten von steilen Bergwänden. Auf dem westlichen Teil des Kverkfjöll, über dem Gletscher und über einem Schneefeld, sollte das Hveradalur liegen mit den berühmten heißen Quellen. Ich konnte sogar den Dampf aufsteigen sehen, oder bessergesagt erahnen. Von da hat man sicher ne tolle Aussicht. Aber als ich so davorstand sank mir ein wenig der Mut. Über den Gletscher, da hinauf? Na das kann ja heiter werden. Für heute drehte ich erstmal wieder um, nachdem ich genug Aussicht genossen hatte, und wanderte den ganzen steilen Weg wieder zurück. Im Vergleich zu dem Gletscher da drüben war das hier wohl doch eher Kleinkram. Um trotzdem nicht genau die selbe Route zurückzuwandern, die ich schon hergekommen war, wandte ich mich bei der einzigen Weggabelung weit und breit nach rechts, um auf der anderen Seite des Virkisfell herauszukommen. Das Ende dieses Weges hatte ich vom Fahrrad aus schon gesehen, denn das letzte Stück führte direkt an der Piste entlang. Aber soweit war ich noch nicht. Als der Kverkjökull von etwas weiter unten nicht so recht zu sehen war, sah der Biskupsfell auch gleich viel beeindruckender aus. Und es ist immer ein wenig ein eigenartiges Gefühl, wenn man denkt, da oben auf dem Felsen war ich grad eben noch gestanden. Auch der weitere Abstieg gestaltete sich interessanter als der Herweg. Ich kam an ein erkaltetes Lavafeld, in das Schnee und Schmelzwasser richtige glatte Rinnen geschliffen hatten. Dort zu laufen war wiedermal etwas völlig anderes und machte richtig Spaß. Schließlich war ich aber wieder beim Zelt und bei der Hütte. Ich wollte noch zu Abend essen und mich bei der Gelegenheit ein wenig umhören, wie das denn nun ist mit dem Gletscher. Von der Hüttenwärtern hatte ich erfahren, daß eine Gruppe heute die Tour zum Hveradalur hinauf gemacht hatte und morgen noch eine Gruppe hinauf wollte. Die zweite Gruppe war gerade draußen beschäftigt, im Wind ihre Zelte auszupacken und aufzubauen. Die erste Gruppe versammelte sich grade drinnen zum Essen. Ein klein wenig überrascht war ich schon, aber eigentlich war ja zu erwaten, daß das die Gruppe mit dem kleinen weißen Bus ohne Allradantrieb und mit Anhänger war. Sie erzählten mir, daß sie gestern abend angekommen waren, nachdem sie noch dreimal im Sand steckengeblieben waren, und heute eben mit Guide über den Gletscher und so geklettert waren, und daß das alles ganz toll war und so, und daß die Gletscherspalten aber ganz schön beeindruckend waren und so, und daß sie das ohne einem ortskundigen Guide auf keinen Fall machen würden. So schön wie die das da oben beschrieben haben, igendwie kam in mir mehr und mehr die Vermutung auf, daß ich morgen da hochklettern würde, mit oder ohne Guide. Mal sehen, was die andere, französische Gruppe morgen machen würde. Ausserdem stellte sich heraus, daß die meisten aus der Gruppe ihre Reise über Bruno in Hamburg organisiert hatten, mit dem ich vor langer Zeit auch schonmal E-Mail Kontakt hatte, und der hatte ihnen die "Fire&Ice"-Tour vom Mývatn hierher wärmstens empfohlen. Tja, so klein ist Island. Ich hatte meine Nudeln bald fertiggegessen, knabberte ein wenig Kekse und trank Tee. Irgendwann zog ich mich dann in mein Zelt zurück, nachdem ich doch keine praktischeren Tips bekommen konnte als "ohne Guide kommt man da aber nicht hoch". Wenigstens bekam ich von der netten Hüttenwärterin, die ich gestern schon getroffen hatte, noch ein paar alte Ski-/Wanderstöcke geliehen, für den Gletscher... Bilder der Tages:
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20. August 2003 Kverkfjöll |
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war es bewölkt, hauchfeiner Nieselregen hing in der Luft und alles war recht nass. Aber ich dachte mir, das bin ich ja gewöhnt, entweder es lockert bis spätestens 12 Uhr auf und ich hab heut noch einen wunderbaren Sonnentag, oder das wird nichts mehr mit dem Wetter und ich kann auch nichts dagegen machen. Also kann ich ja getrost mal aufbrechen in Richtung Hveradalur und später immer noch umdrehen. Soviel zum Plan. Erstmal bin ich jedenfalls rausgekrochen aus meinem Zelt und traf endlich mal meinen Zeltnachbarn, den Australier aus der Busgruppe. Wir kamen ein wenig ins plaudern, eigentlich ist er auch Radler wie gesagt, er ist schon über Sprengisandur und Gæsavatnaleið gekommen dies Jahr, hatte dort einen Sandsturm und nun fürs erste genug vom Sand. Aber noch nicht vom Hochland. Deshalb hat er diese Bustour mitgemacht. Australier, Gæsavatnaleið, ratterratterratter. Ich fragte ihn, ob er vielleicht mal eine E-Mail an einen deutschen Radler geschrieben hatte wegen Informationen zur Gæsavatnaleið, irgendwann dies Frühjahr. Tatsache. Das war ich. Er hatte meine Mail ausgedruckt, von Australien nach Island mitgeschleppt, reichlich benutzt und jetzt in seinem Zelt direkt vor meiner Nase liegen. So klein ist Island. Viele Grüße an dieser Stelle an Mike in down-under... Aber der kleine weiße Bus ohne Allradantrieb und mit Anhänger und Mike mußte bald weiter Richtung Askja und zurück zum Mývatn. Der alte rote Nissan oder sowas fuhr als Begleitfahrzeug mit, falls der Sand gar zu schlimm würde. Und ich brach auch bald auf Richtung Gletscher. Ich packte die geliehenen Ski-/Wanderstöcke auf meinen Rucksack, nahm noch eine Thermoskanne voll heißem Tee mit und radelte los. Erstmal mußte ich noch ein kurzes Stück bis zum Fuß des Gletschers fahren. Da führte die Piste noch hin, und da wollte ich mein Rad dann deponieren. Unterwegs gab es jedoch noch einen recht tiefen Fluß zu furten, also änderte ich den Plan und wollte schon hier loswandern. Und gerade als ich mein Rad hingelegt hatte und die Watsandalen herauskramte, da kamen ein paar französiche Landrover an. Sie boten mir an, mich das kurze Stück mitzunehmen. Angesichts des kalten reißenden Gletscherflusses nahm ich das Angebot dankend an, es waren sowieso nur noch wenige hundert Meter bis zum Ende der Piste. Die Franzosen waren noch nicht die Busreisegruppe, die heute auf den Gletscher wollte, sondern auf eigene Faust mit ihren Fahrzeugen unterwegs. Sie hatten eigentlich nur recht wenig Zeit, wollten einmal in ihrem Urlaub ein wenig auf einen Gletscher laufen und mußten dann schon wieder weiter. Und sie waren größtenteils aus Strassburg und sprachen ein wenig Deutsch. Also spazierten wir ein Stückchen gemeinsam vom Parkplatz aus weiter, zunächst zur berühmten Eishöhle am Fuß des Gletschers. Betreten konnte man die nicht, das Wasser war zu reißend und ein trockenes Ufer gab es nicht. Trotzdem beeindruckend, was da für Wassermassen unter dem Gletscher hervorquollen. Und sehr beeindruckend war auch der Gletscher oben drüber. Ich war eigentlich noch nie auf sowas entlanggeklettert und hatte keine Ahnung davon. Hoffentlich kommt die Gruppe bald, die da heute auch hinaufwill und nimmt mich mit. Und während wir ein wenig zurückmarschierten um einen Aufstieg auf das Eis zu finden, kam auch tatsächlich der Bus an. Ich unterhielt mich ein wenig mit deren Guide. Die machte einen ziemlich lustlosen Eindruck als hingen ihr die ewigen Touristen langsam zum Halse heraus, und sie meinte, daß sie heute wohl nur ein Stückchen hinauf auf den Gletscher wollten und nicht ganz bis zu den heißen Quellen am Hveradalur. Also würde ich das wohl doch alleine versuchen müssen. Wenigstens hatte die Hüttenwärterin mir schon gesagt, wenn ich bis abends nicht zurück wäre, würde sie sich persönlich aufmachen um mich zu suchen. Zusammen mit vielen Franzosen um mich und doch irgendwie allein marschierte ich also in Richtung Eis. Die Stöcke hatte ich natürlich schon lange griffbereit, aber solang ich noch auf dem Gletscherschutt unterwegs war, fand ich die eher störend. Irgendwann ging es dann über ein bißchen Schnee, und bevor ich es richtig merkte war ich auch schon auf hartgefrorenem Eis unterwegs. Auf dem Gletscher. Es war ein wenig rutschiger, aber ansonsten eigentlich als ginge man auf hartem, blankem Fels herum. Die Skistöcke waren jetzt doch recht praktisch, nachdem ich keine Grödel unter den Schuhen hatte waren sie eigentlich das einzige was mir einigermaßen sicheren Halt bot. Wenn ich sie nicht gehabt hätte, wäre ich auch nach einer kleinen Runde auf dem Eis wieder umgedreht in Richtung sicheres Zelt. Aber so ging ich munter weiter und weiter hinauf. Die reichlich große Gruppe verstreute sich recht bald auf der Eisfläche, nichts von gerade in einer langen Reihe bergauf, sondern eher in kleinen Dreiergrüppchen oder so nebeineinander her. Die Busgruppe blieb gleich etwas zurück und montierte erstmal Grödel unter den Schuhen. Die Landroverpiloten drehten bald einer nach dem anderen um, sie mußten ja noch ein Stück weiter heute. Und so war ich schnell völlig allein. Unter meinen Füssen waren ständig kleinere Rinnen, in denen das Schmelzwasser abfloß. Da konnte ich aber immer problemlos drüber steigen. Ständig gurgelte und gluggerte es überall in verschiedensten Tonhöhen, meistens irgendwo tief unten im Eis. Diese Geräuschkulisse wurde jetzt um so deutlicher, als sich alle anderen verabschiedetet hatten und ich alleine auf dem Eis war. Nach allem was ich wußte gab es derzeit drei größere Spaltenfelder im Eis und man konnte zwischen zweitem und drittem oder hinter dem dritten irgendwie hindurchkommen auf die andere Seite des Gletschers. Dort drüben sollte es dann in einem einfachen Schneefeld weiter bergauf zu den heißen Quellen im Hveradalur gehen. So zumindest sah das auf der Karte aus, die in der Hütte an der Wand hing, und das Schneefeld und den Fußpfad quer dort hindurch konnte man auch problemlos von unten erkennen. Aber auf dem Eis konnte ich mich nicht so recht orientieren, ob das jetzt das zweite oder das dritte Spaltenfeld war... oder vielleicht ist das schon das vierte? Jedenfalls hielt ich mich daran "ein ganzes Stück auf der einen Seite hinaufgehen, dann in einer geraden Linie hinüber zum Anfang des Schneefeldes", das hatte mir der Guide der Franzosen grade eben noch gesagt und das war einfach zu finden. Also nahm ich mir vor, oberhalb eines Eisbuckels, das dritte Spaltenfeld meiner zählweise, in gerader Linie hinüber zu wandern. So weit, so gut. Die Rinnen unter mir wurden immer tiefer und tiefer, bald mußte ich schon richtig weite Schritte machen um hinüberzukommen. Einige der Rinnen waren mittlerweile auch richtig tief. Aber oberhalb von meinem Buckel hinüber geradewegs auf das Schneefeld zu, das müßte doch der richtige Weg sein. Die Rinnen wurden zusehends zu richtigen Spalten, dazwischen wie Inseln einige Eisblöcke auf denen ich gut vorankam. Problem war nur immer von einer Insel zur nächsten zu kommen. Und so kam ich nur schleppend voran, drehte immer wieder ein paar Schritte um, und kam mehr und mehr zum Schluß, daß das hier doch nicht der richtige Weg sein könnte. Mitten durch ein Spaltenfeld, das bisher hinter dem Eisbuckel verborgen war, kletterte ich nun "bergab", dort unten schien es wieder angenehmer zum Laufen zu sein und mit weniger Spalten. In Gedanken sah ich mich aber schon irgendwo zwischen den glatten Eiswänden festsitzen, meine Teekanne aus dem Rucksack kramen und zu waren, daß jemand von der Hütte mich suchen kommt. Andererseits saß ich sowieso schon mitten drin in diesen Spalten und würde nie und nimmer gefunden werden. Die Wanderstöcke waren wieder fast ein wenig hinderlich, meistens kletterte ich irgendwie auf allen Vieren von der einen Eisinsel zur naechsten. Und nach ein bißchen Nervenkitzel hatte ich das Schlimmste auch bald hinter mir. Die Spalten wurden wieder kleiner und kleiner, eher zu Rinnen in denen das Schmelzwasser abfließt. Ich kam wieder zügiger voran. Und endlich wanderte ich wieder mit Stöcken und recht bequem über eine glatte Eisebene, das letzte Stück vor dem Schneefeld und dem sicheren, festen Untergrund. Ich empfehle das hiermit nochmal ausdrücklich nicht zur Nachahmung, auch wenn ich offensichtlich nochmal Glück hatte! Das war also hoffentlich nicht der einfachste Weg, den ich da gewählt hatte. Aber wenn ich jetzt schonmal so weit war, dann wollte ich die einfachere Hälfte übers Schneefeld bis zum Hveradalur auch noch in Angriff nehmen. Zurück müßte ich allemal irgendwie. Vor mir lief der Gletscher in einem Schneefeld aus, unter und neben dem man schon Fels und Geröll sehen konnte. Dort ging es sich deutlich einfacher. Auch wenn der Weg bald steil anstieg, ich hatte deutlich mehr Zeit und Ruhe, den fantastischen Ausblick zu genießen, der sich hinter mir nach Norden und Westen hin öffnete und mit jedem Höhenmeter noch ein bißchen besser wurde. Der Weg war natürlich schon längst nicht mehr markiert. Hier oben im Schnee konnte ich aber den Spuren der gestrigen Gruppe folgen. Es ging zeitweise über kleine Geröllflächen, die aus dem Schnee herausragten, insgesamt war dies jedoch der deutlich einfachere Teil meiner heutigen Tour. Und nach etwa einer guten Stunde Aufstieg konnte ich schon Schwefelgeruch wahrnehmen. Mein Ziel war also nicht mehr weit. Die heißen Quellen reihten sich bald eine an die andere. Teilweise waren sie unter dem Schnee und man konnte nur die Dampfabzugslöcher sehen. Teilweise lagen die schweflig rot und gelb leuchtenden Solfataren direkt am Rand von Eis und Schnee. Aber was mich eigentlich noch viel mehr faszinierte war die Aussicht. Unter mir lag das gesamte östliche Hochland. Angefangen mit dem gewaltigen Vatnajökull und seinem Ausläufer Dyngjujökull, der mit seinen unzähligen kleinen Schmelzwasserbächen die Jökulsá á Fjöllum speist, dahinter im Dunst der Schildvulkan Trölladyngja, Askja und die Dyngjufjöll, das ganze Jahr über mit den typischen kleinen Schneefeldern gesprenkelt, der unverwechselbare Tafelberg Herðubreið, klein daneben die Pyramide der Upptyppingar und schließlich die vielen Reihen und Bergketten in Nord-Süd Ausrichtung. All das überspannt von einem strahlend blauen Himmel, nachdem sich mittlerweile die Wolken fast spurlos aufgelöst hatten. Einfach unbeschreiblich, besser kann man sich das gar nicht wünschen. Ich machte eine ausgiebige Rast, die ich mir nach dem anstrengeden Aufstieg verdient hatte und genoß es eine Weile einfach nur dazusitzen. Irgendwann brach ich aber doch nochmal auf, um ein wenig weiter bergauf zu gehen, weiter an den heißen Quellen entlang. Schließlich kam ich an ein richtiges Tal, das wohl erst den Namen Hveradalur verdient hat. Aus schwarzem Gestein stieg hier Dampf auf, überall waren Schneeflecken dazwischen. Unglaubliche Farbkontraste auf engstem Raum. Ein Stückchen weiter oben sollte die Hütte eines Gletscherforschungsvereins sein. Ich wanderte noch ein wenig in dieser Richtung auf dem ausgetretenen Pfad durch den Schnee. Aber mittlerweile zogen oberhalb über den Bergkamm wieder ein paar neue Wolken und Nebelschwaden. Und nachdem sich das Wetter in den Bergen ja angeblich schneller ändert als man denkt, und ich nicht im geringsten Lust hatte, bei Regen oder Nebel über den Gletscher zurückzuwandern, beschloss ich doch lieber wieder umzudrehen. Die Tour hatte sich trotz der Strapazen voll und ganz gelohnt, die heißen Quellen und die Aussicht waren den Tag mehr als wert. Also kehrte ich um, stapfte durch den Schnee zurück an den heißen Quellen vorbei und hinunter in Richtung Gletscher. Vor mir lag nun die ganze Zeit das atemberaubende Panorama des Hochlandes, auch wenn sich der blaue Himmel von Osten her zusehends wieder eintrübte. Auch hatte ich jetzt Gelegenheit, mir von oben mit mehr Übersicht (und mehr Erfahrung) eine bessere Route über das Eis zu suchen. Spaltenkletterei muss ja nicht schon wieder sein und ich konnte eine Route ausmachen, die ziemlich spaltenfrei aussah und einfach zu bewältigen. Beim Absteigen durch den Schnee waren die Skistöcke wieder eine große Hilfe. Unzählige Male rutschte ich aus und konnte mich an den Stöcken festhalten. Insgesamt kam ich aber sehr zügig voran, es ging ja auch bergab. Nach nur einer halben Stunde bergab durch den Schnee stand ich dann wieder auf dem Eis. Meine neue Route führte mich deutlich weiter unten über den Gletscher. Das Spaltenfeld umging ich somit komplett und es ging geradeaus und zügig voran. So machte das richtig Spaß auf dem Gletscher. Außerdem war die Oberfläche jetzt am Nachmittag deutlich rauher und weniger glatt, angetaut von den Sonnenstrahlen. Ich kam bald an eine große ebene Fläche unterhalb des Eisbuckels, den ich am Vormittag umwandert hatte. Hier fanden ich unzählige große Haufen schwarzen Sandes. Und außerdem hörte ich Wasser rauschen, so als wäre ich direkt über dem Fluß der am Ende des Gletschers ans Tageslicht kommt. Bald merkte ich aber, daß stattdessen eine große Schmelzwasserrinne das Geräusch verursachte. Und diese Rinne kreuzte zum Glück nicht einmal meinen Weg, sondern mündete in ein großes tiefes Loch, etwa ein Meter im Durchmesser und vermutlich unendlich tief. Dort hinein in die Dunkelheit stürtzte auch das Wasser. Faszinierend, was man am Gletscher so alles entdecken kann, aber einen respektvollen Abstand hielt ich doch lieber auf der etwas rutschigen Oberfläche. Mittlerweile waren richtig viele Wolken über den Bergkamm gezogen. Ich wäre zwar wahrscheinlich noch problemlos mindestens bis zu dieser Gletscherforscherhütte oben am Berg gekommen, aber nachdem ich ja nicht wußte, daß ich bergab so viel schneller und einfacher vorankäme als bergauf war ich insgesamt froh, daß ich schon fast wieder unten und in Sicherheit war. Fast. Vor mir lag nur noch die spaltenfreie nordöstliche Hälfte des Gletschers. Und dann war da ja noch dieser Gletscherfluss, den ich heute morgen so bequem im Jeep überqueren durfte. Weil es gar so gut voranging und wie gesagt mittlerweile richtig Spaß machte, am Gletscher zu "spazieren", beschloß ich, ihn komplett zu queren und somit den Fluß auch diesmal trockenen Fußes zu umgehen. Gesagt getan wanderte ich schnurstracks zügig vorwärts geradeaus. Die Sonne hatte ja mittlerweile die Oberfläche des Gletschers deutlich angeheizt und aufgerauht. Außerdem hatte sie aber die kleinen Schmelzwasserrinnsale von heute morgen zu richtigen Bächen anschwellen lassen. Somit war für mich die zweite Hälfte des Gletschers diesmal zwar spaltenfrei, stellenweise aber ziemlich rutschig und nass mit all dem Wasser. Und in gerader Linie weit unter mir kam der Gletscherfluß gerade aus dem Eis hinaus, eine unangehme Aussicht für einen Ausrutscher. Aber ich hatte auch diesmal Glück und so kam ich bald zwischen Steinen, Sand und Geröll an der Endmoräne heraus. Zunächst war das auch recht schwieriges Gelände, ich sackte tief in den feuchten Boden ein während es hangabwärts ging. Aber schließlich kam ich auf die Höhe des Gletscherflusses, der jetzt harmlos neben mir dahinfloß und mir nicht den Weg versperrte. Im Flußbett waren unzählige kleine Steine die für einen festeren Untergrund sorgten, als der Sand weiter oben an den Hängen. Außerdem kam ich bald wieder auf einen markierten Wanderweg mir rot leuchtenden Pflöcken. Der restliche Heimweg würde also ein Kinderspiel werden. Die Pflöcke führten mich geradewegs zu meinem Fahrrad zurück, daß ich bei der Furt und bei der Piste deponiert hatte. Dort hatte ich mir wieder eine Pause verdient, und blicke zurück auf den Gletscher, das Schneefeld und den Gipfel. Meine gesamte Route konnte man von hier sehen, und auch den Dampf der heißen Quellen, der sich gerade mit Wolken und Nebelschwaden vermischte, die über den Hang krochen. Ein atemberaubender Tag mit vielen Erlebnissen war das, vermutlich einer der besten meines ganzen Urlaubs. Ich packte die Wanderstöcke wieder an den Rucksack und los ging es mit dem Fahrrad auf der Piste in Richtung Hütte. Dort traf ich gleich den Guide der französischen Truppe wieder, die nur ein bißchen am Gletscher herumklettern wollten. Sie fragte mich, ob ich ganz hinauf gekommen wäre und wie lang ich gebraucht hätte. Sieben Stunden. Normalerweise ist die Tour für 8-10 Stunden ausgelegt. Ich bereute doch ein wenig, daß ich nicht bis zur Gletscherhütte hinaufgewandert war. Trotzdem, eine unvergessliche Tour. In der Hütte traf ich auch die Hüttenwärterin wieder, eifrig beschäftigt neue Gäste unterzubringen. Also brachte ich ihr nur schnell die Skistöcke wieder und meldete mich zurück. Muß mich an dieser Stelle nochmal herzlichst bei den diesjährigen Hüttenwarten dort oben bedanken. Die waren wirklich sehr nett. Mittlerweile war noch eine andere Busgruppe angekommen. Insgesamt waren jetzt die Franzosen, ein englischer Geologentrupp und eine buntgemischte "englische Gruppe" an der Hütte. Die Franzosen mussten draußenbleiben bei ihren Zelten und in ihrem Gruppenzelt. Die Geologen hingen ständig am Funkgerät, studierten Karten und diskutierten. Irgendwo wollten sie einen Flieger chartern für Luftaufnahmen oder so, sie hatten scheinbar ständig was Neues im Sinn. Und die "englische Gruppe" war eigentlich gar keine englische Gruppe, sondern eine Gruppe mit ein paar Amerikanern, ein paar Engländern, ein paar Australiern und einem neuseeländischen Guide, der praktischerweise Andy hieß, genau wie der Guide der Geologentruppe. Das führte dann auch zu lustigen Verwirrungen als das NMT-Funktelefon klingelte und jemand Andy sprechen wollte. Aber nicht "Andy the Kiwi" natürlich. Die Gruppe erwähne ich deshalb so ausführlich, weil die mich zum Abendessen einluden. Ich hatte zunächst nur den einsam in der Hütte sitzenden Busfahrer kennengelernt, ein Isländer der noch nie hiergewesen war und sich aber sehr dafür interessierte, was es nicht alles für Verrückte gibt, die sogar mit dem Fahrrad hierher radelten. Als nächstes hatte ich in der Küche unter anderem deren isländische Köchin kennengelernt, aber deren Geschichte kommt später. Und schließlich hatte ich auch "Andy the Kiwi" kennengelernt, der schon zig mal in Island war und auch Isländisch sprach und als einziger von der ganzen Truppe wußte, wo's langging. Und die luden mich nun zum Abendessen ein. Sie hatten Kartoffeln, Gemüse, Kjötbollur (Fleichbällchen) und sogar Wein aus nem TetraPak. Irgendwie clever, sich all sein Luxusgerümpel im Bus mitzunehmen. Jedenfalls war ich für die genauso eine Besonderheit, als Radler mit Anhänger und Zelt, wie die für mich eine Besonderheit waren, als leicht chaotische Reisegruppe die mal nicht nur mit sich selbst beschäftigt ist, wie die meisten, sondern auch für andere offen ist. Jedenfalls verging der Abend wiedermal wie im Fluge und ich wurde pappesatt und bekam sogar noch Kjötbollur als Wegzehrung für morgen eingepackt. Draußen hatte es dagegen mittlerweile zu regnen und zu stürmen angefangen. Richtig ungemütlich. Trotzdem verkroch ich mich in mein Zelt draußen, das schon so manchem Wind in Island getrotzt hatte. Auch wenn der kaputte Reißverschluß jetzt irgendwie ärgerlich war. Bilder der Tages:
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21. August 2003 zur Askja |
Es hat die ganze Nacht weiter gestürmt. An sich störte mich das nicht und ich konnte ganz gut schlafen. Aber igendwie tröpfelte das durch den Reißverschluss doch ein wenig durch, so daß der Sturm nicht ganz so spurlos an mir vorüberging wie mancher andere. Naja, was mich mehr störte, es sah auch nicht so aus als würde es bald aufklaren und ich wollte heute weiterradeln. Eigentlich mußte ich sogar weiterradeln, weil ich bald in Akureyri sein mußte, zum Studieren. Außerdem hatte ich nicht so viel Lust darauf, in einem Zelt mit Loch einen Regentag auszusitzen. Also bekam ich wohl doch noch meinen Regen ab nach so viel Sonnenschein in den letzten paar Wochen. Erstmal frühstückte ich ein wenig in der Hütte, während Boden von Isomatte und Zelt noch ein wenig trocknen durften, soweit das bei solchem Wetter möglich wäre. Natürlich war auch die englische Gruppe grade beim Frühstück. Die hatten eigentlich vorgehabt, heute zum Hveradalur aufzusteigen, saßen bei dem Regen aber dann doch lieber in der Hütte. Als ich erzählte, ich würde heute wohl noch weiterradeln, boten sie mit an, doch bis morgen zu warten und dann bei ihnen im Bus mitzufahren. Aber irgendwie lehnte ich das dankend ab. So ein bißchen Regenwetter, das gehört doch dazu zum Islandurlaub. Und ich mußte doch wenigstens einmal komplett durchnäßt werden, sonst fehlt was an dem Urlaub. Ich verabredete mich aber mit der Gruppe, die wollten nämlich morgen ebenfalls zur Askja. Wenn es dann weiter regnen würde, dann vielleicht. Ich packte also meine Sachen zusammen, alles war irgendwie ein wenig näßer und schwerer als sonst. Am Ende stand nur noch das Zelt und ich saß drinnen. Das Zelt ist bei solchem Wetter immer das komplizierteste und vorhin konnte ich schon zuschauen, wie die französische Gruppe ihre roten Firstzelte mit Müh und Not und vielen Händen bei dem starken Wind zusammenrollten. So ähnlich hab ich das dann auch gemacht, bloß mit weniger Händen und dafür im Windschatten der Hütte. Im übrigen blies es aus Norden, also zum einen vom offenen Atlantik her und ohne Regenbarriere, und zum anderen mir geradewegs entgegen. Ich verabschiedete von der ganzen Hüttenbesatzung, bekam etliche bemitleidende Blicke und die besten Wünsche mit auf den Weg und es ging los, eingepackt in all mein Regenzeug. Ich war noch nicht lange unterwegs da schien es mir, daß es doch noch aufklaren würde, der Regen ließ ein wenig nach und hörte zeitweise sogar ganz auf. Aber von blauem Himmel immer noch keine Spur. Nach einer Stunde hatte ich die erste Etappe durch die schwarze Steinwüste und vorbei an den schwarzen Bergstümpfen hinter mir und war wieder an der Wegkreuzung mit der F903 in Richtung Hvannalindir. Außerdem war ich jetzt ein Stück lang geschützt vom stärksten Regen und Wind zwischen den Bergen unterwegs. Und es gab im übrigen noch einen Grund, warum es mir gar nicht so viel ausmachte bei dem Regenwetter unterwegs zu sein. Der Sand, durch den ich so beschwerlich nach Süden geschoben hatte, war durch das viele Wasser gebunden und fest. Absteigen und Schieben war für heute nicht mehr angesagt. So radelte ich durch die Täler der Kverkhnjúkar und war noch ganz guter Laune. Als ich dann am Nordende herauskam und wieder eine Ebene um mich hatte, sank meine Laune aber wieder. Ich konnte richtig zuschauen, wie der Wind die Regenschauer über das Land vor mir hinpeitschte. Aus der Ebene ragt normalerweise ein letzter versprengter Berg, Rifnihnjúkur. Von dem sah ich aber wieder nur den unteren Stumpf und sonst nur Regen, Nebel oder Wolken, wie mans nimmt. Wo die Tropfen am Boden zwischen Steinen und Sand aufschlugen spritzte es gleich wieder auf, so daß von unten ebenfalls eine feine nebelartige Wolkenschicht aufstieg. Und irgendwo dazwischen stand ich mit Fahrrad und Anhänger und Regenzeug. Mein altes Regenzeug war derartigen Wassermassen aber nicht mehr ganz gewachsen, die Kapuze wurde sowieso meistens nach hinten weggeweht. Kurz gesagt wurde ich einigermaßen durchnäßt, vom kalten Nordwind schön ausgekühlt und bereute nun doch ein wenig, heute überhaupt aufgestanden zu sein. Aber ich kam vorwärts, und der Rifnihnjúkur gab einen schönen Orientierungspunkt ab, an dem ich das mit dem Vorwärtskommen auch mitverfolgen konnte. Bald dahinter kam ein deutlich kleinerer Hügel in Sicht, ein nächster Punkt zum anpeilen. Auf der Piste begegnete mir die ganze Zeit kein Auto mehr, aber dafür sah ich bald Fahrradspuren. Es war ein bißchen schwer zu zählen, weil die Radler offensichtlich in einer Reihe neben der Piste hergeschoben hatten nach Süden, dann aber keine Lust mehr hatten, sich durch den Sand zu quälen und in ihren eigenen Spuren wieder zurück nach Norden geschoben haben. Vermutlich waren sie zu dritt, aber ich hatte seit Tagen keine anderen Radler mehr gesehen und auch nur von einem einzelnen gehört, der eigentlich kurz nach mir zu den Kverkfjöll hätte kommen müssen, aber wohl ebenfalls umgedreht hatte. Jedenfalls war ich weiterhin allein unterwegs und rechnete schon fast nicht mehr damit, heute überhaupt noch ein anderes Fahrzeug zu Gesicht zu bekommen. Aber dann sah ich vor mir auf der F910 quer zu meiner Richtung zwei einzelne Jeeps fahren. Das gab mir wieder Hoffnung und einen neuen Orientierungspunkt. Auf dieser Piste wäre es nicht mehr weit bis zur Brücke über die Jökulsá á Fjöllum, und dort wäre ich in westlicher Richtung unterwegs, endlich ohne Gegenwind. Vor mir sah ich wieder die Pyramiden der Upptyppingar aufragen, diesmal jedoch nicht in ihrer vollen Pracht sondern nur etwa das unterste Viertel. Und an diesen Bergen konnte ich wieder zuschauen, wie die Regenschauer in immer neuen Schüben übers Hochland getrieben kamen, geradewegs auf mich zu. Als ich endlich bei der lang ersehnten Kreuzung ankam und nun auf die F910 in Richtung Askja einbog war ich einigermaßen erschöpft. Ich aß die letzten verbliebenen Kjötbollur, die ich gestern als Proviant fast schon aufgezwängt bekam, und die mal einen wirklich guten Ersatz für die Kekse abgaben. Verkehr war jetzt auf längere Sicht wiedermal nicht auszumachen. Und so war ich bald in der Mitte der Spur unterwegs durch den Regen in Richtung Brücke. Im Windschatten der Upptyppingar ging das irgendwie viel angenehmer und es regnete auch nicht so stark, so daß ich sogar ein wenig weiter voraus schauen konnte als bis zum nächsten Bergansatz der in die Wolken aufragt. Und so sah ich dann auch schon von weitem die Brücke vor mir und stand bald auch direkt davor. Dort löste sich endlich noch ein weiteres Rätsel, das mich seit Tagen beschäftigte. Bei der Kreppá-Brücke stand, es seien 40 km bis zur Hütte an den Kverkfjöll, das kam mir untertrieben vor nachdem ich dort langgefahren war. Hier stand nun, es seien 60 km bis zu der Hütte, das kam mir aber reichlich übertrieben vor. Na wenn da mal nicht einer die Schilder vertauscht hat. Was mir außerdem auffiel bei dieser Brücke war der Nebenarm der Jökulsá in einem neuen Flußbett, das neben der Bücke verlief und wohl noch zu furten wäre. Als ich so davorstand hatte ich aber keine Lust, bei dem Wetter die Watsandalen auszupacken. Außerdem lag ein großer Stein in Schrittweite im Bach. Vielleicht kommt man da ja auch trockenen Fußes rüber. Also probierte ich, aufs Fahrrad gestützt von Stein zu Stein da rüber zu springen. Das ging allerdings reichlich daneben. Die Furt war deutlich tiefer als ich gedacht hätte und die Strömung deutlich stärker. Bald stand ich dann im Fluß, klammerte mich an mein Fahrrad und bekam doch nasse Füße. Obwohl, eigentlich waren die Füße vom Regen sowieso schon patschnass, wie alles an mir. Also war mir das auch egal. Nach dieser reichlich uneleganten Flußüberquerung radelte ich schnell weiter, aber mir hatte sowieso niemand zugeschaut. Nicht mehr weit dann müßte ich an die F88 Öskjuleið kommen, die Straße zur Askja. Auf halber Strecke dorthin sah ich den Miðfell aufragen, wieder ein Orientierungspunkt den ich anpeilen konnte und an dem ich mein Vorankommen messen konnte. Ich war nicht allzu schnell unterwegs. Trotzdem änderte sich die Landschaft bald wieder grundlegend. Vorhin hatte ich allerlei dunkles, normales Gestein rund um mich. Jetzt waren die Steine gelblich hell und kleiner, Bimsstein. Endlose Mengen Bimsstein, vermutlich alle von der letzten Eruption der Askja 1875 oder so. Und während ich noch darüber staunte, kam ich doch langsam am Miðfell vorbei und weiter auf den Hügelzug Herðubreiðartögl zu. An deren Fuß lag die nächste Kreuzung, und dort war wieder Pause angesagt. Es war schon etwa halb fünf nachmittags, aber das längste Stück hatte ich geschafft. Die letzten 12 km Richtung Askja hatte ich nun fast schon ein wenig Rückenwind. Zumindest war es deutlich weniger kalt vom Fahrtwind her und eigentlich hätte ich jetzt auch noch stundenlang so weiterradeln können. Der "Sturm" hatte mittlerweile nachgelassen, die Tropfen stoben nicht mehr wie wild durcheinander wenn sie am Boden auftrafen. Ein normaler Regentag und ein ziemlich durchnäßter Radler blieben übrig. Und während das Massiv der Askja langsam immer größer vor mir aufragte und ich weiter auf dessen Nordrand zufuhr, kam ich bald wieder an einen kleinen Bach der gefurtet werden wollte. Allerdings war der wirklich klein genug, daß ich problemlos durchradeln konnte. Ein paar Kurven danach konnte ich zwischen Lavafelsen hindurch die Hütten erkennen, denn richtig eben war die Ebene hier nicht mehr. Nach einem weiteren noch kleineren Bach stand ich endlich am Parkplatz vor den Hütten. Es war spät, nass und kalt und ich war hungrig und ein wenig müde. Irgendwann unterwegs hatte ich beschlossen, daß ich mir wieder eine Nacht in einer trockenen Hütte leisten würde heute. Und so kam ich triefend in die Hütte mit dem Informationsschild außen dran und wurde dort gleich mal freundlich von einer halb mitleidig halb bewundernd lächelnden Hüttenwärterin empfangen. Natürlich war noch ein trockener Platz frei und ich konnte sogar meine Bargeldreserven schonen und mit Kreditkarte bezahlen, was mindestens ein weiteres Lächeln meinerseits wert war. Und so stellte ich bald das Rad neben der Dreki-Hütte ab, packte das Notwendigste aus und setzte mich ins Trockene. Das heißt, erstmal schälte ich mich aus meinem Regenzeug und zog mir was Trockenes an. Drinnen saß schon eine französische Familie um den Tisch und machte sich ihr Abendessen. Während ich mir einen Topf Nudeln kochte, boten sie mir ein Gläschen Wein aus dem TetraPak an, also schon wieder ein Abend mit Rotwein. Nachdem ich aber sowieso schon spät dran war, verzogen sich die Franzosen bevor ich mich richtig breit machen konnte. Übrig blieb noch eine deutsche Familie, mit Kind und Kegel und dickem Jeep draußen vor der Tür. Die waren vor ein oder zwei Tagen mit der Fähre angekommen und wollten jetzt ein wenig auf Abenteuertour durchs Hochland fahren. Später gesellten sich noch zwei weitere Deutsche dazu, die ebenfalls mit Allrad unterwegs waren und mit der selben Fähre gekommen waren, allerdings draußen in ihrem Fahrzeug übernachteten. So hörte ich noch ein wenig den Sorgen der Autofahrer zu, Tankstellen, Furten bis soundsoviel Zentimeter Tiefe, GPS am Laptop und all sowas. Beide wollten am nächsten Tag über die Gæsavatnaleið. Naja. Immerhin hatte einer von denen daheim in Deutschland einen Fahrradladen und kannte sich gut mit Rädern aus und so konnte ich auch ein wenig fachsimpeln. Aber ich war ohnehin müde genug, daß ich mich bald in den Schlafsack verkroch und mich von einem der anstrengendsten Tage der Reise erholen konnte. Bilder der Tages:
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22. August 2003 zum Herðubreið |
Am nächsten Tag wollte ich eigentlich lang ausschlafen, aber das ging in dieser Hütte nicht. Ich war ja nicht der einzige Gast. Aber ich war fast der Letzte beim Frühstück. Ich bekam sogar noch zwei Liter frische H-Milch für mein Müsli aus den Reserven der Allradler. Aber bald waren alle aufgebrochen und ich war allein in der Hütte. Somit hatte ich Zeit, Pläne für den Tag zu machen. Draußen sah es wolkig und naß aus, regnete aber nicht. Der Wind kam immer noch aus Norden und brachte laufend Nachschub für einen dunklen Himmel. Alles in allem zwar besser als gestern, aber ich hatte in dem Moment gut und gerne Lust, mich von einem Bus "retten" zu lassen. Davor wollte ich aber noch zum Krater der Askja hinauf, wenn ich nun schonmal hier war. Die Piste führte noch einige Kilometer weiter dorthin, den letzten Rest bis zum dampfenden Kratesee Víti mußte man laufen. Erstmal packte ich meine Sachen, alles was zum Trocknen ausgebreitet war und so weiter, und kramte dabei meine Badesachen hervor. Oben im Kratesee sollte man baden können. Ich ließ mir ziemlich viel Zeit dabei. Eigentlich wartete ich sogar absichtlich. Die "englische Gruppe" von der Kverkfjöll-Hütte müßte bald vorbeikommen. Während ich wartete traf ich auch einen anderen Radler, der erste der mir seit dem Aufbruch ins Hochland begegnete, ein Schwede. Er hatte draußen in seinem Zelt übernachtet und war in der anderen Richtung unterwegs, bald zog er weiter. Und ich wartete weiter und machte währenddessen einen kurzen Spaziergang in Richtung der Dreki-Schlucht, die der Hütte den Namen gegeben hatte. Dann kam endlich "mein" Bus. Die Insassen waren alle recht freudig überrascht, mich hier wiederzutreffen und glaubten mich eigentlich schon verloren, nachdem ich bei dem Sturm gestern unterwegs war. Und sie waren gern bereit, mich mitzunehmen die letzten Kilometer ans Ende der Piste, und zum Krater, und dann natürlich zurück zu meinem Rad. Nachdem sie eine kurze Pause von der anstrengenden Sitzerei im Bus gemacht hatten fuhren wir also los, nochmal durch ein paar kleine Bäche und Furten und bergauf zum Kraterrand. Lustig fand ich hieran, daß auf den Bächen Bimsstein in nicht geringen Mengen herumschwamm. Das Zeug schwimmt also wirklich. Mit dem schaukelnden Bus kam ich bequem und trocken zum Parkplatz, ab dem es nur zu Fuß weiterging in den Krater. Im übrigen ging es von dort auch zu Fuß weiter mitten in ein Lavafeld hinein auf dem Wanderweg zu den Dyngjufjöll, zumindest laut Wegweiser. Für heute wanderte ich mit den "Engländern" in die andere Richtung. Die Wolken hingen tief, nur knapp darunter lag eine schwarze Schuttwüste mit vereinzelten rötlichen Steinen. Eine unwirkliche Landschaft, die gelb leuchtenden Wegmarkierungen und verstreuten knallig blauen und roten Wanderer dazwischen ergaben einen noch unwirklicheren Kontrast. Die Schritte knirschten im lockeren Gestein vermischt mit einem dumpfen hohlen Echo von irgendwo unterhalb. Alles wirkte wie für einen fremden Planeten aus einem Science Fiction Film erfunden. Trotz der Atmosphäre blieb auf dem halbstündigen Marsch genug Gelegenheit für Gespräche. Dabei erfuhr ich, daß die isländische Köchin der Gruppe Klemenz kannte, meinen Auslandsbeauftragten der Uni in Akureyri und sogar über ein paar Ecken mit ihm verwandt war. Kürzlich hatte sie nämlich auf der Hochzeit ihrer Cousine gekocht, als diese Klemenz geheiratet hatte. Ganz Island ist eben ein Dorf. Schließlich waren wir am Krater Víti angekommen. Die ganze Askja-Caldera ist bekanntlich entstanden, als sich die Magmakammer darunter so schnell geleert hatte, daß die darüberliegende Decke eingestürtzt war. Die restliche Magma wurde daraufhin vom Gewicht ebenfalls hinausgedrückt, durch einen zweiten Krater, der heute den tiefsten See Islands bildet, Öskjulón. Neben diesem ist noch ein sehr viel kleinerer Krater, Víti, an dessen Grund ebenfalls ein See ist, der türkis leuchtet und Badetemperatur hat. Und während des Weges lief auch schon eine heiße Diskussion, wer denn alles da drinnen Baden würde, und wer nie und nimmer. Die mutigsten eilten gleich hinunter und machten sich badefertig. Und da konnte ich mich natürlich nicht lumpen lassen, als knallharter Islandradler. Das Wasser war relativ kalt, etwa 30 Grad. Ein angenehmes Schwimmbecken also, aber von einem Hot Pot weit entfernt. Aber natürlich ein unvergessliches Erlebnis mitten in einer solchen Landschaft. Viel Zeit blieb allerdings nicht, der Terminplan der Reisegruppe war recht eng. Und so mußten wir nach dem Bad und ein paar "Ich war da"-Fotos auch schon wieder umkehren in Richtung Bus. Wir wandten den Kratern und Seen den Rücken und stapften zurück durch die fremdartige Landschaft. Unterwegs setzte ein leichter Nieselregen ein, aber trotzdem blieb es erstaunlich trocken für die kompakte Wolkenschicht dicht über unseren Köpfen. Und im Bus merkte man dann auch gar nichts mehr von der Kälte da draußen. Wir fuhren zurück durch die paar Bäche, machten noch einen kurzen Fotostop mitten in der Bimssteinfläche und waren bald am Ziel, der Dreki-Hütte. Dort verabschiedete ich mich abermals von der ganzen Gruppe, ich wollte doch lieber mit dem Fahrrad weiter, statt der langweiligen Variante im Bus. Das relativ trockene Wetter hielt sich scheinbar, trotz des stetigen Nordwindes und der immer neuen Wolken. Und so rauschte der Bus mit der "englischen Gruppe" von dannen. Mein Fahrrad wartete abfahrbereit. Ich zog mich noch schnell in der Toilette um, die Wanderklamotten waren zwar zum Wandern angenehm, aber am Fahrrad zog ich doch meine Radlerkluft vor. Nach dieser kurzen Pause zog auch ich los. Ursprünglich hatte ich vor, ein Stückchen auf der Gæsavatnaleið in Richtung Westen zu radeln und dann auf die Dyngjufjallaleið abzubiegen, die geradewegs zum Barðardalur und Goðafoss führen sollte. Eine etwas abenteuerliche Route. Mit meinem leicht defekten Zelt und dem wolkenverhangenen Himmel, den stürmischen gestrigen Tag noch in Erinnerung, entschied ich mich aber dann doch für die normale Route, auf der F88 Öskjuleið am Herðubreið vorbei zum Mývatn. Ich wußte auch gar nicht so genau, wie ich die richtige Abzweigung mitten in der Ódáðahraun überhaupt finden sollte, wo angeblich schon die Hauptroute der Gæsavatnaleið nicht immer eindeutig zu erkennen ist. Auf der einfacheren Variante würde ich heute wohl noch eine gemütliche Nachmittagsetappe bis zur Hütte Herðubreiðarlindir vor mir haben. Die ersten 12 km war ich gerade gestern erst gefahren und kannte sie somit schon, die kleinen Furten eingeschlossen. Ich legte dieses Stück schnell zurück und stand dann wieder an der Kreuzung am Fuße der Herðubreiðartögl. Diesmal wählte ich den Weg nach Norden, weiter entlang am Fuß der Hügel. Lange Zeit änderte sich die Landschaft kaum, weiterhin unglaubliche Mengen Bimsstein zu beiden Seiten des Weges und unter den Reifen natürlich ebenfalls. Einzig der Herðubreið rückte langsam näher und näher. Meine anderen ständigen Begleiter, die Upptyppingar-Pyramiden, blieben wiedermal zum größten Teil in den Wolken verborgen. Bald zweigte die Sackgasse zur Westseite des Herðubreið ab während die Hauptpiste einen Bogen nach Osten machte. So ging es weiter durch die Bissteinebene, aber links von mir im Norden konnte ich schon das Lavafeld sehen, durch das sich der Weg bald schlängeln würde. Ich kam insgesamt zügig voran, die Piste war sehr angenehm zu fahren und von dem Sand in dem viele andere Radler steckengeblieben sein sollen merkte ich überhaupt nichts nach dem Regentag gestern. So war ich bald wieder in nördlicher Richtung in besagtem Lavafeld unterwegs. Rechts neben mir hörte ich die Jökulsá á Fjöllum rauschen, gelegenlich konnte ich auch die graubraunen Fluten zwischen einigen Lavaskulpturen erkennen. Näher heran kam ich bei meiner nächsten Pause auf einem kleinen Parkplatz. Die Straße führte direkt an den Fluß heran, und die letzten zwanzig Meter lief ich dann zu Fuß. Imposant, was für Wassermassen da entlangströmen. Kurz danach konnte ich schon mein heutiges Tagesziel erkennen. Neben dem Fluß lag eine kleine grüne Oase, Herðubreiðarlindir. Die Dächer der Hütten kamen bald immer näher und im Nu war ich angekommen und stellte auf dem kleinen Parkplatz mein Fahrrad ab. Schon während der Fahrt hatte ich entschieden, daß ich heute wieder im Zelt übernachten würde. Der Himmel war zusehends aufgeklart und ich hoffte, daß mein nasses Zelt endlich trocknen konnte. Als ich jetzt bei den Hüttenwärtern klopfen und mich gleich mal melden wollte, waren diese allerdings gerade nicht da. Also suchte ich mir erst mal eine gemütliche windgeschützte Stelle, heute wieder mit echtem Gras und richtigen Büschen. Erstmal baute ich nur das Zelt zum Trocknen auf, einrichten wollte ich mich erst später. Nach einem kurzen Abendessen, zum ersten Mal seit langem wieder vom eigenen kleinen Kocher, machte ich mich auf, noch ein wenig durch die Landschaft zu spazieren. Die Tage wurden schon deutlich kürzer und die Dämmerung setzte schon langsam ein. Trotzdem stiefelte ich ein wenig durch die faszinierenden Stricklavafelder und auf den markierten und liebevoll beschilderten Wanderwegen rund um den Zeltplatz. Auch die "Hütte" von Fjalla-Eyvindur fand ich, einer der unzähligen Unterschlüpfe in denen der Geächtete seinerzeit mal überwintert haben soll. Im letzten Abendlicht genoß ich auch die Fernsicht, denn nach Norden hin waren kaum noch Wolken zu sehen. Dafür konnte man um so besser die Bergketten zu beiden Seiten des Möðrudalur sehen. Außerdem schaute ich unterwegs wieder bei den Hüttenwärtern vorbei und bezahlte diesmal für die Übernachtung. Somit war meine Runde beendet. Nach ein wenig Tee und einem kurzen Plausch mit den Zeltnachbarn zog ich mich auch bald in mein Zelt zurück. Das war wunderbar getrocknet und mit dem Gemurmel eines kleinen Bächleins im Ohr, der direkt hinter dem Zelt vorbeifloß, schlief ich bald ein. Bilder der Tages:
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23. August 2003 zurück zum Mývatn |
Am nächsten Tag hatte ich wieder eine lange Tagesetappe vor mir. Aber nach einem kurzen Blick nach draußen freute ich mich schon richtig darauf. Es war sonnig, nur einige wenige sehr hohe Wolken waren zu sehen und es wehte sogar ein leichter Südwind. Also war nichts mit lange Ausschlafen, sondern ich war nach einem kurzen Frühstück mit H-Milch bald am Zusammenpacken. Das machte wieder sehr viel mehr Spaß, wo alles trocken war und auch der Wind nichts davonwehen wollte. Sogar meine Schuhe waren zwei Tage nach dem Regen wieder einigermaßen getrocknet. Meine weitere Route sah auf der Karte recht eintönig aus, drei kleinere Furten standen zwar an aber ansonsten erwartete ich eine öde Steinwüste bis zur Ringstraße und dann noch ein kurzes Stück auf dem alt bekannten Weg zum Mývatn zurück. Nicht auf der Karte eingezeichnet war jedoch die Fußgängerbrücke hinter dem Zeltplatz, auf der ich mich um die erste Furt gleich mal herumschummeln konnte. So stand ich bald mit immer noch trockenen Füßen auf der anderen Seite der Furt, wo die Piste nach Norden weiterging. Zunächst führte sie über eine weitläufige Ebene, eine kilometergroße Sandbank zwischen dem reißenden Gletscherfluß Jökulsá á Fjöllum, der hier schon mit der Kreppá zusammengeflossen war, und der Lindaá, dem kleinen Quellwasserfluß, der diese grüne Oase im Hochland ermöglichte. Ich hab auch schon Geschichten gehört, wonach die ganze Schwemmebene dort unter Wasser stand. Das konnte ich mir auch gut vorstellen, gelegentlich kam ich an richtig großen Pfützen vorbei, die teilweise auch bis auf die Piste reichten. Jedenfalls kam ich hier sehr gut vorwärts, auch wenn mich natürlich einige eilige Jeeps überholten. Ich kam auch bald an der zweiten Furt durch die Lindaá an. Diese war deutlich breiter und steiniger als die von heute Morgen. Und außerdem gab es keine Fußgängerbrücke ein paar Meter weiter. Also kam ich nicht darum herum, meine Sandalen auszupacken. Mit diesen watete ich dann ein wenig ins Wasser hinein um auszuloten, wie und wo ich am geschicktesten rüberkäme. Allzu tief schien mir der Fluß nicht zu sein, knapp bis zum Knie. Die Kieseln am Grund, die man durchs klare Wasser auch sehr gut sehen konnte, waren recht groß und zusammen mit der recht starken Strömung schien mir das auch das größere Problem zu sein, als die Tiefe. Aus Faulheit beschloß ich in einem Zug zu furten, anstatt Fahrrad und Anhänger einzeln rüber zu tragen. Also schob ich munter drauf los mit Sack und Pack. Aber irgendwie kam die tiefste Stelle erst noch in der Mitte. Da reichte das Wasser dann schon bis knapp übers Knie, oder bis über die Tretkurbel an meinem Rad. Zu allem Überfluß geriet mir auch genau hier ein richtig unangenehmer Kiesel in meine Sandale und wollte beim besten Willen nicht mehr raus. Und damit nicht genug zerrte die Strömung recht kräftig an meinem richtig tief eingetauchten Packsack am Anhänger. Mit Müh und Not schleppte ich mich doch wieder in flacheres Wasser, pulte den Kiesel aus der Sandale und machte daraufhin am Ufer erschöpft eine Kekspause. Vielleicht wäre Furten in drei Zügen doch die bessere Variante gewesen. Während meiner Pause war eine ganze Kolonne von Jeeps am Ufer zusammengekommen. Keiner von denen hatte den Mut, als erster durch die Furt zu fahren. Statt dessen gab es eine Fotopause, die sich bei dem herrlichen Blick nach Süden aber auch lohnte. Herðubreið spiegelte sich im klaren Wasser der Lindaá, daneben am Horizont sah ich die Kverkfjöll und konnte sogar den Wanderweg durchs Schneefeld noch erahnen, den ich vor einigen Tagen eingeschlagen hatte, noch weiter links war heute wieder freie Sicht auf die Upptyppingar. Wie schön das doch alles wieder aussah, ohne Wolken und im Sonnenlicht. Aber die Jeepversammlung löste sich wieder auf, einige fuhren zurück nach Norden, andere wagten doch das bißchen Furtdurchquerung. Und ich selbst radelte weiter nach Norden. Sofort war ich wieder in einer völlig anderen Landschaft. Die Piste schlängelte sich abermals durch ein Lavafeld und es ging ständig ein wenig hinauf und hinab und um Kurven herum und und und. Abweschlung von der Schwemmebene hinter mir. An einigen spektakulären Aussichten auf den breiten Strom der Jökulsá neben mir kam ich vorbei, dann ließ ich aber das Lavafeld auch schon wieder hinter mir. Statt dessen breitete sich wieder eine von Steinen übersäte Ebene vor mir aus. Ödes, trockenes Hochland, wie ich es südlich von hier bis zur Askja nicht in dieser Form erlebt hatte. Und schnurgerade hindurch führte meine Piste, schier endlos. Das typische "nicht-vorwärts-komm"-Syndrom stellte sich ein. Bei einem Blick zurück konnte ich immer noch die alt bekannten Berge sehen, diesmal jedoch nicht mit einer grünen Flußlandschaft, sondern mit einer Steinwüste und dem dunklen Streifen eines Lavafeldes im Vordergrund. Aber auch diese Ebene nahm ein Ende, bald wurde es wieder hügeliger. In und hinter dem ersten Tal sah es auch wieder deutlich grüner und fruchtbarer aus. Und in diesem ersten Tal sah ich auch schon die nächste Furt, diesmal durch die Grafarlandaá. Es staute sich wiedermal eine kleine Kolonne am anderen Ufer, scheinbar fehlte auch denen der Mut. Mich konnte das bißchen Wasser nicht wirklich schockieren, eine kleine Furt die man problemlos durchschieben konnte und die nicht das Kaliber der Lindaá hatte. Also wieder in die Sandalen und los ging es. Unter dem Beifall der Autofahrer stand ich im Nu am anderen Ufer. Die beiden Fahrzeuge hatten italienische Kennzeichen, die Insassen unterhielten sich lautstark. Ich machte ungerührt erstmal ein gemütliches Päuschen. Aber schließlich fragten mich die Italiener, wie viele solche Furten denn noch kämen bis zur Askja und ob die denn auch so tief wären und allerlei. Offensichtlich waren sie noch nie durch sowas gefahren und waren reichlich verunsichert. Immerhin hatten sie Allrad und was man sonst so braucht, wenn auch keine richtig großen Jeeps. Interessant war dann auch der Fahrstil, erst vorsichtig ins Wasser hinein, dann schön ordentlich gleichmäßig hindurch und auf dem letzten Stück dann mit Vollgas ans trockene Ufer gerettet. So sollte man das nicht machen, das gibt tiefe Fahrrinnen. Aber für die erste Furt ihres Lebens ließ ich das nochmal durchgehen und winkte zum Abschied hinüber. Ich selbst machte mich auf, um das letzte Stück durch das Herðubreið-Naturschutzgebiet hinter mich zu bringen. Ein paar Hügel hinauf und hinunter durch eine wie gesagt grüne Landschaft und auf einer angenehm festen Bodenschicht. Auch außerhalb des eingezäunten Schutzgebiets ging es noch im Grünen weiter. Ein paar Hügel später, an einem besonders hohen und schönen Aussichtspunkt, von wo aus man die Jökulsá und die Lambafjöll am anderen Ufer überblicken konnte, stand eine einfache Hütte abseits der Piste. Ein schöner Ort für eine Pause, und so warf ich einen Blick in die verlassene Schaftreiberhütte, die wohl nur zur Not ein wenig Unterschlupf bot. Das nächste Stück der Piste hatte wieder einen völlig anderen Charakter. Bald hinter der Hütte blieben die grünen Flecken zurück und ich war in einer öden Steinwüste unterwegs. Diesmal jedoch nicht in Form einer Ebene, sondern weiterhin ein bißchen hügelig. Nach ein paar Kurven sah ich vor mir auf einer solchen Hügelkuppe einen Bus stehen. Nach Pinkelpäuschen sah das nicht aus, so lange wie der dort stand. Außerdem sah ich einen kleinen Jeep, der ebenfalls bei dem Bus gehalten hatte. Das Rätsel löste sich, als ich ankam und das Vorderrad des Busses sah. Dort war nämlich der Reifen in einige Einzelteile zerfallen, wie zu erwarten auf einer dermaßen steinigen und wellblechigen Piste. Die Passagiere waren schon weggebracht und es wurde eifrig montiert an dem Rad, also war ich keine große Hilfe mehr. Ich unterhielt mich ein wenig mit dem Jeepfahrerpärchen, das hier ebenfalls eine Pause machte. Die waren, welch Überraschung, aus Deutschland und "kannten mich schon". Sie hatten meine diversen Hüttenbucheinträge gelesen, außerdem war ich wohl sowieso der einzige Radler weit und breit, und sie hatten meine Spuren und Schlenker auf der Piste verfolgt. Aufmerksam! So schlenkerte und spurte ich weiter auf der Piste, weiter durch die öde Steinlandschaft. Vor mir konnte ich am Fuße des langgezogenen Hügels Ferjuás aber schon den nächsten Streckenabschnitt erkennen, wieder durch ein Lavafeld. Dort kam ich bald an, nicht ohne jedoch von dem aufmerksamen deutschen Jeeppärchen überholt zu werden. Nach einem kurzen kurvigen Stück durch die Lavafelsen ging es zwischen dem Hügel und dem Rand des schwarzen Gesteins weiter, durch ein recht sandiges kleines Tal. In diesem Sand war es fast schon wieder ein wenig mühselig zu fahren, nach der Trockenheit die seit eineinhalb Tagen herrschte. Dennoch kam ich vorwärts und auch bald an der Hochspannungsleitung vorbei, an der ich im letzten Jahr umgedreht hatte. Irgendwo zwischen dem kärglichen Stradgras in den Dünen neben dem Weg hatte ich damals gezeltet, am nächsten völlig nebel- und wolkenverhangenen und eiskalten Morgen aber wieder umgedreht nach Norden. Somit kannte ich das letzte Stück des Weges schon, weiter in dem Tal entlang an einem kleinen Tümpel vorbei. Bald danach gab es abermals eine völlig andere Landschaft mit viel Stein und Fels entlang der Piste. In der Ferne konnte ich den immer näher rückenden Krater Hrossaborg erkennen. Langsam machten sich zwischen Felsen und Sand auch wieder mehr und mehr kleine Gräser breit. Am Horizont waren ohnehin schon längst grüne Weidehügel zu erkennen. Gegen fünf Uhr abends radelte ich an dem markanten Krater vorbei und stand dann auf dem Parkplatz bei der Kreuzung mit der Ringstraße. Am Ende der Piste F88 Öskjuleið. Nach 8 Tagen wiedermal an einer asphaltierten Straße. Hinter mir lag das Hochland mit den altbekannten Schildern, die die Naturschutzgebiete ankündigten und die nächste Tankstelle in zweihundertsoundsoviel Kilometern. Und hinter mir lag der wahrscheinlich unvergesslichste, abwechslungsreichste und schönste Teil meiner diesjährigen Tour... Ich gönnte mir eine ausgiebige Pause und ließ nochmal den Blick über das Hochland hinter mir schweifen, mit all den Berggipfeln an denen ich so langsam vorbeigeradelt war. Erst danach raffte ich mich auf zu den letzten paar Kilometern zum Mývatn, in die Zivilisation, zu einem Supermarkt, zu einem Freibad. Als ich mich somit geradewegs nach Westen wandte, merkte ich, daß der Südwind im Laufe des Tages ordentlich zugenommen hatte und mir die ganze Zeit das Vorwärtskommen erleichtert hatte. Jetzt wehte er hauptsächlich von der Seite, ein klein wenig auch von Vorne. Aber sollte er nur, solang die Sonne oben drüber scheint. Dies Jahr hatte ich sowieso schon mehr als genug Glück mit Wind und Wetter gehabt. Auch wenn ich auf dem etwas ungewohnten Asphalt nicht so wirklich viel schneller vorwärts kam, sah ich schon bald die rot leuchtenden Hänge der Námafjall in der Ferne vor mir aufragen, kam nach einer Weile an der Abzweigung nach Norden zum Dettifoss vorbei und hatte wieder die Reihe der aufgeschichteten Steinhäufchen als Wegmarkierung neben mir. Es war viel Verkehr auf der Straße unterwegs, das war ich genausowenig gewohnt wie den Asphalt. In Gedanken stellte mich das wieder um auf Zivilisation. Mit dem Mývatn hatte ich gleich mal einen touristischen Ballungsraum vor mir und ein extremes Kontrastprogram zur Einsamkeit der vergangenen paar Tage. Als ich endlich am Fuß der Námafjall ankam sah ich schon wieder Menschenmassen rund um die heißen Quellen und blubbernden Schlammtöpfe stehen. Ich begnügte mich damit, an den Dampfsäulen vorbeizuradeln. So lange war das noch gar nicht her, daß ich hier in der anderen Richtung unterwegs war. Schließlich arbeitete ich mich wieder über den kleinen Pass in der Námaskarð. Am Parkplatz mit dem Rundumblick über den See mußte ich aber doch eine Pause einlegen. Diesmal hatte ich den Flecken völlig für mich alleine. Vor mir lagen die Dampfschwaden, der See, der Ort Reykjahlíð und das Kieselgurwerk mit seinem grünen Abflußsee. Und ich war wohl noch nicht mal zu spät dran für das Schwimmbad und hatte endlich wieder einen Supermarkt, heute gibt es bestimmt ein Festessen zu Abend. Während des letzten kurzen Stückchens zum Eldá Zeltplatz kam ich auch direkt an der "grünen Lagune" vorbei, besagtem Abflußsee. Dort war mächtig was los, etliche Autos waren geparkt und noch viel mehr Köpfe tanzten im Wasser hin und her. So voll hatte ich den See noch nie erlebt. Aber soll mir egal sein, bald baute ich mein Zelt am Ufer des Mývatn auf, nicht genau an meinem Stammplatz, denn der war schon belegt. Nachdem ich gezahlt hatte und den Aufkleber an einer Abspannleine festgemacht hatte, packte ich schnellst möglich mein Badezeug aus und radelte durch den Ort zum Freibad, unter anderem mit der ersten Dusche seit langem. Entspannen im Hot Pot, das war jetzt genau das Richtige. Aber der Hunger meldete sich bald, und einkaufen mußte ich auch noch. Nach nur einer guten Stunde brach ich also wieder auf in der Absicht, auf dem Rückweg noch den Supermarkt zu plündern. Als ich dann aber davor stand, hatte der ärgerlicherweise schon geschlossen. Während der letzten zwei Wochen hatten sich die Öffnungszeiten geändert, und so mußte ich mich mit meinen letzten Hochlandvorräten begnügen. Nudeln. Immerhin traf ich bei deren Zubereitung im Kochzelt noch ein paar mehr Radler. Die hatten sich zwar alle schon mehrfach immer wieder getroffen und waren deswegen in erster Linie mit sich selber beschäftigt, aber als dann einer von denen Kaiserschmarrn anmachte, da bekam ich selbstverständlich auch was ab. Aber in Gedanken war ich immer noch im fernen Hochland irgendwo unterwegs, nicht so sehr bei der lustigen Runde am Eldá Zeltplatz. Außerdem war ich recht müde nach wiedermal weit über 100 km Hochland am Tag. Also verabschiedete ich mich bald und suchte mein Zelt und meinen Schlafsack. Mittlerweile wurde es schon richtig zeitig dunkel draußen und eine Taschenlampe hatte ich natürlich nicht. Trotzdem fand ich alles, und schlief bald wie ein Stein. Bilder der Tages:
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24. August 2003 nach Akureyri |
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich nicht wirklich überrascht, schon wieder eine Wetteränderung zu haben. Regen trommelte leicht außen aufs Zelt. Immerhin war es dazu einigermaßen windstill, und durch meinen defekten Reißverschluß tropfte es noch nicht allzusehr hinein. Vor mir lag heute noch das Stück Strecke nach Akureyri. Auch wenn das noch ein ganzes Stück war, ließ ich mir mit dem Packen Zeit. Heute brauchte ich zwangsläufig noch einen Supermarkt, denn meine Keksreserven waren alle. Und isländische Supermärkte haben zwar länger offen als deutsche, machen aber auch deutlich später auf. Gegen 10 Uhr fuhr ich dann mit meinem Gespann los und machte auf der anderen Straßenseite schon wieder eine Pause. Kekse bekam ich immerhin, aber die Softeis-Maschine war leider defekt. Es regnete immer noch leicht und der Himmel war dicht verhangen, als ich auf der Ringstraße losfuhr in Richtung Akureyri. Ich wollte diesmal größtenteils auf der 1 bleiben und erst später, am Eyjafjörður, vielleicht noch eine Alternativstrecke ausprobieren, je nachdem, wie sich das Wetter entwickelte. Erstmal jedoch ging es durch die Büsche und Lavafelder an der Ostseite des Mývatn, vorbei an den Abzweigungen zur Grótagjá und zum Hverfjall. Ich kam irgendwie nur schleppend in die Gänge, und so wollte ich beim nächsten Parkplatz doch noch eine Pause machen. Und der nächste Parkplatz war beim Park Höfði in der Südostecke des Sees. Dort stellte ich das Rad ab und spazierte ein wenig durch den Birkenwald. Eine völlig andere Welt als das karge Hochland der letzten paar Tage. Und während ich so spazierte, ging der Regen erst in ein leichtes Nieseln über und hörte schließlich ganz auf. Ich begann sogar zu hoffen, daß sich vielleicht noch die eine oder andere Wolkenlücke im Laufe des Tages breit machen würde. Nach einer knappen Stunde Rast ging es schon eilig auf Mittag zu, und ich hatte immer noch knappe hundert Kilometer vor mir. Also radelte ich doch endlich los, am Südufer des Sees entlang. Dort gab es aber schon bald den nächsten Rastplatz in Skútustaðir. Irgendwie konnte ich es mir nicht verkneiffen, mir dort doch noch ein Softeis zu besorgen, nachdem es in Reykjahlíð keins gab, und die Woche vorher im Hochland erst recht nicht. Mit Eis in der Hand ist Island doch gleich viel angenehmer, und so spazierte ich wiedermal ein wenig durch die Pseudokraterlandschaft auf der anderen Straßenseite. Aber das alles brachte mich meinem Etappenziel nicht näher. Schließlich brach ich auf und nahm mir fest vor, bis zum Goðafoss keine Pause mehr zu machen. Bald hatte ich den Abfluß des Mývatn erreicht, die Laxá, und radelte an ihr entlang die Hügel hinauf zum Másvatn. Von anderen Radlern hatte ich schon gehört, daß es dort eine Baustelle gibt mit vielen großen Steinen und alles in allem nicht sehr toll zum Radeln. In etwa so war das dann auch. Bergauf ging es natürlich nochmal ein wenig langsamer. Als Radler ist man da ein gefundenes Fressen für die unzähligen Mücken, die zwar nicht stechen aber nervig überall hin schwirren und krabbeln. Immer wieder versuchte ich sie abzuhängen, ein wenig schneller fahren so daß Fahrtwind aufkommt. Aber ich wurde doch immer wieder aufs Neue eingeholt. Schließlich kam ich oben an und sah rechts neben der frisch asphaltierten Straße den Másvatn, idyllisch blau in der grünen Heide. An dessen Südspitze kam ich am Schild vorbei, das das Naturschutzgebiet Mývatn für den Gegenverkehr ankündigt. Und nach einer Kurve nach Norden war die Baustelle auch schon einigermaßen durchquert. So kam ich zügig voran durch dichte Wolken, immer noch ohne Regen. Die Abfahrt ins Reykjadalur war dann ein reines Vergnügen, letztes Jahr war die Baustelle noch an dieser Abfahrt und es gab sogar vereinzelt Verkehrsstaus und vor allem richtig große Kieseln auf diesem Stück Straße. Auch die anschließende Fahrt durch das Reykjadalur verlief recht ereignislos und schneller als erwartet stand ich an der Abzweigung der Straße 845 ins Aðaldalur und nach Grenjaðarstaður. Aber meine heutige Strecke führte mich über den nächsten Hügelzug, auf dessen anderer Seite wieder der Goðafoss lag. Mühselig arbeitete ich mich bergauf, mit der Aussicht auf die Abfahrt auf der anderen Seite. Von oben gab es aber noch eine andere Aussicht, nämlich auf die deutlich steileren Hänge der Ljósavatnsskarð und den Wasserfall unter mir. Beides alte Bekannte, die noch vor mir lagen, zunächst aber die lange Abfahrt nach Fosshóll. Dort stellte ich wiedermal mein Gespann an der Tankstelle ab und wanderte zu meinem Lieblingswasserfall, dem Goðafoss. Für den muss einfach immer eine Pause sein, wenn ich hier vorbeikomme. Es war schon etwa 4 Uhr Nachmittags bis ich wieder aufbrach. Meine Abfahrt wurde immer wieder verzögert durch neue Radler, die aus Akureyri hier eintrafen, und mit denen ich mich immer wieder ein wenig unterhielt. Am Himmel wurden die Wolken langsam wieder dichter, nachdem man zwischenzeitlich sogar ein wenig Blau erahnen konnte. Mein Regenzeug war sowieso ganz obenauf gepackt, und so fuhr ich dann doch endlich weiter. Die selbe Strecke war ich vor noch gar nicht allzu langer Zeit ja in der Gegenrichtung unterwegs, also kannte ich mich auch hier wieder bestens aus. Bald kam ich am Ljósavatn vorbei, ließ den schönen Parkplatz an dessen Ufer aber links liegen, nachdem er bei den dicken Wolken gar nicht so schön und einladend aussah. Ebenso fuhr ich an der Internatsschule und dem Fosshotel am Westufer des Sees vorbei. Auf dem letzten Stück durch das breite Tal Ljósavatnsskarð fielen mir vor allem die schon leicht rötlich gefärbten Wälder an den Talhängen auf, die zusammen mit den Wolken die die Hänge hinunterkrochen ein recht herbstliches Bild abgaben. Schließlich kam ich an der Abzweigung zum Vaglaskógur vorbei und wenig später an die Straße 835, die im Tal der Fnjóská entlang nördlich der Ringstraße an den Eyjafjöeður führte. Die andere Alternativroute führte ein Stück südlich über die Vaðlaheiði hinüber, war jedoch von dichten Wolken vehüllt. Auf die Ringstraße hatte ich keine Lust mehr, es war schon den ganzen Tag ein verhältnismäßig dichter Verkehr unterwegs. Also radelte ich hier nach Norden im Tal und am Fluß entlang. Ich hatte Glück, denn obwohl es an den Hängen und überhaupt rund um mich überall zu regnen schien, bekam ich kaum einen Tropfen ab. Aber nicht nur das gefiel mir an der Strecke. Waren zunächst noch saftige grüne Weiden auf beiden Seiten der Straße, wurde das Tal mit der Zeit immer enger und und Hänge steiler. Ich fühlte mich fast ein wenig an eine norwegische Fjordlandschaft erinnert, etwas untypisch für Island. Zusätzlich waren die Hänge nämlich recht dicht bewaldet und die Herbstfärbung der Bäume war nicht mehr zu verkennen. Besonders den zweiten Abschnitt der Strecke, der direkt durch die Dalsmynni nach Westen führte anstatt nach Norden, fand ich sehr schön. Allerdings war die ganze Strecke recht hügelig, so daß ich bergmäßig nichts gegenüber den Pässen weiter südlich einsparte. Nach etwa einer Stunde kam ich ans Ende des Tales und vor mir lag wieder einmal der Eyjafjörður. Hier zweigte die Straße 83 ab und führte am Fjord entlang auf die Ringstraße weiter südlich. Kurz hinter dieser Kreuzung sollte in Laufás ein Museum in einem alten Torfhaus sein, wiedermal ein alter Priestersitz, Dejavu. Das Museum fand ich auch, allerdings hatte es gerade vor wenigen Minuten geschlossen. Naja, die Torfhäuser und das kleine Kirchlein waren auch von außen schön anzusehen, und eine Kekspause kam mir gerade gelegen. Als ich weiterradelte in Richtung Akureyri, waren eine Weile lang neben mir ein paar Reiter unterwegs. Ein recht großer Reiterhof von Polarhestar liegt irgendwo dort in der Gegend. Aber ich war irgendwie schneller und hängte sie bald ab. Das letzte Stück am Fjord entlang fand ich recht langweilig, die dichten Wolken hingen tief und ich konnte kaum das andere Ufer erkennen. Außerdem setzte langsam wieder feiner Nieselregen ein. Als ich auf die Ringstraße kam, nahm außerdem der Verkehr wieder drastisch zu. Insgesamt war es heute nicht gerade angenehm, dort entlangzuradeln, aber es blieb nichts anderes übrig. Irgendwann kam ich aber doch noch an in Akureyri, fand schnell den Weg zum Zeltplatz und ließ mich dort nieder. Im Supermarkt gleich nebenan ging ich endlich mal wieder richtig einkaufen und kochte mir danach ein richtiges Festmahl. Zwei der Radler vom Vorabend am Mývatn traf ich ebenfalls wieder, sie waren mit dem Bus hierher gefahren. Sie sponsorten mir noch ein paar Kartoffeln, nachdem sie selber viel zu viele gekocht hatten. Somit wurde ich mal wieder pappsatt an dem Abend. Am nächsten Morgen müßte ich mich an der Uni melden und herausfinden, wo ich während dem nächsten Semester wohnen würde. Außerdem müßte ich mich endgültig für ein paar Kurse entscheiden und eben alles was sonst noch zu einem Auslandssemester dazugehört. Außerdem müßte ich bald mal mein "Versorgungspaket" aus Deutschland finden, mit frischen Klamotten und anderem Luxus. Meine Radtour ging somit zuende, aber die Heimreise lag noch in ferner Zukunft. Dreieinhalb Wochen Islandreise waren vergangen, fünf Monate Studieren in Island brachen gerade erst an. Bilder der Tages:
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Reisezeit | 1.8.2003 - 24.8.2003 : 24 Tage |
Übernachtungen im Zelt | 23 |
Übernachtungen in Hütten | 2 |
Zeltplätze | 15 + 2 mal wild zelten |
Hütten | 2 |
Zelt auf-/abgebaut | 19 mal |
ausgegebenes Geld | ca. 1.000 EUR, inclusive Flug |
Verwendete Verkehrsmittel | Einmal ein kurzes Stück im Jeep, einmal ein kurzes Stück im Bus, sonst immer Fahrrad |
zurückgelegte Strecke mit Fahrrad | ca. 1750 km |
zu Fuß (Wanderungen) | ca. 100 km |
Strecke insgesamt | ca. 1850 km |
Fotos | ca. 100 MB, verteilt auf 230 Bilder |
Panoramen | 19 mit insgesamt 79 Bildern |
Museumsbesuche | 2 |
Besuchte Kirchen | 6 |
Gletscherüberquerungen | 1 (hin und zurück) |
Gepäck | ca 15 kg + Fahrrad + Handgepäck + Laptop |
Pannen etc. | einmal platter Anhängerreifen, einmal Ventil nicht richtig zugedreht, einmal Metallspleiß in ner Bremsbacke, von der Anhängerpanne in London mal abgesehen |
Hering-Bilanz | einen Hering verloren |
Sonnentage | mindestens 12, eher ein paar mehr |
Regentage | einen... auch wenn man empfindlich ist höchstens noch zwei oder drei mehr |
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