31. Juli 2005 Anreise |
Ohne Fahrrad war die Anreise gar nicht so schlimm. Eigentlich sogar recht angenehm. Nicht zuletzt, weil ich mich mit einem alten Bekannten quasi verabredet hatte. Hagen, der mir schon 2002 in mehrfach begegnet war, wollte wieder mit dem Fahrrad nach Island und hatte wieder den selben Hinflug wie ich. Wir haben uns schon im Zug auf dem Weg zum Flughafen getroffen, und natürlich gleich gefachsimpelt über Hochlandrouten und Fotografieren und überhaupt. Beim Check-In am Flughafen Schönefeld ist mir außerdem recht bald ein Paar aufgefallen, die ähnlich erschreckend große Rucksäcke am Rücken hatten wie ich, und im Gegensatz zu den restlichen Reisenden keine tausend zusätzlichen Taschen umgehängt hatten. Die wollten auch Wandern, dachte ich mir. Und so war es auch. Frank und Sybille sind mir noch mehrfach wiederbegegnet, außerdem hat sich schnell herausgestellt, daß wir auch in 4 Wochen wieder gemeinsam zurückfliegen würden. Der Flug nach Keflavík war angenehm. Ich hatte wieder einen Fensterplatz, rechte Seite, und so konnte ich Anflug auf die Insel schon gleich mal meine Route überblicken. Nördlich des Vatnajökull war gute Sicht auf Snæfell, Kverkfjöll und den Sandsturm bei der Askja. Südlich und westlich war allerdings nichts als Wolken zu sehen. So landeten wir auch am frühen Nachmittag in völlig bewölkten aber trockenen Keflavík. Und da stand auch schon der erste Abschied der Reise an, denn Hagen wollte gleich von Keflavík aus losradeln, während Frank, Sybille und ich nach den Flybussen in Richtung Reykjavík Ausschau hielten. Auf dem Weg über die Reykjanes war beste Sicht, die Wolken standen hoch und die Reihe von Gipfeln südlich der Straße überragte wie eh und jeh die flache Lavalandschaft davor. In Reykjavík hatte sich hingegen schon wieder einiges verändert, und ich hätte das BSI-Terminal fast nicht wiedergefunden, vor lauter neuen Straßen. Dort am Terminal war eigentlich Umsteigen angesagt, weil der Busfahrer eigentlich nur Gästehäuser und Hotels anfahren wollte. Erst als ich ihm erklärte, daß ich "zum Zeltplatz direkt neben der Jugendherberge" wollte, ging das in Ordnung. Nach dem Zeltaufbau war es dann schon fast Abend. Falls der nächste Bónus heute überhaupt offengehabt hätte, hätte ich ihn bestimmt nicht mehr innerhalb der Öffnungszeit erreicht. Meine Besorgungen müsste ich also morgen erledigen, was sehr ungünstig war. Denn morgen war Bankfeiertag, einer der Tage, die am schlechtesten für einen Großeinkauf geeignet sind. Fürs erste begnügte ich mich also mit einer Flasche Coleman-Fuel für den Kocher und einem kleinen Abendessen vom 10-11 neben dem Zeltplatz. Eine kleine pyrotechnische Einlage beim Anzünden des Kochers erheiterte die Zeltnachbarn, ich schraubte die Benzinflasche nochmal ordentlich dicht, dann erst gabs Abendessen. Außerdem war während des Fluges meine Flasche Sonnencreme aufgeplatzt, und der Inhalt machte sich jetzt in meinem Deckelfach und vorzüglich meiner Mütze breit. Alles zusammen ein gelungener Start in den Urlaub. Ich wollte nur noch ins Bad nebenan und eine Stunde lang im Hot-Pot abschalten! Bilder der Tages:
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1. August 2005 Vorbereitung der Tour |
Es war weiterhin wolkig am nächsten Tag. Sehr wolkig. Aber immerhin trocken. Ich hab ein bißchen Skýr zum Frühstück gelöffelt, dann ging die Packerei los, denn ich wollte gleich heute weiterfliegen nach Höfn. Diesmal hab ich das Zelt nach außen gepackt, was ich während des langen Herfluges nicht unbedingt machen wollte. Somit hatte ich jetzt innen im Rucksack genug Platz fürs Essen, allerdings abgesehen davon ein absolutes Chaos. Bis ich auswendig wüßte wo welches Stück hinkommt, würden wohl noch ein paar Tage vergehen. Frank und Sybille hatten sich schon aus Deutschland zwei Kisten mit Trekkingfutter mitgebracht. Die wollten sie jetzt zum Busterminal bringen. Und ich wollte meinen fertig gepackten Rucksack dort irgendwo erstmal zwischenlagern und dann erkunden, wo ich mein Futter für die nächsten drei Wochen herbekommen könnte. Also sind wir zusammen zum BSI marschiert, 5km quer durch die Stadt. Und ich hab mich zum ersten mal fast richtig ausgekannt in Reykjavík, und mich nur ganz knapp um einen Häuserblock verlaufen. Immerhin sind wir angekommen. Meinen Rucksack zu lagern war natürlich kein Problem, also hab ich meine beiden Ortlieb Packsäcke als Einkaufstauschen rausgekramt und die restlichen 20kg erstmal unter Dach und Fach gewußt. Außerdem hab ich noch Frank und Sybille geholfen, "Nýidalur" auszusprechen, damit ihr Vorratspaket auch da ankommt, wo es hin sollte. Danach hab ich mich von den beiden verabschiedet, daß wir uns spätestens beim Rückflug wiedersehen würden war ja klar! Tja, normalerweise verlaufe ich mich ja regelmäßig in Reykjavík. Und daß ich wüßte, wo man dort günstig Lebensmittel einkauft, kann ich auch nicht wirklich behaupten. Natürlich kenne ich den Laugarvegur und auch den Bónus, den es dort gibt. Aber es war wie gesagt Bankfeiertag, also war da dicht. Überhaupt war überall alles dicht. Und auf den belebten Einkaufsstraßen war nirgends ein Mensch unterwegs. Hin und wieder ein paar an Kameraausrüstung und Outdoorjacke erkennbare Touristen, aber auch das waren wenige. Ich hab schließlich einen 10-11 gefunden, der immer offen hat. Und einen 11-11 auch. Beides nicht gerade billige Supermärkte, aber heute wohl die einzige Möglichkeit. Also hab ich kiloweise Nudeln, Müsli und Müsliriegel eingekauft, wobei der 11-11 eindeutig die bessere Auswahl an Müsliriegeln hatte. Beim Einkauf hab ich immer genau mitgerechnet, wann ich für welche Etappe was hätte und wieviele Reservetage dann noch übrig waren. War ein sehr eigenartiges Gefühl. Und das alles dann in zwei Ortlieb-Säcken zu verstauen. Ich möchte nicht wissen, was die Kassiererinnen von mir gedacht haben. Kiloweise Nudeln, und so viele Kekse dazu... Naja, alles noch zweimal zur Kontrolle durchgerechnet bin ich dann wieder zum BSI Terminal gelaufen. Dabei ist mir aufgefallen, daß das eigentlich erschreckend wenig ist, mit was ich da auskommen wollte. Insbesondere als ich dann alles versandfertig gepackt hatte, kamen mir Gewissensbisse. Also nochmal neu umgepackt, alles was ich hatte in die beiden Packsäcke verstaut, und mir vorgenommen, heute abend in Höfn nochmal für die ersten paar Tage bis zum Versorgungspaket einzukaufen. In Höfn gibts auch einen 11-11, den kannte ich schon. Als letztes noch eine Liste mit GPS-Koordinaten in jeden Packsack, einen kleinen Brief auf isländisch an die Hüttenwärter, dann abgeschickt. Einen zur Dreki-Hütte an der Askja, den anderen zur Hütte am Snæfell. Kein Problem meinte der Mann am Schalter. Na, ob das mal was wird, dachte ich mir. Den Flug nach Höfn für heute Abend hatte ich schon von Deutschland aus gebucht, bis zum Start hatte ich aber noch mehr als vier Stunden Zeit. In Downtown Reykjavík war heute nichts geboten, bzw. da war ich schon ausgiebig genug. Also bin ich in Richtung Flughafen losgestiefelt, wollte dort mein Gepäck irgendwie einchecken, was aber noch nicht ging, und stand dann also da mit dem Rucksack. Aber zum Glück hab ich von einem Fuß- und Radweg an der "Südküste" von Reykjavík gehört, der auch zum beheizten Badestrand führt, zwei neue Ecken der Stadt die ich noch gar nicht kannte. Der Fußweg war asphaltiert, führte tatsächlich südlich um den ganzen Flughafen herum, und war mit dem Rucksack am Rücken eine nette Übung vor die bevorstehende Tour. Den beheizten Badestrand hab ich auch gefunden, hatte aber keine Lust, dort noch zu baden. Am Rückweg bin ich zur Perlan hinaufgestiegen, dann war meine Runde um den Flughafen komplett. Eine halbe Stunde vor Abflug stand ich wieder im Terminalgebäude und konnte diesmal mein Gepäck einchecken. Der Flug hatte allerdings Verspätung, so daß ich noch eine volle Stunde rumsitzen und warten musste. Währenddessen kam eine ganze Horde richtig abenteuerlicher Gestalten an, allesamt mit sehr viel Gepäck, einige sicher 40kg und mehr. Einer hatte das sogar in vielen wasserdichten Tonnen verstaut. Irgendein Flug aus Grönland war angekommen, das war offensichtlich. Ich musste an ein paar Kommilitonen denken, die einige Zeit nach mir zu so einer "abenteuerlichen Expedition" nach Grönland wollten und wohl auch durch dieses Terminal mussten. Irgendwie ist mir Grönland aber ein bißchen unsympathisch, so als Abenteuerspielplatz für Erwachsene, und außerdem wollte ich nach einem Jahr Entzug unbedingt wieder nach Island. Außerdem war ein Jahr später wohl keine Gelegenheit mehr, in das Staudammgebiet zu kommen. Drum saß ich jetzt alleine da und muss mir dann selbst was einfallen lassen, wenn ich wirklich mal nach Grönland möchte. Über solche Betrachtungen verging auch die verlängerte Wartezeit. Nach dem langen Rumsitzen ging es endlich raus zu der kleinen Propellermaschine, die uns nach Höfn bringen sollte. Drin konnte man kaum aufrecht stehen, 20 Sitzplätze sollte das Ding haben, eine Sitzreihe auf jeder Seite. Jeder hatte einen Fensterplatz. Etwa 10 andere Passagiere waren noch im Flieger, allesamt Isländer und keiner hatte eine Outdoor-Jacke an. Ich kam mir richtig blöd vor. Naja, der Flug war unspektakulär. Außer Wolken in allen Größen un Variationen gab es absolut nichts zu sehen. Und als wir in Höfn landeten war Regenwetter, oder "súld" auf Isländisch. Der kleine gemütliche Flughafen war voll von Leuten, die auf den Abflug warteten, oder grade Verwandte abholten. Nur ich stand irgendwie verloren da, mit meinem großen Rucksack, und wurde von niemandem abgeholt. Bevor alle verschwunden waren hab ich kurzerhand den erstbesten gefragt, ob ich vielleicht mitfahren könnte in die Stadt. Ich hatte nämlich keine Lust, meine Wanderung mit 7km Farmland bei Regen zu beginnen. Und natürlich konnte ich mitfahren. Und wo es doch immer heißt, alle Isländer könnten Englisch, die nette Familie, die mich mitnahm, das waren nur die ersten auf der Reise, die sich nicht daran hielten. Mit meinem kläglichen Isländisch und deren bißchen Englisch konnten wir uns aber doch verständigen, und sogar über so komplizierte Themen wie das Wetter in Reykjavík und Höfn reden. Am Zeltplatz in Höfn bedankte ich mich nochmals bei meinem "Taxi". Nachdem es nicht so aussah, als wollte es jede Minute mit dem Regnen aufhören, hab ich das Zelt einfach bei Regen aufgebaut. Direkt neben mir stand noch ein knallrotes Zelt mit einem Paar gut verpackter Skier davor, das mir irgendwie gleich auffiel. Aber den Besitzer konnte ich nicht ausmachen. Also bin ich erstmal zum zweiten Großeinkauf des Tages losmarschiert und kam kurz danach mit zwei Plastiktüten Beute zurück. Noch mehr Nudeln, noch mehr Müsli, noch mehr Kekse. Und ein paar leckere Kjötbollur fürs Abendessen. Ich hab mich noch kurz mit einigen Radlern unterhalten, die nicht ganz glücklich dreinschauten, mich erkundigt, wann der Bus morgen in die Lónsöræfi fahren würde, nochmal die ganze Ausrüstung durchgeschaut und die Tagesrationen gezählt, dann unruhig geschlafen. Immerhin, mein altes Zelt hielt immer noch trocken und warm war es hier unten an der Küste auch einigermaßen. Bilder der Tages:
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2. August 2005 Lónsöræfi |
Am nächsten Morgen war immer noch Regen angesagt. Immerhin gab es hin und wieder eine kleine Pause, so daß ich voller Hoffnung erstmal gemütlich Skýr frühstückte. Als ich dann mit dem Packen angefangen wollte, war natürlich wiedermal keine Regenpause. Naja, erstmal konnte ich noch in aller Ruhe im trockenen Zelt versuchen, meine ganzen Nahrungsvorräte in den Rucksack zu stopfen. Nach dieser logistischen Meisterleistung war aber immer noch Regen, und das Zelt würde ohnehin nicht trocknen, bis der Bus abfuhr. Und dummerweise musste ich mich an den Fahrplan halten. Das nasse Zelt also außen an den Rucksack dran und noch die Regenhülle drüber, dann war ich abfahrbereit. Während ich auf den Bus wartete, hab ich auch den Skifahrer wiederentdeckt. Ich fragte ihn gar nicht erst nach dem Namen, weil ich mir Namen sowieso nicht merken kann, aber im nachhinein hab ich erfahren, daß es Martin Hülle war, falls den jemand kennt. Jedenfalls wollte er schnellst möglich zum Snæfell und von dort aus per Ski über den Vatnajökull. Irgendwo bei Jökulheimar oder dem Langisjór wollte er dann rauskommen und noch irgendwie das Stückchen nach Landmannalaugar schaffen. Er hatte eine Unmenge Ausrüstung dabei, vor allem natürlich Lebensmittel für die gesamte Tour. Das meiste davon konnte er unterwegs natürlich auf einer Pulka transportieren, und bei dem letzten Stück ohne Gletschereis wären die Vorräte ja dann aufgebraucht, meinte er. Naja, ich wünschte ihm jedenfalls noch viel Glück! Mein Bus zur Múlaskáli war nicht schlecht besetzt. Etliche Tagestouristen kamen mit den Mietwagen zum Zeltplatz angefahren, und wollten auch noch mit. Insgesamt waren wir etwas über 10 Fahrgäste und ein isländischer Fahrer. Ich war der einzige Wanderer und hatte dementsprechend auch den einzigen großen Rucksack dabei. Pünktlich um halb neun gings los. Erstmal auf die Ringstraße, dann durch den neuen Tunnel an der Allmannaskarð, und nördlich des Austrarhorns war es dann auch schon fast ein bißchen sonniger. Zumindestens leuchteten die Weiden zu beiden Seiten der Straße recht sonnig. Im Tal der Jökulsá í Lóni bogen wir von der Ringstraße ab, und der Weg wurde sehr bald sehr holprig. Außerdem kamen wir an etlichen nicht weiter beschilderten Kreuzungen vorbei, Schotterpiste links, Schotterpiste rechts, Schotterpiste geradeaus. Vor 6 Jahren war ich die Strecke schonmal gefahren, hatte sie aber irgendwie anders in Erinnerung. Diesmal fuhren wir recht bald direkt neben dem Fluß entlang, ein paar mal auch durch kleinere Seitenarme die es bis an den Talrand geschafft hatten. Der Hauptarm in einem Kilometer Entfernung war aber immer zu sehen, und dazwischen eine weite Ebene aus Kies, Sand und kleinen Flüsschen. Nicht sehr einladend. Ich wunderte mich schon die ganze Zeit, ob der Bus heute wohl ganz alleine unterwegs wäre, und auch an der Furt war kein anderes Begleitfahrzeug zu sehen. Wenigstens hatten wir einen dieser riesigen Hochlandbusse, wo man erstmal zwei Meter klettern muss, um die Tür zu erreichen. Und das war auch gut so, denn vor uns lag jetzt "die Furt". Durch die Skyndidalsá sollte es gehen, und als ich das letzte Mal dort war, wusste ich schon, daß ich den Fluss lieber nie zu Fuß durchqueren wollte. Heute war er vergleichsweise harmlos, und unser Busfahrer, der die Strecke täglich fährt, musste nur etwa eine Viertelstunde lang im Fluss herummanövrieren, bis er eine günstige Stelle gefunden hatte. Ich machte mir schon fast Sorgen um meinen Rucksack unten im Gepäckraum, aber die Türen und Luken müssen bei so einem Bus natürlich wasserdicht versiegelt sein. Hinter der Furt ging es dann auf den Eskifell zu und langsam in vielen Windungen auf die Kjarrdalsheiði hinauf. Nichts für Leute mit Höhenangst. Aber von dort oben hatte man eine prima Aussicht. Und unter anderem hab ich dabei eine (Fußgänger-)Brücke entdeckt, die wohl beim Austurskógar von Norden her über die Jökulsá í Lóni führt. Ärgerlich, denn wenn ich das vorher gewußt hätte, hätte ich die Busfahrt eingespart und wäre noch zwei Tage mehr gewandert, von Stafafell zum Austurskógar und weiter zur Múlaskáli. Aber auch so erreichten wir bald den Parkplatz auf dem Illikambur. Und somit das Ende der Straße. Hier mussten alle aussteigen und es ging endlich zu Fuß los. Also hab ich den schweren Rucksack gesattelt und die Wanderstöcke ausgepackt, und dann noch drauf gewartet, daß die anderen alle ihre Regenjacken herausgekramt und angezogen hatten. Nieselregen. Die Hütte konnte ich schon bald sehen und die ersten paar hundert Meter steil bergab ins Tal waren auch problemlos zu laufen. Unten angekommen war es aber ziemlich anstrengend, gemeinsam mit den anderen zu gehen, die alle nur einen leichten Tagesrucksack dabei hatten. Die ersten paar Bäche waren auf Steinen allesamt einfach zu überqueren. "Die ersten, und tausend weitere kommen noch", scherzte der isländische Busfahrer. Kann durchaus sein, daß es noch tausend wurden, einige Stunden später hab ich bei zehn aufgehört zu zählen. Über die (Fußgänger-)Brücke kamen wir schnell zur Hütte Múlaskáli. Ein englischer Wandertrupp wartete dort bereits und die isländische Hüttenwirtin Helga. Die wusste gleich gar nichts, als ich nach dem weiteren Weg fragte, der Guide der Engländer meinte, ich sollte nicht versuchen, zwischen Geldingafell und dem Eyjabakkarjökull über den Gletscher auszuweichen. Und die Engländer, die er geführt hatte, wünschten mir schonmal viel Spaß bei den Furten, die ich dann durchqueren müsste. Mein Mut sank ein bißchen, aber das werden wir ja mal sehen, wenn ich dort bin. Meine Busgruppe hatte noch einen "guided Tour" in die nähere Umgebung auf dem Programm, und nachdem ich heute nicht mehr zur nächsten Hütte losmarschieren wollte, ließ ich den schweren Rucksack in der Hütte zurück und folgte den anderen nur mit der leichten Fototasche als Gepäck. Während wir durch die Krüppelbirkenwälder am Fluß entlang gingen, kam doch tatsächlich immer mehr Sonne durch die Wolken, und es war dann eine Zeit lang richtig schönes Wetter. Wir gingen natürlich zu der "großen Attraktion" der Lónsöræfi, einer ehemaligen Magmagangfüllung, die heute als Basaltmauer die übrigen Schichten senkrecht zerteilt. Diese Basaltmauer verlief in den Fluß hinein und zu beiden Seiten des Tales noch ein gutes Stück weiter. Und auf einem abenteuerlichen Kletterstieg konnten wir sogar ein Stück weiter hinauf, wo ein schöner Wasserfall den gefüllten Gang als Bachbett nutzte. Und in einer Rutsch- und Schlitterpartie ging es an anderer Stelle wieder ins Flusstal hinunter. Lustig, so ohne Gepäck. Aber der Bus musste sich an seinen Fahrplan halten und die Gruppe drehte um in Richtung Múlaskáli. Die englische Gruppe wollte ebenfalls mit dem Bus zurück in die Zivilisation, und die Hüttenwirtin auch. Sie meinte, ich hätte die Hütte wohl für mich alleine heute Nacht, von einer weiteren Wandergruppe wusste sie nichts. Na, das klang ja nicht schlecht, auch wenn mir zum ersten Mal ein Fehler bewusst wurde: Ich hatte gedacht, wo ich im Hochland was bezahlen könnte, da kann ich mit Karte zahlen. Hier nicht. Die einzige bemannte Hütte, wo mir das in Island jemals passiert ist. Naja, Kontonummer aufgeschrieben, und vorgenommen, das am Ende der Reise zu überweisen. Jedenfalls bekam ich noch das restliche Mittagessen der englischen Gruppe, und dann waren plötzlich alle weg und ich hatte die Hütte für mich alleine. Nachdem ich mein Zelt im Vorraum ein wenig zum Trocknen aufgehängt hatte, machte ich mich auf den Weg, noch ein wenig die nähere Umgebung zu erkunden. Einen Rundwanderweg zum Stórihnaus sollte es geben, der angeblich 2-3 Stunden dauern sollte. Direkt hinter der Hütte ging es auf den Berg hinauf, und einen Teil der Strecke hatte ich schon von der anderen Flußseite beim Abstieg vom Parkplatz gesehen. Hoch über dem Fluß ging es hier an einem steilen Hang entlang, bis ich endlich wieder auf sicherem, grün bewachsenen Boden war. Ein Stück weiter stand ich vor der nächsten tief eingeschnittenen Schlucht, der Meingíl. Am oberen Ende plätscherte der kleine Bach, der die Schlucht ausgegraben hatte, über mehrere schöne Wasserfälle hinunter. Das war mein nächstes Ziel. Von den Wasserfällen ging es auf einem leicht ersichtlichen Pfad um einen kleinen sumpfigen Bergsee herum, hinter dem sich der Ausblick wieder flußaufwärts ins Tal der Jökulsá öffnete. Und direkt zu meinen Füßen ging es in die nächste unüberquerbare Schlucht hinunter, Stórahnausgíl. Sehr beeindruckend konnte man hier die ebenmäßigen, tertiären Schichten betrachten, durch die sich wiedermal die eine oder andere Gangfüllung als deutlicher Einschnitt oder deutliche Basaltmauer zog. Mit den gelegentlichen kurzen Sonnenblicken, die sich durch die Wolken immer wieder zeigten, ein ziemlich beeindruckender Anblick. Endlich wieder Island! Der weitere Weg ging nur noch geradewegs bergab, durch leichtes Geröll zurück zur Múlaskáli. Nachdem ich bergab musste, war es ein Heidenspaß, hinunter zu rennen auf daß die Steine durch die Gegend flogen. Aber bergauf sicher sehr lästig. Während ich noch bergab zur Hütte unterwegs war, konnte ich auf dem Fußweg unten am Fluß ein paar vereinzelte leuchtende Wanderer sehen, die offensichtlich von der nächsten Hütte Egilssel kamen und auch unterwegs waren zu "meiner" Hütte. Also doch keine einsame Nacht im Hochland. Ich packte mein ausgebreitetes Zelt wieder ein und suchte meine sieben Sachen zusammen, die ich schon über die ganze Hütte verstreut hatte. Gerade noch rechtzeitig, bevor der erste Wanderer mich mit "Góðan daginn" begrüßte. Auch wenn ich mich noch so anstrengte, die Antwort genauso fließend isländisch klingen zu lassen, seine nächste Frage war "So, you are not icelandic?"... irgendwas muss ich wohl falsch gemacht haben. Kurz und gut, sehr bald waren auch die anderen 11 Wanderer angekommen und hängten ihre triefenden Jacken und Regenhosen in "meinem" Vorraum auf. Abgesehen von einem niederländischen Paar waren alles Isländer, und sie hatten beim Parkplatz auf dem Illikambur einige Vorratspakete deponiert, sagten sie. Ich hatte diese zwar nicht gesehen, aber zwei Stunden später kam der ausgesandte Spähtrupp mit gut gefüllten Rucksäcken zurück. Lammfleisch, Kartoffeln, frisches Gemüse. Sie wollten hier zwei Tage bleiben und das glückliche Ende ihrer Tour ein bißchen genießen. Natürlich fiel auch für mich halbe Portion noch was vom Abendessen ab, und wir hatten einen recht lustigen Abend auf der Hütte. Auf ihrem Weg hatte die Gruppe bis heute übrigens bestes Wetter. Sie waren über den Gletscher gelaufen, anstatt durch die Gletscherflüsse wie die Engländer, und hatten dabei auch noch eine prächtige Aussicht. Na, das machte mir ja wieder ein bißchen Mut für meine eigene Tour, die Morgen endlich so richtig losgehen sollte. Bilder der Tages:
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3. August 2005 nach Egilssel |
Die Nacht über war es in der Hütte ziemlich warm. Dafür war es draußen umso kälter und nässer, am nächsten Morgen genauso wie Tags zuvor. Irgendwann gegen Abend hatte es sich eingeregnet und heute Morgen wollte und wollte es nicht wieder aufhören. Ich ließ mir also Zeit beim Frühstücken, und so langsam wurden auch die Isländer einer nach dem anderen wach. Gegen 10 Uhr verabschiedete ich mich dann aber doch endlich, eingepackt in Regenjacke und Regenhose und mit Regenhülle überm Rucksack. Ich wusste noch nicht, daß das die letzten Menschen für die nächsten drei Tage waren, freute mich aber andrerseits auch, daß ich endlich alleine unterwegs war und meine Wanderung beginnen konnte. Das erste Stückchen ging auf dem altbekannten Pfad am Fluss entlang, der selbe Weg, den die Bus-Gruppe am Tag zuvor schon als ultimatives Lónsöræfi-Erlebnis gegangen war. Auf dem Pfad an den Geröllhängen entlang und durch die Krüppelbirkenwälder fand ich mich langsam mit dem schweren Rucksack ab, den ich die nächsten Wochen tragen würde. So schlimm fand ich ihn noch gar nicht. Unterwegs ging es auch über die nächsten paar kleinen Bäche, tausend weitere wurden mir ja schon prophezeit, aber solange die sich alle so einfach auf Steinen überqueren ließen, hatte ich nichts dagegen. Ich konnte den gelben Wegmarkierungen unten direkt am Fluss entlang folgen. In einigen Reiseberichten hatte ich von steilen Kletterpassagen gelesen, aber begegnet sind mir diese nicht. Eigentlich war die Strecke sogar sehr angenehm, eben und abwechslungsreich. Mal ging es wieder durch dichten Wald, also ein paar Krüppelbirkenbüsche mit ner Menge Gras dazwischen, zeitweise über den Kies im Flußtal. Gelegentliche Stufen über Wurzeln waren noch die größte Schwierigkeit. Aber nach den nächsten zwei drei Kilometern änderte sich das langsam. Es ging immer mehr bergauf und wurde langsam auch immer steiler. Laut Karte sollten hier etwa 600 Höhenmeter auf die Leiðartungur folgen. Aber eigentlich hatte ich kein Problem, mit Sack und Pack aufwärts zu steigen. Ich genoss eher die immer besser werdende Aussicht, auch wenn es natürlich immer noch überwiegend regnerisch und trüb war. Nach dem ersten Bergabsatz hatte ich die größere Vegetation hinter mir gelassen, und es gab nur noch Moose, Flechten und ähnliches Kleinzeug. Darüber ragte der erste Wegmarkierungs-Steinhaufen deutlich heraus und in dessen Regenschatten machte ich dann auch gleich eine Pause. Der Hausberg der Múlaskáli-Hütte, den ich tags zuvor umrundet hatte, verschwand zusehends aus meinem Blickfeld. Dafür konnte ich jetzt vor mir jenseits des Canyons der Jökulsá í Lóni mit dem Axarjökull den ersten Ausläufer des Vantajökull erahnen. Allerdings war der weitaus größte Teil des Gletschers noch in dichten Wolken verborgen. Vor mir war schon von Weitem der nächste große Bergabsatz zu erkennen. Weiter oben am Hang gab es sechseckigen Säulenbasalt, und der bröckelte so langsam herunter und hatte sich schon auf dem ganzen Hang breitgemacht. Überall alles sechseckig, in alle Richtungen. Ein sehr ungewohnter Anblick. Aber der Weg führte zum Glück nicht geradewegs hindurch, sondern in weitem Bogen an den Felsen vorbei, weiter durch niedrige Pflanzen, Moos und spärliches Gras. Unterwegs kam ich an einer kleinen Abzweigung auf den Kollumúli vorbei, oder zumindest stand das auf dem Schild. Da wollte ich heute nicht hin, also ging es geradeaus weiter. Sehr bald war ich am oberen Ende des Bergabsatzes angekommen und stand an der nächsten Kreuzung. Der Fußweg ging geradeaus weiter und die gelben Wegmarkierungen in schafem Bogen rechts ab. Ich war ein bißchen verwirrt, aber die Fußspuren mussten wohl geradewegs zum Tröllakrókahnjúkur führen, wähernd die Wegmarkierungen der Richtung nach definitiv zu meiner nächsten Hütte führten, Egilssel. Ich folgte also den gelben Punkten, mittlerweile durch eine ziemlich öde Steinlandschaft. Vorbei an einem kleinen See, der sicher bei besserem Wetter ausgetrocknet wäre, ging es noch eine Weile schnurgeradeaus. Dann konnte ich vor mir schon den Kollumúlavatn erkennen, ein größerer See in einem vergleichsweise üppig grasgrünen Tal. Und neben dem See war ein kleiner heller Fleck, die Hütte Egilssel. Ich musste nur noch bergab und schnurgeradeaus gehen. Naja, fast. Ein paar steile Felshänge waren auch noch dabei, wiedermal sechseckiger Basalt und diesmal ging es im Zickzack quer durch. Außerdem musste den Wegbeschreibungen nach irgendwo vor der Hütte noch der Abfluss des Sees liegen. Und der war bisher noch nicht zu sehen. Und zu hören war auch nichts außer dem Geprassel des Regens. Erst als ich direkt davor stand, sah ich den Bach. Außerdem sah ich einige verlockende Steine quer hindurch, die mir das Furten so kurz vor meinem Tagesziel ersparen könnten. Mit den Stöcken als Stütze schaffte ich es auch wirklich, trocken hinüber zu kommen. Dann noch ein paar Schritte nach oben und ich war in der Hütte. Erstmal war die Hütte natürlich mit Holzläden und einer dicken Schraube "verschlossen" und ich musste auch die Fensterläden erst aufmachen. Aber bei genauerer Inspektion und mit ein bißchen Licht innen drinnen fand ich sie dann richtig niedlich. Als erstes fielen mir fünf große blaue Tonnen im Vorraum auf, von denen mir sowohl die Engländer als auch die Isländer bereits erzählt hatten. Das Reiseunternehmen der Engländer hatte die Tonnen hier herauf geschickt, randvoll mit Essen. Nudeln, Kekse, Schokolade (!), scharfe Mexiko-Sauce, Burritos, Nutella... Und leider leider leider sind wohl nur wenige der geplanten Touren zustande gekommen, so daß sich jetzt jeder von den überflüssigen Vorräten bedienen konnte. Das stand auch nochmal extra auf einem Zettel neben den Tonnen. Hmmmm... ich hätte glatt die nächsten Wochen hier wohnen können. Naja, wo ich noch in den ganzen nassen Sachen war, machte ich gleich nochmal eine kurze Runde in der Umgebung der Hütte. Die Tagesetappe war recht kurz gewesen und trotz der Steigung empfand ich sie nicht als anstrengend, eben eine gute Etappe zum warm werden. Also bin ich mit den Fotosachen nochmal raus, es schien nämlich grade auch ein wenig schwächer zu regnen als den restlichen Tag. Irgendwo hinter der Hütte musste es hinunter ins Viðidalur gehen und am Fuß des Tales sollten die Ruinen eines verlassenen Hofes zu sehen sein. Das wollte ich mir zumindest mal von oben anschauen. Ich fand recht bald eine Steinwarte, die vielleicht den Abstieg ins Tal markierte. Aber als ich das Tal dann vor mir sah, wollte ich lieber doch nicht mehr ganz da runter und vor allem danach wieder nach oben laufen. Statt dessen bin ich am oberen Rand des Tales entlanggelaufen zum Abfluss des Kollumúlavatn. Der hat sich dort seinen Weg durch malerische Basaltformationen gebahnt, und bei denen knipste ich ein wenig vor mich hin. Nicht allzu lange, da goß es schon wieder in Strömen. Ohne die Ruine im Tal gefunden zu haben machte ich mich schleunigst wieder auf den Weg in "meine" Hütte. Klarer Fall, heute wird nicht gezeltet! Statt dessen hab ich mit dem großen Eimer Wasser vom Bach geholt, draußen die großen Gaskartuschen auf Flamme gestellt, und mir ein leckeres Abendessen zubereitet. Leider war auch das viele Essen aus den Tonnen meist eher langhaltbares Trockenfutter, wie Nudeln. Die verderblichen Sachen waren alle weg. Aber für ein bißchen was dazu zu den Nudeln hat es allemal gereicht. Nach dem Abendessen hab ich vergeblich versucht, den Holzofen anzuwerfen, bzw. mich dabei unheimlich dumm angestellt, mir danach im kalten Bach draußen den Ruß von den Händen gewaschen, und mich dann in alle meine Pullover gehüllt bei Kerzenlicht über meine Reiselektüre hergemacht. Irgendwann zu später Stunde dann ab in den Schlafsack, der bei diesen Temperaturen genau im Komfortbereich war. Ich hörte noch lange dem Regen zu, wie er auf Dach trommelte. Ansonsten weit und breit keine Menschenseele und absolute Ruhe. Bilder der Tages:
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4. August 2005 nach Geldingafell |
Irgendwann über Nacht hat es wohl zu regnen aufgehört, und es gab fast ein bißchen Sonnenschein, als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin. Mit dem Nutella aus einer der blauen Tonnen war die Welt also fast perfekt. Ich überlegte mir ernsthaft, ob ich nicht doch meinen restlichen Urlaub hier auf der Hütte verbringen sollte. Aber ich bin natürlich doch aufgebrochen, hab die Hütte noch schön saubergemacht, aber, was mir ein paar Kilometer später eingefallen ist, vergessen, die Gaskartuschen außen an der Hütte wieder zu verriegeln. Mit dem schweren Rucksack machte ich mich auf, zunächst wieder auf den selben Steinen durch die Múlaþverra auf die Südseite des Kollumúlavatn. Dort irgendwo führte der weitere Weg zur Hütte Geldingafell und zum Snæfell entlang. Wegmarkierungen gab es allerdings keine mehr. Und eine ausgetretene Fußspur auch nicht. Das war ein bißchen Neuland für mich, so ganz ohne Weg unterwegs zu sein, deswegen hab ich mich anfangs recht oft per GPS selbst versichert, daß zumindest die Richtung stimmte. Erst im Laufe der Zeit nahm mich die Landschaft mehr und mehr gefangen und ich verzichtete auf den elektronischen Schnickschnack. Südlich des Kollumúlavatn ging es also vorbei, dann geradewegs nach Westen auf eine breite Passhöhe zu. Unterwegs querte ich immer wieder kleinere Bäche und grünbemooste Täler, kam an ein paar kleinen Seen vorbei, und musste gelegentlich auch über kleinere Stein- und Geröllfelder. Aber eigentlich ging es ganz gut vorwärts, trotz des ständigen auf und ab. Und so langsam öffnete sich vor mir wieder der Canyon der Jökulsá í Lóni mit den Ausläufern des Vatnajökull dahinter. In einer kleinen grünen Senke vor dem Canyon lag ein idyllischer keiner Bergsee, am jenseitigen Rand des Canyons stürzte ein malerischer Wasserfall zu Tale, darüber das Gletschereis und ein blau-weißer Himmel... Alleine für diesen Anblick lohnt es sich, den ganzen Tag zu wandern. Am oberen Canyonrand sollte jetzt mein Wanderweg weiterführen, bis ich zu einem größeren Bach mit dem Namen Vesturdalsá käme, mit einem schönen Wasserfall darin. Und unterwegs gab es eine tiefe Kerbschlucht, die ich möglichst weit oben umgehen sollte. So stand es einvernehmlich in allen Reiseführern und -berichten die ich gefunden hatte. Allerdings stand nicht drinnen, daß ich dabei fast durchgehend auf groben Geröllfeldern laufen müsste. So stolperte ich mehr schlecht als recht über die Steine, hielt mich weit oberhalb der Kerbschlucht, und fand dort sogar ein paar Fußspuren in einem Altschneefeld. Also ist das wohl doch der normale Weg, auch wenn mir das Geröll fast den ganzen Spaß an der Landschaft wieder verderben konnte. Als ich noch ein Stückchen weiter war, konnte ich schon den Einschnitt der Vesturdalsá erkennen. Dummerweise hatte ich bis dahin noch ein paar weitere unangenehme Geröllfelder vor mir. Immer wieder blieb ich mit den Stöcken zwischen Steinen hängen, und schleppte sie mehr als unnützen Balast mit mir. Andrerseits kamen auch gelegentlich Steine ins Kippeln, so daß die Stöcke doch wieder sehr hilfreich waren, das Gleichgewicht zu behalten. Irgendwann kam, was ich schon lange erwartet hatte, ich fiel auf die Nase, oder bessergesagt seitlich und halb auf meinen Rucksack. Sehr unangenehm, irgendwie hatte ichs geschafft, mich bei der ganzen Aktion an der Hand aufzuschürfen, und die kleine Schramme wurde ich bis zum Ende der Reise nicht mehr recht los. Naja, hätte schlimmer kommen können, und kurz danach machte ich eine ausgiebige Pause an der Vesturdalsá, mit frischem Trinkwasser aus dem Bach und einmal Rucksack absetzen. Im Laufe des Tages zog es aber auch immer mehr zu, und von dem schönen blauen Himmel, den ich grad eben noch hatte, war nicht mehr viel übrig. Als ich grade ein paar Meter am Bach entlang gegangen war, um den schönen Wasserfall ein bißchen besser fotografieren zu können, fing es auch schon leicht an zu tröpfeln. Außerdem wehte ein starker Wind und beim Fotografieren mir wurde richtig kalt. Also schnell zurück zum Rucksack und weitermarschieren. Der kleine Bach, an dem ich Pause machte, war eigentlich nur ein Nebenfluss der Vesturdalsá. Den konnte ich bequem auf ein paar Steinen überqueren. Der Hauptarm lag aber noch vor mir, und eigentlich dachte ich, nicht weit von mir eine Stelle gesehen zu haben, wo ich den vielleicht auch noch bequem auf Steinen überspringen konnte. Aber der offizielle Weg ging auf dieser Seite entlang, und wenn mir schon hier so eine Stelle geradezu vor der Nase lag, dann könnte ich bestimmt noch ein Stück weiter flußauf gehen, wo es laut den Berichten immer einfach rüber ginge. Der Fluß war mehr oder weniger eine Aneinanderreihung von kleinen Seen, und zwischen den Seen floß er jeweils rasch und flach über ein paar Steine. Und neben den Seen konnte man eigentlich auch ganz gut über den feineren Schutt gehen. So kam ich noch etwa einen Kilometer gut voran. Dann stand ich am Fremstavatn, einem richtigen, großen See, aus dem auch die Vesturdalsá abfloss. Genau dort am Ausfluss war ein kleiner Pegelmesser angebracht, und dort sollte man leicht rüber kommen. Naja, leicht schon, aber nicht mit trockenen Füßen. Und eigentlich war ich auch seit einem Kilometer nicht mehr an einer Stelle vorbeigekommen, wo ich mich trockenen Füßen rübergekommen wäre. Besonders angenehm war, daß es genau jetzt auch noch richtig zu regnen anfing, im Gegensatz zum leichten Tröpfeln bisher. Beste Vorraussetungzen also, die Wat-Sandalen herauszukramen, Schuhe aus, und ab durchs kalte Wasser zu gehen. Irgendwie ärgerte ich mich richtig. Aber wenigstens kam ich in einem Zug durch, und musste nicht, wie mit dem Fahrrad, Furten in drei Zügen. Der weitere Weg ging am Süd- und Westufer des Fremstavatn entlang, und dann über eine trostlose Steinwüste weiter nach Nordwesten. Das Geröll war meistens nicht mehr ganz so grob und unangenehm wie zuvor, aber mit dem Regen kam trotzdem keine richtige Freude bei mir auf. Außerdem hatte ich Gegenwind, aus Nord bis Nordost. Ich war zwar warm und trocken eingepackt, aber angeblich hätte ich schon seit längerem den Snæfell irgendwo vor mir aufragen sehen sollen, mein nächstes größeres Etappenziel. Statt dessen nichts als Wolken, schwarze Steine und zwischendrin ein bißchen Moos. Ich wanderte also entlang der Seen Fremstavatn, Miðvatn und Innstavatn, wobei ich jeweils nur an ganz kleinen Bächen vorbei kam, die meistens komplett mit Moss überwachsen waren. Vor dem nächsten See, dem Kelduárvatn, kam ich sogar wiedermal an einer Steinwarte vorbei. Und ab hier ging es auch wieder leicht bergab, was ich vor allem an der Fließrichtung der Bäche merkte. Außerdem hatten die Bäche deutlich mehr Wasser als zuvor, und manches mal hatte ich fast Probleme, trocken drüber zu kommen. Einmal ging das nur noch, nachdem ich einen Stein als zusätzliche Trittstelle eingebaut hatte. Irgendwo unterwegs in Regen und Nebel hatte ich vor lauter Steinen auch mein Zeitgefühl verloren. Meiner Meinung nach hätte ich schon längst die nächste Hütte, Geldingafell, zumindest sehen sollen. Verfehlen konnte ich sie eigentlich nicht, ich lief am Westufer der Kelduá und bei der Hütte musste von noch weiter westlich die Blandá hinzukommen. Beides Flüsse, die man wohl nicht so einfach auf Steinen überspringen konnte. Nach einer halben Ewigkeit stand ich endlich auf einem kleinen Bergkamm und direkt zu meinen Füßen lag die gelb-rote Hütte. So schön der Tag auch angefangen hatte, das letzte Stück durch Nebel und Regen war irgendwie zu trostlos, so daß ich mich schon lange nur noch nach dieser Hütte sehnte. Im Vorraum hab ich erstmal meine nassen Sachen ausgezogen. Darunter war alles angenehm trocken. Ich machte mich gleich über den Holzofen her, der als Heizung und Kochstelle diente, und dank des Benzinkanisters direkt daneben, verstand ich diesmal auch, wie man das Ding am besten zum Laufen bringt. Im Nu war es angenehm warm herinnen, ich machte noch die Fensterläden ringsherum auf, ging kurz raus zum Bach um einen Eimer Wasser zu holen, und freute mich auf eine trockene und warme Hüttennacht. Auch hier standen übrigens wieder einige große blaue Tonnen mit Essen herum, aber die besten Leckereien waren wohl schon aufgebraucht. Außerdem wollte ich endlich meine eigenen Vorräte ein bißchen dezimieren, damit ich in Zukunft weniger zu Schleppen hätte. Also gab es heute mal wieder Nudeln. Und nach dem Abendessen studierte ich noch ein wenig die diversen Karten, die ich dabei hatte und die hier deponiert waren. Morgen könnte noch ein ziemlich interessanter Tag werden, mit Gletscher oder Gletscherflüssen, und ich konnte mich nicht entscheiden, was davon bei dem Wetter das kleinere Übel war. Bilder der Tages:
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5. August 2005 Eyjarbakkar |
Am nächsten Morgen war das Wetter auch nicht wirklich einladend. Es war ziemlich kalt, dicht bewölkt, aber immerhin trocken. Ich hatte drei Optionen, von hier aus zur Hütte am Snæfell zu kommen. Bei der Planung war mir die Möglichkeit, an der Blandá entlang nach Süden und dann über den Gletscher zu gehen die sympathischste. Die Engländer hatten mir davon abgeraten, die Isländer waren diesen Weg gelaufen und hatten noch eine wunderbare Aussicht dabei. Aber bei der Bewölkung, die ich heute hatte, war mir eine Gletschertour dann doch zu heikel, wenn man so gar nicht sieht, ob man geradewegs auf ein Spaltengebiet zuläuft oder nicht. Die andere Option war, am Nordrand des Gletschers durch etwa 6 Flüsse zu furten, dann auf dem selben Weg wie weiter oben über den Eyjabakkajökull. Ich mag Furten aber nicht besonders, und in Anbetracht der momentanen Temperaturen strich ich auch diese Variante. Als dritte Möglichkeit könnte ich zu den Eyjarbakkar laufen, dem Abflussgebiet des Eyjabakkarjökull, und dort im Grasland entlang der Jökulsá í Fljótsdal bis ich zur Baustelle für den neuen Staudamm Ufsárlón käme. Dort müsste ich über eine Brücke, und käme dann von Norden her zur Snæfellsskáli. Vielleicht keine besonders reizvolle Route, aber bei den beiden anderen Alternativen war mir das dann doch noch die liebste. Den ganzen Tag in der Hütte rumsitzen und auf besseres Wetter warten kam gar nicht in Frage! Also packte ich meine sieben Sachen, verabschiedete mich mit einem Gästebucheintrag von der Hütte, kehrte nochmal ordentlich aus und machte mich auf den Weg. erstmal konnte ich ein paar Jeep-Spuren nach Norden folgen und mir eine schöne Furt durch die Blandá suchen. So zum wachwerden einmal quer durch einen Gletscherfluss, das verfehlt seine Wirkung nicht! Mit kalten Füßen folgte ich noch ein wenig den Jeep-Spuren nach Norden, aber die verloren sich recht bald und ich wollte ohnehin weiter nach Westen. Dort sollte es eine verfallene Hütte geben, Eyjabakkarkofi. Und an dieser Hütte vorbei gab es laut der "East-Iceland Highlands"-Karte von Landsvirkjun einen kleinen Wanderweg nach Norden. Geradewegs zur Brücke. Soweit zu meinem Plan. Ich marschierte eine ganze Weile querfeldein über Moos, Gras und Steine. Irgendwo mittendrin sah ich gelegentlich immer wiedermal Jeep-Spuren, die grob in meine Richtung führten, aber nach wenigen Metern schon wieder verschwunden waren. Bald stand ich am Kofakvísl, einem etwas größeren Bach, der mich wohl geradewegs zur Hütte (kofi) führen würde. Ich folgte dem Bach eine Weile, musste aber eigentlich nicht zur Hütte weiter nach Süden, sondern zur Brücke weiter nach Norden. Recht glücklich war ich also nicht mit dem Bach. Erst als für wenige Augenblicke die Sonne durchkam und ich endlich einen Blick zumindest auf den unteren Teil des Snæfell werfen konnte, gefiel mir die Gegend richtig. Also gab es eine frühe Mittagspause in der mittlerweile wieder recht grünen und grasigen Landschaft am Kofakvísl. Während der Rast beschloss ich, die Eyjabakkakofi links liegen zu lassen und direkt zur Brücke weiter zu marschieren. Wahrscheinlich war das sowieso nur eine eingefallene alte Schäferhütte. Nachdem ich wenige Minuten unterwegs war, stieß ich auf ein paar neue Jeepspuren, vermutlich die Piste zur Eyjabakkakofi. Aber die Spuren bogen im weiteren Verlauf zu weit nach Osten ab, wo ich gar nicht hinwollte. Also war ich bald wieder weglos unterwegs, woran ich mich am Vortag schon gewöhnt hatte. Links neben mir lagen jetzt die Eyjabakkar, eine riesige grüne Ebene, durch die sich einige schmale Bäche und Flüße zogen. Alles Nebenarme der Jökulsá í Fljótsdal. Weiter im Norden mussten sich die vielen Verzweigungen vereinen und dort gab es hoffentlich irgendwo die Brücke. Also suchte ich mir einen Weg am Rande der Ebene, entlang von flachen Hügeln, die den Übergang zu höhergelegenem, steinigem Terrain bildeten. War ich dabei zu weit unten im Gras unterwegs, musste ich regelmäßig kleinere Bäche überqueren, die teilweise metertiefe Hindernisse im Gras bildeten. Oft stieß ich auch auf sumpfige Stellen, die meist durch das häufige Wollgras schon von Weitem zu erkennen waren. Und zwischen den sumpfig nassen Grasstellen weiter unten und den steinigen Stellen weiter oben gab es noch eine Buckelwiese, wo ich entweder von einer kniehohen Grasinsel zur nächsten hopsen, oder dazwischen von einer Pfütze in die nächste stapfen konnte. Allessamt nicht so angenehm zum Laufen und ich bereute fast ein wenig, nicht den Jeep-Spuren weiter östlich gefolgt zu sein. Die Strecke zog sich endlos dahin, aber ich hatte Rückenwind und gelegentlich sogar ein kleines bißchen Sonnenschein zwischen einer Wolkenlücke, so daß ich insgesamt doch recht zügig vorankam. Am späten Nachmittag wurde das Tal der Eyjarbakkar dann zusehends enger und ich lief bald ausschließlich in den höher gelegenen, trockenen Steingebieten. Und ich begegnete mal wieder einer leeren Jeep-Piste. Diesmal führte sie geradewegs von Ost nach West, zu einer alten Furt durch die Jökulsá í Fljótsdal. Aber die Furt wollte ich mir zu Fuß lieber ersparen, zumal es ja nur wenige Kilometer nördlich irgendwo eine Brücke geben musste. Es ging weiter und weiter durch Steine und Gras, bis ich auf die nächste Piste stieß, die endlich mal genau meine Richtung einhielt. Nordwärts. Auf dem gegenüberliegenden Ufer konnte ich auf einem Hügel die Containersiedlung der Bauarbeiter ausmachen. Die war mittlerweile genau westlich von mir. Noch ein Stück und ein paar unbeschilderte Kreuzungen weiter, dann sah ich endlich die langersehnte Brücke. Und über die Brücke führte eine gut ausgebaute Schotterautobahn, die nächste Piste also. Die muss sich aber wenige hundert Meter weiter hinter einem Hügel spurlos auflösen, sonst wäre ich ihr schon früher begegnet. Wie auch immer, hauptsache meine Brücke war da wo sie sein sollte. Auf die ging ich jetzt geradewegs zu, und somit auch auf die Bagger und Lastwägen, die auf der anderen Flußseite damit beschäftig waren, die Schotterpiste noch breiter und besser auszubauen. Ich war schon fast drüben, als von den Bauarbeitern ein Jeep ausgesandt wurde, mir entgegen. Drinnen saß der erste Mensch, der mir seit der Múlaskáli begegnete. Ein Isländer der mit unverkennbarem Akzent fragte: "Wherrre arre you going to?". Zum Snæfell. Das ging noch eine Weile hin und her, dann meinte er "You know, we had some trrouble with prrotesters!". Das war also der Grund für das Begrüßungskommitee. Ich hatte die Nachrichten schon länger via Internet mitverfolgt. Eine handvoll Demonstranten, Isländer und Ausländer, haben ganz in der Nähe des Staudammes ein Zeltlager aufgebaut. Bald darauf kam es wohl häufiger zu merkwürdigen Zwischenfällen, von wegen Geräte beschädigt oder Schilder beschmiert oder Demonstranten mit Ketten an Fahrzeugen befestigt. Kurz vor meiner Reise wurde das Zeltlager dann aufgelöst und in die Gegend südlich von Egilsstaðir verlegt. Ich wurde aber scheinbar als harmlos eingestuft und noch auf einen Kaffee eingeladen. Ich hätte auch Jeepfahren dürfen, war aber dankbar als der Isländer dazufügte "But I guess you want to walk anyway!". Ich war dann ein paar Minuten nach ihm bei der Containersiedlung, stellte meinen Rucksack ab, und suchte drinnen die Cafeteria. Ein paar Kekse und Kaffee, und mir wurde noch auf einer Karte gezeigt, nur 5 km südlich von hier, am Ufer der Hafursá, da sei es wunderschön zum Zelten. Und wenn wir da heute Nacht ein Zelt sehen, wissen wir ja, daß du das bist... Noch 5 km also, bis ich zelten durfte. Ich hatte schon etwa 22 km hinter mir und es war auch schon fast 6 Uhr abends, aber dafür hab ich mich auch aufgewärmt und gestärkt. Ich lief die folgenden 5 km durch, fast ohne anzuhalten. Zunächst ging es quer durch die Containersiedlung, was nicht so reizvoll war. Dahinter kam ich dann auf die selbe alte Piste, die ich schon auf der anderen Flußseite gekreuzt hatte, und die hier geradewegs nach Süden zur Furt durch die Jökulsá í Fljótsdal führte. Eine halbe Stunde später stand ich direkt oberhalb dieser Furt, und musste laut Wegbeschreibung der Bauarbeiter nach Westen abbiegen. Auch in dieser Richtung gab es eine holprige Jeep-Piste. Außerdem fiel mir an dieser Stelle auf, daß ich geradewegs aus einem Sperrgebiet kam. Quer über die Straße und zu beiden Seiten daneben war jeweils eine Schranke mit einem entsprechend großen Hinweisschild. Baustelle, Sprengungen, Lebensgefahr, usw. Ups! Dabei war die Piste so friedlich, wenn man die Baustelle hinter sich hatte. Auch der weitere Weg war eigentlich sehr einladend. Die Höhenzüge des Snæfell und dessen nördliche Ausläufer lagen vor mir, aber dazwischen gab es noch eine weite grasbewachsene Ebene mit einem kleinen Bach darin, die Hafursá. Sogar einen kleinen Wasserfall hatte ich bald erreicht, und überlegte schon, ob ich da wohl oben oder unten schöner zelten könnte. Als ich direkt davor stand fand ich, daß der Wasserfall eigentlich gar nicht mehr so klein war, und daß morgen früh genausowenig Lust hätte, mein Gepäck die steile Abbruchkante wieder hochzuschleppen, wie ich heute Lust hatte, einen Umweg zu suchen, um dort hinunter zu kommen. Also wird oben gezeltet. Noch ein Stückchen weiter aufwärts konnte ich den Fluß trockenen Fußes überqueren, verließ somit die Piste, und ließ den Rucksack auf der anderen Seite geschafft zu Boden. Ganze 27 km hatte ich zurückgelegt, und das merkte ich auch recht deutlich in allen Knochen. Aber die Bauarbeiter hatten nicht untertrieben, als sie meinten, das wäre eine schöne Stelle zum zelten. Ich hatte Frischwasser, eine angenehme trockene Wiese daneben, und eine schöne Aussicht über die Eyjarbakkar und auf den Gletscher südlich davon. Es sah immer noch recht wolkig aus, und während ich versuchte, die verschiedenen Wegbeschreibungen über den Gletscher und unten durch die Flüsse dort in den Bergen am Horizont wiederzufinden, war ich irgendwie doch ganz zufrieden, die einfache Variante im Flachland gewählt zu haben. Auch wenn die Gletscher andererseits auch ganz verlockend aussahen. Mit solchen Gedanken im Kopf saß ich im Gras, die Beine weit von mir gestreckt, kochte nebenher meine Nudeln. Auch die Strecke für den morgigen Tag suchte ich schonmal, irgendwo in den unberührten grünen Hängen. Da hörte ich plötzlich in der Ferne Motoren. Nicht mehr direkt von der Baustelle, die war viel zu weit weg. Das Geräusch kam immer näher, und nach einer ganzen Weile sah ich dann zwei Quad-Fahrer die auf der Piste Hügel um Hügel näher kamen. Die Worte "we had some trrouble with prrotesters" kamen mir wieder in den Sinn. Das meinten sie wohl ernst. Aber nachdem sie mein Zelt ja kannten, fuhren beide Quads an mir vorbei, ganz so als wären sie nicht auf der Suche nach "prrotesters", sondern viel zu sehr mit der Straße beschäftigt, und damit, möglichst elegant über die jede Erhebung zu springen und bei den kleinen Bächen das Wasser möglichst weit spritzen zu lassen... Bald waren sie wieder verschwunden und die Ruhe kehrte zurück. Die Nacht über war nur noch das Plätschern vom Bach neben mir zu hören. Bilder der Tages:
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6. August 2005 zur Snæfellsskáli |
Früh am nächsten Morgen hörte ich Schafe am Gras rund um mein Zelt herumzupfen. Nachdem es aber noch viel zu früh zum Aufstehen war, ließ ich mich davon nicht allzusehr beeindrucken. Als ich eine Weile später aber immer noch nicht wieder richtig eingeschlafen war, schaute ich doch endlich mal raus. Das erste was ich sah: strahlend blauer Himmel und blendender Sonnenschein. Das zweite waren dann die Schafe, die sich in respektvollem Abstand an der Hafursá versammelt hatten. Das gute Wetter nutzend brach ich gleich mal auf, ein Foto zu schießen von der prächtigen Aussicht auf den frisch mit Schnee überzuckerten Snæfell. Andererseits hatte ich schon oft in Island einen wunderschönen Morgen und danach einen sehr verregneten Tag. Also packte ich lieber recht bald zusammen und kam früh los. Auch wenn ich bestes Wetter hatte, steckte mir der gestrige Tag mit seinen 27 km doch noch in den Knochen. Ich machte viele kleine Pausen, um ein Foto zu knipsen oder einen Schluck aus dem Bach zu trinken, an dem ich entlang ging, oder einfach nur so. Der Bach, dem ich folgte, war ein kleiner Zufluss zur Hafursá, und an diesem Bach und in den Wiesen rings herum tummelten sich etliche Schafe. Morgens hatte ich die Piste direkt an der Hafursá entlang verlassen, um querfeldein auf den Pass nördlich um den Snæfell herum zuzuhalten. Aber meine Route kreuzte bald wieder die Piste, auf der ich die Quad-Fahrer vom Vorabend auf ihrer Patroullie verschwinden sah, nach Norden in Richtung Sanddalur. Ich hielt statt dessen geradewegs auf eine kleine Scharte zwischen Vatnskollur und Sandfell zu, beides zwei nördlich gelegene Vorberge des Snæfell. Und dazwischen war mein kleiner Einschnitt und laut Karte das Vatnsdalur. Dort hindurch gab es einen Weg, nördlich rund um den Snæfell herum. Den Anstieg hatte ich gestern schon vom Zelt aus und in der Karte ausgiebig studiert, heute musste ich ihn nur noch hinaufgehen. Nach hinten hin hatte ich einen immer beeindruckenderen Ausblick über die Eyjabakkar und auch auf die Gletscher südlich davon. Bei so einem Wetter hätte man sicher leicht einen Weg über das Eis finden können. Aber für mich war es dazu jetzt zu spät, ich kämpfte mich weiter zum Vatnsdalur hinauf, etwa 20km Luftlinie nördlich. Nach vorne hin sah es aus wie im Lande Mordor. Rabenschwarze, kahle Hänge aus recht feinem, sandigen Schutt, dazwischen einige spitze Felsnadeln die in alle Richtungen aufragten, darüber noch ein paar Reste von frischem Neuschnee, der über Nacht gefallen war und jetzt in der schwarz-weiss Landschaft vor mir lag. Mit den Gedanken in der Fabelwelt der Elfen und Orks kam ich immer zügiger voran, je näher ich dieser eigenartigen Landschaft kam. Oben angekommen sah ich zunächst einen See, der auf den Karten viel kleiner eingezeichnet war. Außerdem entdeckte ich einige Fußspuren, die südlich um den See herumführten. Dort schloss sich ein flaches Tal an, durch das sich einige kleine Bäche zogen mit Moos dazwischen. Schluss mit Mordor, das sah wieder typisch isländisch aus. Ich fürchtete fast eine Sumpfpartie, so wie gestern. Aber als ich bei der Hochebene angekommen war, stellte ich fest, daß sich dort eigentlich ganz gut laufen ließ. Zwischen Moos und Bächen war fester Kies und kein sumpfiges Erdreich. Ich musste in einer weiten Schleife einigen Ausläufern der bizarren schwarzen Bergwelt rund um mich ausweichen. Hinter der Biegung sammelten sich die kleinen Rinnsale mehr und mehr zu einem größeren Bach, der dann Richtung Nordwesten das Tal verließ. Ich wollte aber nach Südwesten, und dabei musste ich im Gegensatz zum Bach einen kleinen Bergrücken überqueren. Von Fußspuren war weit und breit nichts mehr zu sehen, also lief ich wieder einfach querfeldein. Je höher ich auf diesen zweiten Bergrücken kam, desto mehr konnte ich vom Hochland westlich des Snæfell erahnen. Schließlich stand ich am oberen Ende eines recht steinigen Berghanges, der vor mir wieder nach unten führte. Unten lagen die Sandar, eine weite, größtenteils ebene Fläche am westlichen Fuß des Snæfell. Rechts konnte ich die vier Bäche erkennen, die die Piste zur Snæfellsskáli kreuzen, und einer davon war mein Bach aus dem Vatnsdalur. Direkt vor mir lagen die Gipfel der Grábergshnjúkar, hinter denen die Vesturöræfi anfangen musste. Jenseits dieses Bergzuges konnte ich in der Ferne auch schon den Herðubreið und die Kverkfjöll erahnen. Links von mir ragte der Tíutíu auf, und vor diesem Berg streckte sich noch eine Ebene von etwa 2 km hin. Den Tíutíu sollte ich laut Karte außenherum umgehen. Zwischen dem Berg und dem Snæfell hätte ich bestimmt auch einen Weg gefunden, aber dort sammelte sich gerade eine dichte Nebelbank. Ich entschied mich also, quer durch die Ebene zu laufen, wie in der Karte verzeichnet. Erstmal musste ich aber von meinem steilen Abhang herunter. Das ging beschwerlich über grobe, scharfkantige Lavablöcke, war von der Höhe her aber zum Glück überschaubar. Dann ging es lange schnurgeradeaus auf den rechten Fuß des Tíutíu zu, der einfach zu erkennen war. Etliche kleine Bäche kreuzten hier wieder meinen Weg, der letzte direkt am Fuß des Tíutíu war etwas größer. Ich erinnerte mich auch daran, daß etwas flußab eine Furt auf der Piste zur Snæfellsskáli war, durch die ich vor zwei Jahren mein Fahrrad geschoben hatte. Aber hier etwas weiter oberhalb waren die verschiedenen Bachläufe einfach einzeln zu überspringen. Als ich um die Ecke des Tíutíu bog, wurde die Landschaft schlagartig grün und vergleichsweise üppig bewachsen. Ich suchte mir noch einen trockenen Weg über den letzten Bach und machte dann eine Pause in der grünen Wiese. Die Umgebung hatte ich schon bald wiedererkannt, bis zur Piste und auch zur Hütte am Snæfell war es nicht mehr weit. Die letzten Kilometer legte ich auf der Piste zurück. Es war ohnehin kein Auto unterwegs, und die Richtung konnte ich auch nicht sehr viel besser wählen. Am frühen Nachmittag tauchte dann die Hütte auf, so wie ich sie in Erinnerung hatte, bloß zur Hälfte in frischem Grün gestrichen. Ein kurzer Tag eigentlich, aber mit der langen Etappe vom Vortag zusammengenommen war mir das auch genug. Bei der Hütte angekommen stellte ich sehr bald fest, daß der Hüttenwart fließend Deutsch sprach, auch wenn er Isländer war. Im Moment war er alleine, ich war der einzige Gast. Ich baute schnell mein Zelt auf und gönnte mir eine Dusche, dann war ich wieder halbwegs gewappnet für ein bißchen Zivilisation. Sehr bald fragte ich auch, ob denn mein Vorratspaket schon angekommen sei. War es noch nicht. In Reykjavík am Schalter hatte man offenbar verbummelt, daß zum Snæfell nur alle paar Tage mal ein Bus fährt, und daß das vielleicht etwas länger dauern könnte. Aber immerhin war der rote Packsack schon unterwegs und irgendwo in Egilsstaðir gesichtet worden. Und ich war noch nicht lange vor Ort, da kam ein Jeep angefahren und ein Isländer stieg aus und brachte meinen rotem Packsack mit. Ich musste also doch nicht die nächsten Tage hier auf meine Vorräte warten! Ich hatte den restlichen Tag eigentlich keine weiteren Pläne, für eine ausgiebige Wanderung auf den Gipfel war das Wetter zwar bestens geeignet, aber irgendwie war ich zu müde vom vielen Laufen. Ich setzte mich also in die Hütte, nahm mein Buch mit und hörte dem Hüttenwart Leifur ein wenig beim Harmoniumspielen zu. Bald kamen wir aber ins Gespräch und weder Buch noch Harmonium waren noch wichtig. Ob ich schon öfters in Island war, ja war ich, mit dem Fahrrad. "Ah, aber in Erlangen kann man viel besser Radfahren als in Island!". Wohlgemerkt, daß sagte der isländische Hüttenwart Leifur auf der abgelegenen Berghütte zu mir, der ich 5 Jahre lang in Erlangen studiert hatte. Nicht umgekehrt. Ich war gelindegesagt ein bißchen verblüfft. Er hat dort ein paar Bekannte, Anna und Kollbrún, und die kannte ich natürlich auch wieder... die Welt ist eben klein, und Island ein Dorf! Als nächstes meinte er, er wolle im Herbst anfangen, Mathematik zu studieren, und deswegen hatte er eine Menge Bücher mit Matheaufgaben dabei. Nachdem Mathe und Informatik ja eng beieinander liegen und ich schon immer mal wissen wollte, wie ein isländisches Mathebuch von innen aussieht, wurde ich neugierig, und sehr bald haben wir über irgendwelchen abwegigen Matheaufgaben gebrütet. Die Zeit verging wie im Fluge während der Rechnerei und der Gespräche. Eigentlich hätte Leifur noch die Hütte außen streichen sollen, auf der Rückseite fehlte noch ein Stückchen. Aber "es kann heute noch anfangen zu regnen", also war Streichen natürlich keine Option. Gegen Abend füllte sich die Hütte langsam mit Gästen und die Mathe-Sachen verschwanden. Wir legten noch ein paar Vorräte zusammen, ich hatte ja jetzt wieder genügend und er auf seiner Hütte erst recht, und dann gab es ein leckeres Abendessen. Später am Abend dann noch langwierige Diskussionen mit anderen Gästen über das Staudammprojekt, Touristenziele, Deutschland, Island und den Rest der Welt. Und einen tollen Sonnenuntergang gab es auch mal wieder. Insgesamt eine unvergessliche Begegnung und sicher einer der schönsten Tage dieser Reise. Bilder der Tages:
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7. August 2005 durch die Vesturöræfi |
Über Nacht kam ein kräftiger Wind auf. Als ich aufwachte war meine östliche Zeltwand gleich ein ganzes Stück näher als am Abend zuvor. Ein Blick nach draußen bestätigte die Befürchtung: starker Ostwind hatte eine dichte Wolkendecke herangetrieben, von Blau keine Spur mehr. Ich konnte froh sein, daß es noch nicht regnete. Aber erstmal hatte ich ja noch die warme Hütte nebenan. Dort ging ich auch zum Frühstücken hin. Leifur gab mir noch ein bißchen frische H-Milch ab, so lecker hatte mein Müsli seit der Múlaskáli nicht mehr geschmeckt. Aber während ich noch drinnen saß, kam draußen ein richtiger Sturm auf. Ich machte mich schleunigst daran, meine Sachen zu packen, bevor das noch naß würde, und vor allem solange es überhaupt noch stand. War wiedermal eine ziemliche Plackerei, immer einen Stein zur Hand zu haben, den ich auf die eine oder andere Plane legen konnte, so daß nichts davongeweht wurde. Zelten in Island eben. Auch wenn ich noch recht ungeschoren davon kam, ärgerte ich mich fast, nicht gleich in der Hütte geschlafen zu haben. Naja. Laut meinem Tourenplan hatte ich gestern schon einen halben Ruhetag und könnte im besten Fall heute aufbrechen zur nächsten Etappe. Bei dem Wetter, und bei so einem netten Hüttenwart kam ich in Versuchung, den Plan ein wenig zu ändern. Aber andrerseits hatte ich ja keine Garantie, daß das Wetter besser würde, und wenn ich noch einen Tag lang hier Matheaufgaben rechnen würde, käme ich wohl gar nicht mehr davon. Also verabschiedete ich mich recht herzlich von Leifur, gab ihm noch meine Internetaddresse, und zog dann los, alleine mit meinem Rucksack. Die Piste in Richtung Vesturöræfi hatte ich zwei Jahre zuvor schon mit dem Rad erkundet. Zunächst ging es recht öde über eine weite Schotterebene geradewegs nach Westen. Etwa 4 km von der Snæfellsskáli entfernt zog sich eine Hügelkette von Nord nach Süd, die mein Weg knapp nördlich der Sauðahnjúkar überqueren musste. Unterwegs gab es außer einigen kleinen Bächlein nicht viel zu sehen. Dafür schaute ich immer wieder zurück in Richtung Snæfell. Auf allen Seiten zogen immer wieder dicke Wolken am Berg vorbei. Mit dem kräftigen Wind im Rücken rechnete ich also eigentlich jede Minute damit, naß zu werden. Aber noch hielt das Massiv des Snæfell das gröbste ab. Oben auf dem Hügelzug gibt es eine Abzweigung, die auf den Vestari Sauðahnjúkur hinauf führt. Von dort hatte ich bei meinem letzten Besuch eine prächtige Aussicht auf die Vesturöræfi. Diesmal sparte ich mir den Umweg allerdings, bei so einem Wetter. Statt dessen ging ich geradeaus weiter. Und ich wunderte mich nicht schlecht, daß mir plötzlich ein Jeep entgegenkam. Den ganzen Tag hatte ich noch niemanden in dieser Richtung fahren sehen, die mussten entweder durch die ganze Vesturöræfi gekommen oder sehr früh aufgebrochen sein. Natürlich hielten sie neben mir an, fragten ein bißchen nach dem woher und wohin. Ich dachte zunächst, es seien vielleicht Bauarbeiter vom Kraftwerk, auf der Suche nach einem "prrotester". Andererseits hatten sie hochwertige Leica-Ferngläser auf Stativen dabei und offensichtlich nicht so viel Ahnung von der Gegend. Vogelbeobachter, vermute ich, und eigentlich wollten sie zur Lindur-Hütte, was auch mein Tagesziel war. Und sie fragten mich nach dem Weg. Ich meinte, da käme man besser aus dem Norden hin, zumindest mit einem Jeep. Und das probierten sie dann wohl auch, nachdem wir uns verabschiedet hatten. Vom Hügelzug hatte ich wenigstens einen halbwegs guten Blick über die Vesturöræfi, mit ihren Bächen, Seen und Mooren. Und auf die Piste, die mitten in diese Grüne Landschaft hineinführte und sich irgendwo im Gras verlor. Dort ging ich etwa die nächsten 5 km entlang. Sofort als ich ins grasbewachsene Gebiet kam, änderte sich auch der Charakter der Piste. Spurrillen waren tief eingegraben und -gebrochen, stellenweise einen ganzen Meter und tiefer. Stellte ich mir sehr unangenehm vor, mit einem Auto. Aber zu Fuß kam ich recht zügig voran, zumal es bergab ging und ich auch noch kräftigen Rückenwind hatte. Im Laufe dieser Strecke kam auch der langerwartete Regen, von dem ich aber deutlich weniger abbekam, als mein Rucksack, der natürlich in der Regenhülle eingepackt war. Nach einer ganzen Weile kam ich am Ufer der Sauðá an. Hier hatte ich vor zwei Jahren eine ausgiebige Pause gemacht, mich ein wenig im Gras gesonnt, frisches Wasser aus dem Bach getrunken. Aber bei dem Regen heute stand ich nur kurz mit aufgesetzter Sturmhaube da und konnte mich nichtmal aufraffen, ein Foto zu machen. Die Piste durchquerte hier die Sauða nur um 500 m weiter aufs diesseitige Flußufer zurückzukommen. Darauf hatte ich bei Regen und kaltem Wind keine Lust. Statt dessen umging ich den Bogen der Sauða auf der Nordseite quer durch die Buckelwiese. Als ich bei der zweiten Furt angekommen war, stellte sich die Frage, wie ich am besten weiter sollte. Irgendwo ist in manchen Karten ein Weg eingezeichnet, der mal direkt bei der Furt, mal eine ganze Ecke weiter südwestlich von der Piste zur Sauðakofi abzweigt. Den Weg zur Sauðakofi kannte ich, aber weder bei meinem letzten Besuch noch jetzt konnte ich einen Weg in Richtung Lindur finden. Aber in weiter Ferne konnte ich den Sauðafell sehen, wenn ich auf dessen Nordflanke zuhielt, müsste ich auch so in etwa richtig ankommen. Also querfeldein. Am Anfang kam ich bestens voran. Es ging flach durch niedriges Gras und schien auch noch eine ganze Weile so weiterzugehen, und dann in etwa einem Kilometer Entfernung auf ein paar kleine Hügel hinauf. Während ich so vor mich hin marschierte kam ich zunächst an einigen kleinen ausgetrockneten Tümpeln vorbei, die sich als braune Flecke deutlich von der grasig grünen Umgebung abhoben. Außerdem konnte ich in der Ebene vor mir jetzt auch einige gefüllte Seen an ihrer glänzenden Wasserfläche erkennen. Aber ich dachte mir noch nichts dabei. Nagut, ein bißchen sumpfig würde es wohl unvermeidlich wieder werden, etwa so wie am Rand der Eyjabakkar. So ging ich also weiter, merkte auch, daß um mich herum immer wieder vereinzelte Wollgrashalme aus der Buckelwiese herausragten, auch wenn sie sich um die Seen herum ziemlich zurückhielten. Und plötzlich stand ich mitten im Sumpf. Bei jedem Schritt versank ich etwa bis an die Knöchel in der rötlich braunen Brühe zwischen den nassen Grassoden. Ich sondierte den Weg mit meinen Wanderstöcken. Dort wo sich noch Gras oder das weiße Wollgras halten konnte, war der Boden meist noch relativ fest. Sehr viel tückischer waren die Moospolster, die sich oft genau über den Rinnsalen ausbreiteten, die das ganze Moor durchzogen. Ich schaute immer wieder sehnsüchtig auf die Hügel vor mir. Wahrscheinlich lag der "offizielle" Weg deswegen irgendwo südlich von mir, weil vor mir schonmal jemand keine Lust hatte, das Moor zu durchqueren. Meine Laune war ziemlich am Tiefpunkt, als der Boden endlich wieder fester wurde. Von oben Regen, kalter Wind, von unten bis über die Knöchel ziemlich nasse Schuhe mit schweren Lehmklumpen an der Sohle, und bis zu den Knien herauf vom rostroten Wasser vollgespritzt und dreckig. Das hätte ich wohl besser machen können, ärgerte ich mich. Es dauerte gar nicht so lange, da stieß ich auf dem Hügelzug auch auf eine Jeep-Piste, die von Nordosten kam und sicher in einem Bogen zur Furt bei der Sauðá führte. Die Karte, auf der diese Piste am richtigsten eingezeichnet war, war die von Landsvirkjun. Aber diese Karte, besagte auch, daß die Piste nicht zu meinem Ziel Lindur führte, sondern eher nach Nordosten. Auch das deckte sich mit meiner Beobachtung vor Ort, also blieb ich nicht allzulange auf der Piste, sondern ging den Hügelzug gleich auf der anderen Seite wieder herunter. Dort wollte ich dann am Hang entlang geradewegs nach Norden zu laufen. Das war zwar auf Dauer ziemlich anstrengend, weil ich immer wieder Bachläufe kreuzen musste und über Buckelwiesen hüpfen. Aber nachdem das Wasser so gesammelt ablief, hielten sich die sumpfigen Stellen in Grenzen, verglichen mit dem Erlebnis vom Vormittag! Ich wusste nicht so genau, wo die Lindur-Hütte eigentlich sein sollte, aber nachdem ich hinunter ins Tal der Jökulsá í Dal schauen konnte, würde ich sie schon irgendwann entdecken. Nach einiger Zeit sah ich aber erstmal rechts von mir auf einem Hügel einige Bagger, die in der Ferne irgendwas in die Landschaft setzten. Allzu nah wollte ich denen nicht unbedingt kommen, also wich ich weiter nach unten in Richtung Jökla aus. Bald darauf konnte ich dann eine Jeep-Piste quer zu meiner Richtung erkennen, die wohl geradewegs nach Lindur führen müsste. Wohin auch sonst, da unten war ja nur noch der Fluss. Noch einen letzten Bach musste ich überqueren, der sich besonders tief eingegraben hatte, dann stand ich auf der Piste. Und keine Viertelstunde später sah ich die lang ersehnte Hütte Lindur. Eigentlich war es erst etwa 15 Uhr, also früher Nachmittag. Aber nach dem Sumpf, Dauerregen und Wind hatte ich genug für den Tag. Bei dem Wetter mein Zelt aufzubauen hatte ich auch keine rechte Lust, also besah ich erstmal die Hütte von innen und stellte dort meinen Rucksack ab. Es gab einige muffige Betten, einen klapprigen Stuhl, eine Sammlung alter Gaskartuschen und sogar ein bißchen verbeultes und angeschlagenes Geschirr. Außerdem gab es etliche Fliegen in allen erdenklichen Größen und weitere Haustiere, wie z.B. Spinnen. Allesamt also nicht sehr einladend. Aber immerhin trocken. Ich machte erstmal Pause und vertiefte mich in meine Reiselektüre, in der Hoffnung auf eine Regenpause. Die erhoffte Regenpause kam nicht, also packte ich nach einer Weile mein Regenzeug und meine Fotoausrüstung und ging in Richtung der steilen Klippe, wo man unten den Fluß donnern hörte. Genaugenommen befand sich die Hütte auf einer Schuttebene, die am Rand des Hanges lag. Etwa so, als wäre der Fluss schon öfters aufgestaut gewesen und als hätten sich dabei im Stausee Sedimente abgelagert, die das halbe Tal auffüllten. Dann hat der Fluss sich einen neuen Abfluss geschaffen und sich wieder durch die Sedimente bis zum Grundgestein durchgegraben. Entsprechende ebene Flächen gab es auf gleicher Höhe auf der anderen Flussseite, und das sogar in mehreren Höhenlagen. Der geplante Stausee würde wohl noch ein Stückchen weiter hinauf reichen, war für den Fluss in geologischer Hinsicht aber sicher keine große Neuerung. Jedenfalls stand ich oben auf der Geröllfläche, auf der sich schon einiges Gras angesiedelt hatte. Unter mir ging es noch etwa 30m über lockeres Geröll und Sand nach unten, dort war nochmal eine kleine Ebene aus festem Grundgestein und in deren Mitte suchte sich die Jökla ihr Flußbett. Und was für ein Flussbett. Rötliche Gesteine, dunkle schwarze Felsen, ein paar dünne rote Adern, die sich durch den schwarzen Stein zogen, weiter unterhalb sah ich einige typische sechseckige Basaltsäulen, und dazwischen hindurch donnerten die Fluten der Jökulsá í Dal. Rauðflúa wird sie hier genannt, Rotfluten. Sehr passender Name. Und hier war also ein Großteil der Bilder entstanden, die mich zu dieser Reise angestachelt hatten. Wußte ich zwar vorher nicht, kam mir aber sehr gelegen. Ich suchte mir einen kleinen Einschnitt in dem steilen Hang, wo auch schon vor mir Fußspuren hinunter führten, dann stand ich direkt am Fluß. Daß es immer noch dauernd regnete nahm ich gar nicht mehr richtig wahr. Erst einen kompletten Dia-Film und zig Digitalbilder später kletterte ich wieder den sandigen Einschnitt nach oben, um zur Hütte zu gelangen. Dort musste ich erstmal meine Schuhe ausleeren, so viele kleine Steinchen hatten sich darin angesammelt. Nachdem es langsam Abend wurde beschloss ich eben, doch noch bei Regen mein Zelt aufzubauen und einzurichten. Danach erkundete ich die verschiedenen Bäche, die an der Hütte vorbeiflossen bzw. knapp oberhalb entsprangen. Eigentlich war ich auf der Suche nach Wasser zum Trinken und Kochen, und hatte schon ganz vergessen, daß ich ursprünglich diese Hüte als Tagesziel angepeilt hatte, weil auf der 1:250.000 Aðalkort an dieser Stelle eine heiße Quelle eingezeichnet war. Völlig unscheinbar und ohne die typischen gelben Schwefelablagerungen und ohne dem typischen Geruch quoll hier lauwarmes Wasser hervor, wie ich überrascht feststellte. Ich probierte einen Schluck und beschloss, daß ich das Wasser wohl auch zum kochen verwenden könnte, was ich bei normalen heißen Quellen lieber vermeide. Anderes Wasser hatte ich hier aber sowieso nicht zur Hand. Es gab wieder meine leckeren Standard-Nudeln zum Essen, ohne Schwefelgeschmack und vielleicht mit echtem Mineralwasser gekocht. Danach wollte ich mich noch im wärmsten Quelltopf ein bißchen aufheizen und dann schlafen gehen. Also meine Badesachen hervorgekramt und mit Handtuch bei Regen zum warmen Wasser laufen. Leider war das aber gar nicht so warm, nur etwa 30 Grad. Zum Schwimmen gerade die richtige Temperatur, aber ich konnte mich ja kaum richtig ausstrecken in dem kleinen Topf. Um längerfristig drin liegen zu bleiben war mir das etwas zu kalt. Immerhin war ich nach 5 Minuten wieder ein bißchen frisch gewaschen, als ich schleunigst wieder zurück zum Zelt rannte um mich in den Schlafsack zu kuscheln. Bilder der Tages:
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8. August 2005 entlang der Jökla |
Über Nacht hat es noch eine ganze Weile weiter geregnet und aus Südosten gestürmt. Ich hatte mir gleich einen Windschutz in dieser Richtung gesucht, als ich das Zelt aufgebaut hab, so daß ich angenehm trocken und ruhig schlafen konnte. Am nächsten Morgen kam der Wind aus Südwesten, das Blau überwog zwischen den Wolken und es war eigentlich richtig schönes Wetter. Also hab ich nach einem kurzen Frühstück schnell zusammengepackt, noch ein paar Bilder von den heißen Quellen gemacht, und bin dann in Richtung Norden losgezogen. Anfangs hatte ich einige Schafspfade, auf denen ich mich halten konnte. Nach ein paar Hügeln hatten sich die Spuren verloren und ich lief wiedermal querfeldein übers Gras. Und das eine ganze Weile lang. In dem engen Tal der Jökla war noch keine Spur von Baustelle, Straße oder Brücke zu sehen, und eigentlich wollte ich ja nur zu der Brücke. Der Weg dorthin zog sich noch ein ganzes Stück länger, als ich gedacht hätte. Ich hielt mich ein bißchen mehr bergauf, um von einem Hügel aus eine bessere Übersicht zu haben. Als ich dem Gipfel immer näher kam fielen mir einige Steinwarten auf, die dort gebaut waren. Und als ich bei denen angekommen war, hatte ich auch in etwa den Überblick, den ich erwartet hatte. Vor mir zog sich offenbar die neue Hauptstraße durch die Landschaft, zumindest sah ich LKWs und einige Jeeps dort entlangrasen. Weiter links verschwand die Straße nach unten ins Tal hinein. Auf der anderen Seite des Tals tauchte sie in etlichen Serpentinen wieder auf und führte dann zu der Containerstadt, die auf dem Hügel vor mir thronte. Ich machte erstmal eine Pause, setzte den Rucksack ab, knabberte einen Müsliriegel und plante meinen weiteren Weg. Zur Brücke war es wohl nicht mehr weit. Irgendwo direkt bei der Brücke war ein paar Tage zuvor noch das protest camp gewesen, das kurz vor meinem Abflug aufgelöst worden war. Außerdem konnte ich eine kleine Stichstraße erkennen, die von der Hauptpiste nach Südwesten abzweigte und dort irgendwo beim Fluss verschwand. An dieser Nebenpiste war auch eine kleine Baustelle oder soetwas, sowie zwei Jeeps und ein ganzer Trupp Leute. Irgendwie hatte ich aber den Eindruck, daß dies keine ganz gewöhnlichen Bauarbeiter waren, und nachdem mein Weg sowieso fast direkt dran vorbeiführte, beschloss ich, die Sache aus der Nähe zu betrachten. Ich musste noch einem kleinen Bachlauf ausweichen, ging ansonsten aber schnurstracks auf die Gruppe zu. Aus der Nähe betrachtet sahen sie wirklich überhaupt nicht mehr wie Bauarbeiter aus. Sie hatten keine einheitliche Arbeiterkluft, wirkten relativ entspannt und saßen eigentlich vorerst auch nur im Gras. Wirkte eher wie Picknicken in schmuddeligen Arbeitshosen. Aus der Nähe sah ich jetzt auch, daß einer der Jeeps vom "Þjóðminnjasafnið" war, dem Nationalmuseum. Archäologen! Nach einem kurzen Gruß wurde mir gleich mal Kaffe und Kekse angeboten. Auch wenn ich vor anderthalb Stunden erst Frühstück hatte, setzte ich mich dazu und plauderte ein wenig über das woher und wohin. Außerdem bekam ich natürlich eine kleine Führung durch die Ausgrabungsstätte. Bei ihrer Besprechung rätselten sie grade, hier ein paar Pfostenlöcher, dort keine, hier vermutlich ein Dach, dort wohl eher nur ein Pferch. Vermutlich handelte es sich um eine Almhütte, im Sommer zum Schafehüten benutzt, im Winter verlassen und leerstehend. Ich fand das sehr spannend, zumal meine Reiselektüre "Islandreise" von Poul Vad sich um die Hrafnkelssaga drehte, die zum Teil genau in dieser Gegend Islands, vielleicht genau in diesem Almhäuschen stattgefunden hat. Die Archäologen machten hier eine "Notgrabung", die möglichst vor Fertigstellung des Staudammes abgeschlossen sein musste. Sie wohnten mit insgesamt etwa 1600 anderen Menschen in der Containersiedlung auf dem Berg und hatten die Sicherheitsmaßnahmen wegen des protest camps am eigenen Leib miterlebt. Und dadurch hatten sie auch einen exklusiven Logenplatz mit Blick auf beide Seiten der Front zwischen Kraftwerksgegnern und -befürwortern. Nach dem ausgedehnten zweiten Frühstück zog ich weiter und die Archäologen machten sich ans Buddeln. Ich packte meinen Rucksack und marschierte nach Norden, zur Hauptversorgungsstraße der Bauarbeitersiedlung. Irgendwo dort probierte ich mal mein Handy aus, und hatte auch prompt sehr guten Empfang. Das nutzte ich, um mich Zuhause zu melden, wenn es schonmal Handynetz gab. Ansonsten war das nächste Stück an der breiten Piste entlang mit den vielen LKW recht monoton. Es ging bald steil bergab, und ganz unten konnte ich jetzt auch endlich die Brücke sehen, die der eigentliche Grund für den ganzen Umweg nach Norden war. Ich war kaum über sie hinüber und erst ein kleines Stück den Hang auf der anderen Seite hinauf, da kam mal wieder ein PickUp-Jeep auf der Straße angefahren. Er hielt an und ein kräftiger Isländer fragte mich aus dem Fenster heraus, woher und wohin, und ich sollte doch meinen Rucksack hinten auf die Ladefläche tun und einsteigen. "It's too dangerous with all this machinery around". Ob die Maschinen zu gefährlich für mich oder ich zu gefährlich für die Maschinen war, fragte ich lieber nicht. Oben, wo ich über die Sauða könnte und meinen geplanten Weg nach Süden fortsetzen wollte, da wollte er mich wieder absetzen. Nungut, dachte ich mir, wenns nicht anders geht. Auf der Piste bergauf zu laufen machte außerdem wirklich keinen Spaß. Ich fuhr also ein Stück weit im Jeep mit, etwa 500 Meter. Das ging doch sehr viel schneller so, als zu Fuß. Da wo die Piste aus der letzten Serpentine heraus in Richtung der Containerstadt abbog, wurde ich wieder abgesetzt mit meinem Gepäck. Und weg von der Containersiedlung, in dieser Richtung da ist dein Weg, wurde mir noch gesagt. Recht unfreundlich, aber durchaus noch höflich. Mehr konnte ich sowieso nicht erwarten. Ich stand bald mal wieder am Ufer oberhalb einer Sauða, denn auch auf dieser Seite der Jökulsá í Dal gab es einen kleinen Bach dieses Namens. Ein klarer Frischwasserbach, nicht besonders schwierig zu furten. Ich hielt dennoch lange Ausschau, ob ich vielleicht von Stein zu Stein sogar trocken hinüber kommen könnte. Vergeblich. Letztlich musste ich mir doch die Schuhe ausziehen und hinüberwaten. Auf der Südseite ging es erstmal steil hinauf und dann am Hang hoch über der Jökla entlang südwärts. Ich konnte den Weg verfolgen, den ich heute früh auf der Ostseite des Flusses gelaufen war. Die Archäologen machten jetzt gerade Mittagspause und fuhren mit ihren Jeeps davon. Und hinter der Flussbiegung musste irgendwo Lindur liegen. Ungefähr dort wollte ich wieder unten am Fluss ankommen, auf der anderen Seite der tollen Stelle, die ich gestern abend auf meinem kurzen Spaziergang besucht hatte. Also suchte ich mir einen entsprechenden Weg über Gras und Steine schräg am Hang hinab. Wahrscheinlich hätte ich den noch viel steiler wählen können und sollen, wer weiß, was ich da alles verpasst habe, denn von meinem hohen Weg am Hang konnte ich den Grund des Tales gar nicht richtig sehen. Vor mir sah ich den Einschnitt des Tröllagílslækur, der in etwa gegenüber von Lindur in die Jökla mündete. Und über dieses kleine Bächlein musste ich noch hinüber. Aber das ging diesmal ohne nasse Füße. Hinter dem Bach bin ich dann geradewegs hinunter zur Jökla gelaufen. Eigentlich ärgerte ich mich immer mehr, daß ich so lange oben auf dem relativ langweiligen Gras gelaufen war und nichts vom Fluss gesehen hatte. Unten war der Boden zwar steiniger und das Laufen anstrengender, aber dafür wurde ich auch mit einer abwechslungsreicheren Umgebung belohnt. Gerade an der Stelle, wo ich den Fluss erreichte, waren überall sechseckige Basaltsäulen direkt am Ufer. Unzählige dieser Orgelpfeiffen standen auf beiden Seiten, und dazwischen donnerte die reißende Jökulsá in Richtung Meer. Beeindruckend, wie die zierlichen Basaltsäulen dem brodelnden Fluss gegenüberstanden. Von hier aus hatte ich einen deutlich besseren Blick, als am Abend zuvor vom anderen Flußufer. Ein Stückchen weiter stand ich wieder auf den grauen, feinkörnigen Sedimentlagen, die ich schon von der anderen Seite kannte. Am gegenüberliegenden Ufer konnte ich sogar meine eigenen Spuren im Schutt erkennen. Oberhalb von hier lag also Lindur auf den Schutthügeln und jenseits des Flusses. Zum Greiffen nah und doch nur mit mehreren Kilometern Umweg zu erreichen. Die Hütte selbst sah ich nicht, aber den Bach, der von den warmen Quellen abfloss und hier in die Jökla mündete. Nicht mehr viel weiter kam ich an die rote Stelle im Gestein, die ich auch gestern bereits gesehen hatte. Ich war überwältigt, wie abwechslungsreich das Flussufer hier auf wenigen hundert Metern war. Sicher eine der schönsten Stellen, die vom Stausee überflutet wird. Hier im Geröll direkt am Fluss gab es sogar eine kleine Landebahn, die mit blauen Plastikkanistern markiert war. Ich musste an die Bilder von Ómar Ragnarssón denken, der mit seiner Cessna in die abgelegensten Winkel Islands flog um in seinen Fernsehreportagen die dortige Landschaft festzuhalten. Gegen das Kárahnjúkar-Kraftwerk das hier gebaut wurde, hatte er sich mit besonderem Engagement eingesetzt, und auf einem Bild flog er mit der kleinen Cesna geradewegs durch den hiesigen Canyon. Der Fluß gefiel mir, so abwechslungsreich wie er war. Also ging ich nach einer kurzen Pause weiter am Ufer entlang nach Süden. Schlagartig stand ich auf einer grünen Wiese, die wieder im starken Kontrast zu der unwirtlichen steinigen Gegend bisher stand. Leider war es das aber dann erstmal hinsichtlich Abwechslung. Die nächsten paar Kilometer ging es vergleichsweise unspektakulär im Grünen dahin. Dafür fesselte mich der Fluß umso mehr, mit seinen Strudeln und Wirbeln im graubraunen Wasser. Außerdem klarte der Himmel immer mehr auf und ich hatte bald so viel Sonnenschein wie schon lange nicht mehr. Nach einer Flussbiegung kam ein kurzes Schotterfeld, bei der nächsten Flussbiegung kam dann mal eine richtige Herausforderung. Ein feinkörniger Sand und Schutthang der geradewegs in den Fluss hinunter führte. Und der Hang war ziemlich steil, etwa 45 Grad und mehr. Er bestand fast vollständig aus lockerem Sand mit einiger größeren Steinen darin. Und unten wartete der Fluß geradezu darauf, daß man ins Rutschen geriet. Zwar konnte ich hier eindeutige Fußspuren von mehreren Leuten erkennen, die vor mir dort entlanggegangen waren, aber das machte es auch nicht einfacher. Etwa einen Kilometer zog sich die Zitterpartie dahin. Danach war wieder Pause angesagt, und Sand aus den Schuhen leeren. Der Fluß wurde hier breiter und floß gemächlicher dahin. Auch das Tal rundherum wurde breiter und war üppig mit Gras und Moos bewachsen. Am gegenüberligenden Ufer konnte ich einige Rentiere entdecken, die hoch am Hang standen und gemächlich ästen. Die Fußspuren, die ich im Sand so sicher verfolgen konnte, verloren sich allerdings in der Vegetation. Dennoch ging es eindeutig auf einen kleinen Hügel zu, um den die nächste Flußbiegung ging. Meinem Gefühl nach müßte ich schon ziemlich nah an der Mündung der Kringílsá sein, wenn schon nicht hinter der letzten Flußbiegung dann vielleicht bei der nächsten? Es ging gemächlich den Hügel hinauf und je weiter oben ich war, desto mehr vedichteten sich auch die Fußspuren wieder zu einem einzigen Pfad. Schließlich stand ich auf einer Kuppe und vor mir ging es abrupt steil zum Fluß hinunter. Oder zu den Flüssen. Die Jökulsá í Dal lag recht breit vor mir, von rechts kam die Kringílsá aus einer engen Schlucht mit mehreren Wasserfällen dazu, und ich hatte einen Logenplatz mit bester Übersicht auf alles. Eine Pause mit Fotostop war vorprogrammiert. Und den weiteren Weg konnte ich auch ein bißchen überschauen. Es ging nach rechts den Hügel wieder hinunter, dann ein paar hundert Meter flach dahin, bevor es am Nordufer der Kringílsá steil bergauf ging. Außerdem entdeckte ich unmittelbar bei der Mündung der Kringílsá in die Jökla eine eigenartige Brückenkonstruktion. Von der hatte ich noch nichts gehört, und meine Neugierde war geweckt. Ich ging also zunächst auf dem ausgetretenen Pfad abwärts und bog dort, wo sich die Spuren in der grasigen Ebene verloren, in Richtung der Brücke ab. Aus der Nähe betrachtet handelte es sich eigentlich um eine Seilbahn und nicht um eine Brücke. Irgendjemand hatte sie wohl gebaut, um einfacher auf die Kringílsárrani zu kommen, die eigentlich unzugängliche Insel zwischen den beiden Gletscherflüssen Kringílsá und Jökulsá í Dal, die im Süden durch den Gletscher begrenzt wurde. Dort kamen normalerweise keine Schafe hin, nur einige Rentiere gab es dort, und deswegen ist das auch eine für Island so einzigartige Landschaft, die bis vor kurzem unter Naturschutz stand. Für den Staudamm wurde das Schutzgebiet mal eben ein bißchen verkleinert und außerdem auch für Rentiere unerreichbar durch einen See von der Vesturöræfi getrennt. Die Seilbahn war bestimmt von den sehr aktiven Reiseleitern des Ferðafélag Augnablík angelegt, die etliche Wandertouren in der Gegend anboten. Der einzige andere Weg, um von der Kringílsárrani wieder herunter zu kommen, wäre im Süden über den Gletscher. Für mich hätte es wohl einen Umweg von einem Tag bedeuted, wenn ich mit der Seilbahn auf die Südseite der Kringílsá übergesetzt hätte. Auch so war die Etappe bis zu meinem nächsten Vorratspaket schon recht lang, so daß ich beschloß, lieber auf der Nordseite zu bleiben. Also wanderte ich an der Schlucht der Kringílsá entlang und erstmal steil nach oben. Unter und neben mir in der Schlucht reihte sich Wasserfall an Wasserfall, und als ich am Rand des Canyons entlanglief, fühlte ich mich an den Jökulsárgljúfur-Nationalpark erinnert, in dem es zwischen Dettifoss und Ásbyrgi ähnlich am grünen Canyongrund dahin ging. Links und rechts des Canyons lagen hier weite Ebenen, die von kleinen Bächen durchzogen waren und schöne Weideflächen ergaben. Dementsprechend begegneten mir auch wieder Schafe und nochmal einige Rentiere, wobei jedoch vor allem letztere respektvoll Abstand hielten. Wie beschrieben kam ich an etlichen Wasserfällen vorbei. Irgendwo vor mir musste aber noch ein besonders großer kommen, der Töfrafoss. So ganz genau hatte ich meine Tagesetappe nicht geplant, aber so ein Wasserfall wäre sicher ein lohnendes Ziel. Und allzuweit konnte er auch nicht mehr sein. Trotzdem zog sich das letzte Stück noch eine ganze Weile dahin. Ich musste immer wieder diese typischen tiefeingeschnittenen Bachläufe überqueren und konnte nur selten den geraden Weg an der Kringílsá entlang gehen. Nach einigen Kilometern kam ich aber doch endlich an jenen letzten großen Wasserfall, den Töfrafoss oder Kringílsárfoss. Bis zu diesem Wasserfall sollte der Stausee mal reichen, wenn erst der Damm bei den Kárahnjúkar fertig ist. Und dort beim Wasserfall wollte ich zelten. Nachdem das Licht unten in der Schlucht jetzt abends schon recht schlecht war, verschob ich die Fotosession auf morgen früh und suchte mir gleich etwas weiter oben ein Fleckchen zum Übernachten. Ganz in der Nähe des Töfrafoss standen zwei Jeeps mitten in der Landschaft. Ich hatte ja eigentlich gedacht, man komme zu dem Wasserfall nur zu Fuß und ich würde dort weit und breit keinen Menschen sehen. Sogesehen war ich jetzt doch ein bißchen enttäuscht. Ich schaute erstmal nach, ob die Jeepfahrer schon irgendwo ein Camp aufgestellt hatten, aber genaugenommen war doch kein Mensch weit und breit zu sehen, nur die Autos. Also suchte ich mir den nächsten schönen Bach und richtete meinen Zeltplatz dort ein. Während ich meine Nudeln kochte, ging so langsam die Sonne unter. Die Schatten wurden immer länger und ich hatte wiedermal einzigartiges Licht auf dem Snæfell, den ich seit einiger Zeit wieder im Osten sehen konnte. Außerdem sah ich einige dunkle Wolken fern über dem Vatnajökull, die aber für mich harmlos waren. Wunderbares Licht und eine schöne Abendstimmung waren mir zumindest für heute noch sicher. Ich war grade mit Essen fertig und wollte noch einen kurzen Abendspaziergang zum Wasserfall machen, da sah ich einige leuchtend rote und blaue Jacken von Osten heranhüpfen. Sie verschwanden immer wieder kurz in den tiefen Einschnitten der Bachläufe und tauchten dann wieder auf. Insgesamt kamen sie jedenfalls eindeutig auf mich zu. Das waren natürlich die Jeepfahrer, zwei isländische Familien mitsamt Freunden und Bekannten. Sie grüßten mich zwar freundlich, wollten aber offensichtlich nur noch zu ihren Autos mit den Vorräten darin. Kurz nachdem auch der letzte Nachzügler eingetroffen war, fuhren sie von dannen. Dafür war ein dritter Jeep gekommen, geradewegs aus Richtung Norden. Es gab dort eine Piste, ich weiß bis heute nicht, wo sie anfängt, aber sie schien ziemlich beliebt zu sein. Irgendwann verkroch ich mich einfach in mein Zelt. Die späten Besucher hatten an mir offenbar kein Interesse und zogen irgendwann auch wieder ab. Als ich dann im Schlafsack lag, war um mich herum endlich die absolute Ruhe und Einsamkeit, die ich erwartet hatte. Nur das Rauschen vom Töfrafoss war zu hören, das sich mit dem Plätschern meines "Hausbaches" vermischte. Bilder der Tages:
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9. August 2005 zum Grágæsadalur |
Auch am nächsten Morgen war das Wetter recht freundlich. Eigentlich sogar ein bißchen zu gut. Strahlender Sonnenschein, nur ein paar wenige recht hochgelegene Wolken, das Blau überwog irgendwie. Das musste ich gleich nutzen, bevor es noch zuzog. Also bin ich früh raus, hab meine Fotoausrüstung gepackt und die hundert Meter zum Töfrafoss zurückgelegt. Die Sonne leuchtete geradewegs in die Schlucht hinein und auf den Wasserfall, deutlich besseres Licht als gestern abend. Und ich hab auch deutlich mehr Fotos gemacht. Ein sehr guter Start in den Tag. Nach diesem kurzen Ausflug bin ich schnell zurück zum Zelt und hab ein bißchen gefrühstückt. Meine sieben Sachen waren im Nu zusammengepackt und ich brach auf. Zunächst wollte ich noch eine Weile am Fluss entlang gehen, je nachdem wie mir die Landschaft dort gefiel. Danach musste ich irgendwann abbiegen und querfeldein in Richtung Westen marschieren. Dort konnte ich schon einige Berggipfel sehen, die wohl die Fagrifjöll sein mussten, und an deren Südende müsste irgendwo das Grágæsadalur liegen, eine kleine grüne Oase mit einer privaten Hütte. Zunächst konnte ich mir das noch gar nicht so richtig vorstellen, eine Oase. Ich lief auf einer schönen grünen Wiese mit viel Moosen und Flechten. Quer zu meinem Weg gab es etliche kleine Bachläufe, ähnlich dem, wo ich gezeltet hatte. Ich fing unterwegs sogar an, allerlei Pflanzen und Pilze in Großaufnahme zu fotografieren, damit ich mich zu Hause mal hinsetzen konnte, und ein bißchen was über die isländische Flora lernen. Die Kringílsá neben mir floß hier in ihrem Oberlauf relativ gemächlich dahin und bot nur wenige abwechslungsreiche Fotomotive. Rechts von mir ging es aber noch ein Stück auf einen Hügel hinauf, dann endete die Vegetation abrupt. Statt dessen lagen Steine in allen erdenklichen Größen herum, dazwischen ein bißchen Sand und nur wenige verdorrte Halme. Und der schmale grüne Streifen, in dem ich entlangging, wurde immer schmaler. Der Fluss neben mir hatte wie gesagt auch nicht mehr viel an Stromschnellen und Wasserfällen zu bieten. Durch einen Blick auf den Brúarjökull nach links konnte ich mich versichern, daß in der Kringílsá bis auf die Höhe des Gletschers auch nicht mehr viel Gefälle sein konnte. Also beschloss ich, abzubiegen. Per GPS peilte ich grob die Richtung zum Grágæsadalur an, also aufs Südende die genannten Berggipfel zu, und es ging ab in die Moränen- und Geröllandschaft nach rechts. Zu meiner Verwunderung stieß ich dort sehr bald auf eine Piste. Sie verlief wohl ein Stück nördlich parallel zu meinem ursprünglichen Weg am Fluss entlang. Und nachdem schon der Fluß nicht ganz meine Richtung war, überquerte ich auch diese Piste nur kurz und marschierte weiter auf meinem Weg querfeldein. Laut Karten müsste ich bald eine grüne Stelle und möglicherweise ein bißchen Sumpf durchqueren, Þorláksmýrar. Und laut Atlaskort gab es dort einen Bach, der nach Norden floss, laut Aðalkort einen, der nach Süden floss. Die Senke vor mir sah ich recht bald, nachdem ich über die Piste war, und auch daß sie wieder recht grün bewachsen war, stellenweise mit warnenden weißen Wollgrasfahnen. Und einige Wasseradern und kleine Seen konnte ich auch erkennen. Der beste Weg war wohl einfach gerade hindurch, vielleicht in einem kleinen Bogen nach Norden, da sah es eigentlich nichtmal sehr sumpfig aus. Gesagt getan, ich sank heute nur selten bis an die Knöchel ein und kam eigentlich sehr gut voran. Bis ich plötzlich an einem der Bachläufe stand, die ich aus der Ferne schon gesehen hatte. Der sah aus der Nähe betrachtet allerdings nicht sehr einladend aus, um nicht zu sagen ziemlich tief. Andererseits konnte ich auch aus den Nähe das Rätsel, in welche Richtung das Wasser nun wirklich floß, nicht abschließend lösen. Eigentlich sah das Ganze eher wie ein langgezogener See in einem engen Graben aus. Also konnte eine bessere Stelle, hinüberzugelangen, nicht allzuweit sein. Tatsächlich musste ich nicht lange suchen, dann wurde der See zu einem kleinen Rinnsal und ich kam trockenen Fußes auf die andere Seite. Dort sah ich mitten in der grünen Landschaft ein paar auffällig helle Steine mit viel schwarzem Sand rundherum, ganz ohne Vegetation. Während in solchen Sumpflandschaften sonst eigentlich alle Steine und alle Bäche rostrot sind, fielen diese hier definitiv aus der Reihe. Also machte ich einen kleinen Abstecher und sah mir das genauer an. Bei genauerer Betrachtung handelte es sich um die Sinterablagerungen einer kleinen warmen Quelle, die oben aus den Steinen hervorquoll. Da dachte ich, ich ginge einfach nur querfeldein durchs Nirgendwo, und plötzlich sowas. Island ist eben voller Überraschungen. Nachdem die Quelle zum Baden aber definitiv zu klein war, zog ich weiter, auf den nächsten Hügelzug hinauf. Beim Aufwärtslaufen hatte ich keinen freien Blick mehr auf die Fagrifjöll und schaute deswegen alle paar hundert Meter auf dem GPS nach. Laut den Satelitten kam ich jedenfalls wenigstens voran. Um mich herum war nun restlos nichts als Sand und Steine. Ein paar etwas größere Felsen, die auf einer Hügelkuppe standen, waren das einzige Orientierungsmerkmal. Wehmütig schaute ich zurück in die schöne grüne Senke, die ich durchquert hatte, so sumpfig sie auch war. Nach einiger Zeit hatte ich wieder freie Sicht auf die Fagrifjöll und die Kverkfjöll weiter links. Hinter mir am Snæfell konnte ich einer dicken Regenwolke zuschauen, wie sie sich abregnete und weiter nach Norden zog. Auch hier bei mir hatte es sich ein bißchen zugezogen, und mit prallem Sonnenschein war schon lange nichts mehr. Trotzdem, der Wind kam aus Süden und der Regen blieb größtenteils am Vatnajökull hängen. Ich musste an Martin Hülle denken, den Skifahrer vom Campingplatz Höfn, der jetzt irgendwo dort oben unterwegs war. Sicher nicht sehr angenehm. Für mich ging es zwar trocken und sicher, aber doch recht öde dahin. Die schwarze Landschaft zog sich, erst nach einer ganze Weile konnte ich vor mir das nächste breitere Tal erahnen. Dort musste die Sauðá nach Norden fließen, der selbe Bach, den ich am Tag zuvor bei der Kárahnjúkar-Baustelle durchwatet hatte. Als ich noch ein Stückchen weiter war, sah ich diesen Bach auch endlich und den Grund des Tales ebenso. Aber da war noch einiges mehr zu sehen, was ich nicht erwartet hätte. Auf der anderen Seite des Baches, mitten in der Landschaft, stand ein Jeep. Die nächste in irgendeiner Karte verzeichnete Piste war zwar noch etliche Kiloeter entfernt, aber nagut. Bevor ich den genauer anschauen konnte, musste ich sowieso erstmal durch die Sauða durch, und die hundert Meter Umweg wollte ich dann auf jeden Fall auf mich nehmen, wenn ich schon so zielsicher genau hierher gefunden hatte. Unten beim Bach gab es ein kleines bißchen Grün und sogar einige mächtige Engelwurzstauden. Aber leider gab es keine Möglichkeit, trockenen Fußes auf die andere Seite zu kommen. Also hab ich meine Watsandalen angezogen und bin mit denen durch, war auch kein Problem. Danach bin ich in Richtung des Jeep losmarschiert. Als ich ein Stück aus dem Bachbett heraus war, konnte ich auch endlich erkennen, was der Jeep hier wollte. Mit gelben Steinen war eine breite Landebahn markiert. Aber ich konnte immer noch keine wie auch immer geartete Piste erkennen, die hierher geführt hätte. Als ich näher kam sah ich neben dem Jeep einen Benzinkanister liegen. Ich fand die Idee recht spassig, mitten im nirgendwo ohne Bezin dazustehen, und dann mal eben schnell zur nächsten Tankstelle zu laufen, um neues zu besorgen. Aber als ich dann durchs Fenster in den Jeep hineinschaute, sah ich noch fünf weitere Benzinkanister. Wahrscheinlicher also, daß da ein Hobbypilot am Werke war. Außerdem lagen im Jeep noch stapelweise originalverschweißte Bücher "Kárahnjúkar - með og á móti" von Ómar Ragnarssón. Ich hatte so einen Verdacht, welcher Hobbypilot hier wohl am Werke war. Schade, ich hatte den ganzen Tag noch keinen Flieger gehört, und zu sehen war auch weit und breit keiner. Ich hätte mich also höchstens neben den Jeep setzen können und warten. Wer weiß, wie lange. Statt dessen zog ich nach einer kurzen Pause wieder weiter, es war schon weit nach Mittag und ich hatte noch etwa 10 km bis zum Grágæsadalur. Eine Piste gab es immer noch nicht, aber die Richtung war relativ einfach zu finden. Zunächst musste ich ein Stück bergauf, um aus dem Tal der Sauðá herauszukommen. Danach hatte ich freie Sicht auf die Fagrifjöll, auf deren Südende ich weiter zuhielt. Das war auch schon fast alles, was es zu sehen gab. Weiter links noch die markanten schneebedeckten Kverkfjöll, noch weiter links die weite Eisebene des Brúarjökull, hinter mir der Snæfell, und rechts von mir eine ganze Reihe von Hügelketten die sich in Richtung Norden dahinzogen. Ich überquerte mal wieder eine namenlose, nirgends verzeichnete Piste, die von Nord nach Süd ging, dann einen kleinen Bach, der mit dem bißchen Grün außen herum eine wilkommene Abwechslung war, dann eine öde Kiesebene, bis ich plötzlich rechts und vor mir einige Holzstäbe entdeckte. Die offizielle Piste zum Grágæsadalur, die auch fast nirgends verzeichnet ist, aber ein Stück nördlich von der Brúardalarleið abzweigt. Ich hatte mich wohl ein Stück zu weit nördlich gehalten bei meinem Marsch querfeldein. Oder die Piste verlief einfach weiter südlich, als ich sie erwartet hatte. Aber nachdem Piste und Landschaft ohnehin gleich steinig waren, machte es auch keinen großen Unterschied mehr, wo ich jetzt entlangging. Und nachdem sich der "Verkehr" in Grenzen hielt, war mir die Piste eigentlich gar nicht so unsympathisch. Von da an lief ich also auf der Piste entlang. Die machte im weiteren Verlauf tatsächlich einen weiten Schlenker nach Süden, um das Tal und das Quellgebiet der Fagridalsá zu vermeiden. Das war nach etlichen Kilometern nämlich die nächste größere Landmarke, an der ich mich orientieren konnte. Als ich das Tal durchquert hatte und gerade auf der anderen Seite wieder bergauf ging, überholte mich das erste Auto, seit ich auf diese Piste eingebogen war. Ein weißer Suzuki Jimney, normalerweise ein typischer Touristenmietwagen, aber hier in dieser Gegend? Ohne anzuhalten brauste er an mir vorbei. Aber nachdem das Grágæsadalur eine Sackgasse ist, war abzusehen, daß wir uns wieder begegnen würden. Um mich herum war die ganze Zeit nichts als Staub und Steine. Hinter dem ausgetrockneten Tal der Fagridalsá ging es erst noch einige Kilometer geradeaus durch diese trockene Landschaft. Nachdem die Sonne langsam immer stärker zwischen den Wolken hervor kam, machte ich bei etlichen der größeren Steine am Wegesrand eine kleine Pause, und fragte mich zum ersten Mal, warum ich eigentlich keine Ersatzsonnencreme besorgt hatte. Aber mein Rücken war ohnehin schwer beansprucht und das bißchen Sonne würde mir wohl noch keinen Sonnenbrand einbringen. Es tat gut, den Rucksack auf den Stein zu stellen und dann zur Abwechslung mal im Tragegestell zu hängen, anstatt umgekehrt. Oft machte ich mir auch die Mühe, meine Trinkflasche vom Rucksack hervorzuangeln, und ich war froh, daß ich sowohl genug Wasser dabei hatte, als auch heute abend frisches Wasser finden würde. Obwohl ich nur schleppend vorankam, erreichte ich recht bald das Grágæsadalur. Über eine letzte kleine Anhöhe ging es, dann stand ich neben einer zierlichen Steinwarte und vor mir öffnete sich das Tal. Ein kleiner, ausgetrockneter Bach floss noch etwa zwei Kilometer nach Süden und mündete dann in einen milchig trüben See Gletscherwasser, das markanteste Merkmal des Grágæsadals. Im unteren Teil des Bachlaufes und rund um den See war endlich wieder Vegetation zu sehen, Gras, Engelwurzstauden und Moospolster. Und als kleines Pünktchen am Seeufer war die Hütte zu sehen, zu der ich wollte. Bevor die Piste dort ankam, machte sie noch einen Bogen nach Norden, um das obere Ende des Tals zu umfahren, und den Bachlauf an einer Stelle zu kreuzen, wo keine Vegetationsdecke beschädigt werden konnte. Und an einer Stelle, wo genaugenommen auch noch keine Spur von Wasser im Bach zu finden war. Auch das letzte Stück hielt sich der Weg in den staubig, steinig trockenen Bereichen, nicht quer durch das bißchen zarte Grün, das sich hier im Hochland hielt. Ich folgte dem Streckenlauf und kam langsam aber sicher zum Ziel meiner Tagesetappe. Einen letzten kleinen Hügel ging es hinunter, dann noch über einen weiteren kleinen Bach, und schon stand ich am Parkplatz vor der Hütte. Geschafft stellte ich meinen Rucksack an die Hüttenwand und genoß erstmal ein paar Kekse. Mittlerweile war es richtig sonnig und warm geworden, man hätte sich glatt ins Gras legen und eine Weile vor sich hindösen können, wäre nicht der kalte Wind vom Gletscher heruntergekommen. Ein kleiner Garten war fein säuberlich neben der Hütte am Seeufer angelegt, eine perfekte Idylle. Gern wollte ich in die Hütte, um dort zu übernachten. Aber leider war sie abgesperrt und verrammelt. Ein Schild war außen dran, frei übersetzt "Wegen der Sabotage am Kárahnjúkarstaudamm wird die Hütte, die 36 Jahre lang offen stand, ab sofort im Sommer abgesperrt". Ich war ziemlich erstaunt, was das wohl bedeuten sollte. Die Geschichte vom "protest camp" und von dessen Auflösung hatte ich ja mitbekommen, aber die Baustelle war etwa 50 km vom Ende dieser Sackgasse entfernt. Sehr sonderbar. Absperren sehe ich ja ein, aber wegen der Sabotage bei den Kárahnjúkar? Aber nachdem ich sowieso wußte, daß die Hütte in Privatbesitz war, hatte ich von vorneherin nicht ganz damit gerechnet, innnen übernachten zu können. Und nachdem ich an dem Tag trotzdem nicht mehr allzuweit kommen würde, beschloss ich, mir einen Zeltplatz nebenan zu suchen. Ich war noch nichtmal richtig losgezogen, schaute nur zurück in Richtung Piste, da kamen mit mal zwei Jeeps in Richtung Hütte daher. Der eine war der weiße Jimney, der mir schon zuvor begegnet war. Er kam die Berge im Westen herunter. Dort endet auch der letzte Rest einer gedachten Verlängerung der Piste an der Kreppá, bzw. an einer "Furt", durch die sich angeblich schonmal wagemutige Isländer im Herbst und Winter auf die Krepputunga durchgeschlagen haben. In dem typischen Touristen-Jimney saß also bestimmt schonmal kein typischer Tourist, wenn er überhaupt etwas von der Furt wusste. Von der anderen Seite, also auf der Piste die ich auch entlanggekommen war, näherte sich ein richtiger Isländischer Jeep, mit dezenter Funkantenne und der kleinen Reifengröße. Daß gleich drei sich zur selben Zeit an so einem abgelegenen Ort treffen, darüber staune ich heute noch. Der Jimney-Fahrer war ein recht netter, älterer Isländer, der mir gleich mal einen frischen Apfel anbot. Nachdem ich Vitamine sonst nur in Form von Brausetabletten dabei hatte, nahm ich dankend an. Im großen Jeep war ein auch schon etwas älteres Paar unterwegs, und während ich noch den Apfel aß, bestaunten die erstmal den Garten am Seeufer. Überhaupt verhielten sich die Isländer, als wäre so eine Begegnung das Normalste der Welt. Für mich waren es die ersten Menschen die ich an dem Tag traf. Als wenig später wieder alle bei den Jeeps standen und weiterfahren wollten, sprach man noch kurz über die Wege, Brücken und Furten. Ich war eher unbeteiligt an der Kommunikation, nachdem keiner der Isländer englisch konnte, und machte in Gedanken drei weitere Striche auf der Liste der nicht-englischsprachigen Isländer. Ein kurzes Lob für mein gutes Isländisch bekam ich noch, dann knallten die Türen zu und ich war wieder alleine. War mir in gewisser Weise auch lieber so. Beim letzten Bach hundert Meter vor der Hütte fand ich einen schönen Zeltplatz. Dieser Bach war scheinbar sowieso die einzige Trinkwasserversorgung in der näheren Umgebung. Vom trüben Gletscherwasser aus dem See wollte ich lieber nichts probieren. Als ich mit in der windgeschützten Mulde endlich meine Nudeln kochte, war es schon recht spät. Die Sonne verschwand hinter dem Bergrücken und man merkte erst jetzt so richtig, wie kalt der Wind aus dem Süden war. Ich verkroch mich in meinen Schlafsack und lauschte dem Bach neben meinem Zelt. Wieder ein völlig anderer Klang als der von heute Morgen. Bilder der Tages:
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10. August 2005 |
Nachdem ich die letzten beiden Tage einigermaßenes Glück mit dem Wetter und Südwind hatte, erwartete ich eigentich fast schon, daß es am nächsten Morgen regnerisch und ungemütlich würde. Beim Aufwachen hörte ich zu meiner Überraschung aber noch keinen Regen ans Zelt klopfen. Eigentlich sah es draußen sogar gar nicht so schlecht aus. Immer noch Südwind. Ich machte schnell ein paar Fotos von meinem Zeltplatz, der jetzt morgens um so besseres Sonnenlicht hatte als er gestern abend im Schatten lag. Dann zog ich mich ins Zelt zurück und machte ein bißchen Frühstück und fing so langsam an zu Packen. Als ich das nächste mal nach draußen schaute, gefiel mir das Wetter schon deutlich weniger gut. Immer noch kräftiger Südwind, fast schon Sturm, wenn ich aus meinem windgeschützten Tal herausschaute. Und von Süden kamen über den Gletscher hinüber dunkle Wolken gezogen. Zusammen mit der Windstärke konnte das eigentlich nur Regen bedeuten, zumindest für den Rest des Tages. Aber wenigstens mein Zelt packen und losmarschieren konnte ich noch bei trockenem Wetter. Einen genauen Plan hatte ich für diesen Tag nicht. Ich wollte erstmal irgendwie zum Fagridalur, etwa 10 km nördlich von hier. Dort gab es das letzte Trinkwasser für die nächsten drei Tage, bis zur Askja, von einigen unzuverlässigen Regenwassertöpfen bei der Kreppábrücke mal abgesehen. Vom Fagridalur aus wollte ich so weit wie möglich nach Norden, in Richtung Brücke und Krepputunga. Die Pisten in der Gegend, z.B. die Brúardalaleið, machten alle riesige Umwege. Also musste ich wieder querfeldein gehen. Bloß wo? Am Abend zuvor hatte ich nochmal die Karten studiert, wobei diverse Widersprüche der verschiedenen Karten jetzt ein bißchen mehr Sinn ergaben, nachdem ich die Landschaft aus eigener Anschauung kannte. Erstmal musste ich wohl auf der Piste entlang zurück aus dem Grágæsadalur, bis zu der Stelle, wo ich gestern durch das trockene Bachtal gekommen war. Von dort aus wollte ich dann einfach mal nach Norden und schauen, wo ich rauskommen würde. Mit dem starken Rückenwind ging sich das deutlich einfacher auf der Piste als gestern Nachmittag. So schnell wie der Wind die Wolken nach Norden peitschte war ich aber doch nicht ganz. Als ich in der letzten Nordkurve meines gestrigen Tagesmarsches angekommen war, hatten mich die Wolken gerade so überholt, aber es regnete immerhin noch nicht. Lange konnte es nicht mehr dauern, bis ich den Wettlauf verlor. Bei der Kurve fand ich jetzt auch ein paar Jeepspuren, die weiter in Richtung Norden führten. Markierungspflöcke gab es keine mehr, nur noch ein Paar sehr schwacher Spuren. Denen folgte ich, die Richtung war gar nicht so schlecht. Verzeichnet war dieser Weg aber in keiner meiner Karten, so daß ich halbwegs damit rechnete, recht bald z.B. an einer dieser Furten zu stehen, wo sich im Herbst oder Winter schonmal ein Isländer durch die Kreppá zu fahren getraut hat. Aber dann könnte ich mir ja immer noch einen besseren Weg suchen. Sehr verlockend war natürlich der Einschnitt des Fagridalurs, wo ich wohl die Fagrifjöll im Osten umgehen konnte. Dafür hielt sich die Piste bisher aber etwas zu weit westlich. Während ich so dahinmarschierte und zum einen die Piste zu verfolgen versuchte, zum anderen den weiteren Weg plante, hatte ich gar keine Augen mehr für das Wettergeschehen hinter mir. Hoch über mir war es mittlerweile komplett grau, und die etwas tieferhängenden Wolken krochen auch so langsam über den Gletscherrand. Heute morgen und gestern hatte ich die Kverkfjöll noch gut im Blick, aber heute waren sie schon in den Wolken verschwunden. Die Piste verlief bald immer höher am Hang entlang, während ich rechts von mir ins Tal der Fagridalsá hinunterschauen konnte. Irgendwann bog sie dann nach Westen ab, und ich beschloss, meinen eigenen Weg zu suchen. Ich hielt mich rechts den Hang hinunter, überquerte ein kleines moosiges Bachtal und kam gerade als es sich zu einer grasbewachsenen Ebene weitete unten im Fagridalur an. Laut Karte und dem, was ich auf meiner Radtour von der Brúardalaleið aus schon vom Tal gesehen hatte, verlief dieses in einem scharfen Bogen weiter nach Norden und Westen und mündete dann in die Kreppá. Als ich jetzt unten am Talgrund stand, sah alles ein bißchen anders aus, und ich konnte mich nicht so recht orientieren, an welcher Stelle genau ich eigentlich war. Und außerdem stimmte das GPS nicht mit meinem natürlichen Orientierungssinn überein. Alles sah von hier unten einfach völlig anders aus, als von der Piste oberhalb des Tales. Jedenfalls stand ich sehr bald an einem Geflecht von kleinen Bächen, die die Fagridalsá bildeten. Trockenen Fußes kam ich nicht hinüber, aber mit den Watsandalen völlig problemlos. Während ich am anderen Ufer wieder die Schuhe anzog, überlegte ich, ob ich noch eine Weile am Fluss entlang laufen wollte, dann Wasser tanken und nach Norden abbiegen, oder ob ich gleich Wasser tanken und auf trockenere Gefilde im Norden ausweichen wollte. Nachdem sich etwas weiter flussab das Tal noch mehr weitete und ich schon wieder drohende leuchtend weiße Wollgrasbüschel sah, entschied ich mich für letztere Variante. Also den Wassersack hervorkramen und auffüllen. Wieviel Wasser braucht man wohl in drei Tagen? Naja, erstmal reichlich voll machen und mal sehen, wie schwer das wird. Und vor allem, wo man den prallen Wassersack am geschicktesten unterbringen könnte. Unten ist schlecht beim Abstellen, hinten ist schlecht wegen Gewichtsverteilung, und ganz oben hält sich so ein schwabbeliges Ding irgendwie nicht. Schließlich hab ich ihn unters Deckelfach gesteckt, auf die Gefahr hin, daß mein bisher so schön trockener Rucksack vielleicht doch mal innen naß werden könnte. Beim Aufsetzen dachte ich mir gleich, das sei viel zu viel Wasser, ich müsste doch auch mit weniger auskommen können. Aber ich machte mich trotzdem tapfer auf den Weg. Über trockene Wiesen zum Rand des Tales hin und in Richtung Norden, das war der Plan. Trockene Wiesen zum Rand des Tales hin hätte es gegeben, aber das war dann eher Richtung Osten als Norden. Also nahm ich ein bißchen sumpfigere Wiesen in Kauf und folgte treu der Richtung aus dem Satellitenorakel. Mein eigener Orientierungssinn war sowieso schon restlos durcheinandergekommen. Eigentlich erwartete ich, daß das Fagridalur einen schönen weiten Bogen beschreiben würde. Aber der Bogen nahm und nahm kein Ende, die Kreppá am westlichen Ende des Bogens war auch nicht in Sicht. Entweder das GPS oder die Landschaft war falsch. Mir wurde das alles ein wenig unheimlich. Bei einem ausgetrockneten Zufluss zur Fagridalsá machte ich eine Rast, leerte erstmal wieder den halben Wassersack aus, und marschierte dann schnurstracks auf den Rand des Tales zu. Ein bißchen bergauf, dann hat man bestimmt einen besseren Überblick. Und damit ich nicht gar so viel schleppen muss, werd ich die nächsten Tage noch sparsamer als sparsam mit dem Wasser sein. Bei der beeindruckend engen Nebenschlucht, aus der mein ausgetrocknete Bachlauf kam, fand ich eine schöne Stelle, um aufzusteigen und das Fagridalur zu verlassen. Beim ersten Anblick zwei Jahre zuvor, bei Sonnenschein und blauem Himmel hatte es so einladend gewirkt. Heute bei tristem grauem Himmel und düsterem Licht war es mir irgendwie unheimlich. Tatsächlich machte vom Talrand aus betrachtet aber alles wieder ein bißchen Sinn. Vor allem konnte ich die Kreppá erkennen, und die Größe des Talbogens überblicken. Der grüne Talgrund reichte einerseits sehr viel weiter nach Süden und die Kreppá war andererseits gar nicht mehr so weit, wie es vom Talgrund aus den Anschein hatte. Und nachdem ich mich mit dem Wasser schon so abgeschleppt hatte, machte ich zur Belohnung gleich mal wieder eine längere Pause und ein paar Fotos. Fern im Norden konnte ich einen einsamen Gipfel erkennen, der die übrigen Höhenzuge gerade so überragte. Ungefähr genau in dieser Richtung musste die Kreppábrücke sein, genaugenommen hinter diesem Berg. Ich hatte also ein Ziel, auf das ich den restlichen Tag zulaufen konnte. Auch wenn es noch so endlos weit weg zu sein schien. Nach einem letzten Blick aufs Fagridalur schulterte ich den Rucksack und marschierte los. Hatte ich eigentlich erwähnt, daß es irgendwann unterwegs ganz langsam und schleichend zu regnen angefangen hatte? Ich weiß bis heute nicht so ganz genau, ob das schon vor dem Fagridalur war, oder erst dahinter, jedenfalls war bald alles ziemlich nass, und die Regenwolken hatten spätestens jetzt ihren Wettlauf gewonnen. Ich lief mit Kapuze und in wasserdichtem Überzeug durch die Regenschleier hindurch, schaute ihnen manchmal auch nur zu, wie sie sich irgendwo neben mir abregneten, und nahm sie bald gar nicht mehr richtig wahr. Um mich herum war im wahrsten Sinne des Wortes Nichts. Die Wolken hatten mittlerweile sämtliche Berggipfel verschlungen. Eigentlich wären links von mir mit Herðubreið, Upptyppingar und Dyngjufjöll mehr als genug markante Berge, aber zu sehen war keiner von denen. Vor mir konnte ich gerade noch meinen Gipfel erkennen, auf den ich zuhielt. Rechts waren nur Nebel, Wolken und namenlsoe flache Hügelzüge zu sehen. Wenn ich anhielt und mich umdrehte, konte ich hinter mir noch lange die Fagrifjöll sehen und die enge Schlucht westlich davon, durch die die Kreppá floß, die ich so lange nicht gesehen hatte. Jetzt sah ich sie endlos lange, als käme ich überhaupt nicht von der Stelle. Zu meinen Füßen war nur schwarzer Sand und Kies. Kilometerweit. Ich freute mich auf jeden etwas größeren Stein, den ich vor mir fern auf einem Hügel sah. Ich kam näher und näher, und als ich da war, war es doch nur ein etwas größerer Stein, auf dem ich mit Glück meinen Rucksack mal kurz abstellen konnte. Ich hab unterwegs irgendwo das Zeitgefühl verloren, und auch das Gefühl für Raum und Entfernungen. Es war dauernd gleich hell, keine Sonne zog über den Himmel, keine Schatten zogen ihr hinterher. Das GPS zählte irgendwelche Kilometer, 15, 18, 20, 22... der Gipfel vor mir war unverrückbar immer an der selben Stelle. Zur Abwechslung lagen zwischen den schwarzen Steinen irgendwann später auch ein paar helle Steine am Boden, Bimsstein. Bestimmt kamen die von der Askja und waren beim Ausbruch so weit geweht worden. Meistens lagen die Bimssteine in zusammenhängenden Flächen da, große trüb-helle Flecken auf schwarzem Grund. Irgendwann wurden das immer mehr und größere solche Sammlungen. Schließlich musste ich kleine "Bachläufe" der Bimssteine durchqueren. Bäche aus Bimsstein anstatt Wasser, die hinunterflossen in Richtung Kreppá. Das knirscht so schön unter den Schuhen. Ansonsten ist nur das Prasseln des Regens zu hören. Nach einem schier endlosen Weg durch dieses Nirgendwo, kam ich plötzlich über eine letzte kleine Anhöhe. Vor mir ging die Landschaft nicht mehr ganz so eintönig weiter, wie bisher. Der Berggipfel, auf den ich die ganze Zeit über zumarschiert war, war plötzlich zum Greiffen nah vor mir. Ein etwas tieferes und breiteres Tal voll hellem Bimsstein musste ich noch durchqueren, drüben könnte ich den steilen Stufen eines ausgetrockneten Bachlaufes folgend, das Tal wieder verlassen, und wenn ich wollte geradewegs weiter auf den Gipfel klettern. Nach links öffnete sich das Tal und ich hatte halbwegs eine Aussicht auf die flache Ebene der Krepputunga. Zumindest konnte ich zwischen den tiefhängenden Regenwolken die beiden Flußläufe von Kreppá und Jökulsá á Fjöllum erahnen, und dazwischen eine weite helle Bimmsteinebene. Dort wollte ich nach Plan morgen alles wieder zurück nach Süden laufen, der einzige Weg über die beiden Flüsse ging über die Brücken auf der Piste F910. Erstmal durchquerte ich aber mein vergleichsweise kleines großes Bimssteintal, kletterte drüben im Bachlauf wieder hinaus, und freute mich, daß der nasse Bimsstein eine feste, kompakte Masse bildete, die nicht bei jedem Schritt den halben Hang hinunterrutschte. Oben war wieder eine flache, schwarze Steinwüste, wie die vielen Kilometer zuvor. Irgendwie wirkte sie aber unberührter auf mich, und belebter, ohne daß ich das an einem zarten Grashalm konkreter hätte festhalten können. Ich lief in dem kleinen Hochtal zwischen einigen Gipfeln dahin. Das GPS behauptete, ich wäre heute schon 26 km unterwegs, was mich zwar ein wenig überraschte, was aber auch sehr gut zu den leichten Rückenschmerzen passte. Hier sah alles so trostlos aus, dem Wind schutzlos ausgeliefert, daß ich wohl zwangsläufig noch ein kleines Stückchen weiter musste. Ich lief Richtung Norden, bis ich schließlich bei 26.8 km einen kleinen natürlich ausgetrockneten Bachlauf fand, der in einer engen Schlucht zwischen ein paar Felsen von meiner Hochebene hinunterführte. Dort war ich wenigstens etwas windgeschützt, und hatte auch noch einen kleinen Flecken ebenen Boden. Der bestand zwar nur aus allen möglichen hell und dunkel gefärbten Steinen, war aber allemal besser als ein Zeltplatz am Hang. Ich ließ den Rucksack zu Boden fallen. Eigentlich konnte es auch nicht mehr weit zur Piste F910 sein und zur Kreppábrücke. Ich überlegte kurz, machte dann einen kleinen Ausflug ohne Gepäck, um besser vom Hang hinunterschauen zu können, sah aber trotzdem nur ein weiteres Tal und einen weiteren Berg und keine Kreppá. Also war mein öder Flecken Stein wohl das beste, was ich heute noch erhoffen könnte. Das Zelt stand im Nu und ich war dankbar, daß ich so viele Steine um mich hatte, von denen ich noch einige auf die Heringe legen konnte. In dem losen Bimsstein- und Sandgemisch wollten die von alleine nicht so richtig halten. Wenn der Wind weiter aus Richtung Süden kam, würde ich in meinem Bachtal sowieso nicht viel davon abbekommen. Ich kochte minimalistisch Boil-in-the-bag Reis und war wiedermal froh, daß mein stinkender Benziner auch bei Regen problemlos draußen funktionierte. Das Kochwasser konnte ich dann noch zum Zähneputzen verwenden. Nachdem ich bei dem vielen Regen auch nicht richtig durstig war, kam ich so mit einem knappen Liter Wasser am Tag aus. Meine Reserven waren allemal ausreichend bis zur Piste, die ich morgen sicher erreichen würde, und wenn es morgen plötzlich heiß und trocken werden sollte, könnte ich bestimmt ein paar Autofahrer anbetteln. Bei so sparsamen Tagen wie heute hätte ich aber auch noch mehr als genug Reserven bis zur Askja. Spät abends schaute ich nochmal aus dem Zelt heraus. Mittlerweile hatte der Regen einigermaßen aufgehört, ich saß dafür in einer recht dicken Nebelsuppe. Irgendwie fühlte ich mich nun doch richtig wohl mit meinem winzig kleinen leuchtend blauen Punkt mitten in Stein und Nebel, in absoluter Einsamkeit und Stille. Trotzdem war die Nacht ein bißchen unangenehm. Meine selbstaufblasende Isomatte bekam nach vielen Touren treuem Dienst das Luftballonsyndrom. Ich ließ ein bißchen Luft ab, um nicht auf einer Beule schlafen zu müssen, aber dem Schlafkomfort war das nicht gerade dienlich. Bilder der Tages:
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11. August 2005 Krepputunga |
Am nächsten Morgen war das erste, was ich wahrnahm, daß meine Füße vom der gestrigen Monsteretappe immer noch ein bißchen wehtaten. Also hab ich mich nochmal umgedreht und eine Weile länger geschlafen. Als auch das nicht wirklich half, machte ich mich doch endlich ans Frühstück, trockenes Müsli ohne Wasser, und ohne Milch natürlich sowieso. Danach gings ans tägliche Packritual, wobei ich schon längt für jedes Teil auswendig den richtigen Platz finden konnte. Auf meinen vielen Karten hatte ich ausfindig gemacht, daß die Kreppá-Brücke wohl einigermaßen richtig im GPS verzeichnet war, und ich nur noch von meinem Berg runter und über den nächsten Hügel hinüber müsste, um direkt davor zu stehen. Nachdem heute auch wieder ein bißchen Sonnenschein zu sehen war, machte ich mich also frohen Mutes und mit schmerzenden Füßen auf den Weg. Ich folgte nicht dem steilen Bachlauf hinunter, neben dem ich gezeltet hatte, sondern lief am deutlich flacheren Hang daneben entlang. Auf dem nächsten Hügel war ich schnell oben, aber der zog sich dann etwas. Oder wahrscheinlich kam mir das nur so vor, weil ich endlich wissen wollte, ob dahinter wirklich die ersehnte Brücke war. Erst langsam kam ich wieder richtig in Fahrt und genoß eher die Landschaft um mich herum, anstatt mir dauernd über das Wohin Sorgen zu machen. Im Norden hatte ich einen schönen Blick aufs Arnardalur, ein weites ebenes Tal, das auf beiden Seiten von langgezogenen Nord-Süd-Bergrücken begrenzt wurde. Hyaloklastische Rücken, erinnerte ich mich an die eine oder andere Geologie-Vorlesung die ich mal besucht hatte. Nach Norden ging das so weiter bis Möðrudalur und zur Ringstraße. Auch wenn ich keines von beidem sah, genoß ich das Panorama. So fand ich es dann schon fast ein bißchen schade, als es wieder bergab ging, und die Aussicht zusehends schlechter wurde. Exakt und auf geradem Wege vor mir war natürlich die Kreppá-Brücke, besser hätte man überhaupt nicht hinfinden können. Bergab ging es wieder durch mehr und mehr Bimsstein, ein paar gröbere Lavabrocken, schließlich stand ich auf der Piste, F910. Schon von weitem hatte ich sie gesehen, wie sie sich durch die Lavafelsen windet. Sah immer noch genauso aus, wie auf meiner Radtour vor zwei Jahren, ein bißchen Sand und viel Wellblech. Eine letzte große Kehre führte mich durch die Basaltfelsen, dann stand ich an der Brücke. Pause war angesagt. Eigentlich war ich noch nicht lange unterwegs, aber der Flecken war so einladend. Eine ganze Weile schaute einfach nur dem Tosen der Kreppá zu. Von hier aus waren es etwa 25 km auf der Piste bis zur Brücke über die Jökulsá á Fjöllum, oder vielleicht ein bißchen weniger, wenn man sich einen Weg querfeldein suchte. Dazwischen lag jedenfalls die Krepputunga, und dort gab es nur Sand, Bimsstein und ein paar wenige Basaltfelsen. Offiziell ist dort auch das Zelten verboten. Für Wanderer und Radfahrer, die keine andere Möglichkeit haben, wird sicherlich eine Ausnahme gemacht, aber es ist trotzdem nicht zu empfehlen. Gelegentlich hat sich nämlich durch vulkanische Aktivität so viel Schmelzwasser unter dem Gletscher gesammelt, daß sich das schlagartig in einem Gletscherlauf entleert. Und dann kann schonmal ohne Vorwarnung über Nacht der Wasserspiegel der beiden Flüsse ein ganzes Stück steigen, mit nicht ganz ungefährlichen Nebenwirkungen für Wildzeltende. Nachdem ich eine Weile an der Kreppa gesessen habe, wurde mir kalt im Wind. Eine Wolke hatte sich vor die Sonne geschoben und es fing auch prompt ein wenig zu tröpfeln an. Also machte ich mich auf den Weg, möglichst weit über die Krepputunga zu kommen und dann irgendwo bei der nächsten Brücke zu campieren. Am anderen Flussufer ging es zunächst in vielen Kurven und Windungen durch das restliche Lavafeld. Als ich an dessen Ende angekommen war, hatte ich endlich einen halben Blick auf den Herðubreið, an dessen Nordseite noch eine Menge Wolken festhingen. Eigentlich kamen Wind und Wolken aus Süden, es hatte sich also zum größten Teil schon auf der anderen Seite des Vatnajökull abgeregnet. Hier konnte ich den restlichen Wolken zuschauen, wie sie an diesem oder jenen Berg hängenblieben und sich vollends entleerten, während dazwischen die sonnigen Abschnitte immer größer wurden. Regenbogenwetter. Nachdem ich eine Weile Richtung Süden unterwegs war, sah ich auf der linken Seite das kleine weiße Wetterhäuschen, dessen Daten man live auf der Internetseite des Vegagerðinn abfragen konnte. Auch ansonsten mehrten sich wieder die Anzeichen der Zivilisation. Alle halbe Stunde kam mal ein Auto vorbei, es wurde kurz nach draußen gewinkt. Es waren auffällig viele deutsche Kennzeichen dabei, und fast alle fuhren Richtung Süden. Donnerstag, die Fähre aus Hanstholm war wohl heute morgen angekommen. Ich marschierte weiter, alle fünf Minuten mit anderem Wetter, mal Regen mal Sonnenschein. Aber meistens stand ich im Regen und freute mich, daß ich ja ganz genau auf die trockene Stelle vor mir zumarschierte. Ich hielt mich an die Piste und folgte ihr durch ein weiteres Labyrinth von Lavafelsen. Im Süden ragte die riesige Pyramide der Upptyppingar auf, die mir schon auf meiner Radtour vor zwei Jahren der markanteste Wegweiser war. Genau südlich davon war die nächste Brücke, mein Etappenziel, und so aus der Ferne betrachtet schien das noch endlos weit zu sein. Aber ganz langsam, Schritt für Schritt kam ich auf die Ostseite der Pyramide. Die Piste führte hier schnurgerade über eine Geröllebene nach Süden auf den Lónshnjúkur zu. Hinter diesem Berg floß die Kreppá entlang und irgendwo dahinter lag auch die Abzweigung ins Fagridalur, das ich von hier aus nicht sehen konnte, an das ich aber bei jedem Schluck aus meiner Trinkflasche dachte. Außerdem konnte ich die Höhenzüge sehen, auf denen ich gestern so lange unterwegs gewesen war, die Berggipfel, an denen ich mich so lange orientiert hatte und bei denen ich heute morgen aufgebrochen war. Ganz langsam kam ich zum Lónshnjúkur, an dessen Fuß sich einige zarte Grashalme im Sand halten konnten. Diesen Abschnitt hatte ich dann von meiner Radtour irgendwie anders in Erinnerung. Es ging wieder in ein Labyrinth aus Lavafelsen und die Piste hielt sich nach meinem Orientierungssinn viel zu weit nach Westen. Auf der Karte betrachtet, so hab ich später festgestellt, hätte ich von hier aus auch querfeldein geradewegs nach Westen laufen können, dann wäre ich genau zur Brücke gekommen. Aber nachdem ich zwar schon eindeutig ein bißchen geschafft war, aber an sich noch ein ganzes Stück weiter laufen konnte, lief ich einfach stur auf der Piste weiter. Seit Mittags war der Verkehr drastisch weniger geworden, stundelang begegnete mir kein Auto mehr. Schließlich war ich auch durchs dritte Lavafeld hindurch und hielt auf den nächsten markanten Hügel zu. An den konnte ich mich von meiner Radtour noch allzugut erinnern, denn an dessen Nord- und Westflanke war ein ewiges Sandloch. Auch wenn es heute wechselhaft und eher regnerisch war, der Sand war von Autoreifen tief durchwühlt und sehr locker. Eine typische Schiebepartie, aber ich war ja sowieso schon zu Fuß hier. So sandig blieb das auch, bis ich in der Ferne endlich die Abzweigung F903 nach Hvannalindir und zu den Kverkfjöll sah. Es war schon ziemlich spät, als ich dort ankam, und mir taten Füße und Rücken langsam ziemlich weh. Etwa 25 km hatte ich geschafft an dem Tag, und laut Wegweiser waren es noch 28 km bis zur Askja. Also machte ich mich nach einer kurzen Pause gleich wieder auf die Socken, damit ichs morgen nicht mehr ganz so weit hätte. Ich folgte weiter der F910, die jetzt nach Westen und ein Stück weit nach Norden verlief. Sehr bald hatte ich dabei den Sand hinter mir gelassen und war wieder auf losem Geröll und Basaltfelsen unterwegs. Und sehr bald stand ich schon an der nächsten Kreuzung, wo die F902 nach Süden zu den Kverkfjöll abzweigte. Jetzt abends war wieder deutlich mehr Verkehr unterwegs, man hatte den Abstecher ins Hochland gemacht und abgehakt und konnte jetzt schnell dem nächsten Ziel entgegenfahren. Oder zurück zum Hotel. Oder was weiß ich. Jedenfalls hatten es alle eilig und kaum jemand winkte mir auch nur. Aber allzulange wollte ich auch nicht mehr unterwegs sein. Nach der Kreuzung mit der F902 machte die Piste einen langen Bogen nach Norden. Man hörte schon das Rauschen der Jökulsá á Fjöllum, des längsten Gletscherflusses in Island, oder so. Neben der Piste gab es einige mächtige Felsen, und ich überlegte mir, dort einen schönen Zeltplatz zu suchen. Andrerseits hatte ich mir fest vorgenommen, zumindest noch die Brücke zu sehen, bevor ich heute campierte. Also ging ich weiter und weiter. Nach einer letzten Biegung sah ich sie dann endlich nicht weit unter mir und ganz in der Nähe. Hier hatte ich aber keine schönen Felsen mehr zum Zelten. Also konnte ich genausogut noch ein Stückchen weiter, über den Fluß hinüber, und mir drüben was suchen. So stand ich schon bald auf der Brücke, die keinen so gemütlichen Rastplatz in Lavafelsen bot, wie die Kreppabrücke. Aber die Wassermassen waren genauso imposant und mahnten an, weiterzugehen. Auf der Westseite der Brücke sucht sich die Jökulsá scheinbar seit längerem einen neuen Weg um die Brücke herum. Schon vor zwei Jahren musste ich hier durch eine kleine Furt hindurch. Heute suchte ich eine ganze Weile, denn auf nasse Füsse hatte ich heute keine Lust mehr. Schließlich fand ich weiter rechts einige Steine, auf denen ich ganz gut hinüberkam. Die Piste ging nun in mehreren Stufen aus Bimsstein vom Flußbett aus nach oben. Wahrscheinlich entsprach jede Stufe dem Wasserstand bei einem Gletscherlauf. Ich lief noch drei Stufen und etwa 500m weiter, am Rand der vierten Stufe fand ich eine kleine Mulde, die mir wenigstens ein kleines bißchen Windschutz bieten würde. Mein Kilometerstand war mittlerweile knapp über 30 km angekommen, und viel weiter konnte ich auch mit allen psychologischen Tricks nicht mehr. Also hab ich kurzerhand hier ein paar Schritte neben der Straße mein Zelt hingepflanzt. Es wurde schon langsam dämmrig, als ich mit meinem spärlichen Wasser das Abendessen kochte. Ich war überrascht, mit wie wenig ich wieder auskam. Ein Reservetag bis zur Askja wäre noch drin. Aber eigentlich konnte das gar nicht mehr so lange dauern, nachdem ich gestern 27 km und heute über 30 km geschafft hatte, und es laut letztem Wegweiser nur noch etwas über 20 km sein müssten. Und wenn das Wetter morgen mitmachte und ich Lust hätte, könnte ich auch den direkten Weg gehen, anstatt dem Umweg auf der Piste zu folgen. Alles in allem war ich also ziemlich zufrieden und hatte das Gröbste geschafft. Als ich spät abends nochmal aus dem Zelt schaute, hatte ich mal wieder einen typischen spektakulären Sonnenuntergang. Über der Jökulsá im Osten stand ein dünner Regenbogen über dem hell leuchtenden Bimsstein. Im Süden waren mittlerweile wieder die Kverkfjöll zu sehen und auf derem markanten Hang ein einzelner leuchtend roter Fleck, der durch eine Wolkenlücke durchkam. Über der Askja hatten sich dichte Wolken gesammelt, die in vielen Rot- und Blautönen von hinten angestrahlt wurden. Und hinter den Pyramiden der Upptyppingar leuchtete es in warmem Gelb. Bilder der Tages:
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12. August 2005 zur Askja |
Eigentlich hatte ich recht angenehm geschlafen, dafür daß ich direkt neben einer Straße campierte. Zwei Autos waren gestern spät abends noch vorbeigekommen. In der Ferne hörte ich dagegen das beständige Rauschen der Jökulsá, das mich viel mehr störte. Nachdem ich mir schon die ganze Zeit Gedanken über Gletscherläufe machte, schaute ich mehrmals beunruhigt nach draußen, als sich das Rauschen irgendwie verändert hatte. Mir fiel wieder das ruhige Plätschern der Bäche ein, an denen ich gezeltet hatte, das war viel angenehmer. Aber am nächsten Morgen war ich natürlich nicht weggespült worden. Die ersten Autos kamen vorbei und weckten mich mit ihrem Lärm. Als der Verkehr immer regelmäßiger wurde, machte ich mein Frühstück und wagte dann einen ersten Blick nach draußen. Nebel. Etwa 10 Meter über dem Boden war eine kompakte weiße Suppe. Dementsprechend windstill war es auch die ganze Nacht über gewesen, was mir mit meinem Zelt auf dieser offenen Ebene ganz recht war. Ich beschloß, das mit dem querfeldeingehen bei derartigen Sichtverhältnissen lieber auf ein andermal zu vertagen. Wenn ich die Wahl hab, den ganzen Tag nach GPS zu gehen oder den ganzen Tag auf einer Piste zu gehen, war mir die Piste doch noch ein bißchen lieber. Alternativ hätte ich von hier aus auch nordwärts nach Herðubreiðarlindir gehen können und von dort aus in einem Schlenker zurück zur Askja. Eine der optionalen Stellen, falls ich überraschend in meinem Rucksack noch Proviant für zwei weitere Tage finden würde, was nicht der Fall war. Ich packte also zusammen und marschierte bald darauf los in Richtung Askja. Meine Füße taten mir noch von gestern oder vorgestern weh, und nachdem es außer Nebel nicht viel zu sehen gab, schaute ich dann doch immer wieder aufs GPS, wie weit ich schon wäre. Ich kam ewig nicht voran. Und die Landschaft war langsam auch langweilig. Bimsstein, wie ich ihn schon gestern den ganzen Tag hatte. Außer mir war plötzlich fast niemand mehr unterwegs, nur sehr selten kam mal ein Auto vorbei. Die meisten waren wohl schon früh aufgebrochen, schnell zum nächsten Hochlandpunkt, der abgehakt werden musste. Nach gut zwei Stunden stand ich an der nächsten Kreuzung unterhalb von einem flachen Hügelzug, deren Gipfel ich vor lauter Nebel nicht sehen konnte. Die Herðubreiðartögl. Hier endete die F910 zeitweise und ich bog auf die F88 ein, in Richtung Askja. Erst hinter den Dreki-Hütten wird die Piste wieder zur F910 und zur berüchtigten Gæsavatnaleið. Aber bis dort hatte ich noch eine ganze Weile Zeit. Am Fuß der Herðubreiðartögl ging es wieder in vielen Kehren durch ein kleines Lavafeld, und die vielen Felsen boten zahlreiche Gelegenheiten, den Rucksack mal kurz abzusetzen. Aber die Lavafelsen waren hier weniger hoch als gestern auf der Krepputunga. Oder eine dickere Schicht Bimsstein verbarg einen grösseren Teil der Felsen. Außerdem waren die Felsen hier zackiger, spitzer und somit wohl auch jünger als die gestrigen. Je mehr ich um die Herðubreiðartögl herum kam, desto flacher wurde die Landschaft, mit einigen vereinzelten Basaltfelsen, die wie Finger aus der weißen Ebene ragten. Die Einflugschneise der Bimssteine von der Askja, sozusagen. Vor mir am Horizont konnte ich jetzt die Dyngjufjöll wie eine breite Wand aufragen sehen. Und genau dorthin führte die Piste. Ich wunderte mich ein bißchen, weil ich grade eben noch nicht viel anderes als Nebel gesehen hatte, und jetzt plötzlich so eine gute Fernsicht hatte. Als ich mich umschaute merkte ich, daß ein schwacher Nordwind immer mehr Lücken in die Wolkendecke riß. Südlich der Upptyppingar hielten sie sich noch eine ganze Weile, aber auf der weiten Strecke, die ich von dort nach Westen gelaufen war, schien mittlerweile die Sonne. Im übrigen war auf der F88 viel mehr Verkehr unterwegs als auf der Strecke von heute Morgen. Mehrere Reisebusse kamen aus beiden Richtungen und von Süden kamen gelegentlich "alte Bekannte", die mich am Tag zuvor auf der Krepputunga überholt hatten, und grüßten freundlich durch die Scheibe. Sogar drei Radler überholten mich, hielten aber nicht für ein Schwätzchen an. Je weiter ich kam, desto mehr konnte ich auch hinter die Herðubreiðartögl schauen. Auffällig war der Vikrafell, auf den die Piste ziemlich genau zuhielt. Weiter nördlich reihten sich verschiedene andere Gipfel aneinander, deren Namen ich nicht kannte. Aber sie gefielen mir, denn sie lagen allesamt im Sonnenschein. Langsam hatten sich die letzten Wolken alle vor den Dyngjufjöll versammelt, und dort sah es im Moment sehr regnerisch aus. Und ich ging genau in diese Richtung. Der Weg zog sich noch eine ganze Weile dahin. Als ich laut GPS noch etwa 4 km Luftlinie hatte, hielt ein Wagen neben mir und mir wurde angeboten, doch mitzufahren. Aber ich hatte sowieso schon den größten Teil der Tagesetappe hinter mir, dann könnte ich den kleinen Rest auch noch bewältigen. Also lehnte ich dankend ab. Ich konnte in den düsteren Regenschleiern langsam auch die Drekagíl ausmachen, an deren Ausgang die Hütten lagen, die mein Ziel darstellten. Und kurz vor dem Ziel wurde die Landschaft auch wieder abwechslungsreicher. Es gab ein paar kleinere Hügel, wiedermal Lavafelsen, die verbargen, was hinter der nächsten Kurve wartete, und ein paar größere Steine am Wegesrand, die zu einer kleinen Pause einluden. Bald kam ich an einem kleinen grünen Schild vorbei, das auf Fußhöhe neben der Piste stand. Als Autofahrer hat man wohl keine Chance, das zu entdecken, aber hier kam der Wanderweg vom Bræðrafell heraus, auf dem man in zwei Tagen zum Herðubreið laufen konnte, die mögliche Alternativstrecke. In der anderen Richtung sollten es noch 2 km zur Dreki-Hütte sein. Über einen kleinen Hügel ging es noch, dann sah ich die Hüttensiedlung schon. Zwar noch ein Stück entfernt, aber im wahrsten Sinne des Wortes überschaubar. Das letzte bißchen ging es nochmals bergauf und bergab, in den Tälern gab es noch zwei kleinere Bäche, die ich problemlos auf Steinen überqueren konnte. Dann war ich nah genug, Details an den Hütten zu erkennen. Ein Reisegruppeneinheitszeltlager fiel mir als erstes auf, weil ich sowas die ganze Reise noch nicht gesehen hatte. Außerdem war eine neue Hütte zu der alten spitzen Dreieckshütte, dem Waschhäuschen und den verschiedenen Landwärterhütten dazugekommen. Auf dem Parkplatz davor standen einige Jeeps, um die herum geschäftiges Treiben herrschte. Naja, ich sah jedenfalls mehr Menschen auf einem Haufen als ich sie in den sechs Tagen seit dem Snæfell insgesamt gesehen hatte. Zivilisation! Mittlerweile war ich auch in den Regen gekommen, der sich rund um die Askja hielt. Alles rund um die Hütten war nass, aber mein Regenzeug hielt dicht. Ich lief erstmal zur alten Hütte, die ich noch von meinem letzten Besuch kannte, und stellte dort meinen Rucksack ab. Laut GPS war ich heute lediglich knapp 25 km gelaufen, also ein bißchen weniger, als die beiden Tage davor. Trotzdem mehr als genug, und mir tat alles weh. Vor allem die Füße. Für morgen war ein Pausetag eingeplant. Erstmal ging ich ohne dem schweren Rucksack zur Hüttenwärterhütte, auf der eine etwas gestresst dreinblickende Isländerin Dienst hatte. Mein Vorratspaket war angekommen, aber ich musste noch aus einem mir nicht ersichtlichen Grund ein paar hundert Kronen nachzahlen. Das hatten die in Reykjavík ja toll organisiert, die Vorratsverschickerei! Außerdem zahlte ich vorerst für eine Übernachtung, dann schaute ich in die alte Dreki-Hütte. Im Vorraum pellte ich mich aus meinem Regenzeug, außer mir war niemand da und es war eiskalt. Also versuchte ich mich selber an dem alten Ölofen, aber erstmal vergeblich. Wieder eine völlig andere Konstruktion als bei meinen bisherigen Hütten. Und irgendwie kam kein Öl in den Ofen. Ich gab bald auf, fragte bei der Hüttenwärterin nach Hilfe, und zog dann auf ihren Rat doch in die große, neue Hütte um. Den Rucksack brachte ich nach oben, wo ich ein Plätzchen am Fenster in Beschlag nahm. Dann ging ich gleich nach nebenan ins Waschhaus, wo es die erste heiße Dusche seit dem Snæfell und dem kalten Hotpot von Lindur gab. Sauber und frisch ging ich dann mit meinem Kochzeug und den frischen Vorräten in den geräumigen Aufenthaltsraum. Ein recht netter Pole war vorerst der einzige Gast neben mir. Als wir ein bißchen über das Woher und Wohin plauderten staunte ich nicht schlecht. Er war mit einem universitätseigenen Segelboot nach Island gekommen. Jedes Jahr wurde damit eine Tour in den hohen Norden unternommen, wobei sich mehrere Studenten abwechselnd als Seeleute probierten. In den Jahren davor war er schon nach Schottland, Norwegen, Spitzbergen und noch weiter nördlich gekommen. Dieses Jahr war Island für ihn Endstation, und er trampte jetzt noch ein paar Wochen rund um die Insel und quer durch. Von der Askja aus wollte er als nächstes auf eine Mitfahrgelegenheit über die Gæsavatnaleið hoffen und dann noch nach Landmannalaugar oder so. Während wir so aßen, kamen immer mehr und mehr Gäste zum Kochen, und bald schon war es schwer, eine Herdplatte zu ergattern. Die meisten hatten sperrige Kisten dabei voll mit klapperndem Geschirr und frischen Essensvorräten. Eindeutig Autofahrer. Und die Töpfe und Teller wurden nach dem Essen mit Spülmittel und Bürste saubergemacht. Purer Luxus. Ich war ja eigentlich schon heilfroh, daß ich hier einen Mülleimer hatte, wo ich die gesammelten Müsliriegelpackungen entsorgen konnte. Spät am Abend kam dann noch eine ganze Horde schnatternder Italiener. Sie waren offensichtlich mit mehreren Autos unterwegs und wahrscheinlich erst am Donnerstag in Island angekommen. Jedenfalls packten sie noch einiges an Hochprozentigem aus um die überstandenen Abenteuer auf der Piste hierher besser diskutieren zu können und beratschlagten, ob morgen Víti oder nicht Víti. Viel verstand ich nicht, aber es war auf jeden Fall zu laut, so daß die ganze Hütte erzitterte. Als sie gegen Mitternacht endlich Ruhe gaben und sich vezogen, wünschte ich meinem Polen auch noch eine gute Nacht und verkrümelte mich. Heute mal in ein halbwegs richtiges Bett, das zumindest sehr viel weicher war, als meine Isomatte. Draußen war immer noch Regen, Nebel und Eiseskälte, aber das störte mich nur auf dem kurzen Weg zum Waschhäuschen. Zivilisation! Bilder der Tages:
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13. August 2005 Pause an der Askja |
Am nächsten Morgen schlief ich erstmal lange aus. Für heute hatte ich einen Pausetag eingeplant. Wenn das Wetter vernünftig wäre, wollte ich evtl. einen kurzen Ausflug zur Svartá, zum Krater Víti, auf den Gipfel der Askja oder sonstwohin machen. Aber ein erster Blick nach draußen sagte mir, daß ich heute wohl eher keinen Fuß vor die Türe setzen würde. Die ganze Nacht hatte es weitergeregnet. Die Wolken hingen tief als Nebel über dem ganzen Hochland. Fensterwetter. Gegen halb zehn dann ein erster Ausflug in den Aufenthaltsraum, wo die letzten Gäste gerade ihr Frühstück beendeten. Und draußen plagten sich die letzten paar Camper mit Wind und Wetter ab. Auch der Pole von gestern abend war hastig am Packen, seine Sachen waren über diverse Heizkörper verstreut. Er hatte mittlerweile tatsächlich jemanden gefunden, der ihn auf der Gæsavatnaleið mitnahm. Wir verabschiedeten uns kurz, dann war er auch schon verschwunden und ich fing mit meinem Müsli an. Sehr bald wurde es leer und es kehrte eine geisterhafte Ruhe im Haus ein. Ich holte mir meine zweite Reiselektüre, "Napoleonsskjölin" von Arnaldur Indriðassón in der Originalfassung, und machte es mir auf einer der Sitzbänke bequem. Der Regen nahm bis Mittag kein Ende und die isländische Fahne die müde am Mast hing sagte mir, daß der Wind von Norden kam. Das Thema Tagesausflug hatte sich somit erledigt. Gegen mittag kam ein erster Reisebus an, Deutsche. Man monierte sich über die 200 ISK Benutzungsgebühren für Klohäuschen und Küche. Nach dem Lunchpaket kurz Beine vertreten und eine Runde Rauchen, dann hatte der Spuk schon wieder ein Ende und alle waren spurlos verschwunden. Diesem ersten Reisebus folgte bald ein zweiter und noch ein paar mehr, ich habe bald aufgehört zu zählen, aber das Ritual war immer das gleiche. Um mich und mein Buch in der stillen Ecke kümmerte sich niemand. Als das am frühen Nachmittag ständig so weiterging wurde es mir irgendwann zu bunt. Das ewige genörgele über die 200 ISK nahm ich zum Anlass, zur Hüttenwirtin zu gehen und für eine weitere Nacht in der Hütte zu bezahlen. Außerdem zahlte ich die Übernachtung in der Dyngjufjöll-Hütte im Vorraus und ließ mir noch das Geld von der Karte abbuchen, mit dem ich evtl. in der Botni-Hütte per Briefkasten zahlen könnte. Danach zog ich meine Regensachen an, und marschierte los nach draußen, egal wohin. Direkt hinter den Hütten musste es irgendwo eine beeindruckende kleine Schlucht geben, die Drekagíl. Bei meinem letzten Besuch hatte ich diesen kurzen Ausflug irgendwie verpasst, auch da war das Wetter nicht sehr einladend gewesen. Diesmal war mir der Einschnitt im Massiv der Dyngjufjöll aber ja schon auf dem Weg hierher aufgefallen. Und dem Wanderweg oder Bach zu folgen war auch kein besonders anstrengendes Tagewerk. Die Schlucht war absolut menschenleer. Wenn man bei so einem Mistwetter eine Reisegruppe vor die Wahl stellt, heißen Kaffe in der warmen Hütte zu trinken, oder einen kleinen Spaziergang zu machen, fällt den meisten die Wahl wohl nicht schwer. Ich stapfte über Felsen und Bimsstein weiter und weiter in die Schlucht hinein, eigentlich nur mit dem Ziel, festzustellen wohin der Weg führte. Ich war nicht schlecht überrascht, als ich nach einigen Windungen einen wunderschönen Wasserfall erreichte. Abgesehen vom eher trüben Wasser im Bach tröpfelte von der anderen Schluchtseite auch ein kleiner Frischwasserbach herab, der mit einer Rohrleitung zu den Hütten weitergeleitet wurde. Ich machte eine kleine Fotosession am Wasserfall, mit Langzeitbelichtung und ein paar anderen Experimenten. Nach etwa einer Viertelstunde hatte ich genug, und gerade als ich wieder aufbrach kam mir eine junge Familie in leuchtend roten Einheitsregenmänteln entgegen. Wir grüßten uns, was schonmal mehr war als bei den meisten Reisegruppen, die mir auf der Hütte begegnet waren. Am späten Nachmittag kam ich zur Hütte zurück. Ich hatte mir das richtige Wetter rausgesucht, um einen Pausetag zu machen. Es war richitg ungemütlich und vor allem sehr nass. Nichts desto trotz machten die ersten neuen Zeltgäste es sich draußen bequem. Aber ich ging lieber schnurstracks in die Hütte zurück. Auch dort gab es die ersten neuen Gäste, die sich ein frühes Abendessen zubereiteten. Aus dem gemütlich die Beine auf der Bank Ausstrecken und Lesen wollte nichts rechtes werden. Die Hälfte der Plätze waren bald von einer weiteren deutschen Busreisegruppe belegt. Ich setzte mich in die andere Ecke, zu einer dreiköpfigen Familie aus Italien. Die waren sehr viel angenehmer und schnatterten nicht so, wie die Meute von gestern, und waren andererseits auch nicht so sehr auf die Gruppe fixiert, wie der Pulk nebenan. Als ich ihnen erzählte, daß ich zu Fuß hierhergekommen war, und noch weiter nach Akureyri laufen wollte, konnten sie sich das gar nicht richtig vorstellen. Andrerseits konnte auch ich bald meinen Augen nicht mehr trauen, denn sie packten zum Abendbrot echte italienische Salami aus. Die Salami außerhalb von Italien schmeckt ja nie so richtig gut, deswegen nahmen sie auf Reisen immer einen kleinen Vorrat mit. Eigentlich ist der Import von Fleisch nach Island verboten, wie sie das trotzdem geschafft hatten, wollte ich lieber gar nicht erst fragen. Jedenfalls gaben sie mir bereitwillig eine ganze Menge ab, was meinen etwas nudellastigen Speiseplan endlich mal wieder etwas auflockerte. Um mich zu revanchieren gab ich ihnen noch eine ganze Menge Tips zum Kárahnjúkar-Gebiet, wo sie als nächstes hinwollten. Später am Abend kam ich mit noch einem Gast ins Gespräch, der mir schon eine ganze Weile aufgefallen war. Zuerst hielt ich ihn für einen Isländer, weil er mit einem "Grænmæti"-T-Shirt herumlief. Bei so einem Wetter in T-Shirt, und dann noch mit einer isländischen Aufschrift... er kam aber doch aus Deutschland, wie sich herausstellte. Eigentlich wollte er vier Wochen lang wandern, so ähnlich wie ich. Bloß war er das erste Mal in Island und dachte, er könne dem Regen ausweichen, wusste aber nicht recht, wohin. So ist er zweimal über die Insel gefahren, hatte dann eine leere Reisekasse, hat eine Woche in einem Gewächshaus gearbeitet, und ist dann noch vom Herðubreið zur Askja gewandert. Für das nächste Mal holte er sich noch ein paar Tips, und ich konnte allemal mehr mit einem Fußgänger anfangen, als mit der Reisegruppe nebenan. Irgendwie verging die Zeit so recht schnell, und nachdem ich von der vielen Salami auch schon satt war, sparte ich mir für heute das Kochen. Meine Füße taten mittlerweile auch nicht mehr weh. Eigentlich fühlte ich mich wunrderbar erholt. Morgen früh konnte ich bedenkenlos weitergehen, das letzte Stückchen würde ich jetzt auch noch schaffen. Als in der Hütte ein bißchen Ruhe eingekehrt war, ging ich ins obere Stockwerk zu meinem Gepäck. Ich hatte über den Pausetag hinweg ungefähr alles aus meinem Rucksack ausgeräumt und noch ein paar neue Vorräte dazubekommen. Nun fragte mich, wo ich dieses ganze Chaos wohl morgen unterbringen würde. Aber abgesehen von diesem Gedanken genoss ich die Nachtruhe und freute mich auf den letzten Teil meiner Tour. Bilder der Tages:
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14. August 2005 Jónsskarð |
Ich hatte mich am Vortag noch erkundigt, wann denn die Reisegruppen frühstücken wollten, und war dann rechtzeitig eine halbe Stunde vorher da. Danach packte ich meine tausend Sachen, und brachte irgendwie doch alles wieder im Rucksack unter. Ich brach auf zum dritten Teil meiner Wanderung. Heute sollte es über die Jónsskarð auf die Westseite der Askja gehen, zur Dyngjufjöll-Hütte. Morgen wollte ich weiter nach Norden, zur Botni-Hütte, wo es wieder frisches Quellwasser geben sollte. Am nächsten Tag nach Svartárkot oder ein Stück weiter, und dann durchs Bárðardalur und Fnjóskadalur nach Akureyri. Für den ersten Tag hatte ich mir gleich mal bestes Wetter ausgesucht, Regen und Nordwind und genauso ungemütlich und nass wie am Vortag. Eigentlich hätte ich auf dem ersten Stück die Möglichkeit gehabt, über die Gipfel am Rand der Askja zu klettern und dann an Öskjulón und Víti vorbei zum Parkplatz am Ende der Straße zu kommen. Aber nachdem bei so einem Wetter höchstens einmal Verlaufen drin war, ganz bestimmt jedoch keine berauschede Aussicht, hielt ich mich lieber gleich an die Piste und das Schild "Víti 8km". In mein Regenzeug gehüllt marschierte ich los. Es waren erst wenige rund um die Hütten auf den Beinen. Wahrscheinlich haben sich die meisten nach einem Blick aufs Wetter nochmal auf die andere Seite umgedreht und weitergeschlafen. Das hätte ich auch gerne, aber die Tagesetappe heute war noch lang genug. Die Reiseleiter der Gruppe vom Vortag fuhren gerade mit ihrem Bus und einem weiteren Auto in Richtung Víti. Scheinbar wollten sie den Ausflug auf den Kraterrand machen und dann mit dem dort bereitstehenden Bus zurückfahren. Und dafür mussten sie jetzt erstmal den leeren Bus dort hinauf schaffen. Als sie mich kurz hinter der Hütte überholten, boten sie mir an, mich mitzunehmen, aber ich lehnte dankend ab. Von der Landschaft um mich herum bekam ich relativ wenig mit. Erst ging es über hellen Bimsstein dahin, der sich nach zehn Metern irgendwo im Nebel verlor. An einigen Stellen ragten noch ein paar dunkle Basaltfelsen auf, die sich vom hellen Untergrund deutlich abhoben. Aber ansonsten sah ich nur Bimsstein, sogar auf den kleinen Bächen, die die Piste manchmal überquerte, schwamm überall dieses Zeug. Nachdem ich etwa eine knappe Stunde unterwegs war, kam ein bißchen Rückenwind auf, und trieb die Nebelschwaden vor sich her. Das sah gespenstisch aus, mit den bizarren schwarzen Lavafelsen in der hellen Landschaft und dem wabernden Nebel dazwischen. Aber sehr bald hatte der Spuk ein Ende, die letzten Nebelschleier zeichneten sich ab. Dahinter konnte ich jetzt ein bißchen mehr als nur die 10m Landschaft sehen. Irgendwo über die steilen Berghänge, die ich jetzt sehen konnte, wäre der alternative Weg gegangen. Ein bißchen schade fand ich es schon, daß ich nicht dort oben langgegangen war. Aber andererseits war zwar der Nebel verschwunden, aber der Himmel war immer noch grau in grau und es sah ziemlich bedeckt aus. Auch als die letzten Nebelschleier verschwunden war, und ich langsam den nördlichen Rand der Caldera erkennen konnte, war der Ausblick eher trübe grau als richtig atemberaubend. Den Bimsstein hatte ich nun hinter mir gelassen, rechts von mir waren mehrere Lavafelder ohne Bimsstein zu sehen und links ging es mit verschiedenen anderen Gesteinen gleich steil bergauf zum Rand der Caldera. Erst auf einer Übersichtskarte erkennt man, daß hier ein etwa 1km breiter Einschnitt in diesem Rand ist, durch den wohl gelegentlich mal Lava abgeflossen ist. Öskjuop, Askjaöffnung. Und am südlichen Rand dieses Einschnittes führte die Piste entlang. Nach etwa anderthalb Stunden begegneten mir zum ersten Mal wieder Autos, was mich eigentlich wunderte. Normalerweise gehört der Ausflug zur Víti zum Standardprogramm an der Askja. Und mittlerweile war aus dem Regen sogar ein ganz erträgliches Tröpfeln geworden. Nach etlichen Kurven und Windungen der Piste stand ich dan recht unvermittelt am Parkplatz. Dort waren zu meiner Verwunderung noch etliche weitere Autos geparkt. Und an jedem Auto bereiteten sich die Leute auf die 2km Wanderung zur Víti vor. Wie die alle dahingekommen sind, ist mir bis heute ein Rätsel. Der Parkplatz ist etwa auf einer Höhe mit dem heutigen Boden der Caldera. Die Berge, an denen ich und die Piste entlanggelaufen waren, endeten hier, und der besagte Einschnitt im Rand der Caldera öffnete sich. So konnte man von hier aus recht bequem und ohne große Berge zu den Kraterseen loslaufen, Öskjuvatn und Víti. Das hatte ich bei meinem letzten Besuch der Askja auch gemacht und den gut ausgetretenen Pfad kannte ich. Auch die großen Hinweisschilder mit Kartenausschnitt und Gefahrenhinweisen in allen erdenklichen Sprachen waren mir vertraut. Und das kleine unauffällige Schild "Dyngjufjöll" war mir auch schon letztes Mal aufgefallen, aber das hatte ich damals nicht weiter beachtet. Es zeigte geradewegs ins Lavafeld hinein. Kein Pfad, keine Warnschilder, und keine Menschenseele waren dort. Bei meinem Wegweiser machte ich erstmal eine Pause und suchte mir einen Pfad durch die zerklüfteten Lavafelsen. Laut diversen Wegbeschreibungen und genaugenommen auch nach dem Wegweiser musste es schnurgerade einen Kilometer nach Norden quer durch die Öskjuop gehen, auf die Nordseite des Einschnittes im Kraterrand. Von dort aus sollte es dann irgendwie direkt unterhalb der nördlichen Kraterwand entlang bis zur Jónsskarð gehen, einem kleinen Pass, auf dem man die Caldera und die Askja verlassen konnte. Leider scheiterte ich von meinem Aussichtspunkt aus schon ganz am Anfang daran, eine gerade Linie quer durchs Lavafeld zu suchen. Auf gut Glück kehrte ich dem Trubel hinter mir den Rücken, wo man noch die Schuhe binden musste oder wieder ausziehen oder Picknick am Auto machen oder Lunchpakete austeilen und entgegennehmen oder ich weiß nicht was. Wie zu erwarten war es recht mühselig, auf dem Lavagestein vorwärts zu kommen. Dabei war der Anfang noch das leichteste Stück, denn ich hatte "Plattenlava" unter mir. Also unzählige größtenteils ebene Schollen, die allerdings in alle möglichen Richtungen gekippt und geneigt waren. Wenigstens waren sie fest, die meisten zumindest. Ich fand sogar ein paar Steinwarten unterwegs, die wohl sowas wie eine Wegmarkierung sein sollten. Aber nach 500m war diese Plattenlava zuende. Abrupt stand ich auf sandigem Grund, und auf dem Sand gab es einen ziemlich unübersichtlichen Verhau von Brockenlava. Also viele große und kleine Felsen mit vielen scharfen, blasigen Kanten auf jeder Seite, die immer wieder zu kleinen oder größeren Barierren aufgetürmt waren, über die ich nicht drübersehen konnte, über die ich dafür um so öfter rüberklettern musste. Anfangs konnte ich ein paar Fußspuren im Sand erkennen, denen ich einfach mal hinterherging, und die ich auch jedesmal wiederfand, wenn ich über eine der Brocken-Barrieren kletterte. Irgendwann folgten die Spuren einem kleinen Graben zwischen zwei solchen Barrieren und liefen schnurgerade in eine völlig falsche Richtung, um dann mitten in moch mehr unangenehmen Lavabrocken zu Enden. Ganz geschickt. Also GPS rausgeholt, Kompass eingeschaltet und nochmal neu überlegt, wo ich eigentlich hin wollte. Erstmal ein Stück zurück, um aus dem Graben rauszukommen, dann kletterte auf einen besonders großen Steinhaufen und versuchte, die vom GPS ausgespuckte Richtung in der Realität wiederzufinden. Und tatsächlich konnte ich jetzt einen zweiten Wegweiser entdecken, der aus dem selben grauen Metall gefertigt war, wie der beim Parkplatz. Ich musste nur noch eine Unmenge weiterer scharfkantiger Lavabrocken überklettern und war nach insgesamt einer knappen dreiviertel Stunde seit dem Parkplatz endlich bei dem Wegweiser. Einen Kilometer hatte ich in der Zeit geschafft. Gerade als ich einigermaßen erschöpft meinen Rucksack abstellte um eine Müsliriegel- und Fotopause zu machen, fing es auch noch an zu regnen. Der Wegweiser stand auf einer kleinen Anhöhe, auf der es sogar ein bißchen Moos gab, und wäre eigentlich nicht zu übersehen. Wenn er nur nicht genauso grau wie die Landschaft ringsherum gewesen wäre. Naja, immerhin hatte ich ihn gefunden, und das schlimmste Stück Lavafeld hinter mir. Von hier aus sollte es zwischen dem Lavafeld und dem Berghang "auf Sand und Schneefeldern" einfacher weitergehen. Das erste Altschneefeld war direkt hinter dem Wegweiser, und ein paar Fußsspuren waren darauf auch schon zu erkennen. Ich fand es ganz ungewohnt, wie angenehm es sich doch auf einer richtigen schönen Ebene lief. Denn ab hier ging es tatsächlich problemlos "auf Sand und Schneefeldern" relativ eben vorwärts. Immer am Rand der Caldera entlang, bis es irgendwo eine Möglichkeit geben sollte, über den Rand hinauszugelangen. Das Lavafeld links von mir war nicht sehr einladend und die Berge rechts von mir gingen ziemlich steil hinauf, so daß ich eigentlich auch gar keine andere Möglichkeit hatte. Außerdem hatte ich immer wieder Fußspuren am Boden vor mir. So ging es eine ganze Weile voran und ich kam sogar an einer weiteren Steinwarte vorbei. Aber als die ständige Abwechslung Schnee und Sand langsam langweilig wurde ich laut GPS auch nicht mehr allzuweit von der Jónsskarð entfernt war, wurde es wieder richtig interessant. Die Spuren verloren sich, es ging durch ein Stückchen Brockenlava. Als ich gerade halb hindurch war, entdeckte ich ein ganzes Stück weiter oben am Kraterrand die Fußspuren wieder, die offensichtlich eine bessere Alternative zu meinem Lavafeld gefunden hatten. Also ging ich ihnen hinterher, kletterte am Hang hinauf, und lief wieder ein paar Meter auf soetwas wie dem offiziellen Weg. Dann verloren sich die Spuren aber auch wieder. Von hier oben hatte ich wenigstens einen recht guten Überblick über die ganze Caldera und meinen weiteren Weg. Ich konnte den Parkplatz sehen, von dem aus die Outdoorjacken bis hier herüber in schreienden Farben leuchteten, ich sah den großen Öskjuvatn, und noch weiter rechts sah ich einen etwas flacheren Hang in die Caldera hineinragen, die Jónsskarð. Ein paar leuchtend gelbe Pflöcke markierten den Weg. Bzw. oben auf dem ganz ansehnlichen Hügel mit sehr steilen Hängen markierten die gelben Pflöcke einen Weg, aber wie man dort hinaufkam, das blieb wohl jedem selbst überlassen. An den Fuß des Hügels zu kommen war schon eine halbe Katastrophe. Es ging wieder bergab und dann durch sehr unangenehme Brockenlava, die bei jedem Schritt knirschte und in alle Richtungen kippte. Wenn ich mich mit den Stöcken abstützte, konnte ich sicher sein, daß sie sich zwischen irgendwelchen Steinen verhakten und ich sie erstmal umständlich wieder herausziehen musste. Mehr als einmal hatte ich das Gefühl, daß die doch eigentlich schon längst gebrochen sein müssten, aber sie hielten doch ganz gut. Ich versuchte so bald wie möglich wieder höher auf den Hang hinauf zu kommen, wo ich wenigstens Sand hatte, und ein paar Schneefelder. Als also vom Nordrand der Caldera die Bergflanke der Jónsskarð hereinragte, versuchte ich schnurstracks dort hinauf zu klettern, über Schnee und Sand, bei einem wirklich sehr steilen Gefälle. Als ich mich auf allen Vieren etwa auf halbe Höhe vorangekämpft hatte, fand ich die ersten gelben Pflöcke. Weiter unterhalb sah ich sogar einen dritten Wegweiser aus Metall. Aber all diese Wegmarkierungen machten eher den Eindruck, als hätte jemand von einem Hubschrauber aus wahllos ein paar gelb bemalte Pfosten abgeworfen. Ich musste weiter auf allen Vieren den steilen Hang hinaufklettern. Wahrscheinlich gibt es irgendeinen Geheimtrick oder noch einen zweiten Weg. Als das Terrain endlich wieder flacher wurde, war ich jedenfalls fix und fertig und hätte am liebsten gleich hier oben die Dyngjufjöll-Hütte gehabt. Streckenmäßig hatte ich erst gut die Hälfte der Etappe dorthin geschafft. Der Ausblick von der Jónsskarð in die Caldera hielt sich in Grenzen. Es regnete wieder, war ziemlich wolkig, und den gegenüberliegenden Kraterrand konnte ich kaum noch erkennen. Bei besserem Wetter wird man für den beschwerlichen Weg aber sicher ganz gut belohnt. Immerhin konnte ich sehr gut meinen Weg am Kraterrand entlang verfolgen, der vergleichsweise harmlos war. Auf geradem Weg zum Parkplatz oder gar zum Öskjuvatn erstreckte sich ein schier endloses Feld von Brockenlava, wovon ich nur ein paar wenige hundert Meter abbekommen hatte. Der Wind war recht kalt hier oben, und bevor ich allzusehr auskühlte packte ich schnell wieder meinen Rucksack und lief weiter. Es folgte noch ein kurzes und harmloses Stückchen auf kohlschwarzem Sand zu einer markanten Felsspitze, rechts davon war der höchste Punkt der ganzen Wanderung mit genau 1300m erreicht, und es ging wieder bergab. Aber der Blick nach Norden war ebenfalls sehr beschränkt. Bestimmt hat man bei besserem Wetter auch hier eine prima Sicht über alle möglichen Berge, inklusive Herðubreið. Heute nicht. Die gelben Wegmarkierungen waren nicht mehr zu verfehlen und führten, wie ich unterwegs feststellte, geradewegs bis zur Dyngjufjöll-Hütte. So war das doch deutlich einfacher, als mit der Lava auf der anderen Seite des Kraterrandes. Stellenweise ging es über Schneefelder, größtenteils über Sand. Besonders tückisch waren aber einige mit Sand bedeckte Altschneefelder. Vor mir waren da schon einige einzelne Fußsspuren tief eingebrochen, während die große Masse eher in großem Bogen außenherum führte. An einer Stelle, als es gerade über so ein Schneefeld ging, unter dem es sehr vertrauenserweckend bachartig gluckerte, bin ich dann auch eingebrochen. Aber zum Glück nur mit einem Fuß und mit einem rettenden Satz konnte ich das schlimmste Verhindern. Auf dem weiteren Weg hielt ich aber genau Ausschau, wo sich unter dem Sand vielleicht Schnee verbergen könnte, und wo man wirklich festen Boden unter den Füßen hatte. Ein Stück weiter unten hatte ich eine druchgehend stabile Sand- und Steinunterlage, auf der man auch zusehends besser gehen konnte. Die Steine waren deutlich kleiner und hatten weniger scharfe Kanten als die Brockenlava innnerhalb der Caldera. So kam ich recht zügig voran und es ging auch noch bergab. Schon nach wenigen hundert Metern hatte sich natürlich Schmelzwasser zu einem kleinen Bach gesammelt, an dessen rechter Seite der Weg entlangführte. Gelegentlich musste ich über einen weiteren kleinen Zulauf springen, was aber jedesmal problemlos möglich war. Ich war froh über die Wegmarkierungen, denn eigentlich hatte ich keine so ganz genaue Vorstellung, wie das nun weiterging bis zur Hütte. Eigentlich hatte ich sogar das Gefühl, ich müsste doch auf der anderen Seite vom Bach entlanglaufen. Aber wenn es schon Markierungen gab, folgte ich denen natürlich. Nach einigen Kilometern entfernte sich der Weg zusehends vom Bach, was meine Sorge bezüglich der Bachseite ein wenig linderte. Mittlerweile hatte der nämlich eine ganz ansehnliche Menge Wasser gesammelt, und so kalt und nass wie es war, hatte ich nur bedingt Lust, hindurch zu waten. Es ging immer steiler bergab, bis es quer zu meinem Weg plötzlich in einem Steilhang fast senkrecht hinunter ging. Unterhalb des Hanges lag eine weite sandige Ebene in einem kleinen Tal, direkt zu meinen Füßen ging es in einigen Windungen recht steil dort hinunter. Und irgendwo links von mir hatte wohl auch der Bach einen Weg über den Steilhang gefunden, machte dann eine Biegung nach Norden und folgte dem Tal. Dummerweise änderte der Weg die Richtung nicht, und unten auf dem sandigen Boden der Ebene waren unzählige Fußsspuren zu erkennen, die alle zielstrebig auf die breiteste Stelle im Bach zuführten. Ich wusste doch, daß dies das ungünstige Ufer war. Und irgendwie fragte ich mich, ob der Bach eigentlich immer so breit war, oder nur, wenn es ein paar Tage lang ununterbrochen geregnet hat. Aber alles Meckern half hier nicht, ich folgte einfach den Spuren und der Wegmarkierung. Der Bach war in etliche kleine Seitenarme aufgeteilt, und weil er so breit war wenigstens auch recht flach. Trotzdem musste ich wieder meine Furt-Sandalen auspacken und die Schuhe wechseln. Kalt! Und im übrigen war das Wasser auch recht trübe, also nicht mal gut für eine Trinkpause geeignet. Aber ich hatte noch genügend Wasser mit, von dem ich beim Füsseaufwärmen etwas trinken konnte. Der weitere Weg wurde wieder etwas steiniger. Und die hellen Felsen zwischen dem schwarzen Sand wirkten dabei ziemlich deplaziert. Aber etwas Abwechslung tat mir auch nicht schlecht, und ich war noch nicht lange auf den Steinen unterwegs, als schon die nächste Überraschung auf mich wartete. Das nächste Tal in das es links und rechts von mir fast senkrecht hinunterging. Da wo mein Weg ankam, ging es recht flach hinunter. Das Dyngjufjalladalur. Eigentlich wusste ich nichts über das Dyngjufjalladalur, und nur sehr wenig über die ganze Gegend hier. Erst hier fiel mir auf, daß ich diesen Abschnitt meiner Reise in der Vorbereitung als "bekannter Wanderweg" abhakte und mich nicht so intensiv damit befasste. Drum war mir wohl auch nicht bekannt, daß das Tal zu meinen Füßen wohl eines der einmaligsten und schönsten Täler in Island ist. Dicke Asche- und Sandschichten waren zu beiden Seiten in feste Formen gepresst wobei sich sedimentartige Schichten gebildet hatten. Und nachdem das Material recht locker und instabil war, waren viele grössere und kleinere Teile dieses Gesteins abgebröckelt und ins Tal hinuntergerollt. Wie ein riesiges, unaufgeräumtes Trollkinderzimmer voller Murmeln sah das aus. Im Tal konnte ich auch unschwer einen großen Bach erkennen der von Süd nach Nord floß, und die Piste, die parallel dazu von Nord nach Süd zur Gæsavatnaleið führt. Und als ich auf meinem kleinen Trampelpfad nach unten ins Tal kam, fand ich auch einen vierten grauen Metallwegweiser. Noch einen Kilometer zur Dyngjufjöll-Hütte. Sehr viel weiter wollte ich nach den Strapazen dieses Tages allerdings auch nicht mehr laufen. Ich folgte der Masse der Fußspuren, die die Piste einfach kreuzten und in einer geraden Linie auf die Hütte zuführten. Diese konnte ich natürlich auch schon sehr bald sehen, auf der anderen Seite des Baches an der Westseite des Tales. Also hatte ich zwangsläufig noch einen letzten Bach zu überqueren. Aber nachdem ich auf der anderen Seite nur noch zehn Schritte bis zur Hütte gehen musste, konnte ich das auch noch verschmerzen. Eigentlich wäre es noch schön gewesen, eine kleine Runde mit Fotoapparat durchs Tal zu machen. Gerade kamen ein paar warme gelbe Sonnenstrahlen durch irgendeine Wolkenlücke, so daß das Tal und die Steine nochmal doppelt und dreifach schön wirkten. Aber ich war einfach zu geschafft, nach der Kletterei über die Jónsskarð und durch die Lavafelder heute. So genoß ich das Schauspiel von der Hütte aus, und mit den Fotos wurde das nichts. Von außen war die Hütte wie üblich versperrt, mit Fensterläden und allem drum und dran. Ich war der erste Gast für heute, und auch der einzige. Sehr gut. Nachdem ich mich aus dem Regenzeug geschält hatte, versuchte ich mich erstmal am Ofen. Wieder so eine Ölkonstruktion wie bei der alten Dreki-Hütte. Auch diesmal las ich mir sorgfältig die Gebrauchsaleitung durch, nur isländisch. Und nach ein bißchen versuchen bollerte es auch schon schön warm. Als nächstes suchte ich nach Trinkwasser. Ich hatte zwar einen kleinen Vorrat selber mitgebracht, aber auch hier wurde ich sehr bald fündig. Im Bach vor der Haustüre stand eine große blaue Tonne. Wahrscheinlich wird die ungefähr einmal im Monat mit Wasser aus dem Bach gefüllt, und nachdem sie dann so schön ruhig steht, setzt sich Sand und Sediment ab und obenauf gibt es eine Schicht Trinkwasser. Ich holte mir gleich mal einen guten Vorrat in die Hütte herein. Zum Abendessen gab es Nudeln und heißen Tee. Sehr angenehm nach dem nasskalten Tag. Und als Bettlektüre gab es das Gästebuch, auch größtenteils isländisch und mit teilweise sehr alten Einträgen. Ansonsten gab es nicht mehr viel zu tun, die Sonne ging schon recht früh unter, also breitete ich mich mit meinem Schlafsack auf einer der Pritschen am einen Ende der Hütte aus. Ich war noch gar nicht richtig zum Liegen gekommen, da war ich auch schon eingeschlafen. Bilder der Tages:
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15. August 2005 zur Botni-Hütte |
Die Nacht über war es sehr ruhig. Gelegentlich pfiff eine Böe um die Hütte und Regen trommelte an die Außenwand, aber ansonsten war nichts zu hören. Beim Aufwachen war es dann restlos still, nur sehr gedämpft und leise plätscherte der Bach vorbei. Ich kochte mir einen Tee, machte Frühstück und packte dann meine Sachen. Und natürlich schrieb ich mich noch ins Gästebuch und kehrte beim Verlassen die Hütte sauber. Draußen sah es wiedermal gar nicht freundlich aus. Nebel mit etwa 100m Sicht und leichtem Nieselregen. Also packte ich mich wieder wasserdicht ein, und lief in Sandalen los. Denn gleich hinter der Hütte musste ich wieder zurück auf die andere Seite meines Hausbaches. Und gleich hinter dem Bach folgte die erste kurze Pause, um die Wanderstiefel anzuziehen. Dabei fiel mir auf, wie mitgenommen die Sohlen mittlerweile waren, vor allem nach der gestrigen Etappe durch die Lava. Ich bin dann zielstrebig zur Piste gelaufen, die von hier aus zurück in Richtung Zivilisation führte. Die Piste war nass und der Sand dementsprechend fest. Eigentlich wollte ich sie schonmal mit dem Fahrrad ausprobieren, hab das aber wegen "schlechten Wetters" doch sein lassen. Heute hätte ich keine Bedenken mehr, vor allem wenn es nass ist. Bei Trockenheit müsste man wohl eher kilometerweit schieben. Aber verfahren kann man sich kaum. Von Zivilisation war erstmal noch lange keine Spur. Es ging im Dyngjufjalladalur entlang, zwischen hausgroßen schwarzen Asche-Felsen, den Trollmurmeln, die auf dem schwarzen Wüstensand verstreut waren. Der düstere graue Himmel darüber komplettierte die Farbpalette. Nirgends ein Grashalm, einfach Nichts. Aber immerhin ein Weg. Langsam ließ ich die Felsbrocken hinter mir und das Tal weitete sich zu beiden Seiten. Links von mir floß weiter der Bach in immer größerer Entfernung, aber in die selbe Richtung wie die Piste. Als ich schließlich aus dem Tal heraus war, war die Landschaft erst recht monochrom. Unten schwarz in verschiedensten Schattierungen, oben grau in grau. Von Bergen am Horizont war keine Spur zu sehen, ich konnte nichtmal mehr die Askja und die Jónsskarð finden. Zum wiederholten Mal ärgerte ich mich, daß das Wetter bei meiner diesjährigen Tour so gar nicht mitmachen wollte. Irgendwo rechts von mir hätten Herðubreið, Bræðrafell und ein paar schöne Schildvulkane sein sollen. Nach etwa 5km kam ich sogar an eine Kreuzung in dieser Richtung, aber die Piste verschwand nach 100m im Nebel. Immerhin war ich trocken und warm eingepackt und meine Ausrüstung im Rucksack war genauso trocken. Das war schonmal was wert! Als ich weitermarschierte kam mir bald ein knallroter Jeep mit schweizer Kennzeichen entgegen. Mit Kapuze und Sturmhaube konnten sie mein Lächeln nicht sehen, aber mit dem Daumen nach oben signalisierte ich, alles in Ordnung. Ohne Halt fuhr der Jeep weiter und ich war wieder alleine in der Einsamkeit. Ein paar Hügel weiter machte ich eine kleine Rast auf einem bißchen Lavagestein am Wegesrand und knabberte einen Müsliriegel. Die Piste hatte sich seit dem Dyngjufjalladalur in weiten Schlangenlinien durch ein paar Hügel nordwärts gewunden, um einigen schroffen Lavafelsen wie meinem Rastplatz auszuweichen. Vor mir schien es jetzt erstmal schnurgerade und flach auf schwarzem Sand weiterzugehen, ohne weitere Kurven. Zumindest auf den nächsten paar hundert Metern, die ich überblicken konnte. Nur ganz schwach konnte ich die Umrisse eines größeren Hügels erkennen, auf den die Piste zuzuführen schien. Ein Stück weit kam es mir wieder so vor, als wäre ich im absoluten Nichts unterwegs. Immerhin hatte ich noch eine Piste, der ich folgen konnte, aber um zu sehen, daß die Zeit nicht stehengeblieben war und daß ich überhaupt vorwärts kam, musste ich doch immer wieder aufs GPS schauen. Als ich so vor mich hinträumte, kam ich mit mal an einen Bachlauf. Genaugenommen an ein ausgetrockneten Bachlauf, aber der war deutlich zu erkennen. In seiner Rinne hatten sich helle Sande und kleine Bimssteine abgesetzt, was einen schönen Kontrast zu der öden schwarzen Ebene bildete. Die Rinne verlor sich irgendwo in Richtung Westen bei meine alten Hausbach, der mitlerweile etliche hundert Meter entfernt war. Ich lief weiter und irgendwann kam ich auch an den Berg, dessen Umrisse ich vorhin undeutlich im Nebel gesehen hatte. Der Weg führte westlich daran vorbei und ging dann weiter durch die sandig öde Ebene, aber schon bald konnte ich die nächste Landmarke ausmachen. Westlich, jenseits des Baches, konnte ich schon seit einiger Zeit die spitzen Zacken eines weiten Lavafeldes ausmachen, Frambruni. Und dieses Lavafeld rückte näher und näher an die Piste. Einige hundert Meter vor mir führte die Piste dann gerade an den letzten Ausläufern der scharfkantigen Felsen vorbei. Endlich wieder Abwechslung von der öden schwarzen Sandwüste. Bei diesen Lavabrocken konnte ich mal wieder den Rucksack absetzen und eine Pause machen. Etwa 8-9 km war ich unterwegs seit der Hütte heute morgen, und das ödeste Stück hatte ich wohl hinter mir. Zumindest konnte es nicht mehr viel öder werden. Auch der Himmel sah schon viel besser aus, also immer noch düster und grau, aber immerhin gab es schon Strukturen in den Wolken und nicht nur eine einheitliche Suppe. Und laut Luftlinie war es auch nicht mehr sehr weit bis zur Botni-Hütte. Hinter den ersten Lavafelsen machte die Piste einen leichten Schlenker nach Westen, und auch wenn es immer noch ziemlich öde aussah, hatte ich wenigstens schon sehr abwechslungsreiche und bizarre Felsformationen gleich links von mir. Außerdem gab es schon die ersten vereinzelten Grashalme, Strandgras, das sich hier mühsam hielt. Nach etwa 4 weiteren Kilometern kam ich in eine weite Senke zwischen zwei Lavafeldern, wo man schon fast von richtiger Vegetation sprechen konnte. Außerdem gab es hier eine Wegkreuzung, oder zumindest Reifenspuren, die nach Norden führten, während die Hauptpiste sich eher in westlicher Richtung fortsetzte. Eigentlich hatte ich schon eine ganze Weile auf diese Kreuzung gewartet, am Sellandafjall vorbei musste es hier in Richtung Grænavatn und Mývatn gehen. Nicht meine Richtung, ich folgte der Hauptpiste. Weiter ging es zunächst über den Rand der Senke, dann stand ich vor einem riesigen Labyrinth aus Lavagestein. Immerhin Helluhraun, also Plattenlava, während links von mir ein riesiges Feld Apalhraun war, also unangenehme scharfkantige Brockenlava. Auf den Basaltplatten konnte ich eigentlich ganz gut gehen. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich außerdem eine Menge Sand und stellenweise eine Humusschicht in den Ritzen der Lava gesammelt, so daß man bequem von einer Lavascholle zur nächsten laufen konnte. Auch mit dem Fahrrad von der Wegbeschaffenheit eigentlich ideal, aber mit einem breiten Auto sicherlich recht holprig. Die Piste windete sich durch die Felsentürme hindurch, in scharfen Kurven und Spitzkehren, so daß es mir ein bißchen so vorkam, als müsste ich für jeden Meter vorwärts zwei Meter seitwärts ausweichen. Es zog sich und zog sich, auch wenn es auf der Karte gar nicht mehr so weit bis zur Botni-Hütte schien. Wenigstens konnte ich mich damit trösten, daß das Wetter zusehends besser wurde. Die Wolken stiegen immer höher und sahen schon gar nicht mehr nach Regen aus. Stellenweise lugte sogar ein bißchen Blau dazwischen hervor. Fern im Westen konnte ich mittlerweile bis zu den Höhenzügen jenseits des Skjalfandafljót sehen, über denen noch dichte Regenwolken lagen. Hinter mir im Osten konnte ich ein paar Berge mehr sehen als heute Morgen, aber so richtig überwältigend war die Fernsicht nicht. Im Norden erkannte ich dafür schon Sellandafjall und Bláfjall, hinter denen der Mývatn liegen musste. So ging es noch eine ganze Weile dahin bis endlich die Hütte Botni vor mir zwischen den Lavafelsen hindurchschaute. Als ich dort ankam setzte ich erstmal ziemlich erschöpft den Rucksack ab. Jetzt musste ich mir nur noch überlegen, ob ich in der Hütte übernachten wollte oder mir irgendwo einen Zeltplatz suchen. Die nächsten 15km bis nach Svartárkot schaffte ich heute jedenfalls nicht mehr. Auf den ersten Blick war die Hütte viel schöner eingerichtet als die im Dyngjufjalladalur, und sie war wohl auch ein paar Jahre jünger. Problem war nur, daß ich nirgends Trinkwasser finden konnte. Daß irgendwo in der Nähe die Quellen der Suðurá sein mussten, hatte ich mehrfach gelesen, und grade um die Hütte herum und nach Nordwesten hin wurde es auch endlich spürbar grüner, mit frischem Gras. Also musste es wirklich irgendwo Wasser geben. Bloß wo genau? Nachdem ich auf Anhieb keinen Bach sehen konnte und das Wetter sowieso ganz gut zu werden schien, beschloss ich noch ein Stückchen weiter zu laufen, ins Grüne hinein, bis ich einen Bach fand. Also den Rucksack wieder geschultert und es ging weiter. Die Piste schlängelte sich wie zuvor durch die schroffen Lavaformationen, und etwa 500 Meter und drei scharfe Kurven weiter fand ich endlich die ersehnten Quellen der Suðurá. Das Wasser sprudelte sogar ziemlich kräftig hervor, so daß auf kürzester Strecke ein ansehnliches kleines Flüßchen zusammenkam. Und das alles fast in Sichtweite der Hütte, nur eben hinter den Lavatürmen versteckt. Ich revidierte meinen Plan, füllte erstmal meinen Wassersack mit gut 5 Litern und schleppte das alles dann zurück in Richtung Hütte. Wenn ich das mal früher gewußt hätte. Unterwegs auf den 500 Metern kam mir das zweite Auto des Tages entgegen. Ein VW-Bus mit hamburger Kennzeichen. Aus allen Fenstern lugte irgendein Kopf hervor, um zu sehen, ob und wie man wohl weiter durch die Felsen schaukeln könnte. Eigentlich fand ich es schon ziemlich erstaunlich, daß das Gefährt überhaupt so weit gekommen war. Schneller als ich waren die jedenfalls nicht unterwegs, und das Fahren war sicher ziemlich anstrengend. Wir grüßten uns freundlich, jeder mit einem kleinen Lächeln auf dem Lippen, ach, schau mal, ein Verrückter. Mit meinem Trinkwasser machte ich es mir dann in der Hütte bequem. Der Ofen wollte erstmal nicht so recht, ich musste erst auf die Idee kommen, draußen am Öltank den Hahn zu öffnen, damit das funktionierte. Aber bald bollerte er munter vor sich hin und kochte nebenbei mein Nudelwasser. Beim Essen dann ausführliche Lektüre des Gästebuches. Später am Abend machte ich noch einen kleinen Spaziergang um die Hütte herum, da die Wolken direkt über mir immer lichter wurden. Aber der Wind kam immer noch kalt aus Norden und in den Bergen am Horizont östlich und westlich sah es sehr regnerisch aus. Naja, jetzt hatte ich schon fast drei Wochen lang Regen, da spielten die letzten paar Tage bis Akureyri auch keine Rolle mehr. Ich verkrümelte mich recht bald ins Bett, das letzte mal in der absoluten Einsamkeit des Hochlandes. Ab morgen war ich wohl wieder in der Zivilisation unterwegs. Bilder der Tages:
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16. August 2005 nach Svartárkot |
Die Wolken kamen über Nacht zurück. Auch wenn es morgens noch trocken war, es sah nicht so aus, als würde das noch lange so bleiben. Ich frühstückte jedenfalls kurz, schrieb dann noch einen Gästebucheintrag und packte meine sieben Sachen zusammen. Ich kam recht früh auf die Beine und ließ die Hütte hinter mir. Ohne zu bezahlen, das musste ich in Akureyri nachholen. Meine letzten paar Kronen-Münzen passten einfach nicht in den Briefkasten. Als ich etwa die 500 Meter weit bis zu den Quellen gelaufen war, begegnete mir schon wieder der VW Bus von gestern. In der Nähe der Suðurá-Quellen hatten die im Dachzelt übernachtet, und jetzt machten sie gerade ausgiebiges Frühstück. Ich überlegte kurz, ob ich mich noch dazusetzen wollte, aber nachdem ich ja gerade erst losgelegt hatte, wollte ich lieber den ersten Schwung noch eine Weile nutzen. Also grüßte ich freundlich und ging weiter. Die Landschaft um mich herum war wieder völlig anders als am Tag zuvor. Eigentlich war es mir unvorstellbar, vor 24 Stunden noch im öden, schwarzen Dyngjufjalladalur gewesen zu sein, und auch das "leicht grüne Lavafeld" von gestern Nachmittag schien endlos weit entfernt zu sein. Das Grün, das ich jetzt um mich herum fand, war so üppig, wie seit langem nicht mehr. In einigen geschützten Senken hatten sich sogar Sträucher und Büsche niedergelassen. Wald sozusagen, für isländische Verhältnisse zumindest. Links neben mir floß die Suðurá, die seit den Quellen zu einem recht ansehnlichen Fluß geworden war. Kaum zu glauben, auf was für einer kurzen Strecke sich das ganze Wasser angesammelt hatte. Angeblich Regenwasser, das etwa 50 Jahre lang durch die Lavatunnel und Spalten im Ódáðahraun sickerte, bis es dann hier gut gefiltert wieder an die Oberfläche kam. Die Piste musste sich hier nicht mehr ganz so sehr winden und schlängeln. Zwischen den Basaltfelsen hatte sich eine dicke Humusschicht gebildet, auf der es jetzt ganz gut voran ging. Und wie das typisch ist mit den Pisten auf isländischem Humus waren die Fahrspuren mitunter ziemlich tief in die umliegende Grasnabe eingesunken. Insbesondere wenn es mal wieder einen kleinen Hügel hinauf ging, waren die Spurrillen bis zum Knie eingegraben. Als ich etwa eine Stunde unterwegs war, kam hinter mir langsam aber sicher der VW Bus angeschaukelt. Etwa eine Viertelstunde brauchten sie, dann hatten sie in einer kleinen Ebene einen minimalen Geschwindigkeitsvorteil und überholten mich. Wir grüßten uns zum dritten Mal mit dem Lächeln, noch so ein Verrückter. Noch mindestens eine weitere Viertelstunde lang brauchte der Bus, bis er hinter einigen Kurven mächtig schief stehend aus meinem Blickfeld verschwand. Also war so ein Bus doch noch etwas schneller als ein Fußgänger. Ich genoß es dafür, die ersten paar Schafe seit vielen Tagen zu sehen, und überhaupt in so einer reichlich bewachsenen Gegend zu sein. Neben mir plätscherte der Fluß, irgendwo im Lavafeld zwitscherten ein paar Vögel. Gleich etwas ganz anderes als in der Wüste zu sein. Nachdem ich etwa 7 km weit gelaufen war, kam ich an eine Wegkreuzung. Nach Nordosten ging es hier ab, vermutlich die zweite Piste zum Mývatn. Ich hielt mich eher in Richtung Westen. Schon seit einiger Zeit sah ich dort ein paar Hütten stehen, die auch in diversen Wegbeschreibung erwähnt waren. Und ich war auch sehr bald bei diesen Hütten angekommen. Ziemlich verfallen und heruntergekommen standen sie da, wahrscheinlich nur beim Schafabtrieb einmal im Jahr wirklich genutzt. Aber heute boten sie mir wenigstens einen kleinen Windschutz während meiner Pause, auch wenn ich nur draußen hinter der Ecke stand. Mittlerweile wehte es ziemlich kräftig aus Osten. Das war mir zwar ganz recht, weil das für mich von hinten war, aber andererseits brachte der Wind wohl auch all die neuen grauen Wolken mit sich, die schon seit heute Morgen über dem ganzen Land lagen. Nachdem der Wind in den letzten Stunden immer kräftiger geworden war, vermutete ich, daß es wohl bald losgehen musste mit Regen und Sturm. Vorsichtshalber hatte ich schon morgens beim Losmarschieren die Regensachen angelegt, auch wenn es bisher ja immer noch trocken war. Kurz hinter den Hütten gab es schon wieder eine Abzweigmöglichkeit. Diesmal hatte ich die Möglichkeit, aufs südliche Ufer der Suðurá zu wechseln. Der Fluß sah mittlerweile nämlich ganz schön tief aus, und nicht mehr so, als könne man ihn ganz problemlos furten. Aber an dieser Stelle führte eine Brücke aufs andere Ufer, und dort zu einem großen Schafszaun. Eigentlich wollte ich aber eher nordwärts und nach Svartárkot, also ließ ich den Abzweig links liegen. Meine Piste führte zunächst noch am Fluß entlang, entfernte sich dann aber immer weiter. Die blanken Lavafelsen, die vor einiger Zeit noch regelmäßig aus der Vegetationsdecke herausragten, blieben auch mehr und mehr zurück. Statt dessen wucherten jetzt immer mehr niedrige Sträucher zu beiden Seiten des Weges und es ging immer öfter über ein paar flache Hügel. Am Rand dieser Hügel gab es manchmal auch kleine Abbruchkanten, wo die Gräser in der Luft zu hängen schienen und die Wurzeln in einem dichten Geflecht zum Vorschein kamen. Da stellen sich die Schafe bei Regen und Sturm besonders gerne unter, und deswegen begegneten mir jetzt auch immer mehr braune Schafe, anstatt der üblichen weißen. Etwa 5 km hinter den Schäferhütten machte die Piste dann einen Bogen nach Norden. Die Suðurá, die ein paar hundert Meter südlich einen weiten See bildete, ließ ich somit endgültig hinter mir. Ansonsten änderte sich die Landschaft nicht allzusehr. Auch wenn schon lange alles darauf hindeutete, erst ein ganzes Stückchen später sah ich das erste richtige Haus. Das erste seit Anfang der Wanderung, das nicht nur eine einfache Wanderhütte war. Direkt vor mir ging die Piste einen letzten Hang hinunter, dann in deutlich weniger hügeligem Gelände etwa einen Kilometer nordwärts, und dort stand auf einer Anhöhe der Bauernhof Svartárkot. Und rechts neben dem Hof lag ein recht großer See, der Svartárvatn. Aber was mich viel mehr faszinierte, an dem Hof brannte am hellichten Tag eine Außenlampe. Na wenn das noch keine Zivilisation ist! Das letzte Stück war schnell geschafft, dann stand ich an einem Zaun mit einem Tor. Seit den Schäferhütten hatte ich schon zwei solche Tore durchquert. Dieses war aber nicht einfach nur irgendwo in der Landschaft, sondern direkt neben der Farm oder bessergesagt Scheune. Jenseits des Tores war die Piste erstmal eine Scheunenausfahrt, und das heißt, mit einer ordentlichen Schicht Kuhdung überpflastert. Ich machte einen großen Bogen um die Pfützen, wurde dann gleich mal von einem ganzen Rudel Hunde mit lautem Bellen begrüßt, und ging trotzdem weiter um die Scheune herum. Dann erst sah ich die eigentlichen Wohnhäuser. Zwei große aus Stein und ein kleines Sommerhaus aus Holz. Und irgendwo dazwischen floß die Svartá aus dem Svartárvatn ab, und eine kleine Brücke führte über den Bach. Eine gemütliche kleine Farm also, bloß war keine Menschenseele zu sehen. Ein großes Räumfahrzeug vom Vegagerðinn fuhr gerade nach Norden auf der Straße davon, die Hunde tollten immer noch in respektvollem Abstand von mir herum, ansonsten war alles wie ausgestorben. Als ich am anderen Ufer der Svartá war, ließen die Hunde mir endlich meine Ruhe, also setzte ich mich erstmal an den Straßenrand und packte einen Müsliriegel aus. Es hatte zwischenzeitlich schonmal kurz genieselt, und eigentlich fühlte ich mich ziemlich müde. Ich war heute zwar erst 15 km gelaufen, aber ich fühlte mich nicht danach, noch weiterzumarschieren und dann irgendwo zwischen den Weiden neben der Straße zu zelten. Außerdem waren meine 9 Paar Akkus ziemlich aufgebraucht, und eine Nacht in richtiger Zivilisation mit Steckdose und warmem Wasser täte mir sicher nicht schlecht. Hier in Svartárkot sollte es eine Unterkunftsmöglichkeit geben, bloß wo? Ich ging kurzerhand zu einem der beiden Wohnhäuser hin und klingelte. Eine ältere Isländerin machte mir auf, und ich fragte nach einer Unterkunftsmöglichkeit. Sie schien nur recht wenig englisch zu können, aber kurz darauf kam sie mit ihrem Mann zurück und sie führten mich zu dem Sommerhäuschen aus Holz. Mit einem bißchen Isländisch und einem bißchen Englisch zeigten sie mir das Haus und fragten, wo ich herkäme und staunten nicht schlecht, daß ich halb Island durchquert hatte. Nebenbei kehrten sie noch ein bißchen aus und richteten alles ein bißchen her. Das Sommerhaus war recht groß, mindestens groß genug für eine ganze Familie. Es gab ein Bad mit Dusche und warmem Wasser. "Ist nur ganz klein und sehr einfach" meinten die beiden entschuldigend. Eine Dusche! Wahnsinn! Und es gab sogar ein Wohnzimmer mit Fernseher, eine richtige Küche und richtige Betten! Recht bald verschwanden die beiden wieder, vor lauter Staunen kam mir erst hinterher der Gedanke mit dem Geld und so. Naja, koste es was es wolle. Nachdem ich mich aus den Regensachen gepackt hatte, probierte ich gleich mal die Dusche aus. Ein Genuß! Frisch gewaschen packte ich meine mobile Festplatte mit eingebautem Ladegerät aus und lud den ersten Satz Akkus neu. Als ich es mir gerade mit ein paar Keksen und meinem Buch gemütlich machte, ging draußen ein richtiger Sturm los. Es schüttete ziemlich und auf dem kleinen See, den ich von "meiner" Hütte aus gerade noch sah, waren ziemlich große Wellen unterwegs. Auch wenn ich den halben Nachmittag noch hätte Laufen können, hier zu bleiben war wohl doch die richtige Entscheidung. Ich schaute mir auf meinen Landkarten und dem ausgelegten Infomaterial über das Þingeyjarsveit meine nächsten paar Tagesetappen an. Morgen stand wohl eine eher langweilige Etappe an, die mir auf der ganzen Planung ein bißchen ein Dorn im Auge war, ich musste entlang der Straße erstmal ins Bárðardalur und dort dann weiter solange bis ich zu einer Brücke kommen würde. Insgesamt etwa 20 km. Auf der anderen Flusseite direkt hinter der Brücke gab es ein Ferðaþjónusta Kíðagíl, mit Restaurant, Schlafsackunterkünften und Zeltplatz. Und ungefähr dort musste auch der Wanderweg ins Fnjóskadalur anfangen. Und wie ich dann genau nach Akureyri kam, musste ich vor Ort herausfinden. Bei einigen Tassen Tee und gelegentlichem Hinausschauen in den Regen las ich auch noch, daß das Þingeyjarsveit seinen Namen von einer alten Þingstätte auf einer Insel im Skjalfandafljót hatte. Aber die war zu weit nördlich, als daß ich daran noch vorbeikommen würde. Außerdem fand ich heraus, daß man hier überall ganz toll angeln können soll, und daß jeder Farmer irgendwelche Angelgenehmigungen verkaufte. Und im Gästebuch las ich, daß auch in diesem Sommerhaus regelmäßig Angler vorbeikamen. Bei all dem Lesen wurde es bald spät und nach einem Abendessen verkroch ich mich in meinen Schlafsack, heute mal auf einem richtigen Bett. Bilder der Tages:
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17. August 2005 Bárðardalur |
Am nächsten Tag war ich früh auf, und zu meiner Überraschung schien die Sonne. Es waren zwar auch noch eine Menge Wolken am Himmel, aber dazwischen war tatsächlich blauer Himmel! Weil ich so früh dran war, packte ich nach dem Frühstück erstmal meine Sachen zusammen und stiefelte dann eine kleine Runde über die Farm. Zur Pferdeweide und zu den alten Farmhäusern aus Torf, die heute als Abstell- und Räucherkammer Verwendung finden. Als ich dann dachte, daß die Leute auf der Farm doch auch schon längst wach sein mussten, klopfte ich wieder beim Wohnhaus und ging dann einfach hinein, nachdem niemand reagierte. Sie saßen grade alle beim Frühstück zusammen mit einem Nachbarn oder so, und diskutierten lautstark. Naja, mit einem bißchen Isländisch und einem bißchen Englisch konnten wir uns wieder ganz gut unterhalten. Die Übernachtung kostete nur 1700 ISK, also eigentlich ziemlich günstig. Leider konnte ich aber nicht mit Karte bezahlen, und hatte nicht ganz genug in Bar dabei. Ich gab ihnen einfach alle meine verbleibenden Kronen, was auch genug war, und hoffte dann, daß ich demnächst wiedermal irgendwo mit Karte zahlen konnte. Aber ein bißchen peinlich ist mir das bis heute. Nagut, ich schulterte meinen Rucksack und machte mich auf die Socken. Auf der Straße zu gehen war eigentlich gar nicht so schlimm, wie ich gefürchtet hatte. Verkehr gab es praktisch keinen, am ganzen Tag sind mir etwa 10 Autos begegnet. Die Straße war eine dieser nicht-asphaltierten isländischen Landstraßen, und die Landschaft um mich herum war in strahlenden Sonnenschein getaucht. So konnte ich auch zum ersten Mal bis zur Askja zurückschauen, auch wenn ich die Jónsskarð auf die Entfernung nicht mehr ganz genau ausmachen konnte. Nach dem gestrigen Kartenstudium konnte ich auch mit den meisten anderen Bergen etwas anfangen, vor dem Herðubreið lag die Kollóttadyngja, nördlich ein paar Herðubreiðarfjöll, und fast genau östlich von mir verdeckte jetzt der Sellandafjall fast schon den Búrfell. Dazwischen überall leuchten grüne Wiesen und der im Sonnenlicht glitzernde Svartárvatn. Eines der Autos, das mir begegnete, war von der Veðurstofa Íslands, erst fuhr es nach Süden kurz nachdem ich in Svartárkot losgelaufen war. Etwa eine Stunde später kam es von hinten wieder zurück. Der Wagen hielt an und der Fahrer fragte mich, ob er mich mitnehmen sollte. Nein danke ich will laufen, sagte ich. Darauf meinte er, das könne er sehr gut verstehen, grüßte mich nochmal freundlich und fuhr dann wieder seines Weges. Eine weitere interessante Begegnung hatte ich kurz bevor ich zum Hof Viðiker kam, der nächste Nachbarhof etwa 9 km nördlich von Svartárkot. Ein Jeep, der ebenfalls zuerst mal nach Süden an mir vorbeifuhr, wenig später aber wieder zurückkam. Neben mir wurde gehalten, das Fenster runtergefahren, und ich wurde auf Englisch mit einem starken französischen Akzent gefragt, ob ich wüßte, wo die Straße zum Sprengisandur langführte. Sie zeigten mir eine dieser ganz einfachen Karten, wie man sie wohl vom Autovermieter kostenlos mitbekommt, so eine wo die Ringstraße und die wichtigsten Städte eingezeichnet waren. Jedenfalls hatte ich auch meine Probleme, ihnen anhand dieser Karte klar zu machen, wo sie waren. Nach einiger Zeit hatten sie aber doch endlich eingesehen, daß sie zurück zur Brücke und dann auf die andere Seite vom Fluß mussten. Ein bißchen ein schlechtes Gewissen hab ich bis heute, jemanden dermaßen schlecht vorbereitet auf den Sprengisandur zu schicken. Bei der Abzweigung zum Hof Víðiker begegneten mir wieder die unverzichbaren isländischen Hunde und ich wurde lautstark angebellt. Außer Reichweite machte ich dann meine erste Pause mit Müsliriegel. Es war zwar sonnig, aber nicht allzu heiß. Eigentlich kam ich mit meiner dicken Jacke ganz gut klar, ohne zu schwitzen. Die dunklen Wolken zogen nach wie gemächlich vor von Süd nach Nord über den Himmel, aber richtig nach Regen sah es auch nicht aus. Hinter Víðiker ging es in ein paar Kurven hinunter ins Bárðardalur. Schon als ich 2002 mit dem Fahrrad vom Sprengisandur kommend bis zum Goðafoss in diesem Tal entlang gefahren war, kam es mir ziemlich endlos vor, lang, eng und endlos. Den Eindruck hatte ich jetzt zu Fuß auch wieder, obwohl ich erst am Anfang der Strecke durch das Tal stand. Immerhin war die Landschaft recht angenehm grün, stellenweise gab es sogar Bäume, oder bessergesagt Büsche. Westlich neben der Straße floß hinter einigen Hügeln irgendwo die Svartá, die sich mit der Suðurá vereinigte und dann in den Skjalfandafljót mündete. Die ersten beiden Flüsse hatte ich seit ihrer Quelle verfolgt, und beides waren klare Quellwasserflüsse. Der Skjalfandafljót war hingegen ein trüb braun grauer Gletscherfluss der eine Menge Sedimente mit sich führte. An der Mündung der beiden Flüsse mischte sich das Wasser nicht, statt dessen floß auf der rechten Seite der klare, schwarzgrüne Anteil und weiter links der graubraune. Und das änderte sich auch die nächsten Kilometer lang nicht, genaugenommen die ganze Zeit über nicht, die ich am Fluß entlang ging. Wahrscheinlich merkt man das aber auch nur, wenn man am rechten Ufer unterwegs ist. Zumindest konnte ich mich nicht erinnern, das auf meiner Radtour vom anderen Ufer aus schon gesehen zu haben. Der nächste Hof hinter Víðiker war Rauðafell, etwa 4 km weiter. Dort gab es eine kleine Ablagefläche für Post und größere Pakete direkt an der Straße. Perfekt geeignet, um wiedermal den Rucksack abzustellen und eine kleine Pause zu machen. Nochmal 4 km weiter ging es am Hof Lundarbrekka vorbei. Diese paar Höfe waren dann aber auch alles, was man es hier an Siedlungen gab. Deswegen war auf der Straße ja auch so gut wie kein Verkehr unterwegs. Hier unten im Tal hatte der Wind mittlerweile auf Norden gedreht. Und von Norden her kamen immer dichtere Regenwolken. So war ich schon eine ganze Weile ohne Sonnenschein unterwegs und hatte sogar ab und zu ein bißchen Nieselregen. Und die Strecke zog und zog sich dahin, das Tal war eben doch endlos. Außerdem hatte ich die ganze Zeit noch nichtmal mein Ziel vor Augen. Erst kurz bevor ich an der Brücke stand konnte ich die massiven Betonpfeiler endlich sehen. Langsam war wieder Zeit, ein Nachtlager zu suchen, nachdem ich schon gute 20 km gelaufen war. Im Bárðardalur führt auf jeder Flußseite jeweils eine Straße entlang, und die eine Möglichkeit, von der einen zur anderen Seite zu kommen, war die Ringstraße beim Goðafoss. Die andere Möglichkeit war hier direkt vor meiner Nase. Und der normale Weg, ins Sprengisandur-Hochland führte aus irgendeinem mir nicht ersichtlichen Grund auch über diese Brücke und überquerte somit den Skjalfandafljót, anstatt durchgehend am andern Ufer zu bleiben. Deswegen fürchtete ich fast ein wenig, auf der engen Brücke ohne Ausweichmöglichkeit mindestens einem breiten Fjallabíl zu begegnen. Aber ich erwischte einen günstigen Moment und kam problemlos ohne Gegenverkehr hinüber. Auf der anderen Seite konnte ich dann schon die Hinweisschilder sehen, Ferðaþjónusta Kíðagíl rechts ab. Daran hielt ich mich und ein paar hundert Meter nördlich stand ich dann vor einem alten Schulhaus oder Kindergarten. Es machte einen ziemlich trotslosen Eindruck, und allzuviele Gäste schienen sich nicht hierher verirrt zu haben. Vielleicht verstärkte der einsetzende Nieselregen aber auch diesen Eindruck, als ich so einsam und alleine über den Asphalt am leeren Schulhof-Parkplatz ging. Drinnen im Gebäude gab es einen großen Speisesaal, der als Restaurant eingerichtet war. Alle Tische waren fein sauber gedeckt, überall brannte Licht, aber niemand war da. Damit dieser gespenstische Eindruck sich nicht noch mehr verfestigte, klingelte ich an einer kleinen Theke in einer Ecke des Saales. Wäre jetzt ein stämmiger Kerl mit blutigem Fleischermesser angekommen, hätte mich das nicht verwundert, aber so schlimm war es dann doch nicht. Zelten kostete 1000 ISK pro Nacht und der Zeltplatz war hinterm Haus. Wenn schon das Zelten so teuer war, fragte ich lieber gar nicht erst nach Schlafsackunterkunft. Jedenfalls konnte ich hier mit Karte bezahlen und baute dann meine kleine Behausung im Gras hinter dem Schulgebäude auf. Der Wind kam mittlerweile eindeutig aus Norden und so suchte ich mir alles, was ich an Windschutz finden konnte. Bestimmt würde es morgen wieder regnen. Da ich mit Karte zahlen konnte, gönnte ich mir außerdem gleich noch ein Stück Schokolade. Meine sonstigen Vorräte waren zwar schon etwas knapp, aber bis Akureyri würden sie gerade noch reichen. Nach den Nudeln zum Abendessen noch einen leckeren Nachtisch zu haben war jedenfalls ein sehr angenemher Luxus. Und mir gefiel der Gedanke immer besser, so eine lange Hochlandtour langsam ausklingen zu lassen, mit einsamen Zeltplätzen am Rande der Zivilisation, anstatt z.B. direkt aus dem Hochland in den Touristenrummel am Mývatn zu kommen. So schlief ich zufrieden ein und freute mich schon auf die letzten beiden Etappen ins Fnjóskadalur und in den Eyjafjörður. Bilder der Tages:
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18. August 2005 ins Fnjóskadalur |
Eigentlich hatte ich für die Nacht schlechtes Wetter und Sturm erwartet, aber abgesehen von einem bißchen Regen wurde daraus nichts. Eigentlich war die Nacht sogar recht angenehm, auch die Beule in der Isomatte war ganz erträglich, wenn man die ganze Matte ein bißchen weniger stark aufblies. Bloß das Zelt musste ich nass vom Tau einpacken. Bevor ich ganz aufbrach fragte ich nochmal drinnen im Restaurant, wo genau mein Weg eigentlich losging. Vom Nachbarhof Stóruvellir aus musste es am Hang entlang nordwärts aus dem Tal hinaus gehen und dann irgendwann über den Kamm des Vallafjall hinüber in ein kleines Hochtal, und von dort aus führte irgendwo eine Stromleitung hinunter ins Fnjóskadalur. Auf meine Frage wusste zunächst niemand so recht eine Antwort, bis endlich die richtige gefunden war, die Köchin. Die meinte, jaja, kein Problem den Weg zu finden, ganz einfach, fängt da hinten an. Tatsächlich war mir dort schon eine verdächtige Linie im Gebüsch am Hang aufgefallen, die möglicherweise auf den Pfad hinweisen könnte. Einfach da über die Wiesen und Zäune rüber, ist kein Problem, wurde mir gesagt. Na ich war ja mal gespannt. Ich probierte tatsächlich die Abkürzung über die Wiesen und Zäune, anstatt erst auf der Straße zurück zum Hof Stóruvellir zu gehen. Die Zäune waren nicht so das Problem, auch mit Rucksack kam ich da irgendwie rüber. Aber die Wiesen waren alle ziemlich nass, so daß ich dann auch klatschnasse Hosen hatte, als ich drei Zäune später am Anfang des eigentlichen Pfades stand. Nagut, ohne Regenhose loszulaufen war vielleicht doch ein bißchen zu optimistisch, egal wie der Himmel ausschaut. Vor dem Weitergehen kramte ich den Kunststoffüberzug dann doch lieber heraus. Der Pfad ins Fnjóskadalur hinüber war wirklich einfach zu finden. Er ging durch ziemlich dichtes Gestrüpp und Buschwerk, also einen Wald. Nicht zuletzt weil die Äste und Sträucher so nass aussahen hatte ich es vorgezogen, die Regenhose auszupacken. Geradewegs durchs Gestrüpp führte eine meist gut ausgetretene Spur, der ich zu folgen versuchte. Aber ärgerlicherweise teilte sich diese Spur ab und zu mal. Meistens spielte es keine Rolle, welchen der beiden Wege man nahm, aber einmal stand ich dann doch plötzlich in einem Sumpf aus Moos und von einem Weg war keine Spur mehr. Erst ein bißchen querfeldein weiter oben am Hang fand ich ihn wieder. Immer wieder kreuzte der Weg kleine Bäche, die teilweise tief in den Hang eingegraben waren. Meistens waren diese Stellen dann auch ziemlich matschig, und meine Regenhose färbte sich von unten mehr und mehr rostrot vom Schlamm. Eine wirklich praktische Erfindung, so eine Regenhose. Aber besonders rund um die Bächer herum gab es auch massenweise Fliegen. Und gegen diese Fliegen hatte ich leider kein so praktisches Hilfsmittel wie eine Regenhose. Wenigstens waren es nur die harmlosen kleinen Dinger, die eigentlich nicht stechen und völlig harmlos sind, aber sie landen halt doch immer in Augen, Nase, Mund und Ohren und sind ziemlich nervig. Es ging immer höher und höher am Hang hinauf, und je höher ich kam, desto lichter wurde das Gebüsch um mich herum. Und je lichter das Gebüsch wurde, desto weniger deutlich war der Weg zu erkennen. Aber in einiger Entfernung vor mir konnte ich die ersten paar Steinwarten erkennen, die den weiteren Weg markierten. Als ich insgesamt etwa 3 km weit gelaufen war, ließ ich auch das Gras und Moos hinter mir und hatte statt dessen in erster Linie Steine um mich herum. Zwischen den größten Brocken hindurch folgte ich jetzt einem mehr oder weniger gut erkennbaren Pfad. Wenig später stand ich neben der ersten großen Steinwarte und machte erstmal eine Pause. Denn hier oben gab es endlich keine nervigen Fliegen mehr. Die Aussicht war immer besser und besser geworden, je höher ich kam. Mittlerweile hatte ich eine erstklassige Sicht über das Bárðardalur und ziemlich genau östlich von mir auf den Mývatn. Sogar die Dampfwolken der heißen Quellen konnte ich dort sehen, und auf Grund ihrer Farbe auch den Námafjall eindeutig identifizieren. Ein bißchen trüb war es zwar, aber richtig schlechtes Wetter war eigentlich gar nicht. Vom Norden her kamen aber einige niedrige Wolken im Tal entlang gezogen, die auf meiner Höhe wohl eher als Nebel ausfallen würden. Aber zwischen all den vielen Wolken lugte auch immer wieder mal die Sonne hervor. Ich verabschiedete mich von meinem Aussichtspunkt, vom Bárðardalur und vom Mývatn. Von einer Steinwarte zur nächsten wanderte ich jetzt auf dem ausgetretenen Pfad über den Rücken des Vallafjall. Dahinter kam ich in eine flache Senke, die von einem kleinen Bach durchzogen war und, ähnlich zu so mancher feuchten Senke im trockenen Hochland, sofort dicht mit Gras und Moos bewachsen war. Und hier verliefen sich Weg und Wegmarkierung irgendwie. Oder ich war einfach zu blind, sie weiter zu sehen. Also lief ich einfach mal direkt zum Bach hin und suchte mir selber eine günstige Übergangsmöglichkeit. Leider war der Bach aber tiefer als gedacht, und ich musste doch nochmal meine Sandalen herauskramen und richtig furten. Auf der anderen Seite überlegte ich mir dann aufs Neue, wo denn eigentlich der markierte Weg abgeblieben war, den ich vorhin noch hatte. Immerhin konnte ich mich noch an der Landschaft orientieren und erkannte nördlich von mir das Eyjadalur, das zurück ins Bárðardalur führte und dessen Verlängerung in der anderen Richtung zum Fnjóskadalur ging. Durch diese beiden Täler verlief auch irgendwo eine Stromleitung, zumindest der Karte nach. Spätestens wenn ich die gefunden hätte, konnte ich mich gar nicht mehr verlaufen, egal ob mit oder ohne Weg. Als ich so ein Stückchen über die buckelige Þúfur-Wiese gestolpert war, wurde mir das aber doch zu blöd. Ich sehnte mich zurück nach einem richtigen Weg. Und jetzt fand ich auch einen, viel weiter westlich. Bei einem Blick auf die Karte stelte ich später fest, daß ich wohl einfach das ganze Tal mit Bach und Wiese ein kleines Stückchen weiter südlich und westlich umgehen hätte können, ohne nasse Füsse und ohne verlorenem Weg. Aber was solls, ab hier waren die Steinwarten wieder recht dicht gesetzt und der Weg war im Geröll nicht zu verfehlen. Etwa 8 km nachdem ich aufgebrochen war, erreichte ich die Stromleitung, die hier von einem Tal ins andere hinüber führte. Neben der Stromleitung war eine undeutliche Piste zu erkennen, die hier oben irgendwo im Geröll anfing und hinunter ins Fnjóskadalur führte. Parallel zur Piste verlief ein Wander- und Reitweg, dem ich lieber folgte, als dieser Piste. Es ging am linken Ufer eines teilweise recht tief eingeschnittenen Baches entlang und langsam aber stetig abwärts ins Fnjóskadalur. Und es war wieder recht dicht bewölkt, als ich ins Tal hinunterstieg. Aber es war trocken, und mit den schweren grauen Wolken gefiel mir das Licht und der Gesamteindruck vom Tal eigentlich auch recht gut. Je weiter ich kam, um so mehr konnte ich ins Fnjóskadalur hinunterschauen und die "bewaldeten" Hänge auf beiden Seiten das Tales sehen. Eigentlich waren es doch eher die typischen kleine Büsche und Sträucher, aber weiter nördlich gibt es vor allem am Talgrund tatsächlich richtigen Wald, der es durchaus mit einem normalen mitteleuropäischen Wald aufnehmen kann. Von oben konnte ich auch schon den weiteren Verlauf von Weg, Tal und Fluss ausmachen. Ich kam an der Bakká heraus, einem Nebenfluß der Fnjóská, und die Piste führte unten erstmal durch den kleinen Bach, dem ich folgte, und dann parallel zur Bakká nordwärts im Tal entlang. Und am Anfang der offiziellen Piste, also da wo ich steil den Hang hinunter kam, lag der hinterste Hof des Tales. Ein einsames weißes Häuschen mitten in der Landschaft mit dem Namen Sörlastaðir. Um die Talbiegung herum konnte ich leider mein Tagesziel Illugastaðir noch nicht ausmachen, aber im Gegesatz zum gestrigen endlosen Bárðardalur störte mich das hier nicht weiter, und ich fühlte mich im Fnjóskadalur viel wohler. Daß ich mich viel wohler fühlte lag vielleicht daran, daß das Tal sehr viel breiter war und nicht so ein langer Schlauch wie das Bárðardalur. Vielleicht lag es auch daran, daß direkt neben der Straße sehr viele Sträucher waren, teilweise schon rotgefärbte Heidelbeerbüsche, violettes Heidekraut, ein paar gelbe Tupfer, darin immer wieder graue Felsbrocken. Die Landschaft war also insgesamt viel wilder und urwüchsiger als im Bárðardalur. Und die Straße war eher ein Feldweg, daß mir hier heute noch ein Auto begegnete konnte ich nahezu ausschließen. Unten am Talgrund hüpfte ich erstmal auf ein paar Steinen über den kleinen Bach und ging dann durch das Tor im Schafszaun auf die Hauswiese von Sörlastaðir. Das niedliche kleine Haus gefiel mir irgendwie, schön hergerichtet und frisch gestrichen, daneben ein paar kleine Bäume die kaum über das Dach hinausragten. Weit und breit war kein Auto zu sehen. Im Moment war wohl niemand zuhause und das Ganze wurde nur gelegentlich mal als Sommerhaus genutzt. Mir begegneten noch eine ganze Reihe weiterer Sommerhäuser im Fnjóskadalur, aber keines hatte so einen Charme wie dieses. Weiter ging es auf dem Feldweg durch eine recht abwechslungsreiche Landschaft, mal mit einigen Felsbrocken von einem Bergsturz, mal mit dichteren Büschen, also Wald. Während ich so entlanglief, merkte ich gar nicht, wie die Kilometer verflogen. Es sollten noch etwa 10 km sein von Sörlastaðir bis Illugastaðir, aber so wie ich mich fühlte hätten es auch noch 15 oder 20 sein dürfen. Irgendwann kam ich an einer kleinen Brücke vorbei, die nach Süden abzweigte und über der Bakká führte. Dort bei der Abzweigung stand ein steinalter graublauer Landrover. Ich wunderte mich nicht schlecht, daß ich hier also doch noch einem Auto begegnete, aber solange es nur herumstand, störte es mich nicht weiter. Immer wieder kamen von der Bergwand rechts kleine Bäche herunter, die in die Bakká und Fnjóská flossen. Da musste ich mir immer aufs neue einen Weg hinüber suchen, was eigentlich auch durchweg ohne nasse Füsse ging. Als ich aber schon wieder eine ganze Ecke seit der Brücke zurückgelegt hatte, stand ich an einem größeren Bach, über den ich nicht so einfach rüberkam. Auf die Watsandalen hatte ich keine Lust, und während ich mich mühselig von Stein zu Stein über ein paar Nebenarme kämpfte, kam von hinter mir der steinblaue Landrover angetuckert. Neben mir hielt er und ein älterer Isländer meinte, ich solle doch einsteigen. Nagut, warum nicht, zumindest über diesen Bach rüber. Nachdem das schon wieder einer der Isländer war, die kein Englisch sprachen, gestaltete sich die Kommunikation etwas schwierig. Außerdem klapperte und schepperte schon bei Standgas das ganze Auto. Eigentlich hätte ich dem guten Mann gerne sagen wollen, daß ich vorhatte, zu laufen, und nur bei dem Bach keine Lust auf Furten hatte. Aber das gelang mir erst, als wir hundert Meter weiter bei einem Schafszaun mit Tor ankamen. Ich stieg aus, machte das Tor auf und winkte dem alten Mann mit dem Jeep noch dankbar hinterher. Der Schafszaun war auf einer kleinen Anhöhe und von hier aus konnte ich schon den Vaglaskógur und Illugastaðir im Norden sehen. Oder zumindest erahnen. Je weiter ich kam, desto mehr Sommerhäuschen tauchten auf dem gegenüberliegenden Flussufer auf. Alle identisch, aus Holz mit großer Glasfront und überdachter Terasse davor. Und neben den Häuschen stand jeweils ein dicker Stadtjeep, vollgestopft mit Koffern, Kühlboxen und Spielsachen für die Kinder. Alles in allem, je näher ich dem Örtchen Illugastaðir kam, desto mehr wunderte ich mich, ob es in diesem Luxusferiendomizil wohl so etwas wie einen einfachen Zeltplatz gab. Rechts der Piste waren jetzt die Ausläufer des Vaglaskógur zu sehen, mit richtigen Bäumen und nicht nur so ein paar niedrigen Büschen. Auch im Wald versteckt gab es einige der Ideal-Standard Holzsommerhäuser mit dickem Jeep und Zubehör. Als ich schließlich über die alte Stahlbrücke auf die andere Seite der Fnjóská ging, fiel mir auf, daß ganz Illugastaðir von einem Zaun umgeben war mit einem großen Tor, und innerhalb des Zaunes war feinster englischer Rasen, der dann auch von zwei motorisierten Rasenmähern gleichzeitig gepflegt wurde. Die Einzelteile des dritten lagen gerade vor einer großen Halle und einige Isländer mit Werkzeugkästen und Ölkansiter standen drum herum. Auf dem großen Parkplatz neben der alten Kirche stand auch der steinblaue Landrover von vorhin, aber hier wirkte er irgendwie deplatziert zwischen all den sauber geputzen Neuwägen. Ob es in diesem piekfeinen Etablissement wirklich einen Zeltplatz gab? Ich ging einfach mal hin und fragte nach. Erstmal wurde ich weitergeschickt, frag den Chef, der ist da drüben. Und der Chef schaute mich dann ganz verdutzt an, als hätte ich gefragt, ob ich vielleicht seinen schöngepflegten Rasen zu einem Acker umgraben dürfte. Da, auf der anderen Flusseite, links von der Brücke, oder da rechts von der Brücke, überall wo ich wollte, da drüben auf der anderen Seite vom Fluss dürfte ich zelten. Nagut, einen Versuch wars ja wert, und jetzt hatte ich immerhin sowas wie eine Genehmigung. Also schleppte ich meinen Rucksack wieder durch das Tor und über die Brücke und fand dann direkt neben der Straße unterhalb einer kleinen Böschung einen halbwegs schönen Zeltplatz. Etwa 10 km weiter nördlich hätte es auch einen sehr schönen richtigen Zeltplatz gegeben, mitten im Vaglaskogur. Allerdings hätte ich die 10km dann morgen zurücklaufen müssen. Nachdem es ansonsten im ganzen Tal nur Sommerhäuser zu geben schien, war ich mit meinem Flecken eigentlich ganz zufrieden. Das Kochwasser holte ich aus der Fnjóská, allerdings war mir das etwas suspekt, nachdem es ja schon mindestens 10km durch teilweise landwirtschaftlich genutztes Gebiet geflossen war. Zum Glück hatte ich außerdem noch einen kleinen Vorrat zum Trinken aus dem Bárðardalur mitgebracht. Als Abendessen gab es zur Abwechslung wiedermal Nudeln, dann überlegte ich noch ein bißchen, ob ich noch einen kleinen Spaziergang machen wollte, entschied mich aber auf Grund der einsetzenden Dämmerung doch dafür, auf der Karte und meinem Routenplan nachzuschauen, wo genau mein morgiger Weg langführte. Außerdem sortierte ich ein wenig meine Unordnung, die Zettelwirtschaft, die ich mir zusammengesammelt hatte und ab morgen nicht mehr brauchen würde und ähnliches. Es war ja schon fast Ende August, also wurde es auch schon früh dunkel. Und so blieb mir nicht viel mehr zu tun, als mich in meinen Schlafsack zu verkriechen. Nur noch einen Tag auf Wanderung. Bilder der Tages:
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19. August 2005 nach Akureyri |
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, konnte ich meinen Augen kaum trauen. Zum ersten Mal in den 3 Wochen, die ich jetzt in Island war, hatte ich einen richtig strahlend blauen, wolkenlosen Himmel. Also genau das Traumwetter, auf das ich die ganze Wanderung jeden Tag gewartet hatte. Und jetzt, am letzten Tag vor Akureyri, da hatte ich es endlich. Richtig fies kann Island manchmal sein! Aber anstatt mich lange zu ärgern, machte ich lieber schnell Frühstück und packte meine Sachen. Heute wurde auch das Regenzeug tief vergraben, denn auch als ich mich eine Weile später endlich auf die Socken machte war noch nichtmal die Spur einer Wolke zu sehen. Außerdem gab es Südwind, während gestern noch eher Nordwind vorherrschte. Für den Norden bedeutete das wahrscheinlich weiterhin solches Traumwetter für die nächsten Tage. Meine Sonnencreme hatte sich ja auf dem Hinflug in meinem Deckelfach verteilt und Ersatz hatte ich mir nicht besorgt. Auf der ganzen Tour hatte ich sowas auch nie wirklich vermisst. Aber heute schon. Ich ging erstmal ein drittes Mal über die Fnjóska-Brücke. Auf der Westseite musste ich dann ein Stückchen auf der Straße Nr. 833 gehen. Genaugenommen fängt der eigentliche Wanderweg hinüber in den Eyjafjörður erst bei Grjótagerði hinter der Brücke über die Grjótá an, aber die anderthalb Kilometer dazwischen musste ich halt auch noch schnell überwinden. War aber gar nicht so schlimm, wie schon die dreistellige Straßennummer erahnen läßt handelt es sich nicht gerade um eine wichtige Hauptverkehrsstraße, und so begegneten mir auch nur zwei Autos, bis ich endlich die Straße hinter mir ließ. Die ganze Zeit zweigten mehrere kleine Pisten ab, auf den Talrand zu. Dort konnte ich in einiger Entfernung die Stromleitung sehen, der ich in groben Zügen über die Berge folgen musste. Aber ich wartete mit dem abzweigen noch auf die Brücke über die Grjótá. Auch wenn das Flüsschen mit keinerlei Schild gekennzeichnet war und auch der Hof Grjótagerði verlassen ist und von der Straße aus nicht zu erkennen, die richtige Abzweigung war mit offenen Augen doch recht eindeutig zu finden. Nun ging es in groben Zügen parallel zum Bach auf den Talrand und auf die Stromleitung zu. Der Weg war aus recht grobem Schotter und erinnerte eigentlich eher an ein Bachbett als an eine Piste. Aber die Grjótá war doch noch ein Stückchen unter und neben mir, und außerdem floß dort auch wirklich Wasser. Als ich schon recht nah am Talrand war, wurde das Bachbett der Grjótá zunemhend breiter und flacher, und es hatten sich sogar einige kleine Bäume darin angesiedelt. Und ein paar Dauerwohnwagen gediehen dort scheinbar auch prächtig. Aber von deren Bewohnern war keine Spur zu sehen. Bald endete die Piste, bzw. sie machte einen deutlichen Knick nach Norden und war jetzt eher braun und erdig, anstatt grau und steinig. Sie folgte ab sofort dem Talrand und kletterte langsam aber sicher immer höher hinauf. Schon von ganz unten hatte ich einen recht schönen Blick über das ganze Tal, und der wurde immer besser. Im Norden ragten die Berge der Kinnafjöll und Flateyjardalsheiði in den strahlend blauen Himmel, im Tal davor Felder in verschiedenen Grüntönen und dazwischen eingestreut weiße und rote Höfe. Auf den gegenüberliegenden Talhängen zogen sich dunkelgrüne Wälder ziemlich weit hinauf und gingen dann in hellere dunkelgrüne Büsche und Sträucher über. War ich noch vor wenigen Tagen im schwarzen Wüstensand mit grauem Himmel unterwegs, fühlte ich mich jetzt in ein völlig anderes Land versetzt. Mein Weg war wie gesagt braun und erdig und außerdem schon lange nicht mehr von einem Auto befahren. Dafür hatten zahlreiche Pferdehufe den Boden aufgelockert und durchpflügt. An einigen Stellen floßen kleinere Bächer quer zu meiner Richtung ins Tal hinunter, und an diesen Stellen merkte ich, daß auch etliche Schafe diesen alten Weg noch nutzten. Teilweise musste ich mir einen weiten Bogen um die Schlammgruben suchen, die sich an den "Furten" gebildet hatten, und die schön mit Schafsmist aufgefüllt waren. Außerdem merkte ich langsam aber sicher, daß es aufwärts ging. Mir wurde richtig heiß in der morgens noch angenehm wärmenden Sonne. An einem der zahlreichen Bäche machte ich dann eine Pause und überlegte mir zum ersten mal auf der Reise, wo ich eigentlich meine dicke Jacke unterbringen könnte, wenn ich sie mal nicht an hatte. Auch wenn alle Belüftungsschlitze offen waren, heute war sie einfach zu warm. Da meine Essensvorräte aber ziemlich dezimiert waren, konnte ich sie noch irgendwo in den Rucksack hineinstopfen, und ging dann nur noch im T-Shirt weiter. Das würde wohl einen ziemlichen Sonnenbrand geben. Ich fand es unheimlich angenehm, daß alle paar hundert Meter ein neues Bächlein den Weg kreuzte. Einige davon waren künstlich zu kleinen Seen aufgestaut, wahrscheinlich für die Trinkwasserversorgung unten im Tal. Andere versorgten auch mich mit frischem Wasser. Bei einer solchen Trinkpause begegneten mir dann zum ersten mal, seit ich bei der Hütte in der Lónsöræfi losgelaufen war, ein paar andere Wanderer. Drei Isländer, die nur leichtes Tagesgepäck dabei hatten. Offensichtlich waren sie aus Akureyri und wollten heute vom Fnjóskadalur aus dorthin zurückwandern. Sie grüßten mich freundlich aber kurz, und mit ihren leichten Rucksäcken hatten sie mich ziemlich schnell überholt. Sehr bald nach dieser Begegnung hatte ich die nächste größere Wegbiegung erreicht. Die Schlucht Sölvagíl kam von links aus den Bergen herunter, und die Piste bog hier aus dem Fnjóskadalur ab, um ihr zu folgen. Mitterweile hatte ich einen traumhaften Überblick über das gesamte Fnjóskadalur, von den Bergen im Süden, wo ich gestern heruntergekommen war, bis nach Norden, wo das Flateyjardalur abzweigte und einzelne schneebedeckte Gipfel der Kinnafjöll und der Blámannsháttur aufragten, der höchste Berg in der näheren Umgebung. Nachdem ich mich sattgesehen hatte, folgte ich dem weiteren Wanderweg aufwärts entlang der Sölvagíl. Genaugenommen hatte ich die Auswahl zwischen der Piste und einigen kleinen Schafs- oder Trampelpfaden links davon. Ich entschied mich für die Schafspfade, denn dort hatte ich überall sonnenbeschienenes Gras um mich herum und zu meinen Füßen. Wieder ein komplett neues Islandgrün. Aber wenige hundert Meter weiter war dann die Piste die einzige Alternative. Die Landschaft war zunehmend felsiger geworden und der kleine Bach am Grund der Sölvagíl hatte hier in einem kleinen Wasserfall einige besonders große Steine zu überwinden. Die Piste führte etwas oberhalb dieser Steine auf die andere Bachseite, ich kam trockenen Fußes auf die andere Seite. Nun verlor sich die Piste aber endgültig. Ein paar Steinmännchen markierten den weiteren Weg, abgesehen davon hatte ich eine unzählige Menge von Fuß- und Hufspuren zur Auswahl, der ich in unterschiedlichen Richtungen folgen konnte. Die Stromleitung verlief weiter rechts, aber davon ließ ich mich nicht irritieren und folgte lieber den Steinmännchen, so gut es ging. Hier oben war ein kleines Hochtal, nach hinten konnte ich nicht mehr richtig ins Fnjóskadalur zurüsckschauen und nach vorne trennte mich noch ein letzter Bergrücken vom Eyjafjörður. An der Nordseite dieses Bergrückens führte die Stromleitung hinüber, die Steinmännchen machten erst noch einen Bogen um einen kleinen aber tief eingeschnittenen Bach zu umgehen. Hinter diesem Bogen ging auch ich in Richtung der Bíldsárskarð und des kleinen Einschnittes, dem die Stromleitung folgte. Dort ging es vor mir plötzlich wieder bergab und ich hatte einen ersten Blick auf das Massiv von Súlur und Kerling, die Hausberge von Akureyri. Vom Eyjafjörður war noch nichts zu sehen, so steil bergab ging es nun auch nicht. Wiedermal folgte der Weg einem kleinen Bach, der erstmal sanft ins andere Tal hinunter floß. Die Stromleitung verabschiedete sich endgültig von meinem Weg und verlief auf der Nordseite der Schlucht weiter, während ich mich auf der Südseite hielt. Sehr bald hatte ich das steinige Terrain hinter mir gelassen und wieder eine erdige Piste unter mir. Auch von einer richtigen Piste konnte man schon wieder sprechen, für einen Wander- oder Reitweg war es jedenfalls deutlich zu zweispurig. Links von mir ragten die nächsten paar grasbewachsenen Hänge der Vaðlaheiði auf, rechts ging es stellenweise ziemlich steil in die Schlucht zum Bach hinunter. Vor mir war noch eine kleine Anhöhe aber je weiter ich kam, desto mehr konnte ich Schritt für Schritt vom Eyjafjörður sehen, und von Akureyri. Und das alles bei blauem Himmel und richtigem Traumwetter. Wundervoll! Man sollte vielleicht dazusagen, daß ich mal ein halbes Jahr lang in Akureyri gelebt und studiert hatte und mir die gesamte nähere Umgebung von diversen Radtouren ziemlich vertraut war. Auch wenn ich jetzt alles aus einer ungewohnten Perspektive sah und mich zuvor die meiste Zeit bei Schnee und Eis in dem Städtchen aufgehalten hatte, ein bißchen wie nach Hause kommen fühlte ich mich schon. Ich kam mehr und mehr aus der engen Schlucht heraus und sah dementsprechend auch immer mehr und mehr vom Eyjafjörður. Abwärts ging es aber zunächst recht langsam, so daß ich weiterhin von meinem erhöhten Blickpunkt eine prima Aussicht hatte. Als es mir dann besonders gut gefiel, setzte ich mich eine Weile an den Wegrand und schaute einfach nur ins Tal, zu den Autos und Flugzeugen, den Pferden und vereinzelten Vogelschwärmen, die sich da unten tummelten. Auch wenn ich mich die ganze Reise nicht recht am Wetter erfreuen konnte, daß ich wenigstens heute so einen Traumtag erwischt hatte, dafür war ich doch dankbar. Der weitere Weg wurde dann sehr bald steiler und steiler. Einige wenige Serpentinen, aber bekanntlich sind diese Konstruktionen den Isländern suspekt und sie nehmen selten allzuviel Gefälle aus den steilen Hängen. Für mich ging es ja nur bergab, also störte ich mich nicht allzusehr daran. Von oben konnte ich mir auch noch in etwa ausrechnen, wo ich rauskommen würde und wo mein weiterer Weg verlief. Zunächst mal musste ich wohl zum Talgrund, dann weiter auf meiner Piste ein Stück nach Süden und um ein paar Felder herum, und dann käme ich etwa in Kaupangur heraus. In der Atlaskort ist dieser Wanderweg zwar ganz grob eingezeichnet, aber aus irgendeinem Grund kommen die auf der anderen Seite von Bach und Schlucht heraus, was ich mir nicht recht erklären kann. Kurz bevor ich ganz unten am Talgrund war, begegnete mir eine Pferdegruppe, was nach den vielen Hufabdrücken unterwegs eigentlich zu erwarten war. Zwei Isländer führten eine Herde von etwa 20 Tieren auf die Berge hinauf. Wir grüßten uns und ich machte ehrfürchtig Platz, bevor ich noch ausversehen niedergetrampelt wurde. Hinter der Pferdegruppe war der Weg dann frisch umgepflügt, sehr matschig und nicht mehr ganz so angenehm zum Laufen wie zuvor. Aber ich hatte es auch fast geschafft. Bald hatte ich ein paar Zäune links und rechts von mir, hinter denen grüne Kornfelder lagen. Und der kleine Feldweg dazwischen war mit feinem Kies befestigt. Ein paar Zauntore musste ich noch durchqueren, aber die Dächer von Kaupangur waren nicht mehr weit. Schließlich ging es einen letzten steilen Hang hinunter, an dessen Fuß ich die erste Asphaltstraße seit Höfn erreichte. Alles in allem eher eine Spaziergehgegend als zum Wandern gemacht. Aus der entgegengesetzten Richtung hätte ich den richtigen Weg ins Fnjóskadalur wohl nie gefunden. Er beginnt unscheinbar mit einem Reitweg-Schild, auf der anderen Seite führt der Reitweg genauso unscheinbar weiter ins flache Schwemmland der Eyjafjarðará. Aber oben vom Hang hatte ich nicht erkennen können, wo genau dieser Weg eigentlich endete. Ein kleines Stückchen weiter wußte ich hingegen, daß es einen richtigen breiten Weg gab, die alte Ringstraße, die garantiert nach Akureyri führte. Heute ist das ebenfalls ein Reit- und Fußweg, die alten Brücken würden dem Verkehr wohl kaum noch stand halten. Zu Fuß könnte ich dort bequem auf die andere Talseite kommen und wäre dann im Nu beim Flughafen von Akureyri. Also marschierte ich erstmal das kleine Stück auf der Teerstraße entlang, oder soweit es ging daneben her. Nach etwa 500 Metern hatte ich meine Abzweigung erreicht. Die alte Straße war für Autos faktisch gesperrt und somit war das Gehen wieder sehr viel angenehmer. Mir begegneten nur noch einzelne Spaziergänger, vor allem ältere Isländer. In regelmäßigen Abständen gab es sogar Sitzbänke am Wegesrand. Irgendwie genoss ich diese letzten Kilometer so richtig, mit dem hohen Gras zu beiden Seiten, den vertrauten Bergen überall um mich herum und dem warmen Sonnenschein. Auf drei Brücken überquerte ich später ein paar Nebenarme der Eyjafjarðará. Dann kam ich südlich des Flughafens auf die nächste Teerstraße. Auf der musste ich noch ein quälend langes Stück entlanglaufen, bis ich endlich beim Industriemuseum und der Eislaufhalle auf die kleineren Nebenstraßen ausweichen konnte. Am Nonnahúsið vorbei spazierte ich dann auf der Aðalstræti entlang, erstmal geradewegs zu Brynjas Eisbude. Dort gibt es bekanntlich das allerbeste Softeis von ganz Island und bei dem genialen Wetter gönnte ich mir zum Abschluss der Tour gleich mal eine extra große Portion davon. Lecker! Dann ging ich auf meiner alten Rad-Ausfallstraße hinauf zum botanischen Garten, an der Menntaskólinn und der Statue des Geächteten vorbei, geradewegs von hinten zum Zeltplatz. Da war ein neuer Zaun drum herum gebaut, der mir zwar eher ein Gegenteiliges Gefühl zu Sicherheit vermittelte, aber immerhin standen alle Tore sperrangelweit offen. Dort angekommen stellte ich meinen Rucksack ab, rammte meine Wanderstöcke daneben in den Boden und genoss erstmal das Gefühl, angekommen zu sein. Bilder der Tages:
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20. August 2005 Der restliche Urlaub |
Die Wanderung war beendet, jetzt konnte der Urlaub beginnen. Dementsprechend wurde das Wetter die nächsten paar Tage sonnig und warm, Regen und schlechte Sicht gab es vorerst nicht mehr. Am Zeltplatz mit Supermarkt und Freibad nebenan ließ es sich ganz gut leben, jeden Tag konnte ich Duschen, Kjötbollur mit Ananas zum Nachtisch genießen und die Waschmaschine am Zeltplatz hab ich auch reichlich genutzt. Außerdem konnte ich in Akureyri endlich für alle ausstehenden Hüttenübernachtungen nachbezahlen. Eigentlich wäre ich gerne in mein altes Domizil im Gästehaus Gula Villa gezogen, aber Guðmundur hatte das Haus verkauft und war außerdem grade im Urlaub. Dafür hab ich etliche andere alte Bekannte getroffen, z.B. Dagrun mit ihrer Familie, Gustavo, der immer noch in der Blauen Kanne arbeitete. Auch bei der Uni schaute ich mal wieder vorbei, es ging gerade das Semester los und alle waren schwer beschäftigt. Trotzdem traf ich Rachel mit ihrem Baby und den Dekan der Informatik, Mark O'Brian, der mich sofort fragte, ob ich wieder mit dem Fahrrad bei den Kárahnjúkar unterwegs war... Auch am Zeltplatz hatte ich eine ganze Reihe von netten Begegnungen, und am Tag meiner Weiterreise trafen sogar Frank und Sybille ein. Die beiden waren in Skógar losgelaufen, über den Sprengisandur, durch die Vónaskarð an den Gæsavötn vorbei zur Askja, und dann ein paar Tage nach mir und mit sehr viel besserem Wetter nach Norden aufgebrochen. Bei Botni zweigten sie aber in Richtung Mývatn ab, anstatt nach Akureyri. Jetzt wollten sie noch mit dem Bus ein bißchen in den Skaftafell Nationalpark und in ein paar Tagen würden wir uns dann wohl in Reykjavik wiedertreffen, oder spätestens in Keflavík beim Rückflug. Aber zurück zu meiner Weiterreise. Ich hatte nämlich außerdem Kontakt mit Myriam im Svarfaðardalur. Sie nahm mich von Akureyri aus mit und ich hatte auf diese Weise noch ein paar sehr entspannte Tage im Gästehaus Skeið, mit Wanderung zum Skeiðvatn, Besuch der einen Nachbarn und bei den anderen Nachbarn im Skíðadalur. Sehr angenehm, und sehr entspannend nach der langen Wanderung! Eigentlich hatte ich vor, von Skeið aus noch rüber zu wandern nach Hólar. Allerdings schlug dann das Wetter wieder drastisch um, ein eisiger Nordwind brachte Wolken und Schnee mit sich. Unten im Tal war es nur nass und kalt, aber auf dem Pass sah es eher weiß aus. Die Tour durch die Tröllaskagi verschob ich also auf meinen nächsten Besuch bei Myriam und ließ mich wieder mitnehmen nach Akureyri. Die Jugendherberge war ausgebucht, und so ging ich trotz des unangenehmen Wetters wieder an meine alte Stelle am Zeltplatz. Wieder alte Bekannte und wieder neue Gesichter. Außerdem gelang es mir endlich, mit Anne im Aðaldalur Kontakt aufzunehmen, die grade Kerstin aus Hvanneyri zu Besuch hatte. Nachdem die beiden bei dem Wetter keine rechte Lust auf Fotografieren hatten, machten wir noch ein kleines "Islandtreffen" in der Blauen Kanne, und ich bekam eine Mitfahrgelegenheit zum Flughafen. Der Innlandsflug von dort nach Reykjavík war recht ereignislos, außer Wolken gab es fast nichts zu sehen. Zumindest nicht bis etwa über Þingvellir. Aber als wir in Reykjavík landeten hatte ich zum ersten Mal bei ich-weiß-nicht-wievielen Besuchen in der Stadt richtiges Traum-Sonnen-Wetter. Kaum zu glauben, daß ich noch am Morgen in Akureyri die Flüchtlinge vom Mývatn getroffen hatte, die dort einen richtig heftigen Schneesturm hatten mit gebrochenem Zeltgestänge und allem inklusive. Am Zeltplatz von Reykjavík traf ich wie erwartet wieder auf Frank und Sybille, und wir plauderten noch lange über alles mögliche, von Büchern bis Patagonien. Den letzen Tag verbummelte ich in der Innenstadt, fuhr zum ersten Mal auf den Turm der Hallgrímskírkja hinauf, weil es sich zum ersten Mal richtig lohnte. Und ich stand Ewigkeiten vor dem riesigen Modell von Island im Ráðhúsið, mit all den Bergen, Gletschern, Flüssen und Tälern die ich wieder aus neuen Perspektiven kennengelernt hatte. Am nächsten Tag ging der erste Zubringerbus zum Flughafen pünktlich um 5 Uhr morgens an der Jugendherberge. In der ewigen Schlange am Check-in traf ich sogar den Polen von der Dreki-Hütte wieder. Als der Flieger startete wurde es langsam richtig hell, aber mit meinem Fensterplatz auf der linken Seite hatte ich trotzdem keine allzugute Abschieds-Aussicht auf Island. Es war wieder wolkig geworden im Süden, bereits am Vorabend hatte der Wind auf Süd gedreht und ich hatte eigentlich sogar mit einem nassen Zelt gerechnet. Von Berlin-Schönefeld mit der Bahn zurück nach Jena wars dafür wieder sonnig und heiß. |
Reisezeit | 31.7.2005 - 28.8.2005 : 29 Tage |
Übernachtungen im Zelt | 11 |
Übernachtungen in Hütten | 8 |
Zeltplätze | 4 und 7x wild zelten |
Hütten | 7 |
Zelt auf-/abgebaut | 11 |
ausgegebenes Geld | ca. 1000 EUR incl. Flug und Reiselektüre |
Verwendete Verkehrsmittel | 2 Innlandsflüge, Busfahrt, "Anhalter" und ansonsten Schusters Rappen |
zurückgelegte Strecke zu Fuß | ca. 330 km |
Fotos | ca. 600 MB, verteilt auf 895 Bilder und zusätzlich 9 mal 36 Dias |
Panoramen | 57 mit insgesamt 265 Bildern |
Gletscherüberquerungen | 0 (hab ich mir gespart) |
Gepäck | ca 20 kg + Essen + Trinkwasser |
Pannen etc. | nichts, alles wie am Schnürchen |
Hering-Bilanz | keinen Hering verloren, einen gefunden |
Sonnentage | ca. 4 |
Regentage | viele! |
See some statistics | all contents © copyright by Olaf Kähler last update Sat Oct 14 19:25:31 2006 |