Islandreise 2002
oder: Wie man 4 Wochen in Island verbringen kann ohne den Geysir zu sehen.

Der Übersicht wegen gibt es diesen Reisebericht auf mehrere Teile aufgespalten:
Gesamt Teil 1 Teil 2 Teil 3

Im Sommer 2002 packte mich wiedermal die Reiselust und wie üblich fuhr ich dann nach Island. Und ein Fahrrad ist mir im Urlaub mittlerweile fast mein wichtigster Begleiter geworden. Auch die übrige Ausrüstung hatte ich größtenteils schon im Vorjahr ausgiebig getestet. Noch ein paar Kleinigkeiten hier und da perfektioniert, alles wieder zusammengesucht und eingepackt, langsam bin ich ja schon ein alter Hase der das ganz routiniert macht. Trotzdem hatte ich ein wenig Ärger mit all dem Sack und Pack das ich immer so mit mir herumschleppe, aber davon später mehr.

Die Reisevorbereitung habe ich mir dieses Jahr fast komplett gespart. Natürlich fahre ich auch zuhause regelmäßig und viel mit dem Rad, aber das sehe ich nicht unbedingt als Vorbereitung für den Urlaub an. Pläne für den Reiseverlauf hatte ich nur recht grobe, irgendwie über die Eldgjá und Landmannalaugar von Süden her ins Hochland des Nordostens und damit war dann auch fast schon die Reisevorbereitung abgeschlossen. Nunja, es gab Ende des Semesters wie üblich ein wenig mehr Stress als üblich an der Uni und viel Zeit nebeher hatte ich wirklich nicht. Da ich dann auch immer noch den allergünstigsten Flug suchen muß, hab ich diesmal erst 6 Tage vor Abflug gebucht und alles war recht überstürtzt. Aber ich fuhr ja schließlich nicht das erste mal nach Island mit dem Rad.
Am meisten graute mir wieder vor dem Abreisetag. Es ist einfach eine Katastrophe wenn man mit nem Fahrrad und viel Gepäck und ich noch dazu mit meinem Anhänger mit der Bahn zum Flughafen will. Leider rechte mir die Zeit aber nicht ganz auch dieses Stück zu radeln. Immerhin, es hat alles prima geklappt, morgens bin ich sogar so früh rausgekommen, daß ich noch schnell ein paar neue Reifen besorgen und aufziehen konnte. Und dann mit nem Schönen-Wochenend-Ticket durch die halbe Republik tuckern, etliche Male umsteigen und Treppen rauf und Treppen runter. Was tut man nicht alles für einen schönen Urlaub.

Der Reiseverlauf war dann geprägt von vielen Wolken und vor allem in der zweiten Hälfte von viel Regen. Außerdem hatte ich diverse Male einen platten Reifen, wahrscheinlich hätte ich doch keine neuen Mäntel mehr kaufen sollen so kurz vorm Abflug. Auf dieser kleinen Karte kann man verfolgen welchen Weg ich dann tatsächlich eingeschlagen hab. Zwar hab ich es wiedermal nicht zur Askja geschafft, aber ich hab trotzdem eine Menge gesehen und hatte einen unvergesslichen Urlaub. Auch wenn das Wetter diesmal vielleicht nicht so gut mitgespielt hat wie sonst immer.

27. Juli 2002
Anreise
Früh morgens noch am Fahrrad gebastelt und dann ging es los. Erstmal zum Hauptbahnhof in Nürnberg und dann für kostfastnix nach Berlin getuckert, mit Zwischenstop bei jedem kleineren Bahnhof und einer Verspätung von einer satten Stunde. Aber das war sowieso großzügig kalkuliert, so daß das Einchecken recht gemütlich von statten ging. Es blieb den netten Herrn am Schalter sogar noch genug Zeit, mich von einem Schalter zum nächsten zu schicken, weil irgendwie mein Fahrrad-Flugticket nicht so ausgestellt war, wie's gehört hätte oder was weiß ich. Immerhin, das Personal dort war sehr freundlich, gewogen haben sie mein Sperrgepäck wiedermal gar nicht, und auch mein Taschenmesser durfte noch mitfliegen.
Die Flugzeugdurchsage "Wir erwarten stark bewölkten Himmel mir leichtem Niederschlag" klag wie üblich nicht sehr erfreulich und war wie üblich nicht ganz das was uns dann wirklich erwartete bei der Landung in Keflavík. Genaugenommen war es trocken, angenehm frisch und dunkler als ich es für Mitternacht im Juli in Erinnerung hatte. Auf dem Weg zum Zeltplatz hab ich mich dann gleich mal ein wenig verfahren, irgendwie hatte ich sowieso alles ein wenig anders in Erinnerung.
Trotzdem stand mein Zelt recht bald und ich schlief den Schlaf der Gerechten, nach dem vermutlich anstrengendsten Reisetag.

28. Juli 2002
Reykjanes
Am nächsten Morgen war der Himmel zwar nicht wirklich blau, aber trotzdem sah es vielversprechend und nach trockenem Wetter aus. Also hab ich schnell noch ein paar letzt kleine Schräubchen am Rad festgedreht und meine Sachen gepackt und wollte los. Ich hätte gerne noch im Supermarkt gleich nebenan eingekauft, aber der macht am Sonntag leider erst so spät auf, daß es sich auch nicht mehr lohnt. Und mich drängte es fort, endlich wieder alleine über die Straßen zu holpern und zu meiner Ruhe zu finden. Immerhin nahm ich mir die Zeit in den übriggelassenen Vorräten am Zeltplatz ein wenig zu stöbern und tankte dort auch meine Benzinflasche voll. Aber das Einkaufen verschob ich einstweilen auf den nächsten Supermarkt, verabschiedete mich bald von Hagen und Thomas, mit denen ich zusammen ab Berlin geflogen war, und von einem dritten deutschen Radler, der seit 5 Tagen drauf wartete, daß sein Fahrrad ihm hinterhergeflogen kam. Irgendwie ahnte ich daß ich die alle nochmal wiedersehen würde, zumal Hagen und Thomas auch den selben Rückflug gebucht hatten wie ich.
Aber fürs erste machte ich mich auf nach Hafnir und dann zur Reykjanestá und der äußersten Südwestspitze Islands. Bei meiner letzten Reise waren mir die vielen urigen Basaltformationen aufgefallen, die die Straßen 44 und 425 umgeben. Ein neuer Parkplatz hier und da ein neues Hinweisschild, gleich geblieben waren die Küstenseeschwalben oder wie die heißen, die so knapp über den Köpfen vorbeifliegen, schnattern und Kreischen und gelegentlich auch mal kräfige Hiebe austeilen. Einen Fahrradhelm vermisste ich irgendwie wiedermal.
Auch die Abzweigungen erkannte ich allesamt wieder und nach einem Abstecher zur ersten heißen Schwefelquelle am Wegesrand und dem schönen holprigen Stückchen nach Grindavík fühlte ich mich fast wie daheim. Zwischen den Wolken leuchtete die Sonne durch, der Wind kam fast direkt von hinten, so macht Radfahren Spaß! So hätte es von mir aus bleiben können!
In Grindavík angekommen hatte dann auch der Supermarkt schon offen und ich konnte mir diese und jene Kleinigkeit nachkaufen, was ich halt so an Proviant brauchte. Danach hatte ich aber längst noch nicht genug für den Tag, es war noch nicht mal richtig Mittagszeit, da wollte ich schon noch ein ganzes Stückchen weiterkommen. Also machte ich mich gleich mal an den ersten richtigen Anstieg dieses Urlaubs und es ging weiter entlang der Küste nach Krýsuvík. Der Berg hat es ordentlich in sich, von der anderen Richtung war er mir das letzte Mal weniger steil vorgekommen. Was ich aber noch gut in Erinnerung hatte war der schlechte Straßenzustand der noch vor mir lag. Aber bei Rückenwind und Sonnenschein war das eine wunderbare Einstimmung auf die 4 Wochen die noch vor mir lagen. Deutlich mehr Probleme hatte eine ganze Gruppe von Radlern die mir entgegenkam. Isländer, ohne Gepäck. Ihr Führer kam mit mir kurz ins Gespräch, mein schwer beladener Gepäckanhänger erweckte natürlich sein Interesse. Jedenfalls erklärte er mir daß sie einen Tagesausflug von Hveragerði zur Blauen Lagune unternahmen und so sah es auch aus: alle gerade mal mit der Kleidung an ihrem Leib und hintendrein ein zwei Kleinbusse für die nicht ganz so durchtrainierten. Immerhin, sie hatten den Wind von vorne, der mich von hinten anschob und ohne dem wäre ich auch nicht so weit gekommen und schon gar nicht so schnell unterwegs gewesen.
In der Kirche bei Krýsuvík machte ich noch eine kleine Pause, aber eigentlich wollte ich bei so einem Wetter am liebsten einfach nur weiterradeln, bis es dunkel wird. Und so nahm ich denn auch das nächste Stückchen noch in Angriff, nach Þorlákshöfn. Holprig und noch schlechter als das vorige Stückchen, zumindest bis zum Abzweig zur Strandakírkja. Dort soll es ja auch einen schönen Zeltplatz geben, aber mir war noch nicht nach Zelten. Also weiter, zumal ja auch die Straße besser wurde. Als ich dann an der nächsten Abzweigung vor der Wahl Þorlákshöfn oder Hveragerði stand, da war ich dann doch schon reichlich geschafft. Trotzdem wollte ich mal nach Hveragerði, weil ich dort noch nie war. Nichtmal mit nem Bus durchgefahren. Und schließlich waren das auch nur ein paar wenige Kilometerchen mehr. Als ich dann aber da war und endlich mein Zelt aufgebaut hatte da war ich doch heilfroh. Einen Urlaub gleich mal mit einer 120 km Tagesetappe anzufangen, na das kann ja noch heiter werden, dachte ich mir.
Als erstes suchte ich das Schwimmbad in dem Ort. Da war ich dann noch über eine Stunde zum Entspannen und Wohlfühlen. Die Schwimmbäder sind eigentlich sowieso das beste an jedem Islandurlaub, da war ich mir in dem Moment ganz sicher! Als ich dann noch ein Abendbrot kochen wollte mußte ich aber gleich mal feststellen, daß die stehengelassenen Vorräte an den Zeltplätzen rund um den Flughafen nicht immer das beste sind. Dummerweise hatte ich nämlich nicht Benzin in meinem Tank sondern Diesel. Und das bekommt man mit keinem normalen Benzinkocher so richtig zum Brennen. Also mußte ich doch noch zu ner Tankstelle und richtiges Benzin besorgen. Besser hier als im Hochland war da der einzige Trost. Aber ich war sowieso viel zu müde um mir da allzuviele Gedanken drum zu machen und so lag ich denn auch bald in meinem Schlafsack.
Bilder der Tages:

29. Juli 2002
Der nächste Tag fing gleich mal deutlich weniger gut an als der Tag zuvor. Es war reichlich bewölkt und sah nach Regen aus. Also hab ich mich beeilt mit dem Packen und mich gleich mal aufs Rad geschwungen. Vor mir lag sowieso eine nicht so spannende Tagesetappe entlang der Ringstraße möglichst weit in Richtung Vík. Und für so eine Etappe war das Wetter eigentlich ganz in Ordnung, oder zumindest doch erträglich.
Das erste Stück war ziemlich flach. Also eigentlich war alles ziemlich flach, aber kurz vor der Brücke über die Þjórsá gibt es ein paar kleine Hügel. Kein Vergleich natürlich mit richtigen Bergen wie ich sie am Tag zuvor schon hatte. Aber dafür stand der Wind jetzt ungünstiger und verlangsamte mein Vorankommen ein wenig. In Hvollsvöllur in der Tankstelle hab ich mir dann die letzten fehlenden Karten zu meinem Set dazugekauft, dann konnte ich immerhin schon mal nicht mehr so leicht verlorengehen, egal wo in Island ich auch hinkommen würde.
Aber mit der letzten Tankstelle ließ ich auch den größten Teil der Autos hinter mir. Überhaupt war weniger Verkehr unterwegs als ich das von meiner letzten Reise in Erinnerung hatte. Immerhin sind mir sogar ein paar Radler begegnet, und das will schon was heißen in Island. Ich wußte wiedermal nicht, wie weit ich eigentlich noch kommen wollte an dem Tag, und als ich dann am Seljalandsfoss stand war es eigentlich immer noch nicht spät genug als daß ich mein Zelt irgendwo hätte aufbauen wollen. Also fuhr ich weiter, natürlich nach einer obligatorischen Runde hinter dem Wasserfall vorbei. Weil hinter dem Wasserfall herum gibt es einen kleinen Pfad.
Ich visierte einfach mal so Skógar an, da wollte ich aber sicher eine Rast machen. Schon alleine des Museums wegen. Die weitere Ringstraße war dann auch interessanter als in der langen Ebene zuvor. Links von mir ragten einige ehemalige Meeresklippen empor, die seit dem Ende der Eiszeit am Trockenen standen. Hinzu kam noch der ganze Schwemmsand von den Gletschern, der heute die Ebene am Fuß der Klippen ausmacht. Mir jedenfalls gefällt das dort besser als in der eintönigen grünen Ebene die ich schon durchradelt hatte. Vielleicht ja auch nur weil spürbar weniger Autos unterwegs waren.
Gegen abend kam ich dann auch tatsächlich noch an in Skógar. Da war ich dann doch ein wenig erstaunt, daß mein Tacho schon wieder an die 120 km als Tagesetappe anzeigte, obwohl der Wind heute definitiv nicht von hinten sondern eigentlich sogar von vorne kam. Schnell mein Zelt aufgebaut beeilte ich mich, um noch rechtzeitig ins Museum zu kommen. Und vor allem um Þórdur Tómasson zu besuchen, den Museumsdirektor. Aber dazu später mehr, denn für heute war schon Feierabend und ich zog wieder von dannen.
Aber Feierabend heißt in Island nicht unbedingt daß es schon dunkel wurde. Und um das Tageslicht noch vollends auszunutzen stieg ich dann also neben dem Skogafoss, der unübersehbare Wasserfall gleich hinterm Zeltplatz, hinauf und unternahm eine kleine Wanderung. Ich hatte schon lange gehört, daß es da noch eine ganze Menge mehr schöne Wasserfälle als nur den Skogafoss gab. Allerdings hatte ich noch nie Gelegenheit, Zeit und Lust das mal mit eigenen Augen zu überprüfen. Und diesmal nahm ich mir gleich die Zeit mich schier ewig hinzusetzten und dem Wasser in aller Ruhe zuzuschauen und dabei richtig in Island anzukommen und den Alltag endgültig hinter mir zu lassen.
Bilder der Tages:

30. Juli 2002

Am nächsten Morgen war ich schon wieder früh auf. Der Himmel hatte sich aufgeklärt und es sah nach einem richtig sonnigen Tag aus. Also schnell gepackt und dann den Museumsbesuch nachgeholt, zu dem ich gestern keine Zeit mehr hatte. Und Tatsache, der Museumsdirektor persönlich kam mir gleich entgegen, weil er gerade erst öffnete und begrüßte mich wie einen alten Freund. Nicht nur daß ich wieder seine schier unendliche Kuriositätensammlung bewundern konnte, auch spendierte er mir gleich einen heißen Kaffe und und und... er hat mich wohl wirklich ins Herz geschlossen, so regelmäßig wie ich ihn besuchen komme. Und im übrigen hat er sein Museum um einen Neubau erweitert, in dem jetzt eine Technik-Abteilung untergebracht ist. Dennoch hat er noch einen Schuppen voll mit Sachen für die sonst nirgends mehr Platz ist.
Jedenfalls kam ich dann nach mehreren interessanten Stunden im Museum und nach dem Versprechen auf jeden Fall wiederzukommen doch endlich los und hatte einen immer mehr aufklarenden Himmel über mir und tollen Rückenwind. Die Strecke ging entlang der Küste, zwischen den alt bekannten Insel-Bergen hindurch und manchmal auch darüber. Immer wieder beeindruckend wenn man hört daß die Berge da zur Zeit der Besiedlung Islands noch im Meer standen, als berühmteste die Hjörleifshöfði östlich von Vík, die vom Bruder des ersten Siedlers in Island zur Heimat gewählt wurde.
Aber bis dorthin hatte ich es noch ein Stück. Und ein paar richtige Berge galt es auch noch zu überwinden. Und eine Baustelle mit dem lustigen Schild "Autofahrer! Raserei beschädigt euer Auto und unseren neuen Straßenbelag!" Und im regenreichsten Ort Islands, Vík, hat es ausnahmsweise mal nicht geregnet. Nachdem ich noch schnell ein paar extra-Vorräte eingekauft hatte und mich auch nochmal zu Hause gemeldet hatte brach ich dann auf in Richtung Hochland. Also das heißt erstmal noch ein Stück entlang der Ringstraße und an der besagten Hjörleifshöfði vorbei, dann quer durch das Mýrdalssandur. Bei Rückenwind. Bei kräftigem Rückenwind. Das war definitv das schnellste Stück das ich jemals in Island geradelt bin, fast 40 Kilometer lang in etwas über einer Stunde. Erst als ich bei den Steinhaufen von Laufskálavarða eine Pause einlegte merkte ich richtig, wie stark der Wind eigentlich war. Ich war heilfroh, nicht in die andere Richtung zu müssen an diesem Tag.
Mit Laufskálavarða hat es natürlich auch wieder eine spezielle Bewandnis. Wer dort vorbeikommt, muss ein Steinhaufen errichten, um sich für den Rest der Reise Glück zu sichern. Einerseits ist es ein wenig schade daß fast niemand davon weiß, weil das eigentlich wirklich ein toller Ort ist. Andererseits ist es auch ganz gut so, weil sonst hätte man da selber keine Steine mehr um sich selber das Glück zu erarbeiten. Immerhin stehen da hunderte von größeren und kleineren Steingebilden, und etwas abseits läd Vegagerðin, das isländische Straßenbauamt ab und zu ein wenig Nachschub ab. Wer radelt und gern ein Päuschen einlegt, der hat dann seine Freude an dieser alten Tradition.
Aber ich wollte noch ein Stück weiterkommen. Ich war so ermutigt vom letzten Stück, das ich durchgehend mit 30 oder 40 km/h zurückgelegt hatte, daß ich gleich noch weiter zur Eldgjá fahren wollte. Bis zur richtigen Abzweigung war es nicht mehr weit, und dann verabschiedete ich mich fürs erste wieder von Asphaltstraßen. Ich rechnete bis in den Norden nur noch mit holprigen Schotterpisten. Das fing dann noch ganz harmlos an, ein guter Straßenbelag, der allerdings sehr staubt, wenn man überholt wird. Auch ansonsten wurde es spürbar hügeliger, aber die ewigen Sandflächen waren auch kaum zu unterbieten was Steigungen angeht.
Als ich dann die letzten Höfe hinter mir gelassen hatte und die 208 zur F208 wurde, kam das Hochland dann schon spürbar näher. Die Straßen wurden steiniger, die Steigungen steiler und ab und zu mußte ich absteigen und schieben. Immerhin waren die Wolken mittlerweile fast völlig verschwunden und man hatte einen wunderschönen Blick auf den Mýrdalsjökull und den darunter schlafenden Vulkan Katla. Und nach dem zweiten Berg bei dem ich mir gedacht habe, man hätte die Straße doch auch einfach außenherum bauen können, da ging es dann auch wieder in eine kleine Ebene über an deren Ende man schon die Hütte von Hólaskjóli erahnen konnte, wenn man sie suchte. In dem Wellblech dort irgendwo fiel mir dann zum ersten Mal auf, daß mein Tacho nicht mehr mitzählte. Schade. Für den Tacho. Aber schließlich will ich es mir gut gehen lassen und nicht dem Tacho, also ignorierte ich das einfach.
Es war schon wieder recht spät als ich endlich dazu kam mein Zelt aufzubauen. Währenddessen traf ich auch auf ein deutsches Pärchen mit einem kleinen Kind, und wie das so ist plaudert man natürlich über das woher und wohin, und irgendwie verabschiedet man sich dann nur so auf ungefähr. Wenn man sich wiedersieht, dann bestimmt in Island, und das vielleicht früher als man denkt. Auch einen anderen deutschen Radler der etwa zwei Monate unterwegs war und Probleme mit seiner Scheibenbremse hatte traf ich noch, aber den zum letzten mal in diesem Urlaub.
Nach einem kleinen Abendessen unternahm ich noch einen kurzen Spaziergang in die nähere Umgebung. Ein netter Wasserfall und viele schöngeformte Basaltsäulen sind nicht weit von Hütte und Zeltplatz entfernt, Ein wenig durch das Lavafeld zu klettern macht auch immer wieder Spaß, aber allzuweit kam ich nicht mehr, nachdem ich schon den dritten Tag in Folge 120 km zurückgelegt hatte. Gar so eilig hatte ich es eigentlich gar nicht, aber sich ein paar Reservetage zu erarbeiten ist doch auch nie verkehrt. Für den nächsten Tag nahm ich mir dann auch "nur" einen kleinen Abstecher zur Eldgjá und die 30 km nach Landmannalaugar vor.
Bilder der Tages:

31. Juli 2002




Über Nacht waren auch die letzten Wolken am fernen Horizont fast völlig verschwunden und morgens beim Aufstehen freute ich mich gleich mal, daß ich auch eine kurze Radhose eingepackt hatte. Außerdem traf sich das wunderbar mit den vielen Furten die ich heut angeblich vor mir hatte. In aller Eile hab ich dann gepackt und dabei meinen Tacho "verloren". Genaugenommen im Zelt mit eingepackt und irgendwo ganz tief verstaut. Egal, heute wollte ich sowieso keinen Rekord aufstellen.
Morgens war es noch ein wenig kalt, und ich bereute fast meine lange Radhose auch tief und gut verstaut zu haben. Trotzdem war ich recht bald bei der ersten Furt angelangt, aber da gibt es einen kleinen Fußgängersteg etwas abseits und versteckt. Also hab ich munter mein schwerbeladenes Rad mit Anhänger quer durchs Lavafeld auf einem engen Trampelpfad entlanggeschoben, über den Holzsteg drüber und bin sogar zur Straße zurückgekommen. Trotzdem wollte ich in Zukunft Fußwege meiden. Die ganze Reiseausrüstung als Gepäck macht sich da doch zu bemerken.
Ich war die Strecke eigentlich schon im Jahr zuvor in der anderen Richtung gefahren. Mit dem Bus, weil es durchgehend tagelang nur geregnet hat. Dabei hatte ich mir mitgeschrieben wieviele Furten ich eigentlich vor mir haben sollte und so war ich dann ein wenig überrascht, daß keine einzige mehr kam, bis zur Abzweigung der Stichstraße in die Eldgjá. Nur noch ein ausgetrocknetes Bachbett mit dem typischen Schild "Achtung Furt". Naja, um so besser dachte ich mir, bin das kurze Stückchen gleich hinter dieser Furt in die Feuerschlucht Eldgjá hineingefahren und hab dort dann mein Rad abgestellt. Die ganze Schlucht entstand wohl mal bei einem großen Vulkanausbruch und hat daher auch ihren Namen. Heute gibt es dort zwei letzte wirklich tiefe Furten, aber die hab ich mir dieses Jahr gespart. Letztes Jahr war ich auf der anderen Flußseite, dann konnte ich heute ja mal dieses Ufer hier ausprobieren. Und man kommt auf beiden Seiten bis zum berühmten Ofærufoss, der mit der eingebrochenen Steinbrücke, die nicht eingestürtzt ist weil die Touristen ständig drübergelaufen sind sondern weil bei einer Schneeschmelze zu viel Wasser kam, wie man mir sagte. Jedenfalls hab ich den Wasserfall jetzt endlich auch mal bei Sonnenschein gesehen, bin dann wieder zu meinem Rad zurück um noch möglichst viel mehr auch bei Sonnenschein zu sehen.
Aber vorher gab es erstmal eine ziemlich ordentliche Steigung zu überwinden. Hinauf, mit Blick in die Eldgjá hinab und weit in der Ferne das Weiß des Vatnajökull. Aber damit noch lange nicht genug. Weiter bergauf und bergauf, und zwar ziemlich steil. Diese Steigung ist wohl ziemlich bekannt unter Islandradlern. Und das beste daran ist ja, wenn man oben ist geht es auf der anderen Seite wieder genauso hinunter. Wovon man natürlich nichts hat, weil man auf den schlechten Straßen da tunlichst langsam und vorsichtig fahren sollte. Am Fuß des Berges dann die erste kleine Furt für mich, wirklich nicht der Rede wert an so einem trockenen, sonnigen Tag.
Dahinter konnte ich angenehm weiterfahren, ein kleiner Berg zwar aber auf lange Sicht kein wirkliches Hindernis. Hinter dem Berg wieder ein malerisches Tal mit viel leuchtend grünem Moos und zwei drei kleinen Bächen hindurch, richtig angenehm. Danach zur Abwechslung wieder ein kleiner Berg und eine lange und steile Abfahrt, diesmal in ein recht enges Tal mit einem Fluß drin der immer wieder überquert werden wollte. Das waren dann schon wieder vier Furten oder so. Aber so richtig ging es erst ein Stückchen weiter los, das waren mal Furten die den Namen auch verdienen. Immerhin, unter Beifall aus den warmen trockenen Fenstern der Touristenbusse heraus hab ich auch die gequert. Natürlich dann in drei Zügen, wie sich das gehört: erstmal mit dem Rad und einem kleinen Rucksack hinüber, wieder zurück auf die andere Flußseite, den Anhänger mit Gepäck anheben und weils so schön war noch ein drittes Mal durch schöne warme Wasser hindurch und drüben einen Keks zur Belohnung!
Ich hab irgendwann aufgehört zu zählen, genauso wie ich irgendwann aufgehört hab meine Schuhe ständig zu wechseln. Einfach die paar hundert Meter mit den Watsandalen radeln, das ist sinvoller als da immer ein mords Theater zu machen. Und bei dem sonnigen tollen Kurze-Hose-Wetter waren die Furten eigentlich wirklich nicht unangenehm. Der nächste Berg der mit Sicherheit auch wieder kommen würde, den fand ich dann eigentlich schlimmer. Dafür wurde ich wiedermal mit einer tollen Ausicht ringsherum belohnt, und auch die macht bei Sonnenwetter und blauem Himmel natürlich jede Menge Spaß. Und nach dem zweiten Bachbett-Tal das gleichzeitig als Straße verwendet wurde, da kamen auch nicht mehr so viele Furten. Als ich dann einen letzten Fluß direkt an der Grenze des Fjallabak-Nationalparks gemeistert hatte, war sogar Schluß fürs erste. Aber das wußte ich noch nicht.
Im Nationalpark wurde die Straße dann wieder deutlich besser, streckenweise richtig zum schnellfahren geeignet. Ein isländisches Paar hielt mich noch kurz an, Autoren für Iceland Review, die mich natürlich gleich ablichten mußten und und und. Vielleicht tauch ich ja jetzt sogar irgendwo in einer Hochglanzbroschüre für noble Hotelgäste als "Abenteurer" auf oder was weiß ich. Jedenfalls war ich in erster Linie müde und geschafft als ich mich langsam wieder auskannte und mein Tagesziel Landmannalaugar in greiffbare Nähe rückte. Schließlich eine Brücke und ein Stück weiter der altbekannte Wegweiser, der mir eine Tagesleistung von satten 30 km bestätigte, nach denen ich aber genauso ausgepumpt war wie nach den 120 km die ich die anderen drei Tage geschafft hatte.
Eine Begegnung der lustigen Art hatte ich noch als ich auf den letzten paar hundert Metern Hagen und Thomas wiedtraf, von denen ich mich in Keflavík verabschiedet hatte. Sie hatten natürlich das selbe Ziel wie ich, auch wenn sie aus einer anderen Richtung kamen. An der Hekla vorbei auf der Landmannaleið F225 waren sie gekommen, nachdem sie in Reykjavík noch ein paar Ersatzteile besorgt hatten. Gemeinsam schleppten wir uns dann über den Fußgängersteig und den letzten Fluß zum Zeltplatz in Landmannalaugar. Und da es schon spät war blieb nichts anderes mehr zu tun als sich nachher "im Pool" zu verabreden. Im herrlichen Freilichtschwimmbad finden sich wohl alle Gäste mal ein, egal ob sie per Reisebus oder zu Fuß angekommen sind. Gekrönt wurde das ganze mit einem spektakulären Sonnenuntergang der leuchtendes gelb und rot auf die Hügel der Umgebung zauberte. Mehr wünscht man sich dann nicht, wenn man in den Schlafsack kriecht.
Bilder der Tages:

1. August 2002
Landmannalaugar








Wie man schon an der Unzahl an Bildern sieht, die ich an diesem Tag gemacht hab, stand ein absoluter Traumtag an. Besser kann man sichs gar nicht mehr wünschen. Morgens gleich man von der Sonne angelacht werden und einen strahlend blauen Himmel über sich sehen: Mein Entschluss stand sowieso schon fest daß ich einen Pausetag zum Wandern einlegen wollte. Noch nie hatte ich so tolles Wetter in Landmannalaugar, bisher hatte ich vom Gipfel des Bláhnjúkur noch nie wirklich soetwas wie eine gute Aussicht. Das mußte heute ja mal anders sein!
Hagen und Thomas und auch zwei andere deutsche Radler, die ich nochmal wiedertreffen würde, die sahen das anders und wollten weiterradeln. Also machte ich mich allein und zu Fuß auf um als erstes mal den unübersehbaren blauen Bláhnjúkur zu besteigen, gleich hinter den Hütten und dem Zeltplatz. Schon währed dem Aufstieg hatte ich tolle Sicht auf die tief eingeschnittenen Täler rundherum. Und ich war trotz zahlreicher Rundumblick-Pausen ziemlich schnell oben eigentlich. Dort war schon eine ganze Gruppe versammelt, die auch alle die Idee mit dem tollen Panoramablick hatten. Und den gab es heute wirklich! Das gesamte südliche Island, Hekla, Kjalfell, Kerlingarfjöll, Sprengisandur-Hochland, Vatnajökull und sogar Öræfajökull, schlicht und einfach alles was auf der Peilscheibe dort oben eingezeichnet ist lag mir zu Füßen. Ein paar vereinzelte Wolken obendrüber um das tiefe himmelsblau ein wenig zu schmücken... da machte ich erstmal eine sehr ausgiebige Pause und konnte mich trotzdem kaum sattsehen.
Schließlich riß ich mich aber doch los, um vieleicht noch ein bißchen mehr von der näheren Umgebung zu haben. Beim Abstieg wählte ich den langen Weg, die Abzweigung nach links also. Entlang einem Bachbett kam ich dann doch wieder auf den Hauptweg und zurück zum Laugahraun-Lavafeld, wo auch der berühmte Laugavegur-Wanderweg entlangführt. Dafür hatte ich noch ein paar mehr von den unbeschreiblichen gelb und rot leuchtenden Berghängen die für Landmannalaugar so typisch sind, als auf dem kürzeren Weg rechts entlang. Schließlich machte ich dann eine weitere kleine Pause neben einer Schwefelquelle am Fuß der Brennisteinsálda. Das ist auch so ein unverkennbarer Berg mit dem Trollhorn, das aus der Seite herausragt.
Aber es war noch nichteinmal Mittag, also wollte ich noch weitergehen. Auf dem Laugavegur. Mindestens noch ein kleines Stückchen, auf den nächsten Berg hinauf um nochmal so eine schöne Aussicht zu bekommen vielleicht. Also ging es los, und unterwegs holte ich schnell ein paar richtige Wanderer ein, die nicht nur einen leichten Rucksack hatten wie ich sondern ihr Zelt, Schlafsack und alles mit auf die mehrtägige Wanderung nahmen. Ich kam deutlich schneller voran und da dachte ich mir könnte ich auch noch ein Stückchen weitergehen vielleicht. Auf den nächsten Berg vielleicht, da gibts bestimmt schon wieder neue farbenprächtige Täler zu entdecken. Und wie ich mich so von einem Aussichtspunkt vom anderen langsam vorwanderte hol ich schon wieder ein paar Wanderer ein. Isländer. Die bieten mir gleich mal einen Apfel an, sie haben viel zu viel Gepäck dabei und müssen davon was loswerden sagen sie. Nunja, und in nullkommanix haben wir ein Gespräch angefangen und laufen noch ein Stückchen weiter auf dem Laugavegur. An einigen heißen Quellen vorbei, bergab und wieder bergauf. "Da drüben gibts ein tolles Lavafeld mit wunderschönem Obsidian" wissen meine isländischen Führer, also geh ich noch ein paar Kilometer mehr mit ihnen mit. Und das hat sich gelohnt, spiegelnder blankpolierter Obsidian wohin man nur schaut. Ein professioneller Fotograf hätte da sicherlich sein Spiegelbild irgendwie fotografiert, aber mir war das zu kompliziert, also hab ich mich aufs anschauen und bewundern beschränkt.
Aber auch das Lavafeld war schnell durchquert und es ging zügig auf einen Pass zu. Ich wollte wenigstens noch da hinüberschauen, was wohl auf der anderen Seite ist. Auch wenn man vorher noch ein Schneefeld zu überqueren hatte, ist doch auch mal ein lustiges Erlebnis, Anfang August über Schnee zu wandern. Tja, als ich dann also über diesen Pass hinüberschaute da war ich doch reichlich überrascht eine Hütte dort zu sehen. Hrafntinnusker, die erste von vier kurzen Tagesetappen auf dem Laugavegur. Na dann kann ich ja auch noch eben da hin laufen und dort mal weitersehen, dachte ich mir. Die Isländer packten dann natürlich gleich mal ihre weiteren Vorräte aus, "seytt Rugbauð" im wesentlichen, das brühmte süße isländische Brot. Natürlich hatten sie auch davon "viel zu viel" und ich mußte ihnen was abnehmen. Sowas macht man doch immer gerne. Mit einem anderen Tagesausflügler aus Landmannalaugar, ein Radler aus den Niederlanden, sowie dem Hüttenwart hatten wir schnell ein weiteres Ziel ausgesucht, ein paar Eishöhlen die nicht weit weg sein sollten von hier. Da ließen auch die Isländer ihre schweren Wanderrucksäcke zurück und wir machten uns auf um die mal zu suchen.
Der Weg war wieder größtenteils markiert und führte uns geradewegs auf einen Gletscher hinauf, auf der anderen Seite wieder hinunter und, auch wenn es ein Stücken weiter war als ich mir das gedacht hatte, tatsächlich fanden wir die Eishöhlen. Ein paar heiße Quellen am Boden schmelzen dort das Eis und aus zwei langen Tunnels kam dann ein wenig Wasser hervor, nicht viel, man konnte bequem daneben ein wenig in die Höhle hinenspazieren. Allerdings war es ziemlich nebelig und man konnte in der Dunkelheit nicht wirklich etwas ausmachen. Nichteinmal ob man jetzt geradewegs in eine heiße Quelle tappte oder doch nicht. Das war uns dann doch nicht ganz geheuer und wir drehten schon nach wenigen Metern wieder um. Dennoch, sehr beeindruckend, wenn mans dann irgendwo in der Tiefe des Eises rumpeln und donnern hört. Ein unvergessliches Erlebnis. Auch wenn der Rückweg zur Hütte Hrafntinnusker nochmal fast eine Stunde dauerte.
Dort angekommen gabs natürlich erstmal wieder eine Pause und einen Mailadressenaustausch, aber leider hab ich seither nie wieder etwas von meinen beiden netten Führern gehört. Ich mußte schauen daß ich noch zurück zu meinem Zelt in Landmannalaugar kam, möglichst rechtzeitig vor dem endgültigen Dunkelwerden, aber da hatte ich dann doch noch ne Weile Zeit. Auf dem Weg merkte ich dann was manch einer meint mit "der Laugavegur sei überlaufen". Genauso wie ich am Vortag aufgehört hatte zu zählen wieviele Furten ich durchquerte hörte ich heute auf zu zählen wieviele Gruppen und Grüppchen mich fragten ob es denn noch weit sei.
Nunja, ich nahm mir ein wenig Zeit für Pausen und Fotos, den Weg kenne ich jetzt wohl, nachdem ich ihn zweimal an einem Tag abgelaufen bin. Und nach weniger als drei Stunden war ich dann auch schon an meinem Ziel, der Himmel immernoch blau und wolkenlos, aber schon merklich dunkler. Aber ein toller Tag lag hinter mir mit einem Wetter besser als ich es mir bei meinen vorigen Besuchen in Landmannalaugar jemals gewünscht hatte. Ingesamt definitv einer der Höhepunkte dieser Reise, wenn nicht aller meiner Islandreisen zusammen!
Ich hatte mir mein Abendessen und das ausgiebige Entspannungsbad im HotPot redlich verdient. Ein toller Abend nach einem wunderschönen Tag, das sahen viele der anderen HotPot Besucher genauso, auch wenn ich nicht wissen möchte wieviele Stunden davon sie im Bus verbringen mußten. Jedenfalls waren sie ganz begeistert von dem offenen Himmel über ihnen der im Norden so schön klar und dunkel war und der beeindruckenden Wolkenfront die sich von Süden her darüber zog, von der Sonne angestrahlt, stellenweise rot leuchtend, ein unvergessliches Spektakel, "in Deutschland könnte man mit so einem HotPot ein Vermögen verdienen", wer hat diesen Satz noch nicht bei den vielen Poolgesprächen aufgeschnappt. Ich für meinen Teil verabschiedete mich in Gedanken schonmal von dem schönen Wetter und bereitete mich auf eine Regen- und Strumnacht oder wenigstens einen verregneten morgigen Tag vor.
Bilder der Tages:

2. August 2002
Sprengisandur


Überraschenderweise hatte es über Nacht nicht geregnet und auch nicht richtig zu stürmen angefangen. Trotzdem lagen dicke Wolken am Himmel, von Traumwetter keine Spur mehr. Also beeilte ich mich mein Zeug noch schnell trocken zusammenzupacken, auch wenn mir das Packen sonst immer am schwersten fällt wenn ich unterwegs bin. Zeitig kam ich dann los und schleppte mein Zeug wieder über den Fußgängersteig und radelte das kurze Stück zum ersten Wegweiser. Meine weitere Streckenplanung sah vor auf der F208 weiterzufahren bis zur Sprengisandurpiste und dann vielleicht bei einem kleinen Hof namens Versalir eine Pause zu machen und den Tag vielleicht zu beenden.Dort sollte es eine Tankstelle mit einem Supermarkt geben, und dort wollte ich meinen Keksvorrat auffrischen. Aber, wie üblich kommts anders als man denkt.
Fürs erste schlug ich mal den Weg nach Norden ein, vor mir lag ein Stückchen mit recht viel Sand zu beiden Seiten. Und der Sturm hatte schon fast angefangen, auch wenn der Regen noch auf sich warten ließ. Was Sand und Sturm bedeuted sah ich dann bei einem Blick über den See Frostastaðavatn: Eine riesige Sandwolke war dahinter am anderen Ufer zu sehen. Naja, da muß man durch, also fuhr ich mal munter drauf los. Immerhin kam der Wind genau wie die Wolken von hinten. Größtenteils spielten sich diese Sandstürmchen ja abseits der Piste ab, also wird das schon gehen, dachte ich mir. Außerdem waren die Stellen recht gut einzusehen, wo der Wind gut angreiffen konnte und wo sich immer wieder Staubwolken bildeten. Naja, ein wenig beeindruckt hat mich das dann schon als so eine Böe dann mal genau mich erwischt hat und ich einfach mal lieber eine Pause gemacht hab, um nicht mit geschlossenen Augen weiterzufahren und trotzdem möglichst keinen Sand in die Augen zu bekommen.
Aber das war ja nur etwa 15 km so sandig, und die übersteht man schon irgendwie. Am Ende diese Strecke hab ich dann zwei französische Wanderer getroffen und mich ein wenig mit ihnen unterhalten. Die beiden kamen gerade aus dem Sprengisandur, wo ich noch hinwollte. So richtig geärgert hab ich mich dann aber als ich keine hundert Meter weiter aus dem Nationalpark herauskam und engültig ein steiniges Lavafeld um mich herum hatte, keinen Sand mehr, und es genau in dem Moment zu regnen anfing. Jetzt wär nix mehr mit Sandsturm dachte ich mir und naß wirst du so und so. Da ists doch wiedermal typisch daß ich gleich beides abbekomm.
Naja, also hab ich mein Regenzeug ausgepackt und bin weitergeradelt. Ich hatte ja noch Rückenwind. Als dann die Straße einen Knick machte und ich den Wind von der Seite hatte war das nicht mehr so lustig. Zusammen mit dem Regen und dem grobschottrigen Straßenbelag fand ich es reichlich schwer überhaupt noch voranzukommen. Also setzte ich mich erstmal eine halbe Stunde in den Straßengraben um vielleicht auf eine Wetterbesserung zu warten. Denkste! Ich hab dann irgendwann beschlossen daß ich eben das Stückchen bergab hier schieben würde bis die Straße wieder einen Knick macht und man wieder irgendwie radeln kann.
Schließlich kam ich nach einem recht anstrengenden Stück doch endlich auf die F26, die Sprengisandurpiste. Und irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Zum einen war die Straße ein wenig umgelegt und ich kam nicht mehr bei der Tankstelle Hrauneyja raus, wie ich das eigentlich erwartet hatte. Zum anderen war die "Piste" asphaltiert. Und außerdem schüttete es aus allen Kübeln und der Wind war nur erträglich wenn die Straße in die richtige Richtung führte. Und das war natürlich nicht der Fall. Also kämpfte ich mich auf den anstrengendsten Kilometern des bisherigen Urlaubs bis zum letzten großen Staudamm voran. Ab da führte die Piste wieder in die richtige Richtung für den lieben Rückenwind und wurde auch wieder zu einer richtigen Schotterpiste. Außerdem ließ der Regen ein wenig nach, was natürlich nichts mehr daran änderte daß ich völlig durchnäßt war.
Immerhin nach einer saftigen Steigung und einem wolkenverhangenen Blick auf den grün leuchtenden Þórísvatn kam ich gut voran, die Piste war gut in Schuß und die Landschaft ringsherum, zumindest auf den ersten paar hundert Metern die ich noch ausmachen konnte, recht abwechslungsreich und grün bewachsen. Sicherlich gibts abwechslungsreichere und grünere Gegenden in Island, aber für eine Hochlandpiste war ich angenehm überrascht.
Die Kilometer zogen nur so an mir vorbei, auch wenn mein Tacho nicht wirklich alle mitgezählt hat. Und schneller als erwartet kam ich am späten Nachmittag in besagtem Versalir an. Da gab es sogar eine Hütte. Aber ganz bestimmt keine Tankstelle und schon gar keinen Supermarkt. "Da unten am Fluß ist ein alter Pferdestall, da kannst du rein und da sind schon zwei andere" gaben mir die Bewohner der Hütte zu verstehen. Nagut, dann eben keinen Keksvorrat auffrischen. Dafür hab ich zwei nette Radler aus Deutschland unten im Pferdestall am Fluß getroffen. Auch mit Anhänger. Leider waren sie in der anderen Richtung unterwegs, aber auch sie waren völlig duchnäßt und hatten das schlechte Wetter ordentlich abbekommen. Und sie boten mir gleich mal einen heißen Tee an, genau das richtige wenn man so eine Etappe hinter sich hat bei so einem Wetter. Sie erzählten mir außerdem von einem netten Platz zum Zelten an der dritten Furt. Oder vielleicht wars auch die zweite. Und auf die Richtung, die zweite von Süden oder von Norden her, darauf konnten sie sich auch nicht ganz einigen. Jedenfalls wollten sie dann auch gleich weiter und in ein paar Kilometern dann ihr Zelt aufschlagen, und das ermunterte mich das selbe zu versuchen, schließlich gibts da ja irgendwo einen Fluß mit nem schönen Fleckchen, angeblich.
Aber vorher wird natürlich noch ordentlich Pause gemacht, irgendjemand hatte sogar ein altes Telefonbuch gesponsort und die Schuhe konnten mit Papier ausgestopfft ein wenig trocknen. Das Dach war dicht und drinnen wars es schön windstill und ruhig und trocken, da kann man wunderbar ein Abendessen kochen, dann brauch ich das später nicht mehr bei meinem Zeltplatz irgendwo draußen im Regen machen. Wunderbar.
Danach bin ich frisch gestärkt noch ein Stückchen geradelt. Mal sehen, alles was ich heut noch schaff hab ich morgen nicht mehr vor mir. Mit dieser Einstellug kam ich dann recht bald an der ersten Furt an. Gar so einladend zum Zelten sahs da aber nicht aus, im Gegenteil, es wurde immer steiniger und öder rings um mich herum. Und die paar Moospolster konnten daran auch nicht wirklich etwas ändern. Auch wenn ich eigentlich gar keine Lust hatte furtete ich also diesen Bach um vielleicht dann beim nächsten mein Zelt aufzuschlagen. Als ich allerdings dann dort ankam war ich noch weniger begeistert. Andererseits hatte ich schonmal meine Wat-Sandalen für die Furten an und der Bach war auch deutlich kleiner. Also auch da hindurch und weiter. So ganz langsam wurde es immer dunkler und dunkler. Verkehr hatte ich sowieso schon längst keinen nennenswerten mehr, vielleicht mal ein Auto in einer Stunde oder so. Zeitweise regnete es nichtmal mehr richtig. Aber auch das dritte Rinsal war noch nicht so richtig zum Zeltplatz auserkoren. Langsam machte ich mir ernsthaft Gedanken ob ich denn nicht vielleicht einfach bis Nýidalur durchfahren sollte, aber das war schon noch ein ganzes Stück. Wenn ich andererseits so weitermachte würde es wohl darauf hinauslaufen.
Naja, zwischendurch fing es wieder zu regnen an, kein Wunder so dicht wie die Wolken hingen. Zwischenzeitlich gab es auch wieder die eine oder andere Furt, aber so richtig Lust mein Zelt irgendwo an einem der Flüße aufzuschlagen hatte ich nich. Mittlerweile war es auch schon richtig "dunkel", was aber immernoch "relativ hell" heißt im Vergleich zu anderswo um Mitternacht und noch später. Und einmal ist sogar noch ein Auto vorbeigekommen und die Insassen haben besorgt gefragt ob ich Hilfe bräuchte. Die hab ich mal dankend abgelehnt und nur gefragt, wie weit es denn eigentlich noch bis Nýidalur sei. Ist etwas schwierig mit defektem Tacho abzuschätzen wo ich eigentlich grad war und bei so einem Mistwetter die Karte rauszukramen hatte ich auch nicht recht Lust. "Noch etwa 20 km" wurde mir gesagt, naja, die schaff ich jetzt auch noch.
Irgendwann, als es dann schon wieder heller wurde hat es endlich dauerhaft zu regnen aufgehört und ich war richtig müde und hätte bei nächster Gelegenheit mein Zelt aufgebaut. Nur in dem Sand und Geröll um mich herum hatte ich dazu absolut keine Lust, also mußte ich weiter. Und als dann schließlich wiedermal ein Fluß in Sichtweite kam da dachte ich mir, so ein Unfug, da schlägst du jetzt nicht dein Zelt auf, am Ende ist hinterm nächsten Hügel schon die Hütte mit dem berühmten leuchtend rotem Dach. Also auch diese Furt wieder irgendwie überquert, und dabei hab ich dann die lustige Fahne an meinem Anhänger verloren fürchte ich fast. Naja, aber dafür kam tatsächlich schon das erste Hinweisschild seit dem Abzweig zum Berg "Hnöttottuálda" in Sicht und hinter dem nächsten Hügel lag tatsächlich auch die Hütte von Nýidalur mit dem Zeltplatz dahinter. Etwa gegen fünf Uhr morgens hab ich mich dann endlich schlafen gelegt, und war unbeabsichtigt zwei Tagesetappen am Stück gefahren. Wenigstens konnte ich schnell und gründlich einschlafen!
Bilder der Tages:

3. August 2002
Nýidalur

Am nächsten Tag wachte ich wider Erwarten schon gegen 11 Uhr wieder auf, hatte mich also mit 6 Stunden Schlaf begnügt. Naja, jedenfalls konnte ich unmöglich den ganzen Tag verschlafen, mochte es regnen oder auch nicht. Und es regnete nichtmal. Nur wolkig war es ziemlich. Und als ich vorsichtig aus dem Zelt herauslugte, da erlebte ich gleich die nächste angenehme Überraschung. Obwohl etwa 20 Zelte um mich herum waren hatte ich doch zielsicher einen Platz ausgesucht wo ich alte Bekannte aus Landmannalaugar als Nachbarn hatte. Ich hätte die zwar nicht wiedererkannt, aber richtig, wo sie es erwähnten fielen mir die beiden wieder ein. Sie waren recht verdutzt und fragten gleich mal, wann ich denn angekommen sei, gestern abend war ich doch noch nicht da...
Naja, aber irgendwie verliefen sich dann alle mit der Zeit ein wenig und bald war ich der letzte am Zeltplatz. Ich schaute noch lange zu wie sie sich über die Furt arbeiteten, die ja unübersehbar gleich nebenan nicht gerade zum Weiterfahren einlud. Sah mächtig tief aus an manchen Stellen und vor allem ziemlich breit mit mindestens drei sehr tiefen Seitenarmen die man überqueren mußte, die kleinen flachen Pfützen dazwischen natürlich gar nicht mitgezählt. Als die beiden ihre Räder und ihr Gepäck drüben hatten machten sie gleich mal ne viertelstundelang Pause und Füße wärmen wie ich annehme. Und beim Weiterfahren wollte ich da auch noch durch. Na dann Prost Mahlzeit!
Aber erstmal gönnte ich mir einen Ruhetag und ein Mittagessen. Und um dabei auch noch Benzin zu sparen und nebenbei auch noch meine Zeltplatzgebühren zu entrichten stattete ich gleich mal der Hütte einen Besuch ab. Die war auch recht einsam und verlassen, aber die Hüttenwarte empfingen mich recht freundlich und "Willst du einen Kaffe?". Na so freundlich und angenehm fand ich das noch fast nirgends in ganz Island. Vielleicht machen die das ja extra für Radler und Wanderer, weil sie vor denen ein wenig Respekt haben, aber das werde ich als Radler wohl nie so genau erfahren.
Jedenfalls machte ich mich dann frisch gestärkt auf, noch ein wenig die nähere Umgebung zu erkunden. Weit hinter ins Tal soll man gehen, so wurde mir geraten. Aber ich kam irgendwie nicht so weit. Ich fand es anstrengend immerfort auf und ab an der Talwand zu gehen und machte schon nach zwei Stunden wieder kehrt um statt dessen auf dem Rückweg noch auf eine Talwand hinaufzusteigen und die Aussicht zu genießen, die ich hoffentlich wieder haben würde. Leider waren aber viele Wolken recht tief am Himmel so daß ich außer einem Blick auf den Hofsjökull und seinen Ausläufer Múlajökull und den großen und kleinen Árnafell nicht wirklich viel zu sehen bekam. Und davor eine schier endlose Geröllwüste von vielen Flüßen durchzogen und an einigen Stellen auch grün und moosig. Dennoch sah das von oben wohl viel flacher aus als wenn man mitten drin stand.
Nach diesem kurzen Ausflug bequemte ich mich dann lieber wieder in die warme Hütte, wo ich dann auch meine Schuhe ein wenig zum Trocken hinstellen konnte und viiiiel warmen Kaffee trinken konnte. Außerdem kamen bald wieder die ersten Gäste für die Nacht und wir unterhielten uns ein wenig. Natürlich bewunderten alle die paar Verrücken die mit dem Fahrrad hier in so einer Gegend unterwegs sind und freuten sich über die Bodenfreiheit ihrer warmen und trockenen Jeeps. Eine nette Runde hatten wir da beisammen jedenfalls, wie man sie wohl nur mitten im isländischen Hochland antrifft.
Aber ich wollte am nächsten Tag möglichst früh raus und aufbrechen. Man sagt die Furten seien morgens deutlich einfacher zu nehmen als mittags oder abends. Als ich nochmal zur Furt hinunterschaute war ich mir aber nicht mehr ganz so sicher daß diese Regel auch Bestand hat wenn es Tags zuvor mächtig geschüttet hat. Jedenfalls wollte ich mich schon recht früh in meinen Schlafsack verkriechen, aber dann begegneten mir noch zwei alte Bekannte aus Keflavík, ein Pärchen aus Österreich, und natürlich wurde sofort wieder ein wenig ausgetauscht wo man schon überall war und und und. Trotzdem kam ich recht früh zu meinem Schlaf an diesem Tag.
Bilder der Tages:

4. August 2002
Sprengisandur
Über Nacht war es wieder recht stürmisch und noch ein wenig regnerisch. Am nächsten Morgen in erster Linie noch bewölkt und windig. Immerhin stand der Wind recht günstig, aus Süden. Also packte ich meine Sachen und tja, dann stand ich da. Vor mir die Furt die morgens genauso respekteinflößend wie abends wirkte. War wohl nix mit Schneeschmelze die tagsüber zunimmt und nachts wieder abnimmt. Also hilft alles nix und ich mußte mir die Hose hochkrempeln und ab durchs kalte Wasser.
Und das natürlich in der alten Radlermanier gleich dreimal. Als ich nach dem erstenmal erschöpft drüben mein Fahrrad hinschmiß (ablegen konnte man das wirklich nicht mehr nennen) machte ich also eine kleine Pause und bin begeistert wieder zurückgestapft durchs eiskalte gut knietiefe Wasser. Na das war einfach, so ganz ohne Gepäck. Und jetzt noch den Anhänger mit meinen ganzen Sachen, dem Zelt und allem. Ich ärgerte mich richtig, irgendwas von dem ganzen Zeug hätte ich doch sicherlich auch zu Hause lassen können. Also schleppte ich mich von Insel zu Insel, nicht ohne einem neidischen Blick auf die Autos, die einfach einen Allradgang einlegten und mittendurch fuhren. Die hatten es noch nichtmal nötig sich eine flache Stelle rauszusuchen wie unserereiner. Als ich endlich drüben war hätte ich am liebsten gleich wieder mein Zelt aufgeschlagen und hätte mich schlafen gelegt.
Aber das ging nun wirklich nicht. Immerhin war ich mir jetzt sicher daß ich nicht nur wegen meinem schwindenden Keksvorrat auf die lange und harte Gæsavatnsleið verzichtete, die von hier aus zur Askja führte. Ich wollte statt dessen erstmal nach Norden in die Zivilisation und es dann von da aus nochmal versuchen zur Askja vorzustoßen. Aber fürs erste baute ich mein Gespann wieder zusammen und es ging los, die Watschuhe ließ ich wohlweißlich gleich angezogen. Und ich war kaum 5 km über den nächsten Hügel gekommen, da sah ich schon das nächste Schild "Óbrúaður á", unüberbrückter Fluß.
Das Hinweisschild wäre nun wirklich nicht nötig gewesen. Schon ein ganzes Stückchen vorher hatte sich die Straße in ein Bachbett verwandelt, so daß das Schild mittendrin irgendwie leicht deplaziert schien. Schließlich kam ich dann aber auch zur richtigen Furt, die eigentlich ja angekündigt war. Irgendwie verließ mich ein wenig der Mut, das war schon wieder so ein Ding von dem Kaliber wie grad eben. Ordentlich breit und in viele Arme verzweigt. Ich sehnte mich irgendwie nach meinem Warmen trockenen zuhause wo ich mich bequem hinsetzen konnte und einen spannenden Islandreisebericht lesen konnte.
Aber es hilft ja alles nix, also versuchte ich es eben mal. Als ich dann allerdings schon gleich nach dem ersten Schritt bis weit über die Knie im Wasser stand machte ich allerschnellstens wieder kehrt. So nicht! Ein Stückchen weiter flußab sah es zwar weniger gefährlich aus, aber ich entschloß mich für die noch einfachere Variante. Einfach warten, irgendwann wird schon mal ein Auto vorbeikommen das mich mitnehmen könnte. Um mir die halbe Stunde ein wenig zu überbrücken wechselte ich mal die Bremsklötze, sowas kann man ja immer mal gut machen. Aber schließlich kam dann doch ein Bus mit einer ganzen Reisegruppe. Und als die mich da stehen sahen, haben sie mich kurzerhand eingeladen und mitgenommen, auch wenn sie eigentlich in die andere Richtung wollten machten sie nochmal extra kehrt. Na da war ich aber heilfroh! Und die Touristen hatten gleichermaßen ihren Spaß dran daß sie einem armen in Not geratenen Abenteurer helfen konnten. Was war ich glücklich als ich endlich diese zwei berühmt berüchtigten Furten hinter mir hatte.
Vor mir lag nun ein langes Stück fast ohne Furten. Die paar kleinen Bäche konnte ich größtenteils einfach durchfahren, so flach waren sie. Aber fürs erste hatte ich mal nur öde Steine rund um mich herum, in alle Richtungen und soweit das Auge reicht. Eine ausgedehnte Wüste, der eigentliche Sprengisandur, der der ganzen Piste den Namen gegeben hatte. Als willkommene Abwechslung tauchte bald der Fjorðungsvatn neben mir auf der sich sichelförmig um einen gleichnamigen Berg schließt. "Zu Trockenzeiten verschwindet er manchmal auch ganz" stand in meinem Reiseführer, aber das war wohl gerade keine Trockenzeit. Trotzdem, das graue Wasser fällt fast gar nicht auf zwischen all den trostlosen grauen Steinen und dem grauen Sand der das Landschaftsbild prägt. Darüber noch einen schönen wolkigen grauen Himmel und die Farbmischung ist perfekt.
Aber ich kann nicht klagen, das Stück lang kam ich gut vorwärts und ich hatte auch Rückenwind, zeitweise auch heftigen Seitenwind, was dann zwar weniger schön war, aber immer noch besser als von vorne. So kam ich dann auch an einen Abzweig nach Laugafell. Dort hatte ich wiedermal eine lustige Begegnung, etwas Abwechslung in der eintönigen Strecke. Genau dort an der Abzweigung stand nämlich ein Jeep, offensichtlich kam der gerade aus Laugafell. Na was gibts denn da so ewig rumzuüberlegen, so viele Kreuzungen gibts ja nun auch nicht gerade hier im Hochland. Dennoch erkannte ich deutlich daß da jemand drinnensaß und aufmerksam die Karte studierte. Ich fuhr also in respektvollem Abstand langsam vorüber und lächelte die Windschutzscheibe an. Keine ganze Minute später zieht der Jeep dann an mir vorbei, fährt noch ein paar hundert Meter weiter und bleibt wieder stehen. Na also sowas. Als ich dann ankomme ist das Fenster heruntergekurbelt und die Fahrerin, eine Augsburgerin, steigt aus und hat scheinbar extra für ein kurzes Gespräch mit mir angehalten. Über sowas freut man sich natürlich immer wenn man alleine unterwegs ist und so lernt man eine ganze Menge Leute kennen. Bestimmt treff ich mal den einen oder anderen davon wieder irgendwo.
Schließlich ging der Weg dann weiter und langsam ins Tal Kiðagil hinab. Dort gab es dann zum ersten mal wieder richtiges Grün zu sehen, Moos an einigen kleinen Bächen die eben allesamt überquert bzw. durchfahren werden wollten. Das tut gut, schon nach einem halben Tag lang nur grauer Einöde. Am Ende des Tals dann immer mehr Hügel, ab und zu ein paar zarte Pflänzchen dazwischen und nach Osten hin zeitweise ein prächtiger Blick auf die Dyngjufjöll und den unverkennbaren Herðubreið. Dazwischen die Einöde Ódáðahraun und ab und zu ein paar Regenschleier darüber die ich schön verfolgen konnte wie sie sich langsam nach Norden bewegten und abregneten und schließlich ganz verschwanden. Ich für mich hatte zeitweise leichte Schauer aber ansonsten einen trockenen Tag.
Als ich dann zwischen den Steinen immer mehr grüne Flecken und ab und zu weiße Tupfer von Schafen erkennen konnte, da wußte ich daß ich schon fast wieder in der Zivilisation zurück war. Auch wenn sich der Weg noch schier ewig hinzog, den einen Hügel hinauf, den nächsten wieder hinunter, ab und zu ein kleines Bächlein in einem Tal dazwischen. Irgendwo rechts konnte ich ab und zu das Tal des Skjálfandafljót erahnen, die Bäche flossen meist links von mir und die Straße führte geradewegs auf der Wasserscheide dazwischen von Gipfel zu Gipfel.
In einem besonders schönen Tal mit einem kleinen flachen See direkt neben der Straße machte ich dann Schluß für heute. Genug geradelt, so einen tollen Platz muß man zum Zelten nutzen. Also machte ich mich breit, kochte mir ein Abendessen und mußte feststellen daß mein Kocher wohl ein wenig verdreckt und verrußt war und nicht mehr so recht wollte wie ich. Aber für eine warme Mahlzeit reichte es grade noch und mehr wollte ich auch gar nicht mehr für den Tag. Anstrengend war das, diese beiden Furten gleich am Morgen vor allem. Aber vor mir lag schon fast in greiffbarer Nähe wieder die Zivilisation mit Supermärkten... und frischen Keksen...hmmmm...
Bilder der Tages:

5. August 2002

Der nächste Tag hat gleich mal recht freundlich angefangen. Zwischen den Wolken kam sogar ab und zu blauer Himmel zum Vorschein. Also hab ich nach einem kleinen Frühstück schnell gepackt und machte mich auf um mal wieder eine richtige Straße unter den Rädern zu haben und richtige Zivilisation rund um mich. Außerdem standen da noch einige Wasserfälle in meiner Karte, die wollten auch noch besucht werden.
Den ersten Wasserfall, den Aldeyjarfoss, erreichte ich auch schon recht bald, nur noch zwei kleine Hügel weiter, dann stand ich fast schon direkt vor dem kleinen Kessel mit den Basaltsäulen ringsherum. Und endlich sah ich dann auch den Skjálfandafljót, an dem ich den ganzen letzten Tag entlanggeradelt bin. Schon eindrucksvoll welche Wassermassen da herunterkommen. Außerdem war recht schön, daß fast niemand so früh schon auf den Beinen war und ich den Wasserfall somit fast für mich alleine hatte.
Nur ein kleines Stückchen weiter kamen auch schon wieder richtige Höfe und Weiden in Sicht, die Straße war sowieso schon lange merklich besser, und nach einer kleinen Brücke und zwei Schafsgattern war ich nicht mehr auf der F26 unterwegs sondern auf der 842. Mein Weg führte im Barðardalur entlang dem Skjálfandafljót Richtung Norden und zur Ringstraße. Und die Landschaft hatte gar nichts mehr mit der steinigen Hochlandwüste gemein, die ich tags zuvor durchquert hatte. Streckenweise gab es sogar richtigen Wald, überall zwitscherten ein paar Vögel und auf den Feldern und Weiden lagen Heuballen in die typischen weißen Plastikfolien eingepackt.
Unterwegs traf ich schon wieder zwei Wanderer die gerade aus dem Sprengisandur kamen. Sie teilten sich die Straße mit mir und ein paar Schafen, von Autos weit und breit keine Spur. Da bleibt natürlich auch wieder Zeit für ein kurzes Gespräch, vor allem da es sich bei dem schönen Wetter gut ein wenig länger aushalten läßt. Es ist richtig warm und einigermaßen sonnig, aber richtig stabil sieht die Wetterlage nicht aus. Immerhin, bis ich über die Brücke auf der anderen Flußseite und dann am Goðafoss bin, da hält sichs noch recht gut.
Wenn ich zuvor mal irgendwie leicht grinsen mußte wenn ich in einem Reisebericht gelesen hab, mit wie großen Augen man doch einen Supermarkt plündern kann dann entschuldige ich mich an dieser Stelle mal ausdrücklich dafür. Meine Vorratsplanung war etwas durcheinandergekommen, als ich in Versalir nur noch einen trockenen Pferdestall, keinen Laden mehr vorgefunden habe. Aber in Fosshóll gibt es ja zum Glück alles was das Herz begehrt. Und so machte ich auf einem schönen Stein am Goðafoss ausnamhsweise mal eine Mittagspause. Mit frischen Keksen. Die gehören in Island einfach dazu.
Nach dieser etwas längeren Pause an dem berühmten Wasserfall, wo einst ein bedeutender Isländer seine Götzenstatuen hineingeworfen haben soll, oder einer anderen These zu Folge die Götzenanbeter persönlich hineingeworfen wurde, und der im übrigen einer meiner Lieblingswasserfälle ist, wandte ich mich meinem nächsten Ziel zu, dem Mývatn. Wenn ich nun schonmal in der Gegend bin, muss ich da auch mal wieder vorbeischauen, dachte ich mir. Also hab ich schnell eine kleine Steigung überwunden, nur um, wie immer in Island, auf der anderen Seite wieder hinunterzufahren und dabei zum ersten Mal seit langem wieder richtigen Verkehr erlebt.
Danach führte mein Weg durch das dicht besiedelte Reykjadalur weiter auf der Ringstraße Nr. 1, und auf Asphalt. Erst ganz am Ende des Tales dann eine Baustelle, die von den Straßenverhältnissen auch nicht mehr schlimmer als manche Hochlandpisten war, und eine kleine Steigung. Unterwegs fing es beinahe ein wenig zu regnen an, aber das war eher leichter Nieselregen, bei weitem kein richtiger Dauerregen wie ich ihn schon manches Mal hatte. Schließlich kam ich am Másvatn vorbei, in dem immernoch ein rotes Ruderboot lag, genau wie ich es aus einem ein Jahr alten Kalender kannte. Im übrigen begann dort auch wieder ein Naturschutzgebiet oder soetwas ähnliches, wo man wieder nicht wild Zelten sollte und doch bitte die markierten Wege nicht verlassen und was da sonst noch alles dazugehört eben. Jedenfalls freute ich mich, schon nach dem nächsten Hügel vor mir den großen Mývatn liegen und etwas links den einsamen Berg Vindbelgjafjall mitten in der Ebene stehen zu haben. Wiedermal eine tolle Rundumsicht die sich gar nicht lohnt fotografisch festzuhalten zu versuchen. Andererseits machte ich bald Bekanntschaft mit den Namensgebern des Sees, den Mücken. Die stechen zwar nicht, so sagt man, aber sie nerven unheimlich und fliegen besonders gerne in die Augen natürlich.
Um ein wenig von der Ringstraße herunterzukommen beschloß ich, andersherum um den See zu fahren, als die Strecke führte. Um die Ecke da hinten auch mal ein wenig zu sehen. Und wirklich, auch wenn ich am gegenüberliegenden Seeufer zahlreiche Highlights kannte, die ich sicherlich auch noch besuchen würde, die ruhigere Seite mit den saftigen Weiden und unzähligen kleinen Bächlein, die gefällt mir besser muß ich sagen.
Aber schließlich hatte auch das ein Ende und nach einem kurzen Stück durch ein Lavafeld war ich froh, in Reykjahlið oder Reynihlið anzukommen. Wie der Ort nun genau heißt und welche Schreibweise richtig ist, weiß ich bis heute nicht so genau. Eine ordentliche Tagesetappe hatte ich jedenfalls wieder hinter mir, und mag sein daß ich mir das nur einbilde, aber irgendwie kam der Wind fast immer von vorne. Ich war müde als mein Zelt stand und die eine Stunde im Freibad die ich mir gönnte, die tat richtig gut. Wieder so ein Tag an dem ich gut einschlafen konnte.
Bilder der Tages:

Der Übersicht wegen gibt es diesen Reisebericht auf mehrere Teile aufgespalten:
Gesamt Teil 1 Teil 2 Teil 3

Zurück zu meinen Islandseiten
See some statisticsall contents © copyright by Olaf Kähler
last update Sat Oct 14 19:20:32 2006