Islandreise 2002
oder: Wie man 4 Wochen in Island verbringen kann ohne den Geysir zu sehen.

Der Übersicht wegen gibt es diesen Reisebericht auf mehrere Teile aufgespalten:
Gesamt Teil 1 Teil 2 Teil 3

Im Sommer 2002 packte mich wiedermal die Reiselust und wie üblich fuhr ich dann nach Island. Und ein Fahrrad ist mir im Urlaub mittlerweile fast mein wichtigster Begleiter geworden. Auch die übrige Ausrüstung hatte ich größtenteils schon im Vorjahr ausgiebig getestet. Noch ein paar Kleinigkeiten hier und da perfektioniert, alles wieder zusammengesucht und eingepackt, langsam bin ich ja schon ein alter Hase der das ganz routiniert macht. Trotzdem hatte ich ein wenig Ärger mit all dem Sack und Pack das ich immer so mit mir herumschleppe, aber davon später mehr.

Die Reisevorbereitung habe ich mir dieses Jahr fast komplett gespart. Natürlich fahre ich auch zuhause regelmäßig und viel mit dem Rad, aber das sehe ich nicht unbedingt als Vorbereitung für den Urlaub an. Pläne für den Reiseverlauf hatte ich nur recht grobe, irgendwie über die Eldgjá und Landmannalaugar von Süden her ins Hochland des Nordostens und damit war dann auch fast schon die Reisevorbereitung abgeschlossen. Nunja, es gab Ende des Semesters wie üblich ein wenig mehr Stress als üblich an der Uni und viel Zeit nebeher hatte ich wirklich nicht. Da ich dann auch immer noch den allergünstigsten Flug suchen muß, hab ich diesmal erst 6 Tage vor Abflug gebucht und alles war recht überstürtzt. Aber ich fuhr ja schließlich nicht das erste mal nach Island mit dem Rad.
Am meisten graute mir wieder vor dem Abreisetag. Es ist einfach eine Katastrophe wenn man mit nem Fahrrad und viel Gepäck und ich noch dazu mit meinem Anhänger mit der Bahn zum Flughafen will. Leider rechte mir die Zeit aber nicht ganz auch dieses Stück zu radeln. Immerhin, es hat alles prima geklappt, morgens bin ich sogar so früh rausgekommen, daß ich noch schnell ein paar neue Reifen besorgen und aufziehen konnte. Und dann mit nem Schönen-Wochenend-Ticket durch die halbe Republik tuckern, etliche Male umsteigen und Treppen rauf und Treppen runter. Was tut man nicht alles für einen schönen Urlaub.

Der Reiseverlauf war dann geprägt von vielen Wolken und vor allem in der zweiten Hälfte von viel Regen. Außerdem hatte ich diverse Male einen platten Reifen, wahrscheinlich hätte ich doch keine neuen Mäntel mehr kaufen sollen so kurz vorm Abflug. Auf dieser kleinen Karte kann man verfolgen welchen Weg ich dann tatsächlich eingeschlagen hab. Zwar hab ich es wiedermal nicht zur Askja geschafft, aber ich hab trotzdem eine Menge gesehen und hatte einen unvergesslichen Urlaub. Auch wenn das Wetter diesmal vielleicht nicht so gut mitgespielt hat wie sonst immer.

27. Juli 2002
Anreise
Früh morgens noch am Fahrrad gebastelt und dann ging es los. Erstmal zum Hauptbahnhof in Nürnberg und dann für kostfastnix nach Berlin getuckert, mit Zwischenstop bei jedem kleineren Bahnhof und einer Verspätung von einer satten Stunde. Aber das war sowieso großzügig kalkuliert, so daß das Einchecken recht gemütlich von statten ging. Es blieb den netten Herrn am Schalter sogar noch genug Zeit, mich von einem Schalter zum nächsten zu schicken, weil irgendwie mein Fahrrad-Flugticket nicht so ausgestellt war, wie's gehört hätte oder was weiß ich. Immerhin, das Personal dort war sehr freundlich, gewogen haben sie mein Sperrgepäck wiedermal gar nicht, und auch mein Taschenmesser durfte noch mitfliegen.
Die Flugzeugdurchsage "Wir erwarten stark bewölkten Himmel mir leichtem Niederschlag" klag wie üblich nicht sehr erfreulich und war wie üblich nicht ganz das was uns dann wirklich erwartete bei der Landung in Keflavík. Genaugenommen war es trocken, angenehm frisch und dunkler als ich es für Mitternacht im Juli in Erinnerung hatte. Auf dem Weg zum Zeltplatz hab ich mich dann gleich mal ein wenig verfahren, irgendwie hatte ich sowieso alles ein wenig anders in Erinnerung.
Trotzdem stand mein Zelt recht bald und ich schlief den Schlaf der Gerechten, nach dem vermutlich anstrengendsten Reisetag.

28. Juli 2002
Reykjanes
Am nächsten Morgen war der Himmel zwar nicht wirklich blau, aber trotzdem sah es vielversprechend und nach trockenem Wetter aus. Also hab ich schnell noch ein paar letzt kleine Schräubchen am Rad festgedreht und meine Sachen gepackt und wollte los. Ich hätte gerne noch im Supermarkt gleich nebenan eingekauft, aber der macht am Sonntag leider erst so spät auf, daß es sich auch nicht mehr lohnt. Und mich drängte es fort, endlich wieder alleine über die Straßen zu holpern und zu meiner Ruhe zu finden. Immerhin nahm ich mir die Zeit in den übriggelassenen Vorräten am Zeltplatz ein wenig zu stöbern und tankte dort auch meine Benzinflasche voll. Aber das Einkaufen verschob ich einstweilen auf den nächsten Supermarkt, verabschiedete mich bald von Hagen und Thomas, mit denen ich zusammen ab Berlin geflogen war, und von einem dritten deutschen Radler, der seit 5 Tagen drauf wartete, daß sein Fahrrad ihm hinterhergeflogen kam. Irgendwie ahnte ich daß ich die alle nochmal wiedersehen würde, zumal Hagen und Thomas auch den selben Rückflug gebucht hatten wie ich.
Aber fürs erste machte ich mich auf nach Hafnir und dann zur Reykjanestá und der äußersten Südwestspitze Islands. Bei meiner letzten Reise waren mir die vielen urigen Basaltformationen aufgefallen, die die Straßen 44 und 425 umgeben. Ein neuer Parkplatz hier und da ein neues Hinweisschild, gleich geblieben waren die Küstenseeschwalben oder wie die heißen, die so knapp über den Köpfen vorbeifliegen, schnattern und Kreischen und gelegentlich auch mal kräfige Hiebe austeilen. Einen Fahrradhelm vermisste ich irgendwie wiedermal.
Auch die Abzweigungen erkannte ich allesamt wieder und nach einem Abstecher zur ersten heißen Schwefelquelle am Wegesrand und dem schönen holprigen Stückchen nach Grindavík fühlte ich mich fast wie daheim. Zwischen den Wolken leuchtete die Sonne durch, der Wind kam fast direkt von hinten, so macht Radfahren Spaß! So hätte es von mir aus bleiben können!
In Grindavík angekommen hatte dann auch der Supermarkt schon offen und ich konnte mir diese und jene Kleinigkeit nachkaufen, was ich halt so an Proviant brauchte. Danach hatte ich aber längst noch nicht genug für den Tag, es war noch nicht mal richtig Mittagszeit, da wollte ich schon noch ein ganzes Stückchen weiterkommen. Also machte ich mich gleich mal an den ersten richtigen Anstieg dieses Urlaubs und es ging weiter entlang der Küste nach Krýsuvík. Der Berg hat es ordentlich in sich, von der anderen Richtung war er mir das letzte Mal weniger steil vorgekommen. Was ich aber noch gut in Erinnerung hatte war der schlechte Straßenzustand der noch vor mir lag. Aber bei Rückenwind und Sonnenschein war das eine wunderbare Einstimmung auf die 4 Wochen die noch vor mir lagen. Deutlich mehr Probleme hatte eine ganze Gruppe von Radlern die mir entgegenkam. Isländer, ohne Gepäck. Ihr Führer kam mit mir kurz ins Gespräch, mein schwer beladener Gepäckanhänger erweckte natürlich sein Interesse. Jedenfalls erklärte er mir daß sie einen Tagesausflug von Hveragerði zur Blauen Lagune unternahmen und so sah es auch aus: alle gerade mal mit der Kleidung an ihrem Leib und hintendrein ein zwei Kleinbusse für die nicht ganz so durchtrainierten. Immerhin, sie hatten den Wind von vorne, der mich von hinten anschob und ohne dem wäre ich auch nicht so weit gekommen und schon gar nicht so schnell unterwegs gewesen.
In der Kirche bei Krýsuvík machte ich noch eine kleine Pause, aber eigentlich wollte ich bei so einem Wetter am liebsten einfach nur weiterradeln, bis es dunkel wird. Und so nahm ich denn auch das nächste Stückchen noch in Angriff, nach Þorlákshöfn. Holprig und noch schlechter als das vorige Stückchen, zumindest bis zum Abzweig zur Strandakírkja. Dort soll es ja auch einen schönen Zeltplatz geben, aber mir war noch nicht nach Zelten. Also weiter, zumal ja auch die Straße besser wurde. Als ich dann an der nächsten Abzweigung vor der Wahl Þorlákshöfn oder Hveragerði stand, da war ich dann doch schon reichlich geschafft. Trotzdem wollte ich mal nach Hveragerði, weil ich dort noch nie war. Nichtmal mit nem Bus durchgefahren. Und schließlich waren das auch nur ein paar wenige Kilometerchen mehr. Als ich dann aber da war und endlich mein Zelt aufgebaut hatte da war ich doch heilfroh. Einen Urlaub gleich mal mit einer 120 km Tagesetappe anzufangen, na das kann ja noch heiter werden, dachte ich mir.
Als erstes suchte ich das Schwimmbad in dem Ort. Da war ich dann noch über eine Stunde zum Entspannen und Wohlfühlen. Die Schwimmbäder sind eigentlich sowieso das beste an jedem Islandurlaub, da war ich mir in dem Moment ganz sicher! Als ich dann noch ein Abendbrot kochen wollte mußte ich aber gleich mal feststellen, daß die stehengelassenen Vorräte an den Zeltplätzen rund um den Flughafen nicht immer das beste sind. Dummerweise hatte ich nämlich nicht Benzin in meinem Tank sondern Diesel. Und das bekommt man mit keinem normalen Benzinkocher so richtig zum Brennen. Also mußte ich doch noch zu ner Tankstelle und richtiges Benzin besorgen. Besser hier als im Hochland war da der einzige Trost. Aber ich war sowieso viel zu müde um mir da allzuviele Gedanken drum zu machen und so lag ich denn auch bald in meinem Schlafsack.
Bilder der Tages:

29. Juli 2002
Der nächste Tag fing gleich mal deutlich weniger gut an als der Tag zuvor. Es war reichlich bewölkt und sah nach Regen aus. Also hab ich mich beeilt mit dem Packen und mich gleich mal aufs Rad geschwungen. Vor mir lag sowieso eine nicht so spannende Tagesetappe entlang der Ringstraße möglichst weit in Richtung Vík. Und für so eine Etappe war das Wetter eigentlich ganz in Ordnung, oder zumindest doch erträglich.
Das erste Stück war ziemlich flach. Also eigentlich war alles ziemlich flach, aber kurz vor der Brücke über die Þjórsá gibt es ein paar kleine Hügel. Kein Vergleich natürlich mit richtigen Bergen wie ich sie am Tag zuvor schon hatte. Aber dafür stand der Wind jetzt ungünstiger und verlangsamte mein Vorankommen ein wenig. In Hvollsvöllur in der Tankstelle hab ich mir dann die letzten fehlenden Karten zu meinem Set dazugekauft, dann konnte ich immerhin schon mal nicht mehr so leicht verlorengehen, egal wo in Island ich auch hinkommen würde.
Aber mit der letzten Tankstelle ließ ich auch den größten Teil der Autos hinter mir. Überhaupt war weniger Verkehr unterwegs als ich das von meiner letzten Reise in Erinnerung hatte. Immerhin sind mir sogar ein paar Radler begegnet, und das will schon was heißen in Island. Ich wußte wiedermal nicht, wie weit ich eigentlich noch kommen wollte an dem Tag, und als ich dann am Seljalandsfoss stand war es eigentlich immer noch nicht spät genug als daß ich mein Zelt irgendwo hätte aufbauen wollen. Also fuhr ich weiter, natürlich nach einer obligatorischen Runde hinter dem Wasserfall vorbei. Weil hinter dem Wasserfall herum gibt es einen kleinen Pfad.
Ich visierte einfach mal so Skógar an, da wollte ich aber sicher eine Rast machen. Schon alleine des Museums wegen. Die weitere Ringstraße war dann auch interessanter als in der langen Ebene zuvor. Links von mir ragten einige ehemalige Meeresklippen empor, die seit dem Ende der Eiszeit am Trockenen standen. Hinzu kam noch der ganze Schwemmsand von den Gletschern, der heute die Ebene am Fuß der Klippen ausmacht. Mir jedenfalls gefällt das dort besser als in der eintönigen grünen Ebene die ich schon durchradelt hatte. Vielleicht ja auch nur weil spürbar weniger Autos unterwegs waren.
Gegen abend kam ich dann auch tatsächlich noch an in Skógar. Da war ich dann doch ein wenig erstaunt, daß mein Tacho schon wieder an die 120 km als Tagesetappe anzeigte, obwohl der Wind heute definitiv nicht von hinten sondern eigentlich sogar von vorne kam. Schnell mein Zelt aufgebaut beeilte ich mich, um noch rechtzeitig ins Museum zu kommen. Und vor allem um Þórdur Tómasson zu besuchen, den Museumsdirektor. Aber dazu später mehr, denn für heute war schon Feierabend und ich zog wieder von dannen.
Aber Feierabend heißt in Island nicht unbedingt daß es schon dunkel wurde. Und um das Tageslicht noch vollends auszunutzen stieg ich dann also neben dem Skogafoss, der unübersehbare Wasserfall gleich hinterm Zeltplatz, hinauf und unternahm eine kleine Wanderung. Ich hatte schon lange gehört, daß es da noch eine ganze Menge mehr schöne Wasserfälle als nur den Skogafoss gab. Allerdings hatte ich noch nie Gelegenheit, Zeit und Lust das mal mit eigenen Augen zu überprüfen. Und diesmal nahm ich mir gleich die Zeit mich schier ewig hinzusetzten und dem Wasser in aller Ruhe zuzuschauen und dabei richtig in Island anzukommen und den Alltag endgültig hinter mir zu lassen.
Bilder der Tages:

30. Juli 2002

Am nächsten Morgen war ich schon wieder früh auf. Der Himmel hatte sich aufgeklärt und es sah nach einem richtig sonnigen Tag aus. Also schnell gepackt und dann den Museumsbesuch nachgeholt, zu dem ich gestern keine Zeit mehr hatte. Und Tatsache, der Museumsdirektor persönlich kam mir gleich entgegen, weil er gerade erst öffnete und begrüßte mich wie einen alten Freund. Nicht nur daß ich wieder seine schier unendliche Kuriositätensammlung bewundern konnte, auch spendierte er mir gleich einen heißen Kaffe und und und... er hat mich wohl wirklich ins Herz geschlossen, so regelmäßig wie ich ihn besuchen komme. Und im übrigen hat er sein Museum um einen Neubau erweitert, in dem jetzt eine Technik-Abteilung untergebracht ist. Dennoch hat er noch einen Schuppen voll mit Sachen für die sonst nirgends mehr Platz ist.
Jedenfalls kam ich dann nach mehreren interessanten Stunden im Museum und nach dem Versprechen auf jeden Fall wiederzukommen doch endlich los und hatte einen immer mehr aufklarenden Himmel über mir und tollen Rückenwind. Die Strecke ging entlang der Küste, zwischen den alt bekannten Insel-Bergen hindurch und manchmal auch darüber. Immer wieder beeindruckend wenn man hört daß die Berge da zur Zeit der Besiedlung Islands noch im Meer standen, als berühmteste die Hjörleifshöfði östlich von Vík, die vom Bruder des ersten Siedlers in Island zur Heimat gewählt wurde.
Aber bis dorthin hatte ich es noch ein Stück. Und ein paar richtige Berge galt es auch noch zu überwinden. Und eine Baustelle mit dem lustigen Schild "Autofahrer! Raserei beschädigt euer Auto und unseren neuen Straßenbelag!" Und im regenreichsten Ort Islands, Vík, hat es ausnahmsweise mal nicht geregnet. Nachdem ich noch schnell ein paar extra-Vorräte eingekauft hatte und mich auch nochmal zu Hause gemeldet hatte brach ich dann auf in Richtung Hochland. Also das heißt erstmal noch ein Stück entlang der Ringstraße und an der besagten Hjörleifshöfði vorbei, dann quer durch das Mýrdalssandur. Bei Rückenwind. Bei kräftigem Rückenwind. Das war definitv das schnellste Stück das ich jemals in Island geradelt bin, fast 40 Kilometer lang in etwas über einer Stunde. Erst als ich bei den Steinhaufen von Laufskálavarða eine Pause einlegte merkte ich richtig, wie stark der Wind eigentlich war. Ich war heilfroh, nicht in die andere Richtung zu müssen an diesem Tag.
Mit Laufskálavarða hat es natürlich auch wieder eine spezielle Bewandnis. Wer dort vorbeikommt, muss ein Steinhaufen errichten, um sich für den Rest der Reise Glück zu sichern. Einerseits ist es ein wenig schade daß fast niemand davon weiß, weil das eigentlich wirklich ein toller Ort ist. Andererseits ist es auch ganz gut so, weil sonst hätte man da selber keine Steine mehr um sich selber das Glück zu erarbeiten. Immerhin stehen da hunderte von größeren und kleineren Steingebilden, und etwas abseits läd Vegagerðin, das isländische Straßenbauamt ab und zu ein wenig Nachschub ab. Wer radelt und gern ein Päuschen einlegt, der hat dann seine Freude an dieser alten Tradition.
Aber ich wollte noch ein Stück weiterkommen. Ich war so ermutigt vom letzten Stück, das ich durchgehend mit 30 oder 40 km/h zurückgelegt hatte, daß ich gleich noch weiter zur Eldgjá fahren wollte. Bis zur richtigen Abzweigung war es nicht mehr weit, und dann verabschiedete ich mich fürs erste wieder von Asphaltstraßen. Ich rechnete bis in den Norden nur noch mit holprigen Schotterpisten. Das fing dann noch ganz harmlos an, ein guter Straßenbelag, der allerdings sehr staubt, wenn man überholt wird. Auch ansonsten wurde es spürbar hügeliger, aber die ewigen Sandflächen waren auch kaum zu unterbieten was Steigungen angeht.
Als ich dann die letzten Höfe hinter mir gelassen hatte und die 208 zur F208 wurde, kam das Hochland dann schon spürbar näher. Die Straßen wurden steiniger, die Steigungen steiler und ab und zu mußte ich absteigen und schieben. Immerhin waren die Wolken mittlerweile fast völlig verschwunden und man hatte einen wunderschönen Blick auf den Mýrdalsjökull und den darunter schlafenden Vulkan Katla. Und nach dem zweiten Berg bei dem ich mir gedacht habe, man hätte die Straße doch auch einfach außenherum bauen können, da ging es dann auch wieder in eine kleine Ebene über an deren Ende man schon die Hütte von Hólaskjóli erahnen konnte, wenn man sie suchte. In dem Wellblech dort irgendwo fiel mir dann zum ersten Mal auf, daß mein Tacho nicht mehr mitzählte. Schade. Für den Tacho. Aber schließlich will ich es mir gut gehen lassen und nicht dem Tacho, also ignorierte ich das einfach.
Es war schon wieder recht spät als ich endlich dazu kam mein Zelt aufzubauen. Währenddessen traf ich auch auf ein deutsches Pärchen mit einem kleinen Kind, und wie das so ist plaudert man natürlich über das woher und wohin, und irgendwie verabschiedet man sich dann nur so auf ungefähr. Wenn man sich wiedersieht, dann bestimmt in Island, und das vielleicht früher als man denkt. Auch einen anderen deutschen Radler der etwa zwei Monate unterwegs war und Probleme mit seiner Scheibenbremse hatte traf ich noch, aber den zum letzten mal in diesem Urlaub.
Nach einem kleinen Abendessen unternahm ich noch einen kurzen Spaziergang in die nähere Umgebung. Ein netter Wasserfall und viele schöngeformte Basaltsäulen sind nicht weit von Hütte und Zeltplatz entfernt, Ein wenig durch das Lavafeld zu klettern macht auch immer wieder Spaß, aber allzuweit kam ich nicht mehr, nachdem ich schon den dritten Tag in Folge 120 km zurückgelegt hatte. Gar so eilig hatte ich es eigentlich gar nicht, aber sich ein paar Reservetage zu erarbeiten ist doch auch nie verkehrt. Für den nächsten Tag nahm ich mir dann auch "nur" einen kleinen Abstecher zur Eldgjá und die 30 km nach Landmannalaugar vor.
Bilder der Tages:

31. Juli 2002




Über Nacht waren auch die letzten Wolken am fernen Horizont fast völlig verschwunden und morgens beim Aufstehen freute ich mich gleich mal, daß ich auch eine kurze Radhose eingepackt hatte. Außerdem traf sich das wunderbar mit den vielen Furten die ich heut angeblich vor mir hatte. In aller Eile hab ich dann gepackt und dabei meinen Tacho "verloren". Genaugenommen im Zelt mit eingepackt und irgendwo ganz tief verstaut. Egal, heute wollte ich sowieso keinen Rekord aufstellen.
Morgens war es noch ein wenig kalt, und ich bereute fast meine lange Radhose auch tief und gut verstaut zu haben. Trotzdem war ich recht bald bei der ersten Furt angelangt, aber da gibt es einen kleinen Fußgängersteg etwas abseits und versteckt. Also hab ich munter mein schwerbeladenes Rad mit Anhänger quer durchs Lavafeld auf einem engen Trampelpfad entlanggeschoben, über den Holzsteg drüber und bin sogar zur Straße zurückgekommen. Trotzdem wollte ich in Zukunft Fußwege meiden. Die ganze Reiseausrüstung als Gepäck macht sich da doch zu bemerken.
Ich war die Strecke eigentlich schon im Jahr zuvor in der anderen Richtung gefahren. Mit dem Bus, weil es durchgehend tagelang nur geregnet hat. Dabei hatte ich mir mitgeschrieben wieviele Furten ich eigentlich vor mir haben sollte und so war ich dann ein wenig überrascht, daß keine einzige mehr kam, bis zur Abzweigung der Stichstraße in die Eldgjá. Nur noch ein ausgetrocknetes Bachbett mit dem typischen Schild "Achtung Furt". Naja, um so besser dachte ich mir, bin das kurze Stückchen gleich hinter dieser Furt in die Feuerschlucht Eldgjá hineingefahren und hab dort dann mein Rad abgestellt. Die ganze Schlucht entstand wohl mal bei einem großen Vulkanausbruch und hat daher auch ihren Namen. Heute gibt es dort zwei letzte wirklich tiefe Furten, aber die hab ich mir dieses Jahr gespart. Letztes Jahr war ich auf der anderen Flußseite, dann konnte ich heute ja mal dieses Ufer hier ausprobieren. Und man kommt auf beiden Seiten bis zum berühmten Ofærufoss, der mit der eingebrochenen Steinbrücke, die nicht eingestürtzt ist weil die Touristen ständig drübergelaufen sind sondern weil bei einer Schneeschmelze zu viel Wasser kam, wie man mir sagte. Jedenfalls hab ich den Wasserfall jetzt endlich auch mal bei Sonnenschein gesehen, bin dann wieder zu meinem Rad zurück um noch möglichst viel mehr auch bei Sonnenschein zu sehen.
Aber vorher gab es erstmal eine ziemlich ordentliche Steigung zu überwinden. Hinauf, mit Blick in die Eldgjá hinab und weit in der Ferne das Weiß des Vatnajökull. Aber damit noch lange nicht genug. Weiter bergauf und bergauf, und zwar ziemlich steil. Diese Steigung ist wohl ziemlich bekannt unter Islandradlern. Und das beste daran ist ja, wenn man oben ist geht es auf der anderen Seite wieder genauso hinunter. Wovon man natürlich nichts hat, weil man auf den schlechten Straßen da tunlichst langsam und vorsichtig fahren sollte. Am Fuß des Berges dann die erste kleine Furt für mich, wirklich nicht der Rede wert an so einem trockenen, sonnigen Tag.
Dahinter konnte ich angenehm weiterfahren, ein kleiner Berg zwar aber auf lange Sicht kein wirkliches Hindernis. Hinter dem Berg wieder ein malerisches Tal mit viel leuchtend grünem Moos und zwei drei kleinen Bächen hindurch, richtig angenehm. Danach zur Abwechslung wieder ein kleiner Berg und eine lange und steile Abfahrt, diesmal in ein recht enges Tal mit einem Fluß drin der immer wieder überquert werden wollte. Das waren dann schon wieder vier Furten oder so. Aber so richtig ging es erst ein Stückchen weiter los, das waren mal Furten die den Namen auch verdienen. Immerhin, unter Beifall aus den warmen trockenen Fenstern der Touristenbusse heraus hab ich auch die gequert. Natürlich dann in drei Zügen, wie sich das gehört: erstmal mit dem Rad und einem kleinen Rucksack hinüber, wieder zurück auf die andere Flußseite, den Anhänger mit Gepäck anheben und weils so schön war noch ein drittes Mal durch schöne warme Wasser hindurch und drüben einen Keks zur Belohnung!
Ich hab irgendwann aufgehört zu zählen, genauso wie ich irgendwann aufgehört hab meine Schuhe ständig zu wechseln. Einfach die paar hundert Meter mit den Watsandalen radeln, das ist sinvoller als da immer ein mords Theater zu machen. Und bei dem sonnigen tollen Kurze-Hose-Wetter waren die Furten eigentlich wirklich nicht unangenehm. Der nächste Berg der mit Sicherheit auch wieder kommen würde, den fand ich dann eigentlich schlimmer. Dafür wurde ich wiedermal mit einer tollen Ausicht ringsherum belohnt, und auch die macht bei Sonnenwetter und blauem Himmel natürlich jede Menge Spaß. Und nach dem zweiten Bachbett-Tal das gleichzeitig als Straße verwendet wurde, da kamen auch nicht mehr so viele Furten. Als ich dann einen letzten Fluß direkt an der Grenze des Fjallabak-Nationalparks gemeistert hatte, war sogar Schluß fürs erste. Aber das wußte ich noch nicht.
Im Nationalpark wurde die Straße dann wieder deutlich besser, streckenweise richtig zum schnellfahren geeignet. Ein isländisches Paar hielt mich noch kurz an, Autoren für Iceland Review, die mich natürlich gleich ablichten mußten und und und. Vielleicht tauch ich ja jetzt sogar irgendwo in einer Hochglanzbroschüre für noble Hotelgäste als "Abenteurer" auf oder was weiß ich. Jedenfalls war ich in erster Linie müde und geschafft als ich mich langsam wieder auskannte und mein Tagesziel Landmannalaugar in greiffbare Nähe rückte. Schließlich eine Brücke und ein Stück weiter der altbekannte Wegweiser, der mir eine Tagesleistung von satten 30 km bestätigte, nach denen ich aber genauso ausgepumpt war wie nach den 120 km die ich die anderen drei Tage geschafft hatte.
Eine Begegnung der lustigen Art hatte ich noch als ich auf den letzten paar hundert Metern Hagen und Thomas wiedtraf, von denen ich mich in Keflavík verabschiedet hatte. Sie hatten natürlich das selbe Ziel wie ich, auch wenn sie aus einer anderen Richtung kamen. An der Hekla vorbei auf der Landmannaleið F225 waren sie gekommen, nachdem sie in Reykjavík noch ein paar Ersatzteile besorgt hatten. Gemeinsam schleppten wir uns dann über den Fußgängersteig und den letzten Fluß zum Zeltplatz in Landmannalaugar. Und da es schon spät war blieb nichts anderes mehr zu tun als sich nachher "im Pool" zu verabreden. Im herrlichen Freilichtschwimmbad finden sich wohl alle Gäste mal ein, egal ob sie per Reisebus oder zu Fuß angekommen sind. Gekrönt wurde das ganze mit einem spektakulären Sonnenuntergang der leuchtendes gelb und rot auf die Hügel der Umgebung zauberte. Mehr wünscht man sich dann nicht, wenn man in den Schlafsack kriecht.
Bilder der Tages:

1. August 2002
Landmannalaugar








Wie man schon an der Unzahl an Bildern sieht, die ich an diesem Tag gemacht hab, stand ein absoluter Traumtag an. Besser kann man sichs gar nicht mehr wünschen. Morgens gleich man von der Sonne angelacht werden und einen strahlend blauen Himmel über sich sehen: Mein Entschluss stand sowieso schon fest daß ich einen Pausetag zum Wandern einlegen wollte. Noch nie hatte ich so tolles Wetter in Landmannalaugar, bisher hatte ich vom Gipfel des Bláhnjúkur noch nie wirklich soetwas wie eine gute Aussicht. Das mußte heute ja mal anders sein!
Hagen und Thomas und auch zwei andere deutsche Radler, die ich nochmal wiedertreffen würde, die sahen das anders und wollten weiterradeln. Also machte ich mich allein und zu Fuß auf um als erstes mal den unübersehbaren blauen Bláhnjúkur zu besteigen, gleich hinter den Hütten und dem Zeltplatz. Schon währed dem Aufstieg hatte ich tolle Sicht auf die tief eingeschnittenen Täler rundherum. Und ich war trotz zahlreicher Rundumblick-Pausen ziemlich schnell oben eigentlich. Dort war schon eine ganze Gruppe versammelt, die auch alle die Idee mit dem tollen Panoramablick hatten. Und den gab es heute wirklich! Das gesamte südliche Island, Hekla, Kjalfell, Kerlingarfjöll, Sprengisandur-Hochland, Vatnajökull und sogar Öræfajökull, schlicht und einfach alles was auf der Peilscheibe dort oben eingezeichnet ist lag mir zu Füßen. Ein paar vereinzelte Wolken obendrüber um das tiefe himmelsblau ein wenig zu schmücken... da machte ich erstmal eine sehr ausgiebige Pause und konnte mich trotzdem kaum sattsehen.
Schließlich riß ich mich aber doch los, um vieleicht noch ein bißchen mehr von der näheren Umgebung zu haben. Beim Abstieg wählte ich den langen Weg, die Abzweigung nach links also. Entlang einem Bachbett kam ich dann doch wieder auf den Hauptweg und zurück zum Laugahraun-Lavafeld, wo auch der berühmte Laugavegur-Wanderweg entlangführt. Dafür hatte ich noch ein paar mehr von den unbeschreiblichen gelb und rot leuchtenden Berghängen die für Landmannalaugar so typisch sind, als auf dem kürzeren Weg rechts entlang. Schließlich machte ich dann eine weitere kleine Pause neben einer Schwefelquelle am Fuß der Brennisteinsálda. Das ist auch so ein unverkennbarer Berg mit dem Trollhorn, das aus der Seite herausragt.
Aber es war noch nichteinmal Mittag, also wollte ich noch weitergehen. Auf dem Laugavegur. Mindestens noch ein kleines Stückchen, auf den nächsten Berg hinauf um nochmal so eine schöne Aussicht zu bekommen vielleicht. Also ging es los, und unterwegs holte ich schnell ein paar richtige Wanderer ein, die nicht nur einen leichten Rucksack hatten wie ich sondern ihr Zelt, Schlafsack und alles mit auf die mehrtägige Wanderung nahmen. Ich kam deutlich schneller voran und da dachte ich mir könnte ich auch noch ein Stückchen weitergehen vielleicht. Auf den nächsten Berg vielleicht, da gibts bestimmt schon wieder neue farbenprächtige Täler zu entdecken. Und wie ich mich so von einem Aussichtspunkt vom anderen langsam vorwanderte hol ich schon wieder ein paar Wanderer ein. Isländer. Die bieten mir gleich mal einen Apfel an, sie haben viel zu viel Gepäck dabei und müssen davon was loswerden sagen sie. Nunja, und in nullkommanix haben wir ein Gespräch angefangen und laufen noch ein Stückchen weiter auf dem Laugavegur. An einigen heißen Quellen vorbei, bergab und wieder bergauf. "Da drüben gibts ein tolles Lavafeld mit wunderschönem Obsidian" wissen meine isländischen Führer, also geh ich noch ein paar Kilometer mehr mit ihnen mit. Und das hat sich gelohnt, spiegelnder blankpolierter Obsidian wohin man nur schaut. Ein professioneller Fotograf hätte da sicherlich sein Spiegelbild irgendwie fotografiert, aber mir war das zu kompliziert, also hab ich mich aufs anschauen und bewundern beschränkt.
Aber auch das Lavafeld war schnell durchquert und es ging zügig auf einen Pass zu. Ich wollte wenigstens noch da hinüberschauen, was wohl auf der anderen Seite ist. Auch wenn man vorher noch ein Schneefeld zu überqueren hatte, ist doch auch mal ein lustiges Erlebnis, Anfang August über Schnee zu wandern. Tja, als ich dann also über diesen Pass hinüberschaute da war ich doch reichlich überrascht eine Hütte dort zu sehen. Hrafntinnusker, die erste von vier kurzen Tagesetappen auf dem Laugavegur. Na dann kann ich ja auch noch eben da hin laufen und dort mal weitersehen, dachte ich mir. Die Isländer packten dann natürlich gleich mal ihre weiteren Vorräte aus, "seytt Rugbauð" im wesentlichen, das brühmte süße isländische Brot. Natürlich hatten sie auch davon "viel zu viel" und ich mußte ihnen was abnehmen. Sowas macht man doch immer gerne. Mit einem anderen Tagesausflügler aus Landmannalaugar, ein Radler aus den Niederlanden, sowie dem Hüttenwart hatten wir schnell ein weiteres Ziel ausgesucht, ein paar Eishöhlen die nicht weit weg sein sollten von hier. Da ließen auch die Isländer ihre schweren Wanderrucksäcke zurück und wir machten uns auf um die mal zu suchen.
Der Weg war wieder größtenteils markiert und führte uns geradewegs auf einen Gletscher hinauf, auf der anderen Seite wieder hinunter und, auch wenn es ein Stücken weiter war als ich mir das gedacht hatte, tatsächlich fanden wir die Eishöhlen. Ein paar heiße Quellen am Boden schmelzen dort das Eis und aus zwei langen Tunnels kam dann ein wenig Wasser hervor, nicht viel, man konnte bequem daneben ein wenig in die Höhle hinenspazieren. Allerdings war es ziemlich nebelig und man konnte in der Dunkelheit nicht wirklich etwas ausmachen. Nichteinmal ob man jetzt geradewegs in eine heiße Quelle tappte oder doch nicht. Das war uns dann doch nicht ganz geheuer und wir drehten schon nach wenigen Metern wieder um. Dennoch, sehr beeindruckend, wenn mans dann irgendwo in der Tiefe des Eises rumpeln und donnern hört. Ein unvergessliches Erlebnis. Auch wenn der Rückweg zur Hütte Hrafntinnusker nochmal fast eine Stunde dauerte.
Dort angekommen gabs natürlich erstmal wieder eine Pause und einen Mailadressenaustausch, aber leider hab ich seither nie wieder etwas von meinen beiden netten Führern gehört. Ich mußte schauen daß ich noch zurück zu meinem Zelt in Landmannalaugar kam, möglichst rechtzeitig vor dem endgültigen Dunkelwerden, aber da hatte ich dann doch noch ne Weile Zeit. Auf dem Weg merkte ich dann was manch einer meint mit "der Laugavegur sei überlaufen". Genauso wie ich am Vortag aufgehört hatte zu zählen wieviele Furten ich durchquerte hörte ich heute auf zu zählen wieviele Gruppen und Grüppchen mich fragten ob es denn noch weit sei.
Nunja, ich nahm mir ein wenig Zeit für Pausen und Fotos, den Weg kenne ich jetzt wohl, nachdem ich ihn zweimal an einem Tag abgelaufen bin. Und nach weniger als drei Stunden war ich dann auch schon an meinem Ziel, der Himmel immernoch blau und wolkenlos, aber schon merklich dunkler. Aber ein toller Tag lag hinter mir mit einem Wetter besser als ich es mir bei meinen vorigen Besuchen in Landmannalaugar jemals gewünscht hatte. Ingesamt definitv einer der Höhepunkte dieser Reise, wenn nicht aller meiner Islandreisen zusammen!
Ich hatte mir mein Abendessen und das ausgiebige Entspannungsbad im HotPot redlich verdient. Ein toller Abend nach einem wunderschönen Tag, das sahen viele der anderen HotPot Besucher genauso, auch wenn ich nicht wissen möchte wieviele Stunden davon sie im Bus verbringen mußten. Jedenfalls waren sie ganz begeistert von dem offenen Himmel über ihnen der im Norden so schön klar und dunkel war und der beeindruckenden Wolkenfront die sich von Süden her darüber zog, von der Sonne angestrahlt, stellenweise rot leuchtend, ein unvergessliches Spektakel, "in Deutschland könnte man mit so einem HotPot ein Vermögen verdienen", wer hat diesen Satz noch nicht bei den vielen Poolgesprächen aufgeschnappt. Ich für meinen Teil verabschiedete mich in Gedanken schonmal von dem schönen Wetter und bereitete mich auf eine Regen- und Strumnacht oder wenigstens einen verregneten morgigen Tag vor.
Bilder der Tages:

2. August 2002
Sprengisandur


Überraschenderweise hatte es über Nacht nicht geregnet und auch nicht richtig zu stürmen angefangen. Trotzdem lagen dicke Wolken am Himmel, von Traumwetter keine Spur mehr. Also beeilte ich mich mein Zeug noch schnell trocken zusammenzupacken, auch wenn mir das Packen sonst immer am schwersten fällt wenn ich unterwegs bin. Zeitig kam ich dann los und schleppte mein Zeug wieder über den Fußgängersteig und radelte das kurze Stück zum ersten Wegweiser. Meine weitere Streckenplanung sah vor auf der F208 weiterzufahren bis zur Sprengisandurpiste und dann vielleicht bei einem kleinen Hof namens Versalir eine Pause zu machen und den Tag vielleicht zu beenden.Dort sollte es eine Tankstelle mit einem Supermarkt geben, und dort wollte ich meinen Keksvorrat auffrischen. Aber, wie üblich kommts anders als man denkt.
Fürs erste schlug ich mal den Weg nach Norden ein, vor mir lag ein Stückchen mit recht viel Sand zu beiden Seiten. Und der Sturm hatte schon fast angefangen, auch wenn der Regen noch auf sich warten ließ. Was Sand und Sturm bedeuted sah ich dann bei einem Blick über den See Frostastaðavatn: Eine riesige Sandwolke war dahinter am anderen Ufer zu sehen. Naja, da muß man durch, also fuhr ich mal munter drauf los. Immerhin kam der Wind genau wie die Wolken von hinten. Größtenteils spielten sich diese Sandstürmchen ja abseits der Piste ab, also wird das schon gehen, dachte ich mir. Außerdem waren die Stellen recht gut einzusehen, wo der Wind gut angreiffen konnte und wo sich immer wieder Staubwolken bildeten. Naja, ein wenig beeindruckt hat mich das dann schon als so eine Böe dann mal genau mich erwischt hat und ich einfach mal lieber eine Pause gemacht hab, um nicht mit geschlossenen Augen weiterzufahren und trotzdem möglichst keinen Sand in die Augen zu bekommen.
Aber das war ja nur etwa 15 km so sandig, und die übersteht man schon irgendwie. Am Ende diese Strecke hab ich dann zwei französische Wanderer getroffen und mich ein wenig mit ihnen unterhalten. Die beiden kamen gerade aus dem Sprengisandur, wo ich noch hinwollte. So richtig geärgert hab ich mich dann aber als ich keine hundert Meter weiter aus dem Nationalpark herauskam und engültig ein steiniges Lavafeld um mich herum hatte, keinen Sand mehr, und es genau in dem Moment zu regnen anfing. Jetzt wär nix mehr mit Sandsturm dachte ich mir und naß wirst du so und so. Da ists doch wiedermal typisch daß ich gleich beides abbekomm.
Naja, also hab ich mein Regenzeug ausgepackt und bin weitergeradelt. Ich hatte ja noch Rückenwind. Als dann die Straße einen Knick machte und ich den Wind von der Seite hatte war das nicht mehr so lustig. Zusammen mit dem Regen und dem grobschottrigen Straßenbelag fand ich es reichlich schwer überhaupt noch voranzukommen. Also setzte ich mich erstmal eine halbe Stunde in den Straßengraben um vielleicht auf eine Wetterbesserung zu warten. Denkste! Ich hab dann irgendwann beschlossen daß ich eben das Stückchen bergab hier schieben würde bis die Straße wieder einen Knick macht und man wieder irgendwie radeln kann.
Schließlich kam ich nach einem recht anstrengenden Stück doch endlich auf die F26, die Sprengisandurpiste. Und irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Zum einen war die Straße ein wenig umgelegt und ich kam nicht mehr bei der Tankstelle Hrauneyja raus, wie ich das eigentlich erwartet hatte. Zum anderen war die "Piste" asphaltiert. Und außerdem schüttete es aus allen Kübeln und der Wind war nur erträglich wenn die Straße in die richtige Richtung führte. Und das war natürlich nicht der Fall. Also kämpfte ich mich auf den anstrengendsten Kilometern des bisherigen Urlaubs bis zum letzten großen Staudamm voran. Ab da führte die Piste wieder in die richtige Richtung für den lieben Rückenwind und wurde auch wieder zu einer richtigen Schotterpiste. Außerdem ließ der Regen ein wenig nach, was natürlich nichts mehr daran änderte daß ich völlig durchnäßt war.
Immerhin nach einer saftigen Steigung und einem wolkenverhangenen Blick auf den grün leuchtenden Þórísvatn kam ich gut voran, die Piste war gut in Schuß und die Landschaft ringsherum, zumindest auf den ersten paar hundert Metern die ich noch ausmachen konnte, recht abwechslungsreich und grün bewachsen. Sicherlich gibts abwechslungsreichere und grünere Gegenden in Island, aber für eine Hochlandpiste war ich angenehm überrascht.
Die Kilometer zogen nur so an mir vorbei, auch wenn mein Tacho nicht wirklich alle mitgezählt hat. Und schneller als erwartet kam ich am späten Nachmittag in besagtem Versalir an. Da gab es sogar eine Hütte. Aber ganz bestimmt keine Tankstelle und schon gar keinen Supermarkt. "Da unten am Fluß ist ein alter Pferdestall, da kannst du rein und da sind schon zwei andere" gaben mir die Bewohner der Hütte zu verstehen. Nagut, dann eben keinen Keksvorrat auffrischen. Dafür hab ich zwei nette Radler aus Deutschland unten im Pferdestall am Fluß getroffen. Auch mit Anhänger. Leider waren sie in der anderen Richtung unterwegs, aber auch sie waren völlig duchnäßt und hatten das schlechte Wetter ordentlich abbekommen. Und sie boten mir gleich mal einen heißen Tee an, genau das richtige wenn man so eine Etappe hinter sich hat bei so einem Wetter. Sie erzählten mir außerdem von einem netten Platz zum Zelten an der dritten Furt. Oder vielleicht wars auch die zweite. Und auf die Richtung, die zweite von Süden oder von Norden her, darauf konnten sie sich auch nicht ganz einigen. Jedenfalls wollten sie dann auch gleich weiter und in ein paar Kilometern dann ihr Zelt aufschlagen, und das ermunterte mich das selbe zu versuchen, schließlich gibts da ja irgendwo einen Fluß mit nem schönen Fleckchen, angeblich.
Aber vorher wird natürlich noch ordentlich Pause gemacht, irgendjemand hatte sogar ein altes Telefonbuch gesponsort und die Schuhe konnten mit Papier ausgestopfft ein wenig trocknen. Das Dach war dicht und drinnen wars es schön windstill und ruhig und trocken, da kann man wunderbar ein Abendessen kochen, dann brauch ich das später nicht mehr bei meinem Zeltplatz irgendwo draußen im Regen machen. Wunderbar.
Danach bin ich frisch gestärkt noch ein Stückchen geradelt. Mal sehen, alles was ich heut noch schaff hab ich morgen nicht mehr vor mir. Mit dieser Einstellug kam ich dann recht bald an der ersten Furt an. Gar so einladend zum Zelten sahs da aber nicht aus, im Gegenteil, es wurde immer steiniger und öder rings um mich herum. Und die paar Moospolster konnten daran auch nicht wirklich etwas ändern. Auch wenn ich eigentlich gar keine Lust hatte furtete ich also diesen Bach um vielleicht dann beim nächsten mein Zelt aufzuschlagen. Als ich allerdings dann dort ankam war ich noch weniger begeistert. Andererseits hatte ich schonmal meine Wat-Sandalen für die Furten an und der Bach war auch deutlich kleiner. Also auch da hindurch und weiter. So ganz langsam wurde es immer dunkler und dunkler. Verkehr hatte ich sowieso schon längst keinen nennenswerten mehr, vielleicht mal ein Auto in einer Stunde oder so. Zeitweise regnete es nichtmal mehr richtig. Aber auch das dritte Rinsal war noch nicht so richtig zum Zeltplatz auserkoren. Langsam machte ich mir ernsthaft Gedanken ob ich denn nicht vielleicht einfach bis Nýidalur durchfahren sollte, aber das war schon noch ein ganzes Stück. Wenn ich andererseits so weitermachte würde es wohl darauf hinauslaufen.
Naja, zwischendurch fing es wieder zu regnen an, kein Wunder so dicht wie die Wolken hingen. Zwischenzeitlich gab es auch wieder die eine oder andere Furt, aber so richtig Lust mein Zelt irgendwo an einem der Flüße aufzuschlagen hatte ich nich. Mittlerweile war es auch schon richtig "dunkel", was aber immernoch "relativ hell" heißt im Vergleich zu anderswo um Mitternacht und noch später. Und einmal ist sogar noch ein Auto vorbeigekommen und die Insassen haben besorgt gefragt ob ich Hilfe bräuchte. Die hab ich mal dankend abgelehnt und nur gefragt, wie weit es denn eigentlich noch bis Nýidalur sei. Ist etwas schwierig mit defektem Tacho abzuschätzen wo ich eigentlich grad war und bei so einem Mistwetter die Karte rauszukramen hatte ich auch nicht recht Lust. "Noch etwa 20 km" wurde mir gesagt, naja, die schaff ich jetzt auch noch.
Irgendwann, als es dann schon wieder heller wurde hat es endlich dauerhaft zu regnen aufgehört und ich war richtig müde und hätte bei nächster Gelegenheit mein Zelt aufgebaut. Nur in dem Sand und Geröll um mich herum hatte ich dazu absolut keine Lust, also mußte ich weiter. Und als dann schließlich wiedermal ein Fluß in Sichtweite kam da dachte ich mir, so ein Unfug, da schlägst du jetzt nicht dein Zelt auf, am Ende ist hinterm nächsten Hügel schon die Hütte mit dem berühmten leuchtend rotem Dach. Also auch diese Furt wieder irgendwie überquert, und dabei hab ich dann die lustige Fahne an meinem Anhänger verloren fürchte ich fast. Naja, aber dafür kam tatsächlich schon das erste Hinweisschild seit dem Abzweig zum Berg "Hnöttottuálda" in Sicht und hinter dem nächsten Hügel lag tatsächlich auch die Hütte von Nýidalur mit dem Zeltplatz dahinter. Etwa gegen fünf Uhr morgens hab ich mich dann endlich schlafen gelegt, und war unbeabsichtigt zwei Tagesetappen am Stück gefahren. Wenigstens konnte ich schnell und gründlich einschlafen!
Bilder der Tages:

3. August 2002
Nýidalur

Am nächsten Tag wachte ich wider Erwarten schon gegen 11 Uhr wieder auf, hatte mich also mit 6 Stunden Schlaf begnügt. Naja, jedenfalls konnte ich unmöglich den ganzen Tag verschlafen, mochte es regnen oder auch nicht. Und es regnete nichtmal. Nur wolkig war es ziemlich. Und als ich vorsichtig aus dem Zelt herauslugte, da erlebte ich gleich die nächste angenehme Überraschung. Obwohl etwa 20 Zelte um mich herum waren hatte ich doch zielsicher einen Platz ausgesucht wo ich alte Bekannte aus Landmannalaugar als Nachbarn hatte. Ich hätte die zwar nicht wiedererkannt, aber richtig, wo sie es erwähnten fielen mir die beiden wieder ein. Sie waren recht verdutzt und fragten gleich mal, wann ich denn angekommen sei, gestern abend war ich doch noch nicht da...
Naja, aber irgendwie verliefen sich dann alle mit der Zeit ein wenig und bald war ich der letzte am Zeltplatz. Ich schaute noch lange zu wie sie sich über die Furt arbeiteten, die ja unübersehbar gleich nebenan nicht gerade zum Weiterfahren einlud. Sah mächtig tief aus an manchen Stellen und vor allem ziemlich breit mit mindestens drei sehr tiefen Seitenarmen die man überqueren mußte, die kleinen flachen Pfützen dazwischen natürlich gar nicht mitgezählt. Als die beiden ihre Räder und ihr Gepäck drüben hatten machten sie gleich mal ne viertelstundelang Pause und Füße wärmen wie ich annehme. Und beim Weiterfahren wollte ich da auch noch durch. Na dann Prost Mahlzeit!
Aber erstmal gönnte ich mir einen Ruhetag und ein Mittagessen. Und um dabei auch noch Benzin zu sparen und nebenbei auch noch meine Zeltplatzgebühren zu entrichten stattete ich gleich mal der Hütte einen Besuch ab. Die war auch recht einsam und verlassen, aber die Hüttenwarte empfingen mich recht freundlich und "Willst du einen Kaffe?". Na so freundlich und angenehm fand ich das noch fast nirgends in ganz Island. Vielleicht machen die das ja extra für Radler und Wanderer, weil sie vor denen ein wenig Respekt haben, aber das werde ich als Radler wohl nie so genau erfahren.
Jedenfalls machte ich mich dann frisch gestärkt auf, noch ein wenig die nähere Umgebung zu erkunden. Weit hinter ins Tal soll man gehen, so wurde mir geraten. Aber ich kam irgendwie nicht so weit. Ich fand es anstrengend immerfort auf und ab an der Talwand zu gehen und machte schon nach zwei Stunden wieder kehrt um statt dessen auf dem Rückweg noch auf eine Talwand hinaufzusteigen und die Aussicht zu genießen, die ich hoffentlich wieder haben würde. Leider waren aber viele Wolken recht tief am Himmel so daß ich außer einem Blick auf den Hofsjökull und seinen Ausläufer Múlajökull und den großen und kleinen Árnafell nicht wirklich viel zu sehen bekam. Und davor eine schier endlose Geröllwüste von vielen Flüßen durchzogen und an einigen Stellen auch grün und moosig. Dennoch sah das von oben wohl viel flacher aus als wenn man mitten drin stand.
Nach diesem kurzen Ausflug bequemte ich mich dann lieber wieder in die warme Hütte, wo ich dann auch meine Schuhe ein wenig zum Trocken hinstellen konnte und viiiiel warmen Kaffee trinken konnte. Außerdem kamen bald wieder die ersten Gäste für die Nacht und wir unterhielten uns ein wenig. Natürlich bewunderten alle die paar Verrücken die mit dem Fahrrad hier in so einer Gegend unterwegs sind und freuten sich über die Bodenfreiheit ihrer warmen und trockenen Jeeps. Eine nette Runde hatten wir da beisammen jedenfalls, wie man sie wohl nur mitten im isländischen Hochland antrifft.
Aber ich wollte am nächsten Tag möglichst früh raus und aufbrechen. Man sagt die Furten seien morgens deutlich einfacher zu nehmen als mittags oder abends. Als ich nochmal zur Furt hinunterschaute war ich mir aber nicht mehr ganz so sicher daß diese Regel auch Bestand hat wenn es Tags zuvor mächtig geschüttet hat. Jedenfalls wollte ich mich schon recht früh in meinen Schlafsack verkriechen, aber dann begegneten mir noch zwei alte Bekannte aus Keflavík, ein Pärchen aus Österreich, und natürlich wurde sofort wieder ein wenig ausgetauscht wo man schon überall war und und und. Trotzdem kam ich recht früh zu meinem Schlaf an diesem Tag.
Bilder der Tages:

4. August 2002
Sprengisandur
Über Nacht war es wieder recht stürmisch und noch ein wenig regnerisch. Am nächsten Morgen in erster Linie noch bewölkt und windig. Immerhin stand der Wind recht günstig, aus Süden. Also packte ich meine Sachen und tja, dann stand ich da. Vor mir die Furt die morgens genauso respekteinflößend wie abends wirkte. War wohl nix mit Schneeschmelze die tagsüber zunimmt und nachts wieder abnimmt. Also hilft alles nix und ich mußte mir die Hose hochkrempeln und ab durchs kalte Wasser.
Und das natürlich in der alten Radlermanier gleich dreimal. Als ich nach dem erstenmal erschöpft drüben mein Fahrrad hinschmiß (ablegen konnte man das wirklich nicht mehr nennen) machte ich also eine kleine Pause und bin begeistert wieder zurückgestapft durchs eiskalte gut knietiefe Wasser. Na das war einfach, so ganz ohne Gepäck. Und jetzt noch den Anhänger mit meinen ganzen Sachen, dem Zelt und allem. Ich ärgerte mich richtig, irgendwas von dem ganzen Zeug hätte ich doch sicherlich auch zu Hause lassen können. Also schleppte ich mich von Insel zu Insel, nicht ohne einem neidischen Blick auf die Autos, die einfach einen Allradgang einlegten und mittendurch fuhren. Die hatten es noch nichtmal nötig sich eine flache Stelle rauszusuchen wie unserereiner. Als ich endlich drüben war hätte ich am liebsten gleich wieder mein Zelt aufgeschlagen und hätte mich schlafen gelegt.
Aber das ging nun wirklich nicht. Immerhin war ich mir jetzt sicher daß ich nicht nur wegen meinem schwindenden Keksvorrat auf die lange und harte Gæsavatnsleið verzichtete, die von hier aus zur Askja führte. Ich wollte statt dessen erstmal nach Norden in die Zivilisation und es dann von da aus nochmal versuchen zur Askja vorzustoßen. Aber fürs erste baute ich mein Gespann wieder zusammen und es ging los, die Watschuhe ließ ich wohlweißlich gleich angezogen. Und ich war kaum 5 km über den nächsten Hügel gekommen, da sah ich schon das nächste Schild "Óbrúaður á", unüberbrückter Fluß.
Das Hinweisschild wäre nun wirklich nicht nötig gewesen. Schon ein ganzes Stückchen vorher hatte sich die Straße in ein Bachbett verwandelt, so daß das Schild mittendrin irgendwie leicht deplaziert schien. Schließlich kam ich dann aber auch zur richtigen Furt, die eigentlich ja angekündigt war. Irgendwie verließ mich ein wenig der Mut, das war schon wieder so ein Ding von dem Kaliber wie grad eben. Ordentlich breit und in viele Arme verzweigt. Ich sehnte mich irgendwie nach meinem Warmen trockenen zuhause wo ich mich bequem hinsetzen konnte und einen spannenden Islandreisebericht lesen konnte.
Aber es hilft ja alles nix, also versuchte ich es eben mal. Als ich dann allerdings schon gleich nach dem ersten Schritt bis weit über die Knie im Wasser stand machte ich allerschnellstens wieder kehrt. So nicht! Ein Stückchen weiter flußab sah es zwar weniger gefährlich aus, aber ich entschloß mich für die noch einfachere Variante. Einfach warten, irgendwann wird schon mal ein Auto vorbeikommen das mich mitnehmen könnte. Um mir die halbe Stunde ein wenig zu überbrücken wechselte ich mal die Bremsklötze, sowas kann man ja immer mal gut machen. Aber schließlich kam dann doch ein Bus mit einer ganzen Reisegruppe. Und als die mich da stehen sahen, haben sie mich kurzerhand eingeladen und mitgenommen, auch wenn sie eigentlich in die andere Richtung wollten machten sie nochmal extra kehrt. Na da war ich aber heilfroh! Und die Touristen hatten gleichermaßen ihren Spaß dran daß sie einem armen in Not geratenen Abenteurer helfen konnten. Was war ich glücklich als ich endlich diese zwei berühmt berüchtigten Furten hinter mir hatte.
Vor mir lag nun ein langes Stück fast ohne Furten. Die paar kleinen Bäche konnte ich größtenteils einfach durchfahren, so flach waren sie. Aber fürs erste hatte ich mal nur öde Steine rund um mich herum, in alle Richtungen und soweit das Auge reicht. Eine ausgedehnte Wüste, der eigentliche Sprengisandur, der der ganzen Piste den Namen gegeben hatte. Als willkommene Abwechslung tauchte bald der Fjorðungsvatn neben mir auf der sich sichelförmig um einen gleichnamigen Berg schließt. "Zu Trockenzeiten verschwindet er manchmal auch ganz" stand in meinem Reiseführer, aber das war wohl gerade keine Trockenzeit. Trotzdem, das graue Wasser fällt fast gar nicht auf zwischen all den trostlosen grauen Steinen und dem grauen Sand der das Landschaftsbild prägt. Darüber noch einen schönen wolkigen grauen Himmel und die Farbmischung ist perfekt.
Aber ich kann nicht klagen, das Stück lang kam ich gut vorwärts und ich hatte auch Rückenwind, zeitweise auch heftigen Seitenwind, was dann zwar weniger schön war, aber immer noch besser als von vorne. So kam ich dann auch an einen Abzweig nach Laugafell. Dort hatte ich wiedermal eine lustige Begegnung, etwas Abwechslung in der eintönigen Strecke. Genau dort an der Abzweigung stand nämlich ein Jeep, offensichtlich kam der gerade aus Laugafell. Na was gibts denn da so ewig rumzuüberlegen, so viele Kreuzungen gibts ja nun auch nicht gerade hier im Hochland. Dennoch erkannte ich deutlich daß da jemand drinnensaß und aufmerksam die Karte studierte. Ich fuhr also in respektvollem Abstand langsam vorüber und lächelte die Windschutzscheibe an. Keine ganze Minute später zieht der Jeep dann an mir vorbei, fährt noch ein paar hundert Meter weiter und bleibt wieder stehen. Na also sowas. Als ich dann ankomme ist das Fenster heruntergekurbelt und die Fahrerin, eine Augsburgerin, steigt aus und hat scheinbar extra für ein kurzes Gespräch mit mir angehalten. Über sowas freut man sich natürlich immer wenn man alleine unterwegs ist und so lernt man eine ganze Menge Leute kennen. Bestimmt treff ich mal den einen oder anderen davon wieder irgendwo.
Schließlich ging der Weg dann weiter und langsam ins Tal Kiðagil hinab. Dort gab es dann zum ersten mal wieder richtiges Grün zu sehen, Moos an einigen kleinen Bächen die eben allesamt überquert bzw. durchfahren werden wollten. Das tut gut, schon nach einem halben Tag lang nur grauer Einöde. Am Ende des Tals dann immer mehr Hügel, ab und zu ein paar zarte Pflänzchen dazwischen und nach Osten hin zeitweise ein prächtiger Blick auf die Dyngjufjöll und den unverkennbaren Herðubreið. Dazwischen die Einöde Ódáðahraun und ab und zu ein paar Regenschleier darüber die ich schön verfolgen konnte wie sie sich langsam nach Norden bewegten und abregneten und schließlich ganz verschwanden. Ich für mich hatte zeitweise leichte Schauer aber ansonsten einen trockenen Tag.
Als ich dann zwischen den Steinen immer mehr grüne Flecken und ab und zu weiße Tupfer von Schafen erkennen konnte, da wußte ich daß ich schon fast wieder in der Zivilisation zurück war. Auch wenn sich der Weg noch schier ewig hinzog, den einen Hügel hinauf, den nächsten wieder hinunter, ab und zu ein kleines Bächlein in einem Tal dazwischen. Irgendwo rechts konnte ich ab und zu das Tal des Skjálfandafljót erahnen, die Bäche flossen meist links von mir und die Straße führte geradewegs auf der Wasserscheide dazwischen von Gipfel zu Gipfel.
In einem besonders schönen Tal mit einem kleinen flachen See direkt neben der Straße machte ich dann Schluß für heute. Genug geradelt, so einen tollen Platz muß man zum Zelten nutzen. Also machte ich mich breit, kochte mir ein Abendessen und mußte feststellen daß mein Kocher wohl ein wenig verdreckt und verrußt war und nicht mehr so recht wollte wie ich. Aber für eine warme Mahlzeit reichte es grade noch und mehr wollte ich auch gar nicht mehr für den Tag. Anstrengend war das, diese beiden Furten gleich am Morgen vor allem. Aber vor mir lag schon fast in greiffbarer Nähe wieder die Zivilisation mit Supermärkten... und frischen Keksen...hmmmm...
Bilder der Tages:

5. August 2002

Der nächste Tag hat gleich mal recht freundlich angefangen. Zwischen den Wolken kam sogar ab und zu blauer Himmel zum Vorschein. Also hab ich nach einem kleinen Frühstück schnell gepackt und machte mich auf um mal wieder eine richtige Straße unter den Rädern zu haben und richtige Zivilisation rund um mich. Außerdem standen da noch einige Wasserfälle in meiner Karte, die wollten auch noch besucht werden.
Den ersten Wasserfall, den Aldeyjarfoss, erreichte ich auch schon recht bald, nur noch zwei kleine Hügel weiter, dann stand ich fast schon direkt vor dem kleinen Kessel mit den Basaltsäulen ringsherum. Und endlich sah ich dann auch den Skjálfandafljót, an dem ich den ganzen letzten Tag entlanggeradelt bin. Schon eindrucksvoll welche Wassermassen da herunterkommen. Außerdem war recht schön, daß fast niemand so früh schon auf den Beinen war und ich den Wasserfall somit fast für mich alleine hatte.
Nur ein kleines Stückchen weiter kamen auch schon wieder richtige Höfe und Weiden in Sicht, die Straße war sowieso schon lange merklich besser, und nach einer kleinen Brücke und zwei Schafsgattern war ich nicht mehr auf der F26 unterwegs sondern auf der 842. Mein Weg führte im Barðardalur entlang dem Skjálfandafljót Richtung Norden und zur Ringstraße. Und die Landschaft hatte gar nichts mehr mit der steinigen Hochlandwüste gemein, die ich tags zuvor durchquert hatte. Streckenweise gab es sogar richtigen Wald, überall zwitscherten ein paar Vögel und auf den Feldern und Weiden lagen Heuballen in die typischen weißen Plastikfolien eingepackt.
Unterwegs traf ich schon wieder zwei Wanderer die gerade aus dem Sprengisandur kamen. Sie teilten sich die Straße mit mir und ein paar Schafen, von Autos weit und breit keine Spur. Da bleibt natürlich auch wieder Zeit für ein kurzes Gespräch, vor allem da es sich bei dem schönen Wetter gut ein wenig länger aushalten läßt. Es ist richtig warm und einigermaßen sonnig, aber richtig stabil sieht die Wetterlage nicht aus. Immerhin, bis ich über die Brücke auf der anderen Flußseite und dann am Goðafoss bin, da hält sichs noch recht gut.
Wenn ich zuvor mal irgendwie leicht grinsen mußte wenn ich in einem Reisebericht gelesen hab, mit wie großen Augen man doch einen Supermarkt plündern kann dann entschuldige ich mich an dieser Stelle mal ausdrücklich dafür. Meine Vorratsplanung war etwas durcheinandergekommen, als ich in Versalir nur noch einen trockenen Pferdestall, keinen Laden mehr vorgefunden habe. Aber in Fosshóll gibt es ja zum Glück alles was das Herz begehrt. Und so machte ich auf einem schönen Stein am Goðafoss ausnamhsweise mal eine Mittagspause. Mit frischen Keksen. Die gehören in Island einfach dazu.
Nach dieser etwas längeren Pause an dem berühmten Wasserfall, wo einst ein bedeutender Isländer seine Götzenstatuen hineingeworfen haben soll, oder einer anderen These zu Folge die Götzenanbeter persönlich hineingeworfen wurde, und der im übrigen einer meiner Lieblingswasserfälle ist, wandte ich mich meinem nächsten Ziel zu, dem Mývatn. Wenn ich nun schonmal in der Gegend bin, muss ich da auch mal wieder vorbeischauen, dachte ich mir. Also hab ich schnell eine kleine Steigung überwunden, nur um, wie immer in Island, auf der anderen Seite wieder hinunterzufahren und dabei zum ersten Mal seit langem wieder richtigen Verkehr erlebt.
Danach führte mein Weg durch das dicht besiedelte Reykjadalur weiter auf der Ringstraße Nr. 1, und auf Asphalt. Erst ganz am Ende des Tales dann eine Baustelle, die von den Straßenverhältnissen auch nicht mehr schlimmer als manche Hochlandpisten war, und eine kleine Steigung. Unterwegs fing es beinahe ein wenig zu regnen an, aber das war eher leichter Nieselregen, bei weitem kein richtiger Dauerregen wie ich ihn schon manches Mal hatte. Schließlich kam ich am Másvatn vorbei, in dem immernoch ein rotes Ruderboot lag, genau wie ich es aus einem ein Jahr alten Kalender kannte. Im übrigen begann dort auch wieder ein Naturschutzgebiet oder soetwas ähnliches, wo man wieder nicht wild Zelten sollte und doch bitte die markierten Wege nicht verlassen und was da sonst noch alles dazugehört eben. Jedenfalls freute ich mich, schon nach dem nächsten Hügel vor mir den großen Mývatn liegen und etwas links den einsamen Berg Vindbelgjafjall mitten in der Ebene stehen zu haben. Wiedermal eine tolle Rundumsicht die sich gar nicht lohnt fotografisch festzuhalten zu versuchen. Andererseits machte ich bald Bekanntschaft mit den Namensgebern des Sees, den Mücken. Die stechen zwar nicht, so sagt man, aber sie nerven unheimlich und fliegen besonders gerne in die Augen natürlich.
Um ein wenig von der Ringstraße herunterzukommen beschloß ich, andersherum um den See zu fahren, als die Strecke führte. Um die Ecke da hinten auch mal ein wenig zu sehen. Und wirklich, auch wenn ich am gegenüberliegenden Seeufer zahlreiche Highlights kannte, die ich sicherlich auch noch besuchen würde, die ruhigere Seite mit den saftigen Weiden und unzähligen kleinen Bächlein, die gefällt mir besser muß ich sagen.
Aber schließlich hatte auch das ein Ende und nach einem kurzen Stück durch ein Lavafeld war ich froh, in Reykjahlið oder Reynihlið anzukommen. Wie der Ort nun genau heißt und welche Schreibweise richtig ist, weiß ich bis heute nicht so genau. Eine ordentliche Tagesetappe hatte ich jedenfalls wieder hinter mir, und mag sein daß ich mir das nur einbilde, aber irgendwie kam der Wind fast immer von vorne. Ich war müde als mein Zelt stand und die eine Stunde im Freibad die ich mir gönnte, die tat richtig gut. Wieder so ein Tag an dem ich gut einschlafen konnte.
Bilder der Tages:

6. August 2002
Mývatn


Den nächsten Tag wollte ich mal wieder etwas ruhiger angehen lassen, ein wenig entspannen und pausieren. Also nahm ich mir vor einfach mal so um den See zu radeln, mal ohne Gepäck, dafür mit Wanderschuhen um ab und zu eines der Highlights rings um den Mývatn ein wenig genauer anzuschauen. Außerdem arbeitete Susanne, eine Bekannte von mir, irgendwo "in der Nähe vom Mývatn" auf einer Ausgrabung. Und die wollte ich natürlich mal besuchen kommen, wußte bisher aber noch nicht genau, wo das denn wohl wäre.
Naja, für heute gings erstmal im Uhrzeigersinn um den See herum. Die ersten beiden Abzweigungen zur Erdbebenspalte Grótagjá und dem Ringkrater Hverfjall ließ ich erstmal links liegen, die hatte ich schon bei meinem letzten Besuch gesehen. Die Erdbebenspalte oder besser die Erdbebenspalten sind wirklich recht schön, aber besser zu Fuß zu erreichen, wenn man die Wanderung zum Hverfjall unternimmt. Der unübersehbare Aschekegel selber sieht von unten sehr viel beeindruckender aus, als von oben. Innen drin im Krater gibt es zwar jedes Jahr neue Stein-Graffittis zu lesen, und die Aussicht ist auch nicht schlecht, auch bei ein paar Wolken, wie ich sie heute hatte, aber ich hatte trotzdem keine richtige Lust darauf.
Statt dessen nahm ich dann die nächste Abzweigung Richtung Dimmuborgir. Angeblich entstand die Gegend als sich ein Lavastrom über ein Sumpfgebiet legte. Die Stellen wo das gekochte Wasser als Dampf aufstieg und die Lava abkühlte sind noch heute als Säulen in der Landschaft zu erkennen, während die Lava dazwischen wohl wieder abgeflossen ist. Oder so ähnlich. Jedenfalls gibts dort tolle Formationen zu sehen, Tunnels, Wände und riesige Steinbögen wie die berühmte Kirkja. Nunja, und weil die Formationen dort eben schöner sind als anderswo steht das natürlich auch bei allen Reisegruppen in der Gegend mit auf dem Programm. Wenn man sich ein wenig tiefer zwischen die Felsen zurückzieht hat man trotzdem seine Ruhe und Tunnels, Steinbögen und was man sich sonst so wünscht ganz für sich alleine.
Nach einem ausgiebigen Rundgang packte ich wieder mein Rad um weiter um den See herumzufahren. Das sind im übrigen ziemlich genau 40 Kilometer einmal auf den Straßen rings herum. Das weiß ich nicht etwa weil mein Tacho mit mal wieder funktioniert hätte, der hatte irgendwo im Sprengisandur seinen Geist aufgegeben, sondern ich las einfach ein wenig die Markierungen auf der Straße. Es gibt nämlich scheinbar ab und zu einen Marathon rings um den See, und dementsprechend ist mindestens jeden zweiten Kilometer eine genaue Angabe auf den Asphalt geschrieben.
Aber trotz Fahrrad hatte ich nicht vor, die Umrundung heute in Marathon-Zeit zu schaffen. Denn schon ein kleines Stückchen weiter um den See herum gibt es auf der rechten Seite einen Park auf der Halbinsel Höfði. Mit richtigen Bäumen, viel Vogelgezwitscher und einer Menge Pilze. Nun bin ich zwar nicht gerade ein Pilzfan, aber so ein paar Bäume tun doch ganz gut, wenn man eine Weile im kahlen Island unterwegs ist. Außerdem gibt es viele kleine Wiesen mit Bänken und ähnlichem was zum verweilen einläd. Das Wetter war nur nicht so besonders toll, dicht bewölkt, ab und zu ein wenig Nieselregen, und die Parkbänke natürlich klatschnaß.
Trotzdem kam auch da wieder eine ausgiebige Pause zusammen, bis ich endlich weiter um den See radelte. Die nächste Station waren die Pseudokrater von Skútustaðir. Pseudokrater deswegen, weil sie zwar wie Krater aussehen, aber eigentlich keine Krater sind. Angeblich entstehen sie, wenn Wasser unter einem heißen Lavafeld schlagartig verdampft und somit eine Art Explosionskrater hinterläßt. Jetzt müßte man Geologie studiert haben, aber man kann natürlich auch einfach so durch die Hügel spazieren und ab und zu von oben in einen hineinschauen und die Aussicht über den See genießen. Außerdem besserte sich das Wetter ganz langsam ein wenig, so daß ich gerne noch eine Weile länger blieb.
Den restlichen Streckenabschnitt war ich zum größten Teil schon am Vortag gefahren, am östlichen und nördlichen Seeufer entlang zurück zu meinem Zelt. Ab und zu machte ich trotzdem ein kleines Päuschen, mal um ein wenig in die grünen Weiden hineinzustapfen, mal um die Aussicht über den See zu genießen. Am Himmel kam richtig ein wenig Blau in Sicht und der Blick aufs sonnenbeschienene andere Ufer war heute viel freundlicher als am Tag zuvor.
Gegen Abend, als ich zurück in Reykjahlið oder Reynihlið war, stand natürlich wieder ein Freibadbesuch an. Denn ohne Freibäder macht mir ein Islandurlaub noch weniger Spaß als ohne Kekse. Und wer weiß schon wann man wieder so ein schönes Bad genießen kann. Außerdem klappte das endlich mit dem Kontakt zu Susanne, meiner Bekannten die ich irgendwo hier in der Nähe auf ihrer Ausgrabung besuchen wollte. Und zwar am Tag drauf. Und zwar ungefähr genau auf der anderen Seite des Sees, wo ich schon zweimal dran vorbeigeradelt war. Seis drum, dann eben morgen noch ein drittes Mal.
Am Zeltplatz abends begegneten mir schon wieder alte Bekannte, das deutsche Paar mit dem Kind, die ich schon bei der Eldgjá vor einer Woche getroffen hatte. Natürlich gibts da wieder eine Menge zu erzählen. Aber ich war müde und fühlte mich nicht so recht wohl, obwohl ich eigentlich keinen harten Tag hinter mir hatte. Also ging ich lieber mal ein wenig früher ins Zelt und zum Schlafen heute.
Bilder der Tages:

7. August 2002

Am nächsten Morgen sah es erstmal wieder recht trübe und bewölkt aus. Und auch wenn ich nicht so rechte Lust hatte auf das allmorgendliche Packen, überwand ich mich schließlich doch und brach schon wieder zu einer Umrundung des Sees auf. Meine Pläne für die nächsten paar Tage waren in etwa, nach Norden an die Küste zu fahren, dort dann entlang bis nach Ásbyrgi und dann wieder südwärts am Dettifoss vorbei in Richtung Landesinneres und Askja. Oder vielleicht auch, wenn das Wetter zu schlecht wäre, an der Nordküste weiter entlang zu fahren und dann ganz außenherum nach Egilsstaðir. Naja, daß es wiedermal anders kommen würde hätte ich mir ja gleich denken können eigentlich.
Aber für heute wollte ich erstmal auf den Krater Hverfjall hinaufsteigen, weil ich nämlich vereinbart hatte, zur Mittagspause dann an der Ausgrabungsstätte zu sein, damit da auch jemand für mich Zeit hätte. Also holperte ich das Stückchen Stichstraße zum Krater hin, und gerade als ich da ankam begegnete mir ein deutscher Wanderer, der das selbe Stück heute schon mit Tagesgepäck entlanggewandert war. Zusammen stiegen wir dann hinauf auf den Kraterrand, schauten ein wenig auf die unheimlich vielen verschiedenen Landschaftstypen rings um den See, ein paar aktive Geothermalfelder, ein paar sandige Ascheflächen, Lavafelder die teilweise schon wieder überwuchert sind, den See natürlich mit den vielen kleinen Inselchen und Halbinseln... So vieles auf so einer kleinen Fläche gibt es wohl nur am Mývatn.
Jedenfalls verabschiedete ich mich nach der Runde auf dem Kraterrand schon wieder von meinem zetiweiligen Reisebegleiter und radelte weiter mit all meinem Gepäck und meinem Anhänger. Bei Höfði machte ich nochmal eine kurze Pause im Park, um ein wenig spazierenzugehen. Und währeddessen klarte der Himmel so langsam auf und es wurde wiedermal ein wenig sonnig.
Diesmal zweigte ich dann auch die kleine Straße ab, die zur Ausgrabungsstelle meiner Bekannten Susanne führte. Zusammen mit etlichen anderen Studenten aus aller Welt (Kanadier, Österreicher, was weiß ich nicht alles) wurde hier zum x-ten mal der selbe Hof ausgegraben und untersucht, von dem die Archäologen bis heute noch nicht so recht wissen, ob es jetzt ein Hof oder ein Tempel sei, oder was auch immer. Jedenfalls bekam ich eine kleine Führung übers Gelände alles einzeln genau erklärt und einen kleinen Einblick ind die Arbeit auf so einer Ausgrabung. Mit Papier und Bleistift und Tüten und Kisten und Bodenproben und Fundstücken und allem was dazugehört. Außerdem hatte ich einen kleinen Einblick in die Mittagspausen auf einer isländischen Ausgrabung, auch mit vielen Tüten und Kisten und sehr vielen Kaffekannen, fast für jeden eine eigene glaub ich. Und Kekse gibts da auch.
Aber lange wollte ich die nicht von ihrer Arbeit abhalten, also bin ich auch wieder weitergefahren, als die Mittagspause zu Ende war. Mittlerweile war richtig gutes Wetter, mit blauem Himmel und zwar einigen Wolken, aber die sahen nicht wirklich gefährlich aus. Also fuhr ich zum dritten Mal in drei Tagen auf der 848 am östlichen Ufer des Mývatn entlang nach Norden. Bloß bog ich diesmal auf der 87 in Richtung Húsavík ab statt wieder nach Reykjahlið oder Reynihlið zu fahren. Und in der Richtung hörte auch schon bald der Asphalt auf und ich war auf einer richtigen Schotterpiste unterwegs, nicht so holprig sondern gut ausgefahren und eigentlich wunderschön zum entlangradeln. Und der Wind kam auch nur recht schwach von vorne.
Aber mit dem Mývatn und der Asphaltstraße und dem größten Teil des Verkehrs ließ ich auch das Grün hinter mir. Denn nördlich des Mývatn erstreckt sich ein ganzes Stück lang eine "Wüste". Angeblich durch Überweidung entstanden wird jetzt alles mögliche versucht, um die Gegend wieder zu begrünen. Angeblich irgendeine Pflanze aus Amerika hat man importiert weil die so gut gedeiht und wächst. Und so sieht man dann auch schön in Reih und Glied einzelne kleine Sträucher stehen, die allerdings auch von Hügel zu Hügel immer spärlicher werden und sich schließlich ganz verlieren. Mittendrin dann eine leuchtend rote Schutzhütte, und das war auch schon fast alles was es dort zu sehen gibt.
Trotzdem werde ich diese Strecke nicht so schnell vergessen, weil nämlich unterwegs das Schutzblech an meinem Anhänger irgendwie eine Schraube verloren hat. An sich ja nicht so schlimm, so ein Schutzblech. Aber dummerweise kam das Schutzblech jetzt unter den Reifen des Anhängers. Und der drehte sich dann natürlich nicht mehr sondern rutschte munter mit dem Schutzblech über die rauhe Straße. Also kam ich schon fünf Meter weiter zum Stehen und weil ich keine Lust hatte, das alles jetzt abzuladen und dann erst so richtig mit dem Reparieren anzufangen, hab ich kurzerhand auch die übrigen Schrauben noch gar rausgedreht und das Schutzblech irgendwo zwischen dem ganzen anderen Gepäck eingeklemmt um es am Abend in Ruhe zu richten.
Der Tag war richtig sonnig und trocken, und die Straße im folgenden richtig staubig. Als ich endlich wieder in eine grünere Gegend kam und sie Straße wieder asphaltiert war, kam mir das eigentlich recht gelegen. Obwohl der Staub auch das einizge Problemchen an der Strecke war und sich bei dem bißchen Verkehr auch ganz gut aushalten ließ. Ich war recht matt an dem Tag, und als ich an der Kreuzung mit der 85 ankam, nur noch ein paar Kilometer von Húsavík entfernt, war es zum einen schon spät und ich zum anderen wiedermal richtig kaputt. Trotzdem nahm ich natürlich noch das letzte Stück in Angriff um dann auf dem gemütlichen netten Zeltplatz von Húsavík zu campieren. Und dort nahm ich mich dann auch des Schutzbleches an, nachdem ich Zelt und alles sowieso schon abgeladen hatte. Immerhin war keine Schraube oder Mutter verlorengegangen, und der einzige bleibende Schaden waren ein paar mehr Dellen und Schrammen in dem Blech.
Später an dem Abend unternahm ich noch einen kurzen Spaziergang durch den Ort, zur berühmten vielfotografierten Kirche und ein wenig im Hafen entlang und zum nächsten Supermarkt natürlich. Ich hatte wiedermal einiges zu besorgen, wenn alles nach Plan ging wollte ich das nächste Mal in Egilsstaðir in etwa einer Woche einkaufen gehen. Beim Rückweg zu meinem Zelt machte ich außerdem das Schwimmbad ausfindig, was eigentlich gleich gegenüber vom Zeltplatz ist. Aber für heute hatte ich genug und legte mich lieber schlafen. So richtig fit fühlte ich mich gar nicht.
Bilder der Tages:

8. August 2002
Húsavík
Über Nacht waren wieder eine Menge Wolken aufgezogen und als ich am nächsten Morgen dann aufwachte und aus dem Zelt schaute, hatte ich keine richtige Lust schon wieder alles zusammenzupacken. Eigentlich hatte ich auch keine richtige Lust aufzustehen. Also beschloß ich kurzerhand schon wieder einen Pausetag einzulegen und mal so richtig Otto-Normal-Tourist zu sein und auf eine Whale-Watching Tour zu gehen. Dummerweise war ich am Abend zuvor nicht ausgiebig genug durch den Hafen spaziert so daß ich nicht das zweite, billigere Bootsunternehmen gefunden hatte. Aber egal, ich war dann schon bald auf dem erstbesten Boot und wir legten ab, um drei Stunden lang Wale zu suchen.
Unterwegs erzählten die einiges über Wale und was für Arten es da nicht alles gibt, und warum ein Seevogelschwarm auf Wale hindeuten würde und wie sich die Wale so verhalten würden und was wir wohl für Wale zu sehen bekämen und was die nicht alles für besondere Kennzeichen hätten und und und. Eigentlich bin ich ja kein Wal-Fan oder sowas, aber immerhin, sie gaben sich echt Mühe da an Bord sogar mir diese Begeisterung ein wenig näherzubringen.
Als wir dann eine gute Stunde weit draußen waren gesellte sich noch ein anderes Whale-Watching Boot zu uns, von der selben Reederei, und schließlich gab es dann auch richtig was zu sehen. Meistens irgendeine Rückenflosse, die gerade neben dem Boot abtauchte und dann wahlweise auf der einen oder anderen Seite wieder zum Vorschein kam. Und da rannten dann gleich wieder alle über Deck um einen Blick zu erhaschen und vielleicht auch ein Foto hinzubekommen. War richtig lustig da zuzusehen wie sie rieten auf welche Seite sie wohl als nächstes rennen müßten. Recht beeindruckend waren dann noch ein paar Sprünge, zu denen einer von den zwei oder drei Walen mit mal ansetzte. Aber eh man sichs versah ließen wir den Tieren auch schon wieder ihre Ruhe und drehten um in Richtung Hafen. Und während der Rückfahrt bekommt man natürlich Kaffe und einen kleinen Imbiss geboten. Und auch wenn ich nach wie vor kein Wal-Fan bin, sowas kann man schon durchaus mal mitmachen, so einmal in meinen bisher drei Islandreisen, das war nicht zuviel.
Danach stand ich ein wenig unschlüßig und ein wenig durchgefroren vom kalten Wind am Hafen und überlegte, was ich als nächstes machen könnte. Jetzt noch packen und einen halben Tag weiterradeln, da hatte ich nach wie vor keine richtige Lust drauf, ins berühmte Wal-Museum, naja, davon hatte ich eigentlich auch fast schon wieder genug. Aber ich hatte noch eine kleine Umgebungskarte mit ein paar Wanderwegen bekommen. Also machte ich mich mal auf um die zu suchen.
Einen recht hohen Berg, der im Winter wohl der Hausberg von Húsavík ist, den versuchte ich mal zu besteigen. Auch wenn es droben recht wolkig aussah. Munter drauflos fand ich glaub ich sogar den Anfang von dem Weg, der da eingezeichnet ist. Aber als ich dann irgendwann mitten in der Wiese am Berghang stand war ich mir da auch nicht mehr so sicher. Immerhin so in etwa richtig war ich wohl, aber mir verging dann die Lust weiter entlangzuklettern dort. Also stieg ich wieder abwärts um dann im Stadtpark noch ein wenig zu bummeln. Es war schon fast wieder abend bis ich zurück bei meinem Zelt war, auch wenn ich nicht bis auf den Berggipfel gekommen war.
Genau die richtige Zeit um noch ein wenig im Freibad zu sitzen und sich aufzuwärmen. Wer weiß wann man wieder so ein schönes Bad findet. Auf dem Weg über die Straße rüber begegnete mir doch tatsächlich der Wanderer vom Vortag wieder, mit dem ich um der Hverfjall herumgelaufen war. Irgendwie haben doch alle immer die selben Ziele in Island.
Nach dem Bad war ich wieder richtig hungrig und kochte mir ein kleines Abendessen. Ich wunderte mich im übrigen, daß der Kocher wieder so anstandslos seinen Dienst tat, obwohl ich ihn gar nicht so richtig gereinigt hatte. Aber was solls, ich reiß mich nicht drum das rußige Teil komplett zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen. Nicht wenn ich unterwegs bin zumindest. Also begnügte ich mich mit den warmen Nudeln und legte mich mal wieder richtig früh Schlafen.
Bilder der Tages:

9. August 2002

Nach so vielen Ruhetagen mußte ich endlich mal wieder ein Stückchen weiter am nächsten Tag, auch wenn mir das Packen nach wie vor lästig war. Immerhin gab es wieder ein paar mehr Wolkenlücken am Himmel als noch am Tag zuvor. Und ich kam dann sogar noch recht frühzeitig los. Mein Tagesziel war erstmal Ásbyrgi, auf der Straße 85 etwa 60 km um die Halbinsel Tjörnes herum. Und je nach meinem Tempo wollte ich dann dort noch eine Weile wandern oder auch nicht mehr.
Die Straße war schon bald nicht mehr asphaltiert, aber der Belag war gut festgefahren und ich kam zügig voran. Schon wenige Kilometer nördlich machte ich dann meine erste kleine Pause, ein Fossilienmuseum. Weil die Halbinsel Tjörnes einer der ganz wenigen Orte in Island ist, wo es Fossilien gibt. Größtenteils natürlich keine versteinerten Saurier sondern eher kleine Schnecken oder Abdrücke von Bäumen oder ähnliches. Und weil das ganze mit der Zeit zu Kohle werden kann, war noch ein kleiner Teil des Museums dem Braunkohleabbau in Island gewidmet. Und wie üblich gibt es kleine Kristalle und sonstige schöne Steine als Souvenirs zu kaufen.
Nach diesem kleinen Abstecher ging es für mich schon bald weiter nach Norden. Langsam wurde es richtig warm und sonnig, auch wenn die Wolken immernoch den Himmel dominierten. Der Wind kam recht schwach aus Nordosten, was mich anfangs nicht weiter störte. Auch nach einer Wegbiegung, als ich dann mehr und mehr Gegenwind hatte kam ich noch schnell voran. Links hatte ich den Nordatlantik, weit draußen ein paar vorgelagerte Inselchen und am Strand eine Menge Treibgut, Baumstämme aus Sibirien und Plastikflaschen aus Amerika. Die Straße führte stetig ein wenig aufwärts und man hatte einen immer schöneren Ausblick auf die Halbinsel Melrakkaslétta am anderen Ufer der Bucht Öxarfjörður. Und als ich schließlich um die nächste Ecke bog um wieder ein paar Kilometer nach Süden zu fahren, da merkte ich erst wie weit oberhalb die Straße über dem flachen Schwemmland an der Mündung der Jökulsá á fjöllum lag.
Dieser Streckenabschnitt dort wurde wohl gerade ein wenig umverlegt, für mich führte er noch an einigen schönen beschilderten Aussichtspunkten vorbei, von denen aus man die Baumaßnahmen gut beobachten konnte. Und schon von weitem die hufeisenförmige Schlucht von Ásbyrgi suchen konnte. Oder einfach nur ein Päuschen machen und die Ebene vor sich liegen sehen.
Schließlich ging es dann aber auch für mich wieder steil und ausgiebig bergab. Da fühlt man sich wohl, wenn man nicht hinauf muß. Zumindest wenn man gute Bremsen hat. Unten war die Straße dann schon wieder stückchenweise asphaltiert. Und auch wenn die Wolken langsam wieder zuzogen und der Wind immernoch geradewegs von vorn kam, irgendwie kam ich bestens vorwärts und freute mich, wie angenehm das Radfahren im isländischen Flachland doch manchmal sein kann.
Sehr viel früher als erwartet kam ich dann auch schon in Ásbyrgi an. Ich war etwas überrascht, wie wenig dort los war, ich war einer der einzigen Gäste. Und so ließ ich mich denn auch gleich am erstbesten Fleckchen auf dem Zeltplatz nieder. Und nach dem üblichen Aufbau- und Auspackritual war es immer noch recht früh, so daß ich zu einer kleinen Wanderung aufbrach.
Erstmal wollte ich am Rand des eigentümlich geformten Tales entlanggehen bis zum hintersten Ende. Bei meinem letzten Besuch blieb dafür leider keine Zeit und ich kannte die Schlucht bisher nur von unten. Aber von oben mal die senkrechten Felswände hinunterschauen, das sollte man sich nicht entgehen lassen. Auch wenn der Aufstieg den ich wählte nicht ganz jedermanns Sache sein mag: Ein Seil das in einer kleinen Scharte in der Wand hinunterbaumelte. Aber mit leichtem Tagesgepäck ist das natürlich durchaus zu schaffen. Für eine mehrtägige Wanderung und mit schwerem Reisegepäck sollte man außenherum gehen.
Fürs erste hielt ich mich in Richtung Vesturdalur. Das ist ein zweiter Zeltplatz in einzigartiger Umgebung, etwas südlich im Nationalpark. Allerdings ein wenig weiter entfernt als ich heute noch kommen wollte. Zumal unzählige Pausen mich aufhielten während derer ich ein wenig ins Tal links von mir hineinschaute. Die berühmte üppige Vegetation dort unten und rund um mich herum bestand zwar eigentlich nur aus ein paar größeren Büschen und Sträuchern, trotzdem ist das mal was ganz anderes, was man in Island nicht überall zu sehen bekommt.
Schließlich war ich um das halbe Hufeisen herumgelaufen und am Südende des Talkessels angekommen. Der Sage nach ist dieses Tal ein Hufabruck von Odins achtfüßigem Pferd Sleipnir, aber da kursieren auch noch eine Menge anderer Geschichten. Die ganze Schlucht lag mir nun jedenfalls zu Füßen, links und rechts die Felswände, mittendrin die "Insel" Eyjan und direkt unter mir der kleine grünlich schimmernde See von zahlreichen Bäumen umgeben. Und außerdem ein schön ausgeschnittenes Rechteck, das wohl wahlweise als Fußballfeld oder als Zeltplatz verwendet wird und eine kleine Straße die zum Busparkplatz und den Wanderwegen unten im Tal führt. Nunja, trotzdem ein unvergesslicher Anblick.
Als nächstes hatte ich mir vorgenommen zum heutigen Tal der Jökulsá á fjöllum zu wandern und dort entlang wieder zurück zu meinem Zelt. Angeblich war nämlich auch früher mal das Hufeisen von Ásbyrgi ein riesiger Wasserfall und der Fluß der heute etwas weiter östlich fließt hat in der Zwischenzeit sein Bett ein wenig verändert. Wenn man die vielen keinen sandigen Flecken sieht, an denen ich nun vorbeiging, glaubt man gerne, daß das die Sedimentablagerungen längst vergangener Wassermassen sein könnten. Ich war jedenfalls auch reichlich überrascht, mit mal zwischen den vielen Bäumen und Sträuchern solche kahlen sandigen Flecken anzutreffen.
Nach etwa 2 abwechslungsreichen Kilometern stand ich wieder an der oberen Kante einer senkrechten Felswand. Diesmal lag der Canyon der Jökulsá á fjöllum einige recht beeindruckende Meter unter mir, und der Fluß wand sich träge darin von einer Talwand zur anderen. Am oberen Rand dieser Klippe führte mein Weg mich nun wieder nach Norden, und mit der Zeit wurde der Sicherheitsabstand bis zur Abbruchkante wieder deutlich größer, bis ich schließlich den Fluß wieder hinter mir hatte. Zwischen Bäumen und Strächern hindurch führte der Weg geradewegs zurück zum Zeltplatz, und das war langsam auch schon höchste Zeit dafür. Laut dem kleinen Informationsblatt das man am Zeltplatz bekommt war ich heute nicht nur von Húsavík hierher geradelt, sondern auch noch 12 Kilometer gewandert.
Als der Weg dann sanft hinabführte und ich bei der Tankstelle mit Supermarkt herauskam war ich jedenfalls ziemlich geschafft. Ich freute mich nach ein paar Besorgungen auf ein warmes Abendessen und einen warmen Schlafsack. Der Himmel war im Laufe des Tages nämlich doch wieder zugezogen und von Warm war keine Spur mehr übrig. Mein Benzinkocher machte es zwar nicht ganz so gut warm wie sonst immer, aber irgendwie lief er doch noch ganz gut. Bei Gelegenheit wollte ich den dann vielleicht doch mal genauer anschauen, aber heute nicht mehr. Heute freute ich mich nur noch auf einen windgeschützten Platz in meinem Zelt zwischen den Hecken am Zeltplatz.
Bilder der Tages:

10. August 2002
Jökulsárgljúfur



Am nächsten Morgen waren noch mehr Wolken aufgezogen, es sah nicht gerade nach prächtigem Wetter aus. Trotzdem wollte ich aufbrechen, wieder in Richtung Hochland. Also zunächst am Nationalpark Jökulsárgljúfur entlang zur Ringstraße und dann weiter in Richtung Askja, so weit wie ich eben noch kommen würde heute. Und da ich die westliche Seite des Jökulsárgljúfur-Canyons und des Dettifoss schon kannte wollte ich diesmal auf der anderen Seite entlangfahren.
Aber vorher tankte ich lieber nochmal meinen Kocher voll auf, wer weiß wann man sowas wieder hat. Und ich besorgte mir diesmal ein paar Reservekekse. Wer weiß wann man da wieder Gelegenheit zu hat. Insgesamt war es dann schon recht spät als ich endlich loskam und über eine von den ingesamt drei Brücken über den längsten Fluß Islands, die Jökulsá á fjöllum radelte. Gleich dahinter war meine Abzweigung auf die 864 nach Süden. Und der Anfang dieser Straße sah auch recht vielversprechend aus. Zwar nicht mehr ganz so schön zum Radeln, wie die ungeteerte Etappe auf der 85 gestern, aber auch noch weit entfernt von den steinigen Wellblechpisten im Hochland.
Ich war noch nicht weit gefahren, da kommen mir zwei Radler entgegen. Gerade so auf einer Hügelkuppe, völlig überraschend, ohne daß wir uns vorher gesehen hätten. Noch überraschter war ich als ich die beiden dann aber erkannte: Hagen und Thomas, die mir zuletzt in Landmannalaugar begegnet waren! Und jetzt trafen wir uns mitten im Nichts wieder. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit für so ein Treffen recht hoch, wenn man in unterschiedlichen Richtungen die selbe Strecke fährt. Natürlich tauschten wir Neuigkeiten über die Strecken aus, die wir vor uns hatten, sie warnten mich vor dem Wellblech das heute noch vor mir lag und und und. Zum Abschied verabredeten wir uns noch für den Abend vor dem Abflug auf dem berühmten kostenlosen Zeltplatz in Grindavík, aber das lag fürs erste noch eine ganze Weile in der Zukunft.
Vor mir lagen nun erstmal noch ein paar Kilometerchen auf guter Strecke, in etwa bis zum Dettifoss. Verkehr begegnete mir wieder deutlich mehr als am Tag zuvor, obwohl die Straße wie gesagt nicht ganz so gut ausgebaut war. Die Touristenattraktionen, Dettifoss und all das lockte ein paar mehr Mietwägen hierher als auf die einsame Halbinsel Tjörnes, wo ich gestern ja unterwegs war. All diese Attraktionen waren auch gut ausgeschildert mit Parkplatz und allem, so daß auch ich sie nicht verpassen konnte.
Einen ersten Stop legte ich beim Hafragilsfoss ein, der ersten Stelle wo die Straße dem Fluß wieder recht nahe kam. Am Parkplatz stelle ich mein Fahrradgespann ab und machte mich zu Fuß auf, genau wie alle anderen die sich hier ein wenig die Beine vertreten wollten. Man weiß es zwar nicht, wenn man auf dieser Flußseite ist, aber der kleine Fußpfad führt geradewegs auf den harten Basaltkern der einst den Schlot eines Vulkans verstopfte. Das Gestein außenherum wurde mit der Zeit abgetragen, übrig blieb nun ein kleiner Hügel, der von der anderen Seite des Flußes viel imposanter aussieht und die Form des alten Schlotes gut erahnen läßt. Andererseits hat von man hier einen viel besseren Ausblick auf den Wasserfall Hafragilsfoss weit unten, und eine Frischwasserquelle, die am anderen Ufer in die graubraunen Wassermassen mündet und dabei seltsame Misch- und Farbeffekte hervorruft.
Am Horizont konnte man schon die Gischtfahne des Dettifoss erkennen, und dahin brach ich dann auch als nächstes auf. Nur zwei Kilometer weiter also die nächste Pause zum Beine vertreten. Erst stackselte ich ein wenig auf den Basaltsäulen herum, die man eigentlich nicht wirklich als die selben fünf bis siebeneckigen Basaltsäulen wiedererkennt, die es anderswo zu Hauf gibt. Das liegt zum einen wohl daran, daß sie einen sehr viel größeren Durchmesser haben, zum anderen sieht man sie ja auch nicht wie sonst von der Seite sondern man läuft direkt oben auf ihnen herum.
Außerdem haben die meisten sowieso nur Augen und Ohren für den großen Dettifoss, den "mächtigsten Wasserfall Europas", was auch immer das genau heißen mag. Vermutlich daß wenn man in ganz Europa alle Wasserfälle zu Stromkraftwerken umbauen würde, dann dieses hier den meisten Strom von allen liefern würde. Aber das muß man ja so genau auch gar nicht wissen, hauptsache es ist der "mächtigste Wasserfall Europas", das klingt mächtig beeindruckend. Meiner Meinung nach hat man hier wieder von der anderen Seite den besseren Blick, frontal auf die herabstürzenden Wassermassen drauf, während man auf meinem östlichen Ufer nur von der Seite irgendwie ein bißchen was sieht. Andererseits sieht man sowieso in erster Linie den aufsteigenden Nebel und wenn man den Boden unter sich vibriren spürt ist das beeindruckend genug.
Den nur wenige hundert Meter entfernten Selfoss sparte ich mir für heute. Genug Wasserfälle. Auch wenn man den wiederum bestimmt besser von meinem Ufer aus sehen konnte als vom anderen. Trotzdem werd ich, wenn ich mich wiedermal für eine von den zwei Seiten entscheiden muss, die westliche nehmen. Dort hat man als weiteren Höhepunkt nämlich noch das Vesturdalur und die Felsen von Hljóðaklettar. Und die Straße ist mit Sicherheit auch nicht mehr schlimmer als das was ich heute noch vor mir hatte, auch wenn sie im Gegensatz zu meiner mit dem F für Hochlandpiste gekennzeichnet ist. Direkt vor mir fing das nun an mit dem Wellblech vor dem mich Hagen und Thomas gewarnt hatten. Und die Straße blieb so uneben. Für die nächsten paar Kilometer. Man hätte auch gleich absteigen und schieben können. Auch wenn ich nach wie vor keine Ahnung hab, wie diese Bodenwellen eigentlich entstehen, sie haben immer genau so einen Abstand voneinander, daß man bestmöglich durchgerüttelt wird.
Aber, auch das hat ein Ende, wenn man wieder ein paar Höfe mit Weiden und einem Bach findet. Dann kommt man auch dem dem Hinweisschild vorbei, für wieviele Kilometer in der Gegenrichtung nun eine unebene Strecke angekündigt ist. Jedenfalls war es schon fast später Nachmittag, als ich endlich an der Ringstraße war. Vorher fiel mir noch siedend heiß ein, daß ich morgens vergessen hatte, meine Wasservorräte voll aufzufüllen, und das vielleicht noch nachholen sollte, bevor ich mich in die Wüste zur Askja aufmachte. Denn da wollte ich hin, die gemütlichere Alternative entlang der Ringstraße nach Egilsstaðir schloß ich einfach mal aus, in der Hoffnung auf besseres Wetter am nächsten Tag. Vorher machte ich in Grímsstaðir noch schnell einen Abstecher zum Zeltplatz. Oder besser zum Wasserhahn des Zeltplatzes. Dort übernachten wollte ich noch nicht, dafür fand ich es noch zu früh.
Ein kleines Stückchen weiter fuhr ich dann auf der Ringstraße über die zweite von den drei Brücken über die Jökulsá á fjöllum. Ich wollte dann später im Hochland auch noch über die dritte Brücke fahren, aber ganz sicher nicht mehr heute. Da wäre ich schon froh gewesen, wenn ich auch nur bis zur ersten Furt auf dem Weg zum Herðubreið gekommen wäre. Erstmal bog ich auf die F 88 Öskjuleið ein, die mit so ermutigenden Schildern wie "Nächste Tankstelle in 264 km" von der Ringstraße abzweigt.
Am Anfang kam ich auch da noch prima voran, um mich herum waren wieder Sand, Steine und Geröll soweit das Auge reicht. Die Straße unter mir war genauso sandig, wenn ich den Berichten anderer trauen darf, aber alles war recht nass und fest, so daß ich eine gute kompakte Masse unter mir hatte und keine Probleme mit Einsinken und Vorwärtskommen. Wie das ist, wenn man hier trockenes, warmes "Traumwetter" hat, weiß ich nicht so genau, aber vielleicht freut man sich ja dann wenigstens noch über den blauen Himmel. Ich radelte weiter mutig unter den dicken grauen Wolken dahin, irgendwo ganz weit vor mir sah ich einen Hügel aus dem Sand aufragen und gleich wieder in den Wolken verschwinden. Vermutlich der Herðubreið, mal sehen, dachte ich mir. Vielleicht verziehen sich die Wolken ja morgen, und ich hab nen prima Blick auf die "Königin unter den isländischen Bergen".
Die Gegend um mich herum veränderte sich bald schon wieder. Aber so langweilig die weite Sandfläche auch war, das etwas hügeligere Lavafeld das nun vor mir lag, oder bessergesagt zu meiner rechten, war in etwa genauso trostlos. Autos hatte ich schon lange keine mehr gesehen, andere Radler schon gar nicht. Als letzten Vorposten der Zivilisation fuhr ich bald unter einer Stromleitung hindurch. Nur ein kleines Stückchen weiter machte ich dann Rast für die Nacht. Eine kleine Spur die unschwer zu erraten von einem geschobenen Rad hinterlassen wurde führte geradewegs hinter eine kleine Sanddüne, ein paar Meter abseits der Piste, geschützt vor Wind und neugierigen verirrten Reisenden. Ein perfekter Zeltplatz. Trinkwasser hatte ich ja genug dabei, bloß etwas sandig war alles.
Schon als mein Zelt stand hatte ich mich damit abgefunden, daß ich wohl den Sand irgendwann anders wieder aus den letzten Ecken herausbringen müßte. Hier in dieser Gegend war jeder Versuch dazu von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Dann eben mal Nudeln mit ein bißchen Sand als Beigabe, Abwechslung muß sein. Tja, aber irgendwie wollte der Kocher nicht so recht. Gerade noch lauwarm brachte ich das Wasser hin, dann verließ mich der Kocher irgendwie. Na mal sehen, für heute genug, ab in den warmen Schlafsack.
Bilder der Tages:

11. August 2002



Die Nacht die ich dort in der Wüste Ódáðahraun verbrachte werde ich wohl nie vergessen. Obwohl ich nur 10 Meter von der Straße entfernt campierte hörte ich die ganze Nacht über nichts. Absolut nichts. Nichtmal Wasserplätschern oder wenigstens Wind der im Gras raschelt. Von Vögeln natürlich sowieso keine Spur. Als ich am nächsten Morgen dann wenigstens ab und zu ein paar Nebeltröpfchen gegen die Zeltwand prasseln hörte war das irgendwie beruhigend, daß es doch noch mehr Geräusche als das vereinzelte Rascheln des Schlafsackes gibt auf dieser Welt.
Als ich dann hinausschaute war ich weniger begeistert von den "vereinzelten Nebelschwaden". Genaugenommen umgaben die mich nämlich vollkommen und ich konnte gerade noch die 10 Meter bis zur Straße zurück ausmachen. Mehr nicht. Vielleicht verziehen sich die Wolken ja noch?
Außerdem war es geradezu unheimlich kalt. Als ich meine Sachen zusammengepackt hatte war ich durchgefroren wie selten zuvor in diesem Urlaub. Am Ende das Zelt naß und sandig zusammenzurollen und alles auf meinen Anhänger zu packen, das fiel mir unheimlich schwer. Kurz und gut, mit dem nicht funktionierenden Kocher vom Vorabend zusammengenommen hatte mich meine Lust auf Hochland und Askja irgendwie verlassen. Und was hat man schon davon, wenn man da ist und doch nur 10 Meter sieht und dann Nebel?
Ich beschloß also, lieber umzudrehen und zur Ringstraße zurückzufahren und die gemütlichere Alternative entlang der Ringstraße nach Egilsstaðir zu nehmen. Askja war wiedermal vertagt auf den nächsten Urlaub oder so. Als ich dann nach etlichen Kilometern Radfahren immer noch fror und nicht etwa langsam warm wurde, wagte ich nichtmehr dran zu denken, wie angenehm warm ich wohl die Furten bei dem Wetter empfunden hätte.
Im Laufe der Zeit wurde mir aber dann doch ein wenig wärmer, als ich auf der Ringstraße entlangfuhr sah ich im Süden über der Ódáðahraun dicke Wolken tief aufliegen, den Stumpf des Herðubreið hatte ich nicht ausmachen können bisher. Dafür stiegen die Wolken langsam mehr und mehr an und regneten sich dabei ab. Als dann einige helle Flecken Sonnenlicht sogar tolle Regenbogen überall hinzauberten, da begann ich zu ahnen, daß das vielleicht sogar noch ein recht netter Tag werden könnte heute.
Trotzdem, schon wieder umdrehen, das wollte ich nun auch nicht gerade. Also blieb ich auf der Ringstraße, bis zur Abzweigung der alten Ringstraße, die nach Möðrudalur führte. Die neue Ringstraße verläuft einige Kilometer weiter nördlich. Aber der einsame Hof Möðrudalur mit dem manchmal herrlichen Blick auf den Herðubreið, den wollte ich doch noch besuchen. Und als ich mich der kleinen grünen Oase näherte, ärgerte ich mich richtig, daß der Blick auf den Herðubreið heute wohl wirklich noch so herrlich wie sonst nur auf Postkarten werden würde. Immer mehr Sonne kam durch immer größere blaue Flecken am Himmel. Und es wurde wieder richtig warm. Irgendwie war ich leicht geknickt, als ich dann in dem kleinen Kaffee des Ortes meine Mittagspause machte und mich das Hochland im Süden hell und sonnig anstrahlte.
Ich tröstete mich damit, daß ich ja beim nächsten Versuch vielleicht mehr Glück mit dem Wetter hätte, und versuchte den restlichen Tag wenigstens noch zu genießen. Wettermäßig war ich gut dran, nach den paar kleinen Schauern vom vormittag und ich war so früh aufgebrochen, daß ich wohl noch eine ganze Ecke weit kommen könnte. Und laut meiner Karte würde in etwa kurz hinter Möðrudalur noch eine Hochlandpiste abzweigen, die F 905, auf der ich vielleicht wenigstens noch zum Snæfell in Ostisland gelangen könnte.
Nach dem obligatorischen Besuch im kleinen Kirchlein vor Ort und wie gesagt einer Mittagspause brach ich also wieder auf und kam nach vielleicht zwei Kilometern auf meine Abzweigung. Dort steht auch eine Informationtafel, wie es sie überall in Island gibt, und dort standen auch zwei Radler, die ersten seit geraumer Zeit. Und ich kannte sie, auch wenn ich eine Weile brauchte um sie auch zu erkennen. Es waren die beiden, die in Landmannalaugar gerade aufbrachen als ich ankam, und neben denen ich in Nýidalur mitten in der Nacht mein Zelt aufgebaut hatte. Wir hatten seither in etwa die selben Ziele gehabt, erst zum Mývatn, dann waren sie allerdings gleich auf die Öskjuleið gefahren, ohne Abstecher zum Dettifoss, hatten auch nicht umgedreht, sondern waren durchgekommen zur Askja. Und nun kamen sie von dort zurück und mir entgegen. Neben allerlei anderen Neuigkeiten die wir austauschten, erzählten sie mir vom Straßendienst der gerade die Hochlandstraßen in der Gegend ein wenig aufräumte. "Mit Schneeschiebern" wie sie sagten, werden die größeren Bodenwellen und Steine beiseitegeräumt und so hatten sie eine gute Piste hinter sich, auf der man schnell vorankäme.
Ermutigt brach ich dann also auf, vielleicht begegneten mir ja auch die Leute vom Vegagerðin in ihren Schneeräumern. Die Piste war jedenfalls tatsächlich in bestem Zustand. Also für eine Hochlandpiste jedenfalls. Zusammen mit dem mittlerweile recht blauen Himmel machte es richtig Spaß dort entlangzufahren. Auch die kleinen Furten die ich bald zu durchqueren hatte trübten die Freude nicht. Durch die ganz kleinen konnte man problemlos durchradeln, die größeren waren auch noch recht einfach zu durchschieben. Und die Landschaft schien mir nicht ganz so öde zu sein wie entlang der Sprengisandur. Ein wenig hügelig war es zwar, aber das nahm ich gerne in Kauf.
So zügig wie es vorwärts ging kam ich schon bald an die nächste Kreuzung. Entweder konnte ich auf der F 910 Richtung Askja fahren, oder in Richtung Brú und Ostküste. Und eigentlich wollte ich zur Ostküste und dann außenherum entlang der Küste zurück zum Flughafen. Aber erstmal legte ich wieder eine kleine Pause ein. Denn hier an der Kreuzung hatte ich die "Schneeräumer" gefunden, die die Straße hinter mir so schön geebnet hatten. Die hatten schon Feierabend gemacht für heute und ihr Gerät hier stehengelassen. Die Strecke nach Brú, die ich noch entlangfahren wollte, hatten sie also noch nicht geräumt.
Ich holperte dann die etwas steinigere Piste Richtung Osten davon und ließ die Räumfahrzeuge stehen. Schon bald kamen wieder einige leichte Furten die ich überqueren mußte, und auch ein See, genau wie in meiner Karte eingezeichnet. Deutlich steiler als ich das der Karte entnommen hatte ging es danach aber bergauf, über einen kleinen Pass. Ich hatte streckenweise sogar Schwierigkeiten, hinaufzuschieben. Dafür hatte ich auch einen tollen Blick auf den Herðubreið hinter mir, als ich endlich oben war. Ein bißchen leid tat mir das schon, daß ich heute morgen umgedreht hatte, wenn ich den jetzt so daliegen sah.
Auf der anderen Seite des Passes sah ich dann den nächsten markanten Berg aufragen, den Snæfell. Er leuchtete rot angestrahlt von der flach stehenden Sonne und mit dem weißen Schneefeldern an seinen Flanken war das wiedermal so ein Anblick wie man ihn nicht so bald wieder vergisst.
Vor mir lagen erstmal noch ein paar kleine Hügel und Täler und Furten in den Talsohlen. Danach wollte ich dann ins Tal der Jökulsá á Dal hinabfahren und beim Ort Brú irgendwo campieren. Auf dem Weg dorthin hatte ich ständig den fantastischen Blick auf den Snæfell, und nicht nur ich war beeindruckt davon. Als ich schon fast hinunter ins Tal fahren wollte, sah ich am Straßenrand einen Campingwagen stehen. Also eher einen VW-Bus, wie die üblichen fahrenden Wohnungen in Island eher auf Robustheit als auf Komfort ausgelegt natürlich. Und ein schweizer Ehepaar, die draußen standen und zum Berg hinüberschauten. Natürlich auch das wieder eine wilkommene Pause mit kurzem Gespräch.
Aber dort oben war es recht windig und kalt, so daß ich lieber bald hinunter ins Tal radelte und in den Ort Brú einfuhr. Eigentlich hatte ich mir den etwas größer vorgestellt, wenigstens mit Tankstelle und so. Aber alles in allem wirkte er eher verlassen und trostlos. Ein Hinweisschild verwies auf die neue Tankstelle in Aðalból etwa 20 km weiter südlich. Aber darauf hatte ich heute keine Lust mehr. Einen Zeltplatz fand ich auch nicht, also ließ ich mich noch über die Brücke auf die andere Flußseite rollen und schlug dort am Straßenrand mein Zelt auf.
Der Sand war natürlich immernoch allgegenwärtig in allen meinen Sachen, vom Innenzelt bis zu den Vorratstüten, vom Schlafsack bis in die Klamotten. Naja, dafür war ich zu müde nach dem langen Tag und ich schlief bald bestens ein.
Bilder der Tages:

12. August 2002
Regen! Richtiger ausgiebiger Dauerregen, das war das erste was ich vom nächsten Tag mitbekam. Nach einem kurzen Frühstück machte ich mich also bei Regen ans Packen und bei Regen schob ich dann mein Rad das kurze Stück zurück zur Straße. Und ich zog gleich mal all mein Regenzeug an beim Aufbrechen. Und ich hatte schon wieder keine richtige Lust auf Hochland und Snæfell, bestimmt war es da genauso verregnet. Also machte ich mich auf zur Ringstraße und in Richtung Egilsstaðir.
Die Streckenführung der 923 im Tal der Jökulsá á Dal war wieder richtiggehend genial und typisch isländisch, ständig bergauf und wieder bergab und den nächsten Berg hinauf und wieder hinab. Kurz und gut ich genoß diesen Tag wiedermal überhaupt gar nicht und sehnte mich nach einem trockenen warmen Zuhause wo man gemütlich sitzt und lesen kann. Unterwegs merkte ich bei einigen besorgten Blicken auf mein Hinterrad auch noch, daß da irgendwie ziemlich wenig Luft drinnen war, und mir kam es so vor als würde das auch noch immer weniger. Na Spitze.
Bei Regen und Gegenwind kämpfte ich mich weiter voran und erreichte endlich die asphaltierte Ringstraße. Außerdem sah ich die ersten sonnigen Fleckchen an dem Tag. Und als ich nach kaum einem ganzen Kilometer einen kurzen Stop machte, um einen besonders schönen Regenbogen zu fotografieren, da merkte ich, daß ich wohl meinen Hinterreifen doch besser flicken sollte. Naja, immerhin hatte ich grad ein trockenes Regenloch erreicht und wer kann schon erwarten bei vier Wochen Radurlaub ohne Panne davonzukommen. Das hatte ich im Jahr zuvor zwar geschafft, aber diesmal scheinbar eben nicht noch einmal.
Also Anhänger abhängen, Flickzeug rausholen und alles was dazugehört. Immerhin hielt sich der helle sonnige Fleck genau über mir, während es rundherum deutlich sichtbar weiterregnete. Und es hielt sogar ein Autofahrer an und fragte ob ich Hilfe bräuchte. Natürlich brauchte ich nicht. Hier auf der Ringstraße war wieder richtig viel los und wieviele andere Autos vorbeigefahren waren ohne mir ihre Hilfe anzubieten hab ich nicht gezählt. Mit Sicherheit waren das sehr viel mehr als ich am Tag zuvor bei meinem kurzen Ausflug ins Hochland und auf dem Stück auf der 923 heute morgen insgesamt gesehen hatte.
Mit dieser hastigen Flickaktion wurde ich genau rechtzeitig fertig bevor mich der Regen wieder einholte und ich gut eingepackt und mit frischem Schwung weiterfuhr. Und weil etliche Hinweisschilder auf der Ringstraße Baumaßnahmen ankündigten und als Umleitung die Straße 924 auf der anderen Flußseite anpriesen rollte ich also schon bald über eine Brücke aufs andere Ufer. Dort kam ich dann richtig zügig voran, der Wind hatte nachgelassen und die Hügel waren auch immer seltener.
Erst gegen Ende der Strecke, als es schon wieder auf die Ringstraße Nummer 1 zuging, da ging es wieder steil hinauf. Und ziemlich lange. Als ich dort oben dann an der Kreuzung war hatte ich dafür zu beiden Seiten eine gute Asphaltstraße abwärts, entweder zurück ins Flußtal, wo ich nicht unbedingt hinwollte, oder in Richtung Egilsstaðir. Genau richtig für mich nach diesem Tag.
Schon von weitem konnte ich die Funkmasten rund um Egilsstaðir sehen und schon von weitem konnte ich erahnen, daß es wirklich nur noch bergab gehen würde für heute. Daß es wieder ein wenig nieselig und regnerischer wurde störte mich dann auch nicht mehr. Es war schon recht spät, als ich endlich in Fellabær ankam und dann noch über eine letzte Brücke nach Egilsstaðir radelte. Ich entschied mich aus irgendeinem Grund für den Zeltplatz bei der großen Tankstelle im Zentrum des Ortes. In Fellabær gibt es mindestens noch einen weiteren, der bestimmt etwas ruhiger und abseitiger liegt.
Bei Regen baute ich dann mein Zelt auf und bei Regen packte ich meinen Kocher aus, um ihn mal gründlich und vollständig zu reinigen. Sogar in der Benzinflasche drinnen fand ich Sand aus der Wüste Ódáðahraun, von den Leitungen und der Düse möchte ich lieber gar nicht sprechen. Dafür brannte er an dem Abend wieder wunderbar und machte richtig ordentlich Dampf, während ich mir sehr ausgiebig die rußigen schwarzen Finger wusch.
Auch wenn das Wetter nicht besser war als an den Tagen vorher, irgendwie fühlte ich mich so richtig wohl an dem Abend. Ich hatte sogar Zeit meine letzten Postkarten in die Heimat endlich alle abzuschicken und auch wenn die letzten Tage wirklich nicht ganz so gut gelaufen waren freute ich mich schon auf den nächsten Versuch, endlich mal ein wenig ausgiebiger durchs östliche Hochland zu radeln. Für diese Reise hatte ich nur noch vor gemütlich durch die Ostfjorde und an der Südküste entlang zurück zum Flughafen zu radeln.
Bilder der Tages:

13. August 2002
Lagarfljót



Für den nächsten Tag hatte ich mir nur eine Umrundung des Sees Lagarfljót vorgenommen. Mal ohne Gepäck, das stand prima dort in Egilsstaðir, fand ich. Also packte ich meinen kleinen Rucksack mit dem Fahrradwerkzeug und ein bißchen Proviant und mich selber packte ich in Regenzeug ein, und dann ging es los, bei Regen. Ich wollte gegen den Uhrzeigersinn um den See herum, also brach ich erstmal Richtung Fellabær auf, dann am nordwestlichen Seeufer entlang. Der See ist eigentlich ein einziger langer Fluß, in dem angeblich auch ein naher Verwandter von Nessie hausen soll, der Lagarfljótsormurinn. Aber den habe ich nicht gesichtet.
Dafür kam ich bald an einem Denkmal für die isländischen Auswanderer nach Nordamerika vorbei. Von dort und von der gesamten Strecke der 931 am Nordufer des Sees hat man einen tollen Blick aufs andere Ufer. Und dort ist das größte zusammenhängende Waldstück Islands zu finden. Aber da wollte ich am Rückweg nach Egilsstaðir sowieso noch hindurchradeln.
Meine Strecke ging mal durch ein kleines Wäldchen, mal durch grüne Weidelandschaft über vereinzelte kleine Hügel immer mit gehörigem Abstand entlang des Sees. Ohne Gepäck kam ich prima vorwärts und erreichte schon bald die erste größere Sehenswürdigkeit der Gegend, den Hengifoss. Und gerade als ich dort auf den Parkplatz rollte da pfiff wieder die Luft aus meinem hinteren Reifen. Perfektes Timing sozusagen.
Fürs erste ließ ich den Reifen Reifen sein und machte mich zu Fuß auf um ein paar Wasserfälle zu sehen. Zunächst lag der kleine Litlanesfoss am Weg, umgeben von wunderschönen langen Basaltsäulen. Danach führte der Pfad weiter bergauf, vorbei an einigen schichtförmigen Gesteinsformationen, vermutlich Ascheschichten von verschiedenen Vulkanausbrüchen. Geradewegs auf den Hengifoss ging es zu, der auch von deutlich ausgeprägten Schichten umgeben ist und mit 118 Metern einer der höchsten Wasserfälle Islands ist. Trotzdem, den kleineren Litlanesfoss finde ich schöner und so machte ich am Rückweg dort nochmal eine kleine Pause.
Aber alles Herauszögern war sinnlos, irgendwann mußte ich doch zu meinem platten Hinterreifen zurück, und die Flickstelle vom Vortag nochmal genauer untersuchen. Mein Werkzeug hatte ich ja vorsichtshalber mal mitgenommen auf diesen Tagesausflug. Als das erledigt war warf ich meine Pläne wiedermal ein wenig um und radelte nicht noch weiter ins Tal hinein, nach Skriðuklaustur und zu den paar anderen Sehenswürdigkeiten. Es war schon wieder etwas später und ich wollte in Egilsstaðir endlich mal wieder in ein Bad. Also radelte ich über eine Brücke die auf keiner meiner Karten so recht eingezeichnet ist aufs andere Ufer und in den Wald von Hallormsstaður.
Dieser Wald ist wirklich bemerkenswert für isländische Verhältnisse. Der hätte glatt auch woanders noch als Wald gezählt, nicht nur im kahlen Island. Dementsprechend gehegt und gepflegt wird er denn auch. Und entlang der Straße, im übrigen gilt wegen des uneinsichtigen Geländes überall Überholverbot, finden sich auch viele kleine Parkplätze und Waldwege mit Informationstafeln und allem was dazugehört. Und mitten darinnen liegt der Ort Atlavík, mit Sitz des isländischen Forstamtes, einem Zeltplatz und einem Schwimmbad. Da hätte ich glatt mein Gepäck doch mitnehmen sollen heute und hierhin umziehen sollen, aber im Nachhinein ist man ja immer klüger.
Für heute gab ich mich damit zufrieden, zurück zu meinem Zelt zu fahren, auf der Straße geradewegs durch den Wald hindurch. Ein völlig anderes Island war das, auch wenn der selbe grau-wolkige Himmel darüber lag wie über den staubigen Wüsten im Hochland und der selbe Regen niederging. Ein wenig betrübt war ich schon, als ich wieder auf der rundherum kahlen Ringstraße unterwegs war. Da könnte man sicher noch den einen oder anderen Ruhetag einlegen in diesem Wald.
Als ich zurück bei meinem Zelt war machte ich mich gleich wieder auf, um das Freibad zu suchen. Am Vortag war ich leider schon zu spät dran denn das Bad hatte laut Aushang schon geschlossen. Das holte ich dafür heute um so ausgiebiger nach. Während es weiterhin nieselte ließ ich mich in den HotPots mal wieder ordentlich durchweichen, und zählte die Tage und Tagesetappen die mir noch verbleiben würden. Und das würde gerade so hinkommen vermutete ich, ohne daß ich einen Bus bräuchte.
Nach einem kleinen Abendessen vom wunderbar heiß lodernden Kocher machte ich mich noch ein wenig am Rad zu schaffen, tauschte mal wieder Bremsbeläge und ähnliche Kleinigkeiten. Irgendwie hab ich wohl einige Schräubchen verloren, aber das war auch nicht so wichtig. Wenn nur das Loch im Hinterreifen endlich halten würde.
Bilder der Tages:

14. August 2002
Ostfjorde

Am nächsten Morgen war sogar das Wetter wieder ein wenig besser, also dicht bewölkt aber ohne Regen. Beim Packen überlegte ich mir noch, ob ich vielleicht meinen Ersatzschlauch griffbereit halten sollte, aber irgendwie war mir die Kramerei dann doch zu viel und ich hoffte lieber einfach, daß die Sache mit dem Hinterrad jetzt gegessen sei. Beim Packen rieselte außerdem immernoch aus allen Ecken und Enden der feine schwarze Sand aus dem Hochland heraus, den wird man so schnell wohl nicht mehr los.
Schließlich brach ich dann auf in Richtung Süden auf der Ringstraße. Nach Berunes wollte ich wenn möglich heute noch. Der Asphalt, auf dem ich erst noch unterwegs war, wandelte sich bald in eine gute festgefahrene Schotterpiste. Ich kam nur recht schleppend voran, wie mein Tacho mir sagte. Den hatte ich am Vortag auch wieder soweit gebracht, daß er funktionierte. Aber irgendwie hörte er damit nach guten 30 Kilometern auch wieder auf. Dann eben doch nicht, was solls.
Die Landschaft rund um mich herum war erst noch recht dicht besiedelt, überall kleine Höfe und Häuschen, mit ausgedehnten Weiden dazwischen und ab und zu ein paar Büschen. Aber mit der Zeit, je weiter und höher ich kam in dem Tal, da wurden die Siedlungen wieder spärlicher und die Hänge steiler. Es bleibt nicht mehr viel Platz für Weiden, und schließlich laufen die Schafe wieder frei herum, überall wo sie wollen.
Und je weiter ich kam in dem Tal um so steiler ging es auch bergauf. Richtig ordentlich steil sogar gegen Ende. Dort oben war dann eine Abzweigung auf den Öxi-Pass, eine "Abkürzung" auf der man sich einen langen Fjord sparen kann. Früher war das eine der härtesten Hochlandpisten in Island, dann war sie ein Jahr lang gesperrt und heute war sie dann gut ausgebaut und für jedermann zugänglich. Nunja, ein paar Hinweisschilder deuten noch immer auf ein paar kleine Steigungen hin, so 17% und ähnliches, aber immerhin sollen alle Furten überbrückt sein mittlerweile, und es bogen auch die handelsüblichen Kleinwägen dorthin ab, nicht nur die richtig dicken Jeeps.
Aber ich wollte noch einen Fjord mehr durchfahren, soviel Zeit hatte ich schon noch. Also ging es für mich nicht über den Öxi-Pass, sondern weiter bergauf das letzte und steilste Stück hinauf. Ganz oben angekommen radelte ich dann mal wieder an einer roten Nothütte vorbei. Außerdem lag vor mir ein kleines Tal mit einem See und dahinter das Breiðadalur, das sich noch ewig hinzuziehen schien bis zum Meer. Außerdem war das Tal in hellen Sonnenschein getaucht und die Wolkenlücken nahmen hier wirklich mal wieder überhand, zum ersten mal seit Tagen.
Vom schönen Wetter angespornt rauschte ich eine unheimlich steile Passtraße hinunter, das selbe Stück was ich in den Stunden davor langsam immer höher hinaufgekrochen war, typisch Fjordlandschaft. Und auch die Schafe kamen mir in den Ostfjorden so langsam und träge wie nirgendwo anders vor, die ließen sich viel Zeit bis sie endlich auswichen und dann panisch von der Straße sprangen und durch die Gräben und über die Wiesen hoppelten. Und mir begegneten so viele Schafe daß ich sogar die Theorie wieder verwerfen mußte, daß Schafe immer in Gruppen von drei auftauchen. Es gab tatsächlich auch einige versprengte Zweier- und Vierergrüppchen.
Auch wenn die Ringstraße hier wunderbar zu fahren war, ohne viel Verkehr und mit einem guten Straßenbelag, mir schien es günstiger zu sein, auf der Südseite des Tales entlangzufahren, auf der 964. Dort hatte ich dann eine deutlich schlechtere Piste mit genausowenig Verkehr, allerdings sparte ich mir hoffentlich einige Bögen und Umwege der Ringstraße. Ich wollte ja nicht auf direktem Weg nach Breiðdalsvík. Eigentlich wollte ich gar nicht dort hin, sondern gleich weiter in den nächsten Fjord, nach Berunes.
Und während ich in Gedanken wiedermal abzählte ob ich diesmal vielleicht sogar noch ein paar Tage in Reykjavík haben würde, da merke ich mit mal wieder, daß das verflixte Loch in meinem Hinterreifen wohl wieder nicht gehalten hatte und ich schon wieder eine Flickpause machen müßte. Sowas ärgerliches, ich hätte doch den Ersatzschlauch rausholen sollen. Aber, hilft ja alles nicht, also doch wieder halten, Anhänger abmontieren, im Werkzeug kramen, das volle Programm eben.
Als ich endlich weiterkam hatte ich noch eine schöne Strecke vor mir und eine tolle Landschaft um mich herum. Die Gesteine in den Ost- und auch die in den Westfjorden zählen zu den ältesten in ganz Island. Die Ascheregen und Lavamassen die einstmals in waagerechten Schichten das Land geschaffen hatten sind an den Rändern Islands schon ziemlich verschoben und geneigt, so daß sie nicht mehr waagerecht verlaufen sondern sich schon in Richtung Faltengebirge schräg auftürmen. Und mitten hinein hatten wohl Gletscher die Trogtäler geschliffen die heutzutage die Fjorde bilden. In der Sohle meines Tales waren heute saftige Weiden und Wiesen mit jeder Menge Schafen und einigen kleinen Höfen darin.
Außerdem hatte ich eine schöne Sicht auf die Wolken die von beiden Seiten ins Tal hinabzukriechen versuchten. von den kleinen Scharten herunter pfeifft oft auch ein kräftiger Wind, aber heute merkte ich davon recht wenig. Nur beobachtete ich ein wenig besorgt wie die Nebelschwaden langsam doch immer tiefer und tiefer hinabstiegen.
Aber ich hatte noch gute Hoffnungen nach Berunes zu kommen an dem Tag. Dort sollte es eine Jugendherberge und einen Zeltplatz geben, und es passte ziemlich gut in die Tagesetappen die ich mir noch vorgenommen hatte. Außerdem hatte ich endlich das Ende des Tales erreicht, wiedermal den Atlantik auf meiner linken Seite und die geteerte Ringstraße unter den Rädern. Frohen Mutes fuhr ich also weiter.
Aber irgendwie klang der Asphalt auf dem ich unterwegs war ein wenig ungewohnt. So dumpf hatte das Rollen schon lange nicht mehr geklungen. Nun hatte ich zwar schon lange keine Asphaltstrecke mehr befahren, aber irgendwie kam mir das doch recht seltsam vor heute. Also hielt ich mal an und inspizierte mein Rad. Und leicht verägert stellte ich dann fest, daß das dritte Rad am Wagen platt war: mein Anhänger. Na toll. Vielleicht sollte ich doch mal die paar Extra-Kilometer nach Breiðdalsvík in Kauf nehmen und dort in der nächsten größeren Siedlung den Wagen abladen und dann Flicken. Bis dahin reichts ja vielleicht wenn ich mal kurz aufpumpe, sehen konnte ich den Ort schon lange und auch die Straße dorthin führte nicht in so einem großen Bogen, also müßte das schon gehen. Mal schnell meine Pumpe hervorgekramt, die auf der einen Seite für Fahrradventile geeignet ist und auf der anderen Seite einen Adapter für Autoventile dranhat, wie ich eines in meinem Anhänger hab. Ich hab gerade mal zwei drei Schübe gepumpt, da machts leise Klack und ich hab meine Luftpumpe in der Hand während der Autoventiladapter noch am Ventil steckt. Gebrochen. Plastik. Na Super, sowas hab ich mir ja schon immer gewünscht, genau dann wenn ich die Pumpe mal bräuchte!
Völlig entnervt bin ich dann mit dem platten Reifen nach Breiðdalsvík gefahren, etwa 5 Kilometer. Dort wollte ich zur erst besten Tankstelle um den Reifen zu flicken. Nun hat die Weltstadt Breiðdalsvík sogar eine Tankstelle, aber die hatte natürlich schon geschloßen und ich hab auch nirgends irgendwas gefunden um mich selbst zu bedienen. Super!
Immerhin, völlig verlassen war die Tankstelle noch nicht, ein Kleinbus mit russischem Kennzeichen steht da. Die Insassen kommen auf mich zu und fragen ob ich eine Kreditkarte hätte. Die Zapfsäulen hier könnte man nur mit Kreditkarte bezahlen und sowas hätten sie nicht. Sie bräuchten auch nur 1000 Kronen, die sie mir als Schein in bar zurückgeben wollten. Na bitte, wie schön daß ich doch nicht völlig umsonst dort hingefahren war sondern wenigstens noch jemandem einen Gefallen tun konnte. Aber recht sauer dreingeschaut hab ich wohl trotzdem als ich dann endlich zum Zeltplatz im Ort gekommen bin. Auch wenn der kostenlos war.
Aber ich hab noch gar nicht angefangen abzuladen da kommt mir schon eine ganze Meute von anderen Radlern entgegengelaufen. Irgendwie waren wohl alle Gäste heute Radler, Ein Italiener, ein deutsches Pärchen, ein Niederländer oder sowas, und noch ein alleinreisender Deutscher. Und man glaubt es kaum, aber schon wieder traf ich einen alten Bekannten. Nämlich den Deutschen der in Keflavík fünf Tage auf sein Fahrrad gewartet hatte, bis es ihm hinterhergeflogen kam. Na und die alle zusammen die begutachteten dann mal ausgiebig meinen platten Reifen während ich noch mein Zelt aufbaute und meinen Kocher auspackte.
Gemeinsam plauderten wir über alles mögliche, Radler unter sich eben, meine kaputte Luftpumpe wurde in augenschein genommen und für "nicht reparierbar" befunden. Aber mein Reifen hatte scheinbar auch die paar Kilometer im platten Zustand überlebt und wurde dann irgendwie geflickt, während sich so nach und nach einer nach dem anderen in sein Zelt zurückzog und ich noch ein Abendessen zu mir nahm. Aber es war wiedermal recht kalt und so bin ich dann auch bald Schlafen gegangen, nach diesem nicht ganz so glücklichen Tag.
Bilder der Tages:

15. August 2002
Ostfjorde
Am nächsten Morgen war es wiedermal ziemlich verregnet und windig. Genaugenommen sogar eher ziemlich stürmisch, und ich war wiedermal froh, daß wenigstens mein Zelt trocken und stabil war. Der Wind kam direkt den Berghang hinunter an dessen Fuß Breiðdalsvík liegt, und schob den ganzen Regen vor sich her.
Na und wenn ich schonmal in nem größeren Ort war dann wollte ich das auch gleich nutzen und ein wenig frische Milch fürs morgendliche Müsli besorgen. Also ließ ich mir Zeit mit dem Packen und plauderte noch mit dem, der so lange auf sein Fahrrad gewartet hatte, lieh mir auch nochmal dessen Autoventilluftpumpe um meinen Anhänger fahrbereit und startklar zu machen. Er wollte später an dem Tag mit dem Bus weiter nach Süden fahren, während ich eigentlich radeln wollte aber eben noch auf den Supermarkt wartete. Und insgeheim hoffte ich ja immernoch auf eine Wetterbesserung oder daß es wenigstens zu regnen aufhörte. Der Wind schien mir gar nicht so ungünstig zu stehen, der konnte so bleiben.
Schließlich brach ich dann doch auf, bei Regen und Sturm, aber wenigstens mit meiner Milch. Auf der Ringstraße ging es gut voran, ich kam schon bald wieder an jener unglücklichen Stelle vorbei wo meine Luftpumpe kaput gegangen war (im übrigen hab ich das abgebrochene Teil grad hier am Schreibtisch rumliegen). Den Wind hatte ich größtenteils von hinten und so war ich schnell um die Berge herum, die das Breiðdalur vom nächsten Fjord, dem Berufjörður abtrennen. Von der Landschaft sah ich nicht wirklich viel, es war ziemlich dicht bewölkt und regnerisch. Ich radelte einfach nur dahin, in mein Regenzeug dicht eingepackt.
An Berunes und an etlichen anderen Orten kam ich vorbei, mit Restaurants, Hotels und Zeltplätzen. Sicher hätte ich da irgendwas nettes gefunden, wenn ich gestern weitergefahren wäre. Aber bestimmt hätte ich nicht so viele hilfsbereite Radler getroffen, die mich mit dem kleinen Umweg und dem mißglückten Tag gestern wieder ein wenig versöhnten.
Während ich so dahinfuhr grübelte ich ob vielleicht schon mal irgendein Meteorologe die seltsame Windverhältnisse in einer Fjordlandschaft untersucht hatte. Mir kam es nämlich so vor als hätte ich in diesem Fjord hier zur Abwechslung mal wieder Gegenwind. Außerdem machte ich mir einen Spaß daraus, die Autos und LKWs zu beobachten, die mich überholten und die ich dann eine halbe Stunde später auf der anderen Fjordseite in der anderen Richtung fahren sehen konnte, wie sie wieder hinaus und um die nächsten Berge herum und in den nächsten Fjord hinein einbogen. Und während ich mir so die Zeit ein wenig vertrieb und langsam sogar fast schon die Berggipfel zwischen den aufsteigenden Wolken ausmachen konnte, da hatte ich auch schon das innere Ende des Fjordes erreicht. Zum einen sah ich dort wieder eine Abzweigung über den Öxi-Pass, die ich gestern in der anderen Richtung hätte nehmen können, zum anderen hoffte ich jetzt mit Rückenwind wieder hinauszufahren aus dem Fjord, nach Djúpivogur, und wie die ganzen Autos in den nächsten Fjord einzubiegen.
Aber mit Rückenwind hatte ich mich vorerst nochmal getäuscht. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund schien ich schon wieder Gegenwind zu haben und machte mir fast schon ernsthafte Sorgen, ob sich in so einem langen engen Tal vielleicht sogar so eine Art Luftwirbel bilden würde und man womöglich, egal wohin man fährt immer Gegenwind hat. Oder immer Rückenwind, wenn man das Glück hat in der Richtigen Richtung unterwegs zu sein, aber das kommt wohl nicht in Betracht.
Nunja, die Straße war wieder nicht asphaltiert, wie recht häufig im Osten Islands. Und das heißt bei Regen, daß sie ziemlich matschig war. Ich hab ab und zu mal nach hinten geschaut, wie denn mein Anhänger aussieht, und von den üblicherweise gelben Packtaschen und Regenüberzügen sah ich eigentlich nicht mehr viel. Alles war mit einer dicken Schlammkruste überzogen. Wie ich selbst dann wohl aussah wollte ich lieber gar nicht wissen. Vielleicht fragst du ja mal wen, ob er dich nicht so fotografiert, dachte ich mir, komplett verdreckt und eingepackt in alles was du an Regenzeug dabeihast.
Als ich dann eine langgezogene Nebenbucht hinter mir hatte schien mir das letzte Stückchen bis Djúpivogur aber auch gar nicht mehr so weit. Ein paar Kilometer vorher begann auf der Ringstraße schon wieder ein Asphaltstückchen, und der feine Nieselregen wusch den ganzen Dreck wieder von den Regenklamotten herunter. Wird wohl nix mit dem triumphalen Foto vom großen Abenteuerurlaub in Island.
Schon vor einiger Zeit hatte ich mindestens ein Museum über den 2. Weltkrieg in Island verpasst (ich frag mich immer noch was da wohl drinnen ist), aber für heute hatte ich das eben mal links liegen lassen. Und um mich jetzt trotzdem ein wenig im Trockenen aufzuwärmen, stattete ich einem kleinen Kristallmuseum einen Hügel vor Djúpivogur einen Besuch ab. Irgendwo in den Ostfjorden gibt es ein ziemlich berühmtes und angeblich ziemlich sehenswertes Steine- und Kristallmuseum, aber das ist zwei Fjorde weiter nördlich wie ich mittlerweile erfahren habe. Aber Kristalle sind sowieso immer einzigartige Unikate die mich immer aufs Neue faszinieren können.
Als ich dann nach einer kleinen Pause weiterfuhr hörte ich wieder den seltsam dumpfen Klang vom Rollen meines Gespanns auf Asphalt, der mich schon am Tag zuvor ein wenig irritiert hatte. Und richtig, mein Anhängerreifen war zur Abwechslung mal wieder platt. Also war es wohl nix mit Djúpivogur links liegen lassen und noch ein Stückchen weiterkommen heute. Ich brauchte dringend eine Tankstelle, wo ich wieder Luft in den Reifen bekäme. Für meine Pumpe hatte ich bisher keinen Ersatz.
Leicht säuerlich rollte ich also auch in Djúpivogur zur Tankstelle und versuchte mich ein wenig im Reifenflicken. Dummerweise gingen mir aber die Flicken aus, und ich hatte also nichts mehr was ich auf das Loch draufkleben könnte. Das nächste Mal werde ich ein paar zusätzliche Reserveflicken einpacken. Für heute stand ich erstmal ein wenig unschlüssig da und schob dann auf den Zeltplatz im Ort. Und dort traf ich den Italiener wieder, der mir schon am Vortag mitgeholfen hatte.
Außerdem hatte es mittlerweile sogar zu regnen aufgehört, so daß wir uns mit einer richtigen Fahrradpumpe und neuer Hoffnung über das Loch hermachten. Wir plauderten noch bis tief in die Nacht über alles mögliche, exotische Radlergefährte, 40-Loch-Felgen und ähnliches. Am nächsten Tag hatten wir zwar beide weiterhin die selbe Richtung, aber mein neuer italienischer Freund meinte er wollte lieber nicht gemeinsam mit mir fahren, ich sei ihm wohl zu schnell unterwegs. Naja, jedenfalls wurde es spät und wir schnitten noch viele Themen an, bis ich endlich zum Schlafen kam an dem Tag.
Bilder der Tages:

16. August 2002
nach Höfn


Am nächsten Morgen sah es dann zwar immernoch dick bewölkt aus, aber es regnete nicht. Also radelte ich mit neuen Kräften los und war schon bald im nächsten Tal. Die Bucht an der die Strecke entlangführte heißt zwar Álftafjörður, aber eigentlich ist es kein richtiger Fjord sondern eher eine breite Bucht mit zwei Seitentälern am inneren Ende. An etlichen kleinen Wasserfällen kam ich vorbei und in den Weiden standen überall vereinzelte Häuser und Gehöfte.
Die Straße war noch recht gut asphaltiert während es so am Álftafjörður entlangging. Und auch wenn der Wind immer aus unterschiedlichen Richtungen wehte und oft auch von vorne, ich kam ganz gut voran. Der nette Italiener, den ich jetzt schon ein paar mal getroffen hatte, den holte ich immer wieder ein oder er holte mich wieder ein, und so ging es eine ganze Weile gut vorwärts. Am Südende des Álftafjörður machte ich dann eine kleine Mittagspause, gerade bevor die Ringstraße wieder um ein paar Hügel herum in unübersichtlicheres Gelände führt. Als ich zurückschaute über die Bucht und die Täler die ich gerade durchradelt hatte konnte ich nichtmal mehr das gegenüberliegende Ufer ganz genau erkennen zwischen den Wolken und Regenschauern die sich mittlerweile darübergelegt hatten.
Bisher war ich zwar noch nicht wirklich nass geworden, aber ein leichter Regen war doch aufgekommen. Und als ich dann weiterfuhr, da fing es richtig an. Also packte ich doch noch mein Regenzeug aus und mich wasserdicht ein. Die Straße führte recht abenteuerlich an einem Geröllhang entlang, also rechts von mir ragte ein steiler Hang von lockeren kleinen Steinen auf um bald in den Wolken zu verschwinden und links von mir führte ein ebensolcher Hang zum Meer hinunter. Die Straße dazwischen war natürlich eine festgefahrene, nicht-asphaltierte Piste, und in regelmäßigen Abständen kam ich an Schildern vorbei, die mich vor Steinschlag warnten. Man fühlt sich wohler wenn man da vorbei ist, zumindest an so einem Tag wo nach ein paar Metern Sicht wieder alles in einer dicken Suppe aus Nebel und Wolken verschwindet und man nicht genau weiß, wie weit es da noch hoch geht.
Schließlich ließ ich auch die Steilhänge wieder hinter mir und links zum Meer hin auch wieder einen Leuchtturm. Die Landschaft veränderte sich aufs Neue und links hatte ich jetzt mal gleich neben der Straße, mal wieder ein ganzes Stück von ihr entfernt eine flachen Bucht während weit rechts einige Hügel und Berge aufragten. Dazwischen war ein breiter grüner Streifen mit vereinzelten Schafen und weit seltener auch mal einem kleinen Häuschen. Auf der Bucht war eine unheimliche Zahl von Schwänen versammelt, vermutlich formierten sie sich um in den nächsten Tagen in ihre Winterquartiere aufzubrechen. Jedenfalls waren es so unglaublich viele, daß sogar einige Autofahrer und ein ganzer Reisebus anhielten und einen kurzen Spaziergang durch den Regen in Kauf nahmen. Den Singschwanfjord Álftafjörður hatte ich zwar eigentlich hinter mir aber die Bucht Lónsvík hätte diesen Namen wohl genausogut verdient.
Die Ringstraße machte bald einen kleinen Abstecher in großem Bogen mit viel Abstand um die Bucht herum. Im übrigen hatte ich hier wieder ein geteertes Stück unter mir. Die Höfe und Häuser wurden auch immer häufiger und bald sah ich Stafafell als Zentrum der Gegend vor mir auftauchen. Im Ort gibt es einen kleinen Zeltpaltz und tolle Wandermöglichkeiten in Richtung Lónsöræfi, aber darauf hatte ich bei solchem Wetter wie heute keine rechte Lust. Außerdem sollte man sich dafür am besten gleich so viele Tage Zeit nehmen, daß man zum Snæfell wandern kann, und die hatte ich nicht mehr. Also beließ ich es bei einem kurzen sehnsüchtigen Blick auf die rötlich leuchtenden Berge weiter flußaufwärts im Tal der Jökulsá í Lóni.
Für heute wollte ich gleich noch das Stückchen weiter nach Höfn fahren. Immerhin hörte es zu regnen auf und der Wind kam auch nicht frontal von vorne, so daß ich diese etwa 20 Kilometer heute wohl noch gut schaffen konnte. Wenn nix dazwischenkommt. Aber kaum hatte ich das gedacht und mich gefreut, daß meine beiden Löcher in den Reifen hoffentlich endlich geflickt seien, da merke ich das so langsam aber sicher doch die Luft aus meinem Hinterrad entweicht. Zum Glück hatte ich schon seit zwei Tagen den Reserveschlauch griffbereit ganz zu oberst gepackt, so daß ich das Problem bei einer kleinen Pause (Anhänger abbauen, Fahrrad umdrehen und und und) endgültig gelöst hatte. Hoffentlich doch zumindest. Meine wiederholten Inspektionen des Mantels und der Felge hatten auch dort keine Schadstellen aufdecken können, also hält das doch jetzt bitte bis nach Hause.
Vor einiger Zeit war ich ja schon um die Berge des Eystrahorns herumgefahren, das war der Geröllhang der so beunruhigend gewirkt hatte, jetzt ragte vor mir das Vestrahorn auf. Und auch wenn die Abgrenzung von Ostfjorden und Südisland nicht so ganz einfach ist, hinter diesem markanten Vestrahorn liegt definitiv nur noch Südisland. Aber die Straße führt hier nicht so einfach flach außenherum wie vormals am Eystrahorn, sondern in einem steilen Pass namens Allmannaskarð oben hinüber. Und irgendwo kurz vorher hörte auch der Asphalt wieder auf. Nunja, von Norden her ist der Pass nicht ganz so steil, und ich bin sogar ganz nach oben gekommen ohne schieben zu müssen. Von der anderen Seite her ist das deutlich steiler.
Dort oben genoß ich erstmal ein wenig die Aussicht. Im Süden gab es nämlich so etwas wie eine Aussicht, während im Norden immernoch die Regenwolken das Bild dominierten. Vor mir lag die Südküste mit einigen hellen Flecken am Himmel durch die die Abendsonne hindurchschimmerte und wunderschöne Reflexionen auf die Bucht Hornafjörður zauberte. Dort unten konnte ich auch schon mein heutiges Tagesziel ausmachen, Höfn. Also ging es ziemlich steil wieder hinunter von der Allmannaskarð, "der Scharte wo alle Leute drüber müssen". Unten bilde ich mir ein Bauarbeiten für einen Tunnel gesehen zu haben, und auch wenn ich mich täuschen mag, die 16% Steigung in der Ringstraße müssen vielleicht bald nicht mehr alle nehmen die dort entlang möchten.
Vor mir lag nur noch eine flache Asphaltstraße, das kurze Stück heute und die nächsten paar Tage bis zurück nach Reykjavík. Als ich in der Stadt Höfn ankam und auf den rege besuchten Zeltplatz stoße bin ich wiedermal von so vielen Menschen umgeben wie lange nicht mehr. Sämtliche Buslinien in Island nutzen Höfn als Übernachtungsort und alle die mit Bussen in Island unterwegs sind die werden auch Bekanntschaft mit dem örtlichen Zeltplatz machen, ob sie wollen oder nicht. Die meisten nutzen im übrigen Höfn auch zum Postkarten verschicken, ich weiß auch nicht ob dort die Briefmarken irgendwie billiger sind oder die Postboten freundlicher, aber auch heute war wieder ne Menge Betrieb und nicht wenige waren am Schreiben.
Ich breitete erstmal meine Sachen zum Trocken aus, legte eine Waschnacht ein um auch für die letzten Tage noch was zum Anziehen zu haben. Spät nachts stattete ich auch dem Supermarkt noch einen Besuch ab, meine Keksreserven waren ja eigentlich für ein paar Tage Hochland geplant gewesen und gingen jetzt so langsam zur Neige. Und dann legte ich mich bald Schlafen, mit der realistischen Hoffnung daß das Wetter sich bessern könnte. Immerhin konnte es gar nicht mehr schlechter werden als den ganzen Tag über regnen, wie heute.
Bilder der Tages:

17. August 2002




Der nächste Tag sah ziemlich vielversprechend aus. Überhaupt nicht nach Regen, sondern fast so als könnte heut mal wieder alles ein wenig trocknen, meine Schuhe eingeschlossen. Daß meine Regengamaschen nicht dicht sind wußte ich nicht erst seit den letzten paar Regentagen.
Erstmal schlief ich noch eine Weile aus bis alle die mit den öffentlichen Bussen unterwegs sind früh morgens gepackt hatten und es richtig leer und einsam war am Zeltplatz. Dann genehmigte ich mir ein kleines Frühstück und in der Hütte ein halbes Stündchen Internet. Mal wieder ein paar Mails lesen nach drei Wochen. Außerdem holte ich meine saubere trockene Wäsche ab und unterhielt mich noch kurz mit einem anderen Radler, der in der Gegenrichtung unterwegs war. Eigentlich wären wir gerne ins Heimatmuseum nebenan gegangen, vor allem da der Eintritt in den Zeltplatzgebühren mitinbegriffen ist, aber das machte noch später auf als wir ohnehin schon dran waren. Also packten wir lieber und machten uns auf unsere Wege, jeder in eine andere Richtung.
Ich machte mich auf nach Skaftafell, was laut Schild etwa 130 km sein sollten. Na ganz so weit werd ich heute wohl nicht mehr kommen dachte ich mir. Mal sehen. Als ich dann aber auf der Straße so dahinradelte und rechts eine Gletscherzunge nach der anderen langsam und gemächlich vorüberzog, da merkte ich daß ich heute mal richtig guten Rückenwind hatte. Dann radelt sichs doppelt gut.
Die Landschaft um mich herum war recht dicht besiedelt, also das heißt nachdem ich den Großraum Höfn und die Vorstadt Nesjahverfi mit den zusammen etwa 2000 Einwohnern hinter mir hatte, da kam ich immernoch recht häufig an verstreuten Höfen und Häusern vorbei, öfters als an den Tagen davor in den Ostfjorden. Außerdem sah das alles bei vereinzeltem Sonnenschein und ohne Regen viel freundlicher aus. Und außerdem ragten rechts nicht nur ein paar Berge auf sondern ganz oben über diesen Bergen thronte auch noch der Vatnajökull, der größte Gletscher Europas. Ein paar Kilometer vor mir sah ich dann allerdings doch noch eine schwere Regenwolke, durch die ich wohl auch noch hindurchfahren müßte. Aber das war nur eine einzelne große Wolke die sich an den Hängen abregnete, und richtig nass bin ich nicht geworden.
Wie bereits erwähnt reichten auch immer wieder Gletscherzungen bis weit in die Täler hinunter. Das war richtig malerisch anzusehen mit den kleinen Häusern davor. Zu einer solchen Gletscherzunge führte dann aber auch mal eine Straße hinauf. Ein Hinweisschild kündigte das einzigartige Erlebnis eines Restaurants auf dem Gletscher an. Mit hervorragender Aussicht und Schneemobilvermietung. Und man braucht sich noch nicht mal selber dort hocharbeiten, weil sogar ein Bus mit Fahrplan dort angekündigt ist. Und neben diesem Schild war dann auch ein Parkplatz, wo etliche Touristen ihre Autos zurückgelassen hatten. Nunja, nicht meine Welt, aber immerhin nutzte ich den Parkplatz um mal wieder eine kleine Kekspause einzulegen.
Unterwegs kam ich auch immer wieder an kleinen Denkmälern vorbei. Ein berühmter Sohn der Gegend hatte es in alten Tagen mal ins dänsiche Parlament geschafft scheinbar, und einer der vielen großen Dichter Islands dessen Name nichteinmal eingefleischten Islandfans etwas sagt, kommt wohl auch aus der Gegend. Dementsprechend waren die Hinweis- und Erklärungsschilder auch nur auf isländisch, und ich kam nicht ganz dahinter, was es mit dem Rätsel bei den Erklärungstafeln zu diesem Dichter auf sich hatte. Immerhin, es waren wohl noch irgendwo in der Landschaft ein paar mehr Täfelchen versteckt, jedes mit einem Buchstaben zum Lösungswort. Nette Idee.
Richtigen touristischen Hochbetrieb bekam ich dann bei der berühmten Gletscherlagune Jökulsárlón wieder mit. Schon von Ferne graute es mir ein wenig dort eine Rast zu machen. Dort standen ständig mindestens drei Busse, immer wieder kam ein neuer dazu und ein alter fuhr weiter, die Hütte die ich vor drei Jahren als gemütliches verschlafenes Kaffee kennengelernt hatte war trotz einem neuen Anbau ständig zum Bersten gefüllt, und die berühmten Amphibienfahrzeuge, mit denen man auf dem See eine Rundtour machen kann, die hatten sicher auch Hochsaison.
Immerhin, da kann man nicht einfach so vorbeifahren ohne Pause zu machen. Das ist schließlich eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten Islands, wo der Gletscher seine Eisblöcke in einen großen See kalbt und wo man haushohe weiße und von Asche geschwärze Eisblöcke treiben sieht und wenn man Glück hat taucht mittendrin auch noch ein Seehund auf.
Als ich dort Halt machte, war das erste was ich merkte wie kräftig mich der Rückenwind den ganzen Tag schon angeschoben hatte. Ich war heilfroh nicht in der anderen Richtung zu fahren. Und ich war auch heilfroh schon zwei andere Räder dort stehen zu sehen, irgendwo in dem Haufen muß es also Gleichgesinnte geben. Und bei einem kleinen Spaziergang liefen wir uns dann auch glatt über den Weg. Ein schweizer Pärchen, die heute das Pech hatten Richtung Höfn zu fahren. Wir plauderten natürlich ein wenig, und unter all den Hundertschaften am Ort waren das auch die einzigen mit denen ich ins Gespräch gekommen bin.
Aber auch wenn die Wetterbedingungen heut so günstig waren, daß wirklich mal beeindruckend große Eisblöcke ganz nah an der Küste schwammen, und auch wenn man sicherlich Stunden damit verbringen könnte ihrem Treiben da auf dem See zuzuschauen, bei dem Rückenwind wollte ich bald lieber wieder weiterfahren. Und wenn man die Eisberge dort einmal gesehen hat, dann reicht das auch, ähnlich wie mit dem Geysir, der bisher noch gar nicht auf meiner Route stand für dieses Jahr. Ich hatte ihn schon zweimal gesehen, vielleicht beim nächsten mal wieder. Es ist immer wieder ein wenig schade, was für Massen dann bald an die schönsten Orte gelotst werden, wenn die mal nicht mehr abseits liegen und ein wenig bekannter sind.
Seine Ruhe kann man aber auch noch finden am Jökulsárlón. Unten, wo der Abfluß mit dem "kürzesten Fluß Islands" ins Meer mündet, dort stranden manchmal noch ein paar Eisberge und schmelzen im schwarzen Sandstrand dann langsam vor sich hin. Leider war dort heute nur Kleinzeug, kein richtiger Brocken zu sehen, aber trotzdem machte ich dort noch eine Pause.
Auch wenn es eigentlich schon recht spät war, ich wollte wie gesagt den Rückenwind noch ein wenig ausnutzen. Und so war ich bald wieder mit Affenzahn unterwegs in Richtung Skaftafell, mit 360 Grad Rundumblick auf unzählige kleinere und größere Gletscherzungen die sich rechts von den Eismassen des Vatnajökull herauslösten. Vor mir ragte der höchste Berg Islands auf, der Öræfajökull, aber dessen Gipfel war von Wolken umhüllt. Andererseits sah es weit vor mir auf dessen anderer Seite nochmal deutlich sonniger aus als hinter mir.
Kurz bevor ich um die Südspitze des Vatnajökull herumfuhr, entdeckte ich auf meiner rechten Seite noch einen schönen Waserfall, der wiedermal in keiner Karte verzeichnet war und nichteinmal einen Namen zu haben scheint. Trotzdem war das ein wilkommener Ort für das erste mal Anhalten seit der Gletscherlagune. Als ich dann aber bei Fagurhólsmýri tatsächlich um die letzten Bergausläufer herum war und vor mir die riesige Sandfläche Skeiðarársandur lag, machte ich gleich noch einen Fotostop. Tatsächlich waren auf dieser Seite der Berge keine Wolken mehr am Himmel und die Abendsonne konnte ungehindert alles in leuchtendes Gold verwandeln, und die Flüße und Wasserarme zogen sich als unzählige glitzernde Bänder hindurch. Bestimmt hatte es hier und in Skaftafell einen wunderschönen Sonnentag gegeben, der sich nun mit diesem malerischen Abend verabschiedete.
Die Gletscher und Berge die ich weiterhin auf meiner rechten Seite hatte, sahen gleich doppelt so schön aus, wenn sie auch noch gelblich rot und golden angestrahlt werden, und erst die beleuchteten schneeweißen Gletscherzungen dazwischen. Unvergesslich. Daß dafür der Rückenwind nicht mehr zu spüren war nahm ich gerne in Kauf, und daß ich wohl erst recht spät mein Zelt aufbauen würde machte auch nichts, so weit wie ich heute überraschenderweise gekommen war. Ich machte ungefähr auf jedem Parkplatz halt, an dem ich so vorüberkam, nur um die Berge in aller Ruhe bewundern zu können.
Trotzdem, ich hatte in meinem Zeltplatzverzeichnis in Svínafell einen Zeltplatz mit Schwimmbad verzeichnet, nur einige wenige Kilometer vom eigentlichen Skaftafell-Nationalpark entfernt. Und langsam aber sicher kam ich dem doch näher und näher. Und hier nun mein Geheimtip für alle, die den Bericht wirklich bis hierhin gelesen haben und nichts dagegen haben, morgens noch eine Viertelstunde weit zum Skaftafell-Park zu radeln: Der Zeltplatz dort ist wirklich nett! Sehr viel ruhiger und weniger überlaufen als der, wo die Busse alle halten. Und man hat auch noch ein kleines Schwimmbad!
Nach dem Abendessen stand ich noch lange vor meinem Zelt um noch die letzten roten Sonnenstrahlen über dem Vatnajökull zu sehen und die Hänge rundherum anleuchten. Und die vereinzelten grellen Scheinwerfer von Autos die auf der Ringstraße den Skeiðarársandur durchfuhren und kaum voranzukommen schienen in der ewigen Weite. Wenn ich jemals geklagt hatte über den Regen und die platten Reifen und den Sand im Kocher und was auch immer, dieser Abend und Sonnenuntergang war es wohl wert.
Bilder der Tages:

18. August 2002
Skaftafell




Eigentlich hatte ich ja erwartet, daß nach so einem schönen Abend bestimmt ein völlig zugezogener regnerischer neuer Tag anbrechen müßte. Aber das Wetter hielt sich noch eine Weile, auch wenn die östliche Himmelshälfte von drohend dunklen Wolken bedeckt war. Also packte ich schnell eine Regenjacke ein und machte mich auf, um einen Tag lang im Nationalpark zu wandern. Nach den vielen langsamen Tagen in den Ostfjorden hatte ich zwar gefürchtet, daß ich mir diesen Ruhetag nicht mehr leisten könnte, aber nachdem ich gestern doch glatt die etwa 125 Kilometer von Höfn bis hierher geschafft hatte, hatte ich alle meine Zeitpläne wieder eingeholt.
Als ich dann bei Sonnenschein mein Rad am Nationalparkhäuschen abstellte und die Wanderschuhe fest schnürte, da wunderte ich mich, so viele Radler hier zu finden. Wenn man von Osten her kommt sind Zeltplatz und Bad von Svínafell eigentlich gut ausgeschildert und nicht zu verfehlen. Trotzdem begegneten mir viele alte Bekannte wieder. Unter anderem der, der in Keflavík am Flughafen fünf Tage auf sein Rad warten mußte. Außerdem eine italienische Kleinfamilie, genaugenommen ein Vater mit zwei Kindern und mit einem der seltsamsten Gefährte die ich in Island je gesehen habe; einem Tandem mit einem dritten Platz auf einem anmontierten Anhängerad. Auch die waren mir schon mindestens in Keflavík vor fast vier Wochen begegnet. Aber alle waren der Meinung, das würde sicher gleich zuziehen und den restlichen Tag lang schütten und wollten deswegen möglichst bald ihr Zeug gepackt haben und aufbrechen.
Ich machte mich zu Fuß auf um den Berg Krístinartíndur zu ersteigen, mit etwa 1100 Metern nicht gerade eine Kleinigkeit, wenn man auf fast Meereshöhe beginnt, aber ich hatte ja den ganzen Tag Zeit und war noch früh dran. Also erstmal auf den altbekannten Wegen zum berühmten von Basaltsäulen umgebenen Svartifoss und dem Aussichstpunkt Sjónasker. Von dort hatte ich eine prächtige Sicht auf den breiten Gletscher Skeiðarárjökull und dahinter den Höhenzug des Lómagnúpur. Und auf den hoch aufragenden Berg Krístinartíndur nördlich von mir. Und im Osten immernoch die dunklen Wolken die sich scheinbar noch nicht so ganz entschieden hatten, ob sie jetzt nach Westen weiter wollten und mir und dem Nationalpark ein wenig Regen bescheren, oder vielleicht doch wieder weiter zurück hinter den Bergkamm des Öræfajökull. Wenn sie noch weiterhin so unschlüssig stehenbleiben würden, hätte mir das auch gereicht für einen schönen Wandertag in Skaftafell. Aber zur Not hätte ich sogar mal wieder meine Sonnencreme herausgekramt und bei mir gehabt. Während ich immer höher und höher hinaufstieg, wurde es zum einen immer einsamer auf den Wegen und zum anderen auch immer wärmer, weil die Sonne immernoch kräftig schien. Trotzdem schaute ich immer wieder skeptisch zu den Wolken hinüber. Wirklich noch einen sonnigen Tag mehr in diesem Urlaub?
Immer wieder hatte ich beeindruckene Blicke hinunter ins Tal Morsárdalur und den Bæjarstaðarskógur, das Waldstück am gegenüberligenden Hang. Und auf den Gletscher Morsárjökull mit seinem Abfluß, der sich darin hinschlängelte. Schließlich kam ich zu den ersten steilen Anstiegen und ich hielt mich möglichst links, um weiterhin ab und zu einen Blick hinunter ins Tal zu erhaschen. Und an der hintersten Stelle, noch am Fuß des Krístinartíndur, wo man wirklich den besten Blick hatte, da traf ich wieder einen vereinzelten Wanderer. Auch aus Deutschland. Er hatte leider nur eine Woche insgesamt in Island und fragte mich, welche Teile der Südküste er denn noch unbedingt sehen müßte. Und so kam ich auch mit dem ein wenig ins Gespräch vor der atemberaubenden Kulisse, den sonnenbeschienenen Gletschern und dem Tal das direkt zu unseren Füßen lag. Ab und zu dröhnte ein Donnern zu uns herüber, wenn irgendwo Schnee- und Eismassen den Halt verloren und etliche Meter hinabstürtzten, irgendwo im ewigen Eis.
Schließlich machte ich mich aber wieder auf, um noch den Gipfel zu ersteigen heute, und mein Wanderkollege wollte zurück zum Zeltplatz oder anderswo hin im Park. Jedenfalls verpasste ich bald fast meinen Aufstieg, der nicht mehr so recht markiert ist. Das macht es in dieser hintersten Ecke auch schwierig, sich an die Regel des Nationalparks zu halten, die markierten Wege nicht zu verlassen. Immerhin kamen mir schon einige andere von oben entgegen, und so fand ich dann doch den Pfad hinauf, erstmal ein paar hundert Meter aufwärts durch lockeres Geröll. Oben war dann wieder eine markierte Wegkreuzung, wo es in alle Richtungen weiterging. Aber nur eine führte auf den Gipfel hinauf. Und nach einer gehörig anstrengenen Kletterpartie kam ich dann auch noch die letzten ein- zweihundert Meter hinauf zur Wetterstation, dem Gipfel und eben dem Ende des Weges.
Und zu einer herrlichen Aussicht! Die Wolken hatten sich irgendwie doch so ganz langsam zurückgezogen und hingen jetzt nur noch in den Gipfeln östlich von mir fest, hinter der Gletscherzunge Skaftafellsjökull. Im Süden konnte ich bis zur ehemaligen Insel Ingolfshöfði sehen, die genauso entstanden war wie die Hjörleifshöfði, die ich fern im Westen noch ausmachen konnte und an der ich vor etwa drei Wochen schon vorbeigeradelt war. Außerdem sah ich daneben, fast genauso weit entfernt den Gletscher Mýrdalsjökull mit dem schlafenden Vulkan Katla, die Küstenlinie die sich so dahinzog, die Klippen von Kirkjubæjarklaustur, den einsamen Felsen Orustuhóll, die östlichen und westlichen Eldhraun-Lavafelder, und fast zum Greiffen nahe den "nur" etwa 50 km entfernten Lómagnúpur der hinter dem Eisfeld des Skeiðarárjökull aufragte. Und direkt unter mir ging es steil etwa 1000 Meter hinunter zum Mórsárjökull, der sich im Norden neben dem Skaftafellsjökull von den Eismassen des Vatnajökull ablösten. Eine unvergessliche Aussicht eben wieder, wenn man weiß, daß man an allem dem was man da so sieht schonmal unten vorbeigefahren ist oder es demnächst wird. Den steilen Kletteraufstieg durch und durch Wert! Bei gutem Wetter wenigstens.
Aber, auch wenn ich mich lange nicht satt sehen konnte, irgendwann kletterte ich doch wieder das steile Stück hinunter. Etwas weiter unten an der Kreuzung stand ich dann ein wenig unschlüssig da, weil ich zwar in ungefähr alle Richtungen einen Pfad sehen konnte, nur nicht dahin, wo es laut Karte einen Weg gab und wo ich eigentlich hin wollte. Trotzdem hatte ich schon Leute aus der Richtung kommen sehen, und so verließ ich denn die markierten Wege, was sich aber wie gesagt auch nicht so wirklich vermeiden läßt, wenn kein einziger Weg markiert ist.
Es ging weiterhin recht steil runterwärts, und mit der Zeit gab es auch wenigstens wieder einen Pfad dem man folgen konnte. Nach etlichen Kreuzungen und Verzweigungen die wiedermal nicht beschildert waren und auch nirgendwo verzeichnet oder erwähnt, stand ich plötzlich wieder vor einigen Wegmarkierungen und direkt vor dem Abgrund wo es hinunter geht zur Gletscherzunge Skaftafellsjökull. Dort hatte sich schon ein Grüppchen Wanderer hingelegt um ein Nickerchen zu halten in der warmen Sonne, und ich machte auch wieder ein kleines Päuschen. Trotzdem wollte ich nach Möglichkeit nicht all zu spät wieder bei meinem Zelt sein, weil das Bad wiedermal so früh zumacht, daß ich am Tag zuvor zu spät dran war und das heute eben nachholen wollte.
Also folgte ich dem markierten Pfad am Hang entlang, immer wieder mit einem kleinen Stichpfad an dessen Ende man in den Abgrund hinunterspähen kann. Und nach einem ordentlichen Stück immer leicht bergab zwischen Gras und Moos und vereinzelten Sträuchern und Büschen entlang komme ich wieder auf mir alt bekannte Wege und zur Sjónanípa. Und irgendwo unterwegs wird es richtig warm, so daß ich mittlerweile im T-Shirt unterwegs bin. Außerdem hab ich unterwegs immer wieder angehalten und von den vielen Beeren probiert die überall in Island wachsen. Mittlerweile waren sie sogar fast schon richtig reif, in ein paar Tagen vielleicht sogar nicht mehr so sauer. Aber dann war ich wohl schon nicht mehr hier und deswegen nahm ich eben mit ein paar von den Sauren vorlieb.
Schließlich machte ich mich auf, das letzte Stück Weg entlangzuwandern, der Abstieg durch immer dichteren Wald zurück zum Zeltplatz. Als ich dort ankam war ich so etwa 8 Stunden gewandert und das reichte mir für einen Tag. Auch wenn da die sämtlichen Pausen mitgezählt sind. Also kaufte ich noch ein Softeis im kombinierten Kaffe-Supermarkt-Bushaltestelle-Nationalparkverwaltung-Museum und radelte anschließend wieder das Viertelstündchen zurück zu meinem Zelt. Ein Tag ohne Gepäck, und der zweite richtig schön sonnige Tag in diesem Urlaub.
Daheim angekommen packte ich dann erstmal meine Badesachen und ging wieder richtig ausgiebig ins Freibad. Wenn man das Zelt schon direkt daneben stehen hat, muß man da auch reingehen. Im übrigen hatte ich auch neue Nachbarn bekommen, die allesamt eine komische Sprache sprachen die mir im ersten Moment wie Isländisch vorkam. Auch ihre Art, mit riesen Jeeps eine kleine Wagenburg aufzubauen und dann Campingausrüstung auszupacken und Klappstühle und alles. Auch hatten sie einen festlich geschmückten Wagen dabei, der irgendwie nach Hochzeit aussah. Aber irgendwas passte damit nicht so ganz. Als ich dann doch mal nachfragte stellte sich heraus, daß die allesamt aus Luxemburg kamen und zwei von denen hatten hier geheiratet und als Flitterwochen wollten sie auf den höchsten Berg Islands steigen, mit einigen echten Isländern als Begleitung und allem möglichen an Ausrüstung.
Mir hatten ja die 1100 Höhenmeter heute gut gereicht und nach meinem eigenen kleinen Abendessen und einem Sonnenuntergang der genauso schön war wie am Tag zuvor brach ich dann nur noch in meinen Schlafsack auf. Morgen wollte ich wieder weiterfahren, irgendwo bis Kirkjubæjarklaustur oder wohin auch immer. Je nach Wetter, Lust und Laune, aber eben möglichst weit. Nicht mehr lang und ich mußte wieder nach Hause fliegen.
Bilder der Tages:

19. August 2002
nach Kirkjubæjarklaustur




Der nächste Morgen sah etwas weniger nach gutem Wetter aus. Aber nach so einem sonnigen Tag verkraftet man das auch gerade noch. All meine Sachen zum x-ten Mal gepackt und auf dem Anhänger verstaut, wieder aus einigen Ecken ein paar schwarze Sandkörner herausgeschüttelt, ich kam erst spät los und hatte dann auch ständig leichten Gegenwind, hatte ich den Eindruck. Vor mir lag ein langes abwechslungsarmes Stück durch die erste große Sandebene, den Skeiðarársandur.
Der erste Parkplatz an dem ich vorbeikam war gleich mal neu und wohl im letzten Jahr dazugebaut worden. Einige beeindruckende Stahlstreben die einstmals die Brücken über ein paar Gletscherflüsse waren, wurden eines Tages davongespült und dann wieder aus dem Meer gefischt. Heute dienten sie hier als Anschauungsmaterial für ein typisch isländisches Naturphänomen. Auf den Tafeln daneben wurde erklärt, was für ungeeuerliche Kräfte frei werden, wenn ein Vulkan unter dem Gletscher soviel Wasser schmiltzt, daß das ganze als Gletscherlauf ins Meer abfließt. Direkt daneben war dann wieder eine Tafel des Straßenbauamtes auf der erläutert wurde wie ungeheuer stabil und doppelt und dreifach verstärkt die heutigen neuen Brücken im Skeiðarársandur seien. Naja, bei normalen Verhältnissen sind das eben einfach nur Brücken über die man rüberfährt und man merkt gar nicht wieviele zehn oder zwanzig Meter tief die Fundamente liegen.
Aber von diesem kleinen Parkplatz ist es noch ein ganzes Stück bis zur ersten von diesen Brücken. Rundherum nur schwarzer Sand. Ein paar zarte Pflänzchen und ab und zu auch mal ein größerer Stein, aber bei weitem weniger abwechslungsreich und interessant als die Berge und Gletscher die im Norden runherum das Panorama dominierten. Die Straße an sich verläuft einfach nur flach und geradeaus. Man freut sich richtig wenn man da über die kleinen Metallgitter fährt die auf den Holzbrücken auch bei Regen für Halt sorgen sollen. Das ist dann mal ein anderes Rollen und klingt ganz anders als der übliche Asphalt.
Ingesamt drei große Brücken gibt es auf diesem Stück der Ringstraße, zwei davon sind einspurig ausgelegt. Und ich mußte einmal sogar auf einer Ausweichstelle auf den Gegenverkehr warten, ansonsten hatte ich die Brücken wiedermal für mich alleine. Immerhin, die Straße war gut zu fahren, ich hatte eine ganz ordentliche Aussicht auf die Gletscher rundum, die Wolken waren hoch oben und es war trocken, so daß man auch durch die öden Sandflächen gut hindurchkommt.
Trotzdem freute ich mich schon wieder auf grünere Landschaft und den nächsten Parkplatz bei Núpstaður. Dort steht immernoch der alte gelb rot lackierte älteste Post-Jeep Islands und eine schöne alte Kirche mit Grasdach und einem niedlichen kleinen Eingang. Ein schöner Ort für eine kleine Rast.
Kurz hinter Núpstaður war ein Stück der Ringstraße neu gebaut worden seit ich das letzte mal dort vorbeigekommen war. Sie verläuft nun ein wenig weiter südlich und über eine neu gebaute Brücke. Die alte Brücke mit ihrem großen Eisengestänge stand noch, war allerdings gesperrt, womöglich wegen Einsturzgefahr, so sah sie jedenfalls ein wenig aus. Der neue Asphalt war allerdings nicht so schön zu befahren wie der alte. Ziemlich rauh. Hoffentlich gibt sich das bald und hoffentlich werden nicht eines Tages alle Straßen in Island so ungemütlich geteert sein.
Mitten in diesem Neubaustück kam mir schon wieder ein recht eigentümliches Gefährt entgegen, einen Liegeradler. Auch er kam aus Deutschland, wie eigentlich die meisten Radler die ich dieses Jahr getroffen hatte. Wir plauderten natürlich ein wenig und ich gab ihm gleich mal den Geheimtip mit dem Bad in Svínafell, auch er fand den Straßenbelag hier nicht so toll zum Radeln, aber wir hatten uns so ungefähr genau in der Mitte des neu gebauten Stückes getroffen, also beide nicht mehr wirklich so ein langes Stück auf diesem schlechten Belag. Wir konnten noch zuschauen wie die alte Ringstraße ein Stück weiter mit mächtigen Baggern und Lastwägen entfernt und womöglich andernorts als Schotterpiste recycelt wurde.
Nach dem kurzen Abschnitt durch eine etwas grünere Gegend lag schon wieder eine langweilige Strecke vor mir, das Lavafeld Eldhraun, was beim Ausbruch der Laki-Spalte im 18. Jahrundert entstanden war. Aber auch dort war ich bald hindurch und schon von weitem konnte ich wieder den seltsamen Felsen Orustuhóll neben der Ringstraße sehen. Mit seiner eigentümlichen Form war er mir schon gestern beim Rundumblick von Skaftafell aus aufgefallen, und auch von Kirkjubæjarklaustur aus würde ich den markanten Brocken noch sehen. Ich weiß leider immer noch nicht, was hinter dem für eine Geschichte steckt.
Nur ein kleines Stück weiter gibt es schon die nächste Sehenswürdigkeit, diesmal sogar wieder mit einem Parkplatz. Einige dicke Basaltsäulen luden mich bei Dvergarhamrar zu einer Kekspause mit kleinem Spaziergang ein. Und das ist wiedermal eine von den kleinen unbekannten und sehr viel schöneren Sehenswürdigkeiten. Obwohl die selben hundert Busse am Tag hier vorbeikommen die auch in Skaftafell und an der Gletscherlagune Jökulsárlón halten, nur wenige Touristen verirren sich nach Dvergarhamrar und kennen den nahen Fagrifoss. Zum Glück!
Der nächste Streckenabschnitt führte mich wieder durch eine grüne Landschaft mit einer steilen Felswand zum Landesinneren hin, angeblich die alte Küstenlinie, bevor sich das Land ein Stückchen gehoben hat. Demnach waren die vielen Höfe und Weiden und die Straße mitten hindurch früher mal der Meeresboden. Heute strampelte ich mich da zäh vorwärts, der Wind kam wohl eher von vorne als von hinten und der Weg nach Kirkjubæjarklaustur zog sich schier ewig dahin. Als ich endlich dort war, hatte ich nicht mehr die Lust noch weiterzuradeln und dann irgendwo im Ungewissen einen Zeltplatz zu suchen. Außerdem fand ich den Platz hier Vorort das letzte mal recht nett, also fuhr ich wieder dorthin. Das letzte Tageslicht wollte ich dann für eine Wanderung in der Umgebung nutzen.
Also schnell das Zelt aufgebaut und los gings. Zunächsteinmal einen neuen Film für den Fotoapparat besorgen. Die fünf mitgebrachten reichten nicht mehr aus. Danach schon wieder einige sechseckige Basaltsäulen, diesmal wieder von oben, der Kirkjugólf der den Ort recht berühmt gemacht hatte. Danach stieg ich auf die Klippen oberhalb des Ortes hinauf. Von dort hat man manchmal eine recht gute Aussicht und wie erwartet konnte ich auch fast die ganze Strecke überblicken die ich heute entlanggeradelt war. Andererseits konnte ich im Süden über dem Atlantik kaum etwas anderes als Wolken ausmachen, und die kamen scheinbar langsam näher und legten sich schon über die buckelige grüne Pseudokraterlandschaft südlich des Ortes.
Trotzdem, ich hatte einen trockenen Tag gehabt heute, und wollte noch ein Stückchen weiterlaufen, solange das noch so blieb. Also stieg ich beim wunderschönen zweigeteilten Wasserfall Systrafoss wieder hinunter von den Klippen. Im übrigen heißt der Wasserfall nicht Systrafoss weil er so zweigeteilt einig wie Geschwister hinunterstürtzt sondern weil alles hier in der Gegend nach den Schwestern und Nonnen des ehemaligen Klosters benannt ist. Mein nächstes Ziel war denn auch Systrastapi, ein einsam in der Landschaft stehender Felsen, wie eine Säule. Ich fand sogar hin. Allerdings kletterte ich nicht hinauf, auch wenn ich den Eindruck hatte, das wäre gar nicht so kompliziert. Direkt neben diesem Felsen fand ich noch einen wunderschönen Wasserfall auf gelblich rotem Steingrund. Alles in allem ein schöner Rundgang, und meiner Meinung nach ist der Ort Kirkjubæjarklaustur mindestens so einen kleinen Stop mit Abendspaziergang wert.
Auf meinem Rückweg frischte ich im örtlichen Supermarkt noch meine Vorräte ein wenig auf, dann setzte ich mich ins gemütliche Häuschen am Zeltplatz mit der Kochgelegenheit. Dort gab es dann ein paar leckere Nudeln (zur Abwechslung mal wieder) und genügend Gelegenheit mit ein paar anderen Reisenden ins Gespräch zu kommen. Aber nachdem ich sowieso schon so spät dran war, daß es draußen dunkel wurde, und das ist Ende August nicht erst um Mitternacht, legte ich mich bald in meinen Schlafsack.
Bilder der Tages:

20. August 2002
nach Skógar
Das Wetter war noch schlechter geworden über Nacht. Und das heißt bei Regen alles nass packen und auf den Anhänger laden. Und das macht nicht so wirklich viel Spaß, passiert mir aber in Island eigentlich alles in allem recht selten. Genauso wie Zeltaufbauen bei Regen, was genausowenig schön ist. Und was mir heute abend auch noch passierte.
Immerhin kam ich recht früh los, weil ich keine große Lust zum Verweilen hatte. Und so radelte ich recht früh durch die Pseudokraterlandschaft und in den zweiten Teil des Eldhraun-Lavafeldes hinein, das bei der Laki-Eruption entstanden war. Der westliche Teil, den ich heute vor mir hatte, ist genauso eintönig wie der östlichere Teil vom Vortag. Bloß noch ein wenig länger.
Außerdem hatte ich heute Regen und einen ordentlichen Gegenwind. Ich holte bald ein junges niederländisches Radlerpärchen ein und hielt mich ein wenig in deren Windschatten. Aber irgendwann überholte ich und fuhr ein wenig schneller alleine weiter. Es war ein wirklich zäher Kampf heute bei dem Wind und ich brauchte ziemlich lange für die gut zwanzig Kilometer zur Abzweigung Richtung Eldgjá. Vor fast vier Wochen als ich dort die Ringstraße verließ, bei Sonnenschein, sah es dort viel schöner aus.
Aber es half alles nichts, als mich die beiden Niederländer wieder einholten machte auch ich mich wieder auf. Die Straße macht ja gleich einen Knick nach Süden, vielleicht wirds da etwas besser, dachte ich noch. Aber je mehr ich um diesen Knick herumfuhr desto stärker wurde der Gegenwind. Außerdem regnete es noch stärker als zuvor. Mein Regenzeug flatterte und knatterte laut in dem Wind, ich hätte wohl doch ein wenig was enger anliegendes besorgen sollen. Immerhin, die anderen beiden Radler hatten das selbe Problem und irgendwie überholte ich sie bald wieder. Und wenigstens bis Vík zum nächsten Zeltplatz mußte ich heute sowieso noch kommen.
Die wenigen Kilometer bis zu den unzähligen glückbringenden Steinhäufchen bei Laufskálavarða waren wohl die härtesten des Tages. Zeitweise dachte ich schon an Absteigen und Schieben. Scheinbar hielt das Glück nicht mehr, das ich mir dort vor drei Wochen in Form eines kleinen Steinhaufens erbaut hatte. Also nahm ich mir die Zeit, bei diesem Stop gleich noch eines zu errichten. Bei dem Sturm sich weiter vorwärtsquälen macht sowieso weniger Spaß.
Als ich dann wieder weiterfuhr und die Niederländer scheinbar irgendwo abgehängt hatte, da hatte sogar der Wind ein klein wenig nachgelassen. Im übrigen begegnete mir zum wiederholten Male ein grüner VW-Karavan-Bus mit Kennzeichen aus Passau. Seit ein paar Tagen kamen wir ungefähr gleich schnell voran, aber heut tat er sich mal deutlich leichter mit dem Wind als ich. Von der Landschaft nahm ich wiedermal gar nichts wahr, irgendwann hatte ich das Lavafeld mit den eigenartig zerklüfteten Gesteinsformen hinter mir gelassen und war wieder in einer Sandebene unterwegs, soviel wußte ich auch ohne Sicht. Und in dieser Sandebene gab es ein paar mehr Pflänzchen abseits der Straße und ernsthafte Begrünungsversuche, die offenbar mehr Erfolg hatten als im Skeiðarársandur.
Außerdem fielen mir wieder die Schilder auf die schonmal vorsichtshalber vor dem möglicherweise bald bevorstehenden Ausbruch der Katla warnten. Aber die nützten mir heute genausowenig wie die nächste Straßenbiegung. Ich war nun wieder Richtung Westen unterwegs und hatte den starken Wind von der Seite. Andererseits wußte ich, daß ich bald wieder ein Stückchen in nordwestlicher Richtung vor mir hatte und dort dann vielleicht mal den Wind ein wenig weiter von hinten. Und richtig, im letzten Moment änderte sich nicht noch das Wetter und die Windrichtung blieb stabil.
So waren die Kilometer um die Hjörleifshöfði herum und nach Vík hinein recht angenehm zu fahren eigentlich. Abgesehen davon daß es immer noch schüttete und ich durch und durch nass war. Aber meinen nächsten Pauseort Vík erreichte ich noch relativ früh an dem Tag und ich hatte dort im regenreichsten Ort Islands dann keine Lust bei Sturm mein Zelt aufzubauen. Lieber fahr ich noch ne Ecke, schlimmer kann es nicht mehr werden. Also nach dem obligatorischen HotDog den ich in der Tankstelle dort irgendwie immer als Mittagessen kaufe wenn ich vorbeikomme, packte ich nochmal mein Rad und fuhr weiter.
Die paar Berge die gleich hinter dem Ort auf der Ringstraße zu überwinden sind empfand ich gar nicht so schlimm heute. Vielleicht hielt sich der Rückenwind noch, vielleicht war ich sowieso schon dauernden Gegenwind gewohnt und die Steigung machte mir deswegen nichts aus, jedenfalls hatte ich sie schnell hinter mir. Dann kam ich auf die Idee, vielleicht mal das Kap Dýrhólaey, den südlichsten Punkt Islands und ein wunderschöner riesiger Steinbogen, von der anderen Seite zu sehen und fotografieren als von Osten her. Also nahm ich die erst beste kleine Seitenpiste in Richtung Küste. während ich mich so zwischen den Steinen auf dieser wirklich schlechten Piste voranarbeitete, begegneten mir doch tatsächlich noch zwei Radler. Aber die konnten mir mit der guten Aussicht auf das Kap auch nicht wirklich weiterhelfen und irgendwann brach ich das ganze dann als erfolglosen Versuch ab. Vielleicht mal bei besserem Wetter, aber heute nicht.
Bald war ich wieder auf der Ringstraße unterwegs, mein nächstes Ziel war Skógar. Der Wind war nicht mehr richtig störend und den Regen nahm ich schon gar nicht mehr wahr, so durchnäßt war ich und alles um mich herum. Was mich aber ärgerte, daß ich kein einziges Bild an dem Tag gemacht hatte. Nichts aber auch gar nichts sah bei so einem Wetter auch nur halbwegs nach Fotomotiv aus. Und dabei hatte ich mir doch extra noch einen Film besorgt. Also versuchte ich noch eine kleine Seitenstraße, diesmal in Richtung Sólheimajökull. Die Gletscherzunge die sonst meistens im Sonnenschein wunderschön daliegt war heute auch eher trist, also machte ich auch hier bald wieder kehrt und nahm die letzten Kilometer nach Skógar in Angriff.
Dort angekommen zahlte ich erstmal im warmen beheizten Hotel Fossbúinn die Zeltplatzgebühren. Natürlich erst nachdem ich mich ein wenig abtropfen hatte lassen. Und danach schaute ich noch in der warmen beheizten Halle die Werbeprospekte aus der näheren Umgebung an. Im übrigen war ich nicht der einzige der auf eine leichte Wetterbesserung wartete. Niemand hatte Lust jetzt da draußen sein Zelt aufzubauen, und so hatten sich gut ein schweigsames dutzend Leute hier zum Aufwärmen versammelt.
Aber nach einer halben Stunde im Warmen sah ich ein, daß das heute wohl nichts mehr werden würde mit dem Wetter und so baute ich denn doch irgendwo auf einem trockenen Plätzchen mein Zelt auf, packte drinnen meine Sachen aus und so schlimm war das nun auch gar nicht. Immerhin war es noch recht trocken bei mir drinnen. Einen sonnigen Tag wünschte ich mir trotzdem mal wieder, während ich so vor mich hin träumte und schließlich einschlief.
Bilder der Tages:

21. August 2002
nach Hveragerði
Am nächsten Morgen sah es zwar schon fast ein wenig heller aus, aber irgendwie immernoch nach Regen und schlechtem Wetter. Außerdem stand der halbe Zeltplatz unter Wasser. Ich packte dann meine Sachen schnell zusammen, wenn ich weiterhin so zügig unterwegs wäre wie gestern dann hätte ich ja vielleicht doch noch einen Tag Zeit um mir mal Reykjavík ein wenig genauer anzuschauen. Aber wenn ich in Skógar bin, dann muss ich dort immer auch das örtliche Museum besuchen, das hat Tradition. Und so bekam ich auch heute wiedermal eine Menge zu sehen und Þórdur, der Museumsdirektor wollte mich wie immer am liebsten gar nicht mehr gehen lassen.
Aber schließlich brach ich auf, in mein Regenzeug eingepackt und unter dicken Regenwolken entlang der Südküste dahin, in Richtung Hvolsvöllur, Hella, Selfoss oder wie weit ich eben Lust hatte. Der Wind stand nicht gerade günstig, er kam wiedermal in erster Linie von vorne. Aber das war ich ja fast schon gewohnt. Recht ungewöhnlich fand ich die beiden japanischen Radler die mir entgegenkamen. So jemanden sieht man nicht alle Tage in Island und schon gar nicht auf dem Fahrrad.
Während ich so langsam an einem altbekannten Tal nach dem anderen vorbeikam, gab es ab und zu sogar wieder ein paar Wolkenlücken am Himmel. Trotzdem regnete es meistens leicht weiter und ich behielt mein Regenzeug vorsichtshalber mal an. Als ich dann die Berge auf meiner rechten Seite hinter mir hatte und an der Abzweigung zum Seljalandsfoss stand, da machte ich wiedermal ein kleines Päuschen. Aber ich sparte es mit heute mal, hinter dem Wasserfall herumzugehen. Ich bekam auch so genug Wasser von allen Seiten ab und hatte das auf dem Herweg vor knapp vier Wochen erst gemacht.
Das nächste Stück bis nach Hvolsvöllur zieht sich wie jedesmal ewig dahin. Es gibt nicht wirklich irgendwas außenherum zu sehen, nur eine flache Ebene mit einigen verstreuten einzelnen Häusern und Höfen. Als ich dann in dem Ort stand und doch glatt die Sonne duchkam, war ich recht überrascht und hatte keine Lust auf eine längere Pause. Ich zog zur Abwechslung mal meine Regensachen für eine Weile aus, damit die darunterliegende Schicht vielleicht ein wenig trocknen und durchlüften könnte, und schon ging es weiter.
Auf dem nächsten Stück bis Hella und auch dahinter noch hatte ich immer wieder einige Regenwolken die sich vor die Sonne schoben, im Süden konnte ich deutliche Regenschleier sehen, aber hier auf der Ringstraße war es trocken und sonnig wie selten in Island. Dummerweise wehte aber der Wind von Süden her und es kamen immer wieder ein paar Wolkenfetzen auch bis zu mir. Ich hatte wirklich die sprichwörtlichen schnellen Wetterwechsel, mal ein paar Minuten Regen, dann wieder Sonnenschein und alles konnte gut trocknen, nur um nach fünf Minuten wieder ein wenig Regen abzubekommen. Man hätte sicher auch gute Bilder hinbekommen von sonnenbeschienenen Hügeln mit einem Hof darauf und dicken dunklen Wolken darüber, aber dazu war ich immer ein wenig zu langsam und hätte dann noch einen anderen Hügel vor dem Blickfeld gehabt.
Die Straße wird genau wie die Landschaft ein wenig hügeliger in diesem Abschnitt. Aber im wesentlichen führt sie flach und gerade durch den landwirtschaftlich geprägten südwestlichen Landesteil. Die großen Gletscherflüße des Südens überquerte ich auch der Reihe nach, so etwa alle eineinhalb Stunden mal wieder einen. Vor einiger Zeit schon den Markafjót, einige Seitenarme der Rangá, und schließlich die Þjórsá. Dann hatte ich es nicht mehr Weit bis nach Selfoss, das wußte ich. Allerdings sah ich in den Bergen weit vor mir, ungefähr genau über Selfoss schon wieder besonders zähe Regenwolken. Ich bezweifelte, daß ich mit denen auch so ein Glück haben würde wie bisher.
Und während ich so auf das Städtchen zufuhr auf dem letzten langen geraden Stück und die dicken Wolken darüber hängen sah, machte ich mich schonmal darauf gefasst, im erst besten Supermarkt ein letztes Mal ein paar Vorräte zu kaufen, frische Milch unter anderem, und danach ein kleines Päuschen zu machen wo ich mein Regenzeug wieder hervorkramte und dafür das Zeug verstaute. Als ich dann in den Ort einfuhr und jeden Moment darauf wartete, daß der Regen anfing, wartete ich aber vergeblich. Und als ich dann aus dem Supermarkt wieder herauskam lachte sogar wieder die Sonne.
Ich beschloss kurzerhand noch ein wenig weiterzufahren, die zehn Kilometer nach Hveragerði könnte ich heute noch gut schaffen und dann mußte ich sie morgen nicht mehr fahren. Also quer durch den Stadtverkehr von Selfoss, über eine letzte große Brücke und die Ölfusá. Der viele Verkehr und die Autos die heute im Lauf des Tages deutlich mehr geworden waren, die machten mir eigentlich recht wenig aus. In Gedanken suchte ich mir schon einen Weg durch den Großstadtdschungel von Reykjavík, wo ich morgen noch mindestens den Nachmittag verbringen wollte.
Die dunklen Wolken über mir hielten sich, ab und zu strahlte durch eine Lücke hindurch die Sonne und es blieb trocken. Ich kam dann relativ früh noch in Hveragerði an, früh genug um schnell das Zelt hinzustellen und ins Freibad zu stürtzen. Also ließ ich vorerst einige alte Bekannte verdutzt stehen und kramte eilig meine Badesachen heraus. Im Dampfbad und in den HotPots wärmte ich mich ordentlich auf und verließ dann als einer der letzten Gäste das Bad. Am Zeltplatz kochte ich ein kleines Abendessen und unterhielt mich kurz mit einem Wanderer, mit dem ich zusammen nach Island geflogen war und bald wieder zurück nach Deutschland fliegen würde. Aber es war spät nach schon wieder so einer 120 Kilometer Marathon-Etappe. Ich verzog mich bald ins Zelt und den Schlafsack.
Bilder der Tages:

22. August 2002
Reykjavík

Über Nacht hatte es wieder ordentlich zu regnen angefangen. Als es gerade nur ein wenig nieselte packte ich meine Sachen zusammen und schwang mich aufs Rad. Nach Reykjavík war es nicht mehr weit und wenn ich mich beeilte könnte ich am Nachmittag noch ein wenig in der Stadt bummeln. Was ich nicht wußte, wie schlecht das Wetter auf der Hellisheiði oben war. Diesen Hügelzug hatte ich noch vor mir, und ich hatte schon öfters Hinweisschilder gesehen die die Temparatur und Windstärke da oben angaben. Aber darauf achtete ich nicht, ich überlegte schon, wie ich dann im Hauptstadtgebiet möglichst ohne allzuviel Verkehr zu einem Zeltplatz käme.
Während ich den steilen Anstieg auf die Hellisheiði hinauftuckerte achtete ich auch nicht all zu sehr auf die Autos. Susanne, die ich am Mývatn auf ihrer Ausgrabung besucht hatte, erzählte mir später, sie hätte mich gesehen und an meinem Anhänger wiedererkannt. Was sich die Autofahrer wohl alle dachten während ich höher und höher in immer dickere Wolken kam und der leichte Nieselregen mehr und mehr zu einem ausgemachten Sturm wurde...
Es ging nur sehr zäh voran, der Wind kam zwar nur von der Seite und nicht von vorne, aber das war schlimm genung. Mein Regenzeug hielt einigermaßen dicht, mit Ausnahme der Gamaschen, aber die Schuhe waren am Vortag sowieso nicht richtig trocken geworden, und dann machte das bißchen zusätzlicher Regen auch nichts mehr aus. Ich fand es ganz witzig wiedermal zu beobachten wie auf der einen Seite alles patschnass war an mir während die windabgewandte Seite trocken war als wäre heute ein warmer und sonniger Tag. Immerhin hatte ich einen ganzen Seitenstreifen für mich alleine, auch wenn der manchmal nicht so schön befahrbar aussah wie die Straße neben mir. Und weil die Straße wenig befahren war wechselte ich immer wieder die Spur, je nachdem, wo ich grad besser vorankam.
Und irgendwann nach einer langen Quälerei durch Wind und Wetter kam ich doch noch an die Abzweigung der 39 nach Süden. Ab dort führte meine Ringstraße in einem Tal abwärts und dort war das Wetter deutlich besser. Als ich dann bei der Raststätte "Litla Kafistofa", der kleinen Kaffeestube vorbeikam gönnte ich mir eine Pause im Warmen und ausnahmsweise auch einen heißen Kaffee dazu. Es kam mir ziemlich kalt draußen vor, als ich wieder hinaus ging und weiterfuhr.
Aber die Straße führte ab hier nur noch abwärts. Außerdem klarte es ein wenig auf und der Regen ließ nach. Vor mir konnte ich von der Sonne beschienen die Häuser, Wohnblöcke und Türme der isländischen Hauptstadt sehen. Unheimlich zersiedelt ist die ganze Gegend. Auch wenn die Städte zusammengenommen nicht ganz 200.000 Einwohner haben breiten sie sich auf einer unglaublichen Fläche aus und in den breiten mehrspurigen Straßen geht es bisweilen hoch her.
Aber noch bevor meine Straße hier zweispurig werden konnte zweigte ich nach links ab, um in möglichst großem Bogen zur südlichen Vorstadt Hafnarfjörður zu gelangen. Dort gibt es auch einen Zeltplatz der nicht ganz so überfüllt ist wie der Platz im Laugardalur, wie man mir gesagt hatte. Zum Stadtkern ist es zwar dann ein wenig weiter, aber da fährt man sowieso am besten mit dem Stadtbus hin, egal von welchem Zeltplatz aus.
Ich kam erstmal durch das Erholungsgebiet Víðidalur. Von dort aus arbeitete ich mich am Einkaufszentrum Smáralind und durch einige Nebenstraßen weiter und weiter in Richtung Hafnarfjörður vor. Ganz ohne Autobahn-Feeling kam ich zwar nicht dort an, aber dafür daß ich von diesen Randbezirken der Hauptstadt keine genauen Karten und eigentlich gar nichts hatte war ich überrascht, wie selten ich mich verfahren hatte und wie schnell ich am Zeltplatz von Hafnarfjörður stand.
Auch dieser Zeltplatz ist, genau wie im Laugardalur, gleich neben der Jugendherberge. Und heute war ich der einzige Gast der sich auf der Wiese breit machte. Schön ruhig und windgeschützt zwischen Hecken in einem kleinen Park gefiel es mir dort gleich viel besser als auf dem Platz im Laugardalur. Bloß das Schwimmbad gleich nebenan, das ist dort ein echter Vorteil auf den ich hier verzichten mußte.
Kaum stand mein Zelt und ich hatte meine Radelklamotten ausgezogen und alles nasse Zeug zum Trocknen aufgehängt, spazierte ich zur zentralen Bushaltestelle am Ort. Von dort aus ging es dann im Stadtbus eine halbe Stunde lang durch unzählige Straßen in denen ich mich sicher ein paar mal verfahren hätte, wenn ich denn überhaupt die Lust gehabt hätte mich zwischen den Autos auf meinem Rad hindurchzuschlängeln. Reykjavík ist nicht besonders radlerfreundlich, auch wenn sich da einiges tut in letzter Zeit.
Im Stadtzentrum machte ich dann bei leichtem Regen eine kleine Rundtour. Zunächsteinmal zum Ráðhúsið, wo eine riesige plastische Karte Islands steht. Und während ich dort jede einzelne Tagesetappe der vergangenen Wochen nochmal erlebte, bekam eine Reisegruppe die altbekannten Ziele aufgezählt, die sie in ein zwei Wochen abklappern würden. Mir lief es ein wenig kalt den Rücken hinunter, das klang eher nach einem vollen Terminkalender als nach Urlaub.
Den restlichen Tag kam ich dann noch an der leider verschlossenen Hallgrímskírkja vorbei, an Denkmälern für Leifur Eríkson und Íngolfur Árnason, am Wikingerschiff Sólfari und den anderen Skulpturen entlang der Sæbraut, am isländischen Parlament Alþingi und an vielen anderen bekannten Sehenswürdigkeiten. In der langen Einkaufsstraße Lagavegur gab ich unterwegs ein paar übrige Kronen für Bücher aus und einmal in diesem Urlaub ging ich auch "ordentlich" Essen zum McDonalds. Auch wenn alle immer sagen, sie fahren nicht nach Island um Städte zu sehen, wenn ich dann dort im Stadtzentrum bin und zu Fuß herumschlendere finde ich Reykjavík eigentlich immer ganz nett.
Gegen abend wurde das Wetter zusehends schlechter und ich fuhr wieder eine halbe Stunde lang für 200 Kronen mit dem Stadtbus zurück in Richtung Zelt und Fahrrad nach Hafnarfjörður. Auch dort hatte ich noch Zeit für den einen oder anderen Abstecher in den Ort bevor ich durch den Stadtpark zurück "nach Hause" kam. Leider war es aber schon recht spät und es war nicht mehr viel geboten im Ort.
Da es hieß man könne als Zeltplatzbewohner die Kochgelegenheiten und alles andere in der Jugendherberge mitbenutzen nahm ich also meine Vorräte mit dorthin und es gab zur Abwechslung heute mal wieder was leckeres aus meinen Nudelvorräten zum Abendessen. Draußen ging wieder ein kräftiger Sturm los, aber mein Zelt stand sicher und fest hinter einigen Hecken. Ich blieb noch eine Weile im warmen trockenen Haus bevor ich mich dann spät abends schlafen legte.
Bilder der Tages:

23. August 2002

Am nächsten Tag hätte ich eigentlich in Hafnarfjörður bleiben können und dann am Tag drauf erst nach Keflavík zu meinem Flugzeug radeln. Aber die Gebühren von 700 Kronen pro Nacht schienen mir recht hoch und ich wollte lieber noch ein wenig von der Reykjaneshalbinsel sehen und dann in Grindavík auf dem kostenlosen Zeltplatz übernachten. Außerdem hatte ich mich dort verabredet mit ungefähr allen die mir wieder und wieder begegnet waren und von denen ich wußte, daß sie ungefähr zur selben Zeit heimflogen.
Also packte ich meine Sachen zusammen und brach recht früh auf. Der Sturm hatte sich größtenteils letzte Nacht verausgabt so hoffte ich. Es war zwar noch immer recht windig aber es regnete nicht mehr. Im Moment. Und so fuhr ich gut gelaunt zu meiner letzten größeren Tagesetappe. Schon bald hatte ich die letzten Häuser von Hafnarfjörður hinter mir. Dieser Vorort ist recht klein und überschaubar, ich hatte keine Probleme die richtige Straße Richtung Krýsuvík zu finden oder mit zu viel Verkehr oder was auch immer.
Als ich dann aber nach Süden unterwegs war, außerhalb des Ortes auf der einsamen 42 mitten im flachen Lavafeld, da hatte ich ein ganz anderes Problem. Der Sturm war nach der letzten Nacht noch lange nicht vollends verausgabt. Ich wurde zwar nach wie vor nicht nass, aber den Wind bekam ich deutlich zu spüren. Und vor mir in den Bergen konnte ich deutlich dicke Regenwolken sehen, die sich vermutlich auf der anderen Seite abregneten. Nur zu dumm, daß die Straße mich genau auf die andere Seite führte, mitten in den Regen hinein.
Anfangs war ich noch auf einer gut ausgebauten Asphaltstraße unterwegs. Ab und zu kam ein großer LKW vorbei. Nach Süden fuhren sie immer leer und irgendwann kamen sie dann mit Steinen beladen zurück. Vermutlich wird wieder irgendwo gebaut und vor mir lag irgendwo ein Steinbruch. Und ungefähr als ich an dem Steinbruch vorbei war hörte auch der Asphalt auf. Eine Piste führte nun steil hinauf, gerade und ohne Serpentinen, wie überall in Island.
Auf der anderen Seite ging es dann in ein langgezogenes Tal mit dem Kleifarvatn darin. Allerdings konnte ich das andere Ufer schon gar nicht mehr sehen, da hingen die Wolken und Regenschleier drüber. Die Landschaft auf beiden Seiten der Straße änderte sich auch zusehends. Das verwitterte moosüberwucherte Lavafeld hatte ich auf der anderen Seite der Berge gelassen, vor mir wurde es sandiger und in diesem Sand und Sandstein gab es viele eigenartige Erosionsformen zu sehen. Die Streifen und Schichten waren mitunter recht bizarr zu einer Landschaft zusammengeformt. Schade daß das Wetter so schlecht war. Außerdem ist der See Kleifarvatn an sich schon interessant. Berichten zufolge ändert er alle Jahre mal schlagartig über Nacht seinen Wasserspiegel. Mal sinkt er ein paar Meter ab, mal steigt er ein paar Meter. Angeblich weiß niemand so recht warum und wann das das nächste mal passieren wird und so warnen einstweilen Schilder davor, zu nah am See zu campieren.
Ich arbeitete mich weiter zäh vorwärts bei starkem Gegenwind. Schließlich kam ich ans Südufer des Sees. Dort münden einige heiße Quellen direkt in den See hinein, und genau dorthin machte ich einen kleinen Abstecher. In dem heißen Dampf der überall rundherum war stank es zwar wie üblich nach Schwefel und faulen Eiern, aber es war merklich wärmer als rundherum, und das genoß ich bei dem Wetter heute ausgiebig.
Aber schon bald hatte ich die nächsten heißen Quellen, diesmal auf der anderen Straßenseite und beschildert und mit Parkplatz. Krýsuvík ist recht berühmt eigentlich, trotzdem war es einsam und verlassen an diesem Tag und bei diesem Wetter. Überall dort gibt es Gesteine in den unterschiedlichsten Farbtönen und mit einem etwas schöneren Himmel darüber sind die Schwefelquellen ein beliebtes Fotomotiv.
Aber heute war mir nicht recht nach langer Pause zumute. Ich hatte gut vier Stunden gebraucht um bei dem Wind und Wetter die 20 Kilometer bis hierher zu fahren. Wenn ich da nicht etwas zulegte dann würde ich heut nicht mehr nach Grindavík kommen. Als ich weiterfuhr begegnete mir auch gleich noch ein deutsches Radlerpaar die sich nur noch die heißen Quellen anschauen wollten und dann einen Zeltplatz suchen. Ich konnte mir das nicht mehr leisten weil mein Flieger leider schon am nächsten Nachmittag starten wollte. Also bog ich ab auf die 427 in Richutng Grindavík, entlang der Südküste. Wieder eine Straße die ich vor fast vier Wochen in der anderen Richtung langgefahren war.
Schon bald war das kurze Asphaltstück rund um Krýsuvík hinter mir und auch die kleine Kirche hatte ich rechts liegen gelassen. Die steinige Piste war zwar ein wenig schwerer zu fahren, aber ich kam trotzdem deutlich schneller voran als zuvor. Der Wind kam jetzt mindestens von der Seite, zeitweise schob er mich noch mit an. Und auch wenn ich nichts um mich herum wahrnahm als Wolken ließ der Regen zeitweise ein wenig nach. Ich freute mich schon richtig heute abend alte Bekannte am Zeltplatz wiederzutreffen. Vor mir lag zwar noch ein ordentlicher Berg, kurz vor Grindavík, aber der schreckte mich auch nicht mehr.
Hinauf kam ich auch recht flott und problemlos auf den Berg. Und von oben hatte ich sogar eine recht nette Aussicht auf das Örtchen Grindavík weit unter mir. Als ich dann aber beim Hinunterfahren aus irgendeinem Grund mal eine kleine Pause machte merkte ich als ich weiterfahren wollte, daß mein Hinterreifen platt war. Ungefähr fünf Kilometer vor dem Zeltplatz bei Sturm und auf einer sandigen und steinigen Piste. Nunja, was blieb mir anderes übrig als abzuladen, das Rad auszubauen und meinen eigentlich noch frisch eingebauten Reserveschlauch zu flicken. Aber die Flicken wollten einfach nicht halten. und was ich auch probierte, ich brachte nur noch mehr kleine scharfkantige Sandkörnchen überall hin und die Flickstelle wurde unter diesen Bedingungen eher schlimmer als besser.
Der erstbeste Isländer der vorbeikam und den ich bat mich doch das Stückchen zum Zeltplatz mitzunehmen verstand erstmal gar kein Englisch (einer von zwei solchen Isländern die mir bisher begegnet sind) und versuchte mir dann auf isländisch klarzumachen, daß er in seinem Kleinbus keinen Platz für mich hätte. Nagut, was bleibt mir dann anderes übrig als zu Schieben und dann in aller Ruhe mit weniger Sand und vielleicht an einem trockenen windgeschützten Plätzchen nochmal das mit dem Flicken zu versuchen. Unterwegs schwor ich mir, wieder auf billige Thailändische Noname-Reifen und Schläuche umzusteigen. Mit denen hatte ich in vielen Jahren kein einziges Loch, und kaum hat man mal Schwalbe-Markenreifen an seinen Rädern wird der Urlaub zu einer anstrengenden Flickorgie.
Allerbester Laune kam ich dann nach einem kleinen Fußmarsch am berühmten kostenlosen Zeltplatz von Grindavík heraus. Insgesamt neun Stunden war ich seit dem Aufbruch heute morgen unterwegs und hatte etwa 50 Kilometer geschafft. Unter anderen Bedingungen ist das eher ein gemütlicher Nachmittagsausflug nehme ich an.
Dafür kamen mir Hagen und Thomas auf dem Zeltplatz schon entgegen. Netterweise versuchten sie sich schonmal an meinem platten Reifen, mit sowas hatte ich wohl kein Glück in diesem Urlaub. Währenddessen baute ich bei Sturm und neu einsetzendem Regen mein Zelt auf, das nach so vielen Tagen Regen und nass Einpacken und nass Aufbauen leider auch schon innen ein wenig feucht geworden war. Anschließend packte ich meine letzten Notreserven aus, eine 500g Packung Spaghetti. Die gabs für mich als Abendessen und wer wollte bekam was ab. Irgendwie teste ich in Grindavík jedes Jahr aufs Neue, wieviele Nudeln man wohl auf einmal in meinem kleinen Topf kochen kann. 500g sind zu viel.
Wir plauderten noch über alles mögliche was wir erlebt hatten und hofften mal, mein Hinterreifen hielt sich, wenigstens bis zum Flughafen morgen. Wir waren uns alle einig, das Wetter war nicht so richtig gut diesen Sommer in Island und so waren vier Wochen hier genug. Erstmal freuten wir uns auf ein paar Tage im warmen Deutschland. Außerdem machten wir einen kleinen Wettbewerb, wer denn die schönsten Frostblasen an den Fingern mit nach Hause nehmen würde, konnten uns aber nicht recht entscheiden. Daß es um uns herum weiter stürmte und regnete machte nichts mehr, was solls, is ja fast der letzte Tag.
Bilder der Tages:

24. August 2002
Abreise

Über Nacht hatte sich das Wetter gebessert. Der Wind hatte auf Nordwest gedreht, der Regen war abgeflaut, das letzte Stück nach Keflavík wollten wir gemeinsam in Angriff nehmen. Aber vorher gönnten wir uns noch ein letztes isländisches Softeis, auch wenn dafür in dem Laden extra für uns die Eismaschine angeworfen werden mußte.
Während wir später auf der 43 nach Norden an der dampfenden blauen Lagune vorbeiradelten warf ich immer wieder mistrauische Blicke auf mein Hinterrad. Irgendwo kam da immer noch Luft raus und langsam aber sicher wurde der Reifen wieder platt. Naja, bis zur Kreuzung mit der 41 hielt es noch ganz gut und mit ein wenig Nachpumpen auch noch auf dem vielbefahrenen letzten Stück bis zum Zeltplatz in Keflavík.
Dort gönnten wir uns eine warme Mahlzeit als Mittagessen, weil wir noch so viel Benzin über hatten in unseren beiden Kochern und weil dort am Regal so viele übriggelassene Sachen dazu einluden. Außerdem versuchte ich noch ein letztes Mal mein Glück mit meinem Hinterreifen, wir hatten noch eine ganze Weile Zeit bis zum Abflug und die letzten Kilometer zum Flughafen konnten wir fast von hier aus schon überblicken. Wir nutzten die letzte Zeit um Zuhause Bescheid zu geben und Adressen auszutauschen und um ein wenig in den vielen Gästebüchern zu blättern. Und natürlich für unser warmes Mittagessen.
Das Wetter war recht bewölkt, nieselig und kalt als wir zum Flughafen aufbrachen. Wieder Fliegen mit dem Fahrrad, das ist immer aufs Neue ein Glücksspiel und ein Heidenaufwand, alles möglichst gut zu verpacken. Ich hoffte ja auf die großen Plasitktüten, die es bei Icelandair immer kostenlos gab. Als ich dann aber nirgends die große Rolle sah und nachfragte wo die denn sei, wurde ich mal wieder richtig enttäuscht. Diese tollen Säcke sind nämlich nicht mehr kostenlos und so mußte ich meine letzten Kronen also für Verpackungsmaterial ausgeben. Na das hatte ich mir ja genau so schon immer mal gewünscht.
Immerhin, das Einchecken mit meinen vielen sicherlich übergewichtigen Sachen lief problemlos und auch die Wartezeit in der Abflughalle wurde mit den alljährlichen Tourismusumfragen wieder verkürzt. Schließlich saß ich denn im Flugzeug und nahm Abschied von Island. Nicht ganz so ungern wie letztes Jahr, es hatte wirklich nicht alles so geklappt wie ich mir das vorgestellt hatte dieses mal. Aber unvergessliche Erlebnisse konnte ich trotzdem mit nach Hause nehmen.
Als wir dann abhoben und schon bald in die dicken Wolken eintauchten war ich zuerst ein wenig enttäuscht. Ich hatte einen schönen Fensterplatz und sah doch nichts? Nach einem ganz kurzen Stück allerdings waren wir schon wieder heraußen aus den Wolken, ein blauer Himmel spannte sich darüber und man konnte sehen, daß die Wolken wirklich nur eine ganz dünne Schicht waren, auch wenn das von unten ganz anders aussah. An vielen Stellen hatte aber auch diese Wolkenschicht Lücken und man sah darunter die bizarren Lavafelder, große Seen, Gletscher und Bergspitzen, und die kleinen leeren Straßen die sich durch die Landschaft ziehen. Ich war heilfroh um meinen Platz und wollte um nichts in der Welt tauschen!
Bilder der Tages:

Statistik:
Reisezeit27.7.2002 - 24.8.2002 : 28 Tage
Übernachtungen im Zelt27
Zeltplätze17 + 3 mal wild zelten
Zelt auf-/abgebaut22
ausgegebenes Geldca. 1.000 EUR, inclusive Flug
Verwendete VerkehrsmittelEinmal Stadtbus in Reykjavík, sonst Fahrrad
zurückgelegte Strecke mit Fahrradca. 2000 km
zu Fuß (Wanderungen)ca. 100 km (?)
Strecke insgesamtca. 2100 km
Fotos2x24 4x36 Bilder (ergibt nach Adam Riese 201 Bilder)
Museumsbesuche4
WhaleWatching-Fahrten1
Gepäckca 20 kg + Fahrrad + Handgepäck
Pannen etc.ca. 5 platte Hinterreifen und 2 platte Anhängerreifen (meistens die selben Löcher) - und - eine kaputte Luftpumpe! Super!
Hering-Bilanzkeinen Hering gefunden, keinen verloren
Sonnentageca. 6, eher ein paar weniger
Regentageca. 12, eher ein paar mehr

Der Übersicht wegen gibt es diesen Reisebericht auf mehrere Teile aufgespalten:
Gesamt Teil 1 Teil 2 Teil 3

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last update Sat Oct 14 19:20:32 2006