1. April 2002 nach Regensburg |
Am späten Vormittag war ich also unterwegs zum alten Ludwigskanal, zu dem ich es nicht weit hatte. Viel Betrieb, größtenteils gemütliche Feiertagsausflügler hatte das Sonnenwetter aufgescheucht. Mit meinem großen Gepäck und dem Anhänger fiel ich natürlich sofort auf. Aber das bin ich mittlerweile gewöhnt, wenn ich so unterwegs bin.
Die Strecke am Kanal entlang nach Neumarkt i.d.OPf. ist mir nichts Neues mehr, auf dem ebenen Schotterweg konnte ich mich gut wieder ans "Langstreckenfahren" gewöhnen. In Neumarkt angekommen wollte ich mich dann irgendwie quer durch die Oberpfalz nach Regensburg durchschlagen. Und dabei hab ich mich natürlich glatt verfranst.
Anstatt den Verkehrsschildern nach Deining zu folgen, bin ich über einige steile Berge mit einem Mal auf eine "Laberquelle" gestoßen. Und kurz darauf auch auf den zugehörigen Labertalradweg, dem ich dann kurzerhand nach Regensburg zu folgen beschloß. Zunächst schien es ein normaler, einfacher, geteerter, familienfreundlich ausgebauter Flußtalradweg zu sein. Die paar Hügel waren auch mit schwerem Gepäck keine Hürde.
Irgendwann hinter Parsberg war die Landschaft dann aber immer weniger bewirtschaftet, die Wege waren immer weniger befahren und das Bild vom familienfreundlichen Flußtalradweg geriet immer mehr ins Wanken. Als sich dann die Fahrspur immer wieder zwischen dichtem Gras verlor wußte ich: ein Geheimtip für alle, die abseits vom Gedränge unterwegs sein wollen. Auch wenn Schilder bisweilen einen Main-Donau-Radwanderweg anpriesen, der hier irgendwo entlangführen mußte, unterwegs war doch fast niemand. Und die meisten Radler hatte ich sowieso mit dem Kanal hinter mir gelassen.
Erst bei Beratzhausen wurde mir wieder bewußt, daß ich noch in Deutschland war, nicht in einem verträumten Märchenland. Dennoch war auch das nächste Stück bis Deuerling noch angenehm zu Fahren, und wenn ich wieder mal nach Regensburg wollte, würde ich wohl den selben Weg wählen. Egal ob es nun ein Main-Donau-"Rad"- oder "Wander"-weg ist.
In Deuerling verließ ich dann das Tal und fuhr statt dessen über einen kleinen Pass ins Naabtal. Von dort war es auch nicht mehr weit bis Regensburg, zum Glück, denn es wurde spät. Zumindest wurde es noch spät, bis ich endlich den Zeltplatz am südlichen Donauufer gefunden hatte und mich dort in meinen Schlafsack kuschelte.
Tagesetappe: 129,41 km
Durchschnittsgeschwindigkeit: 17,69 km/h
Fahrtzeit: 7:18:54
Höchstgeschwindigkeit: 49,1 km/h
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2. April 2002 nach Passau |
Am nächsten Morgen schnell wieder alles gepackt. Ein bißchen gewöhnungsbedürftig ist das ja doch immer aufs Neue, das Packen, und üblicherweise hat man es erst am Ende der Reise wirklich perfektioniert, egal wie lange man unterwegs ist. Trotzdem kam ich schon recht früh los und ließ die Großstadt hinter mir.
Der Donauradweg (endlich hatte ich ihn gefunden) enttäuschte mich aber ein wenig. Zwar führte er wunderbar gerade und asphaltiert und endlich auch gut beschildert immer gerade aus, auch direkt unterhalb der Walhalla vorbei, man hatte gelegentlich ein paar schöne Aussichten auf Regensburg, aber irgendwie wurde er etwas langweilig. Immer nur durch Felder, mal auf einem kleinen Deich, mal ein ganzes Stück davon entfernt.
Bei Straubing hab ich mich dann etwas abseits vom eigentlichen Donauradweg durchgeschlagen, um Ampeln und Verkehr etwas aus dem Weg zu gehen. Einen schönen Blick auf die Türme der Stadt hatte ich trotzdem. Und kurz vor Bogen stieß ich auch wieder auf den offiziellen Weg.
Auf diesem etwas öden Streckenabschnitt merkte ich zum ersten Mal, was das schöne Wetter für einen kleinen Haken hatte: den starken Ostwind, der mir direkt entgegenkam. Aber noch hatte ich Hoffnung, daß der vielleicht noch drehen würde im Laufe der nächsten Tage. Auch wenn ich natürlich nichts gegen den blauen, fast wolkenlosen Himmel und die angenehmen Temperaturen hatte.
Hinter Bogen wurde die Landschaft langsam wieder abwechslungsreicher. Ein paar Wäldchen, Bäume, nicht nur Felder und Dörfer. Und auch wieder Hügel. Und ein bißchen weniger Gegenwind vor allem. So ging es weiter, vorbei an Deggendorf, Niederalteich, Vilshofen. Und es wurde später und später und trotzdem kam Passau, mein Tagesziel, noch lange nicht in Sicht. Die Sonne war schon am untergehen, als ich endlich ankam.
Um so mehr freute ich mich, daß ich so viele Hinweisschilder zum Zeltplatz fand. Und um so mehr war ich dann enttäuscht, als ich ankam und feststellen mußte, daß dort die Saison noch nicht angefangen hatte und es nichts war mit dem Zeltaufbauen und müde in den Schlafsack kriechen.
Statt dessen fuhr und schob ich den steilen Weg zur Jugendherberge hinauf, ebenfalls bestens ausgeschildert. Aber dafür 22% steil. Nach einem kurzen Spaziergang in die Stadt war ich dann allerdings wirklich sehr müde und hab bestens geschlafen.
Tagesetappe: 154,44 km
Durchschnittsgeschwindigkeit: 19,51 km/h
Fahrtzeit: 7:54:46
Höchstgeschwindigkeit: 34,4 km/h
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3. April 2002 über Linz nach Grein |
Früh bin ich schon wieder aufgestanden und war der erste beim Frühstück. Und entsprechend früh konnte ich auch schon wieder weiterradeln, entlang der Donau. Der Radweg wurde wieder zusehends interessanter und die Landstraßen einsamer. Die Talwände wurden zu beiden Seiten recht steil und hoch. Der (für mich) schönste Abschnitt des Donauradweges lag vor mir. Vorbei an Obernzell und dem Kraftwerk Jochenstein, bei einem kleinen Bach dann über die "Grenze" nach Österreich, völlig unspektakulär.
Ebenso unspektakulär verließ ich kurz darauf auch den Rand meiner Karten. Von hier an mußte ich einfach blind den Wegweisern vertrauen. Aber das ist am Donauradweg kein Problem, gut ausgebaut und vielbenutzt wie er ist. Auch daß ich keine Ahnung hatte, wo der nächste Zeltplatz war, beunruhigte mich nicht weiter. Alle paar Kilometer kam ich an Schildern vorbei, die fahrradfreundliches Sonstnochwas anpriesen. Im Sommer muß dieser Streckenabschnitt wohl völlig überlaufen sein, anfang April traf ich nur wenige Radler. Hinter Schlögen, der Fähre an der "schönsten Stelle der Donau" hatte ich auch diese wenigen hinter mir gelassen. War wohl die erste Fährfahrt an dem Tag, gegen 11:00 Uhr vormittags.
Bis Aschach kam ich bestens voran und hatte schon Mittags etwas über 60 km am Tacho stehen. Als ich dann allerdings in Aschach das enge Tal verließ, über die Donau wieder aufs linke Ufer geradelt war und ein Stückchen auf offenen Feldern unterwegs war, spürte ich wieder, aus welcher Richtung der Wind kam: von vorne! Die Strecke bis Linz zog sich schier endlos dahin, auch wenn es eigentlich nicht wirklich weit war. Ich war froh, daß ich dort einen netten Einheimischen fand, der mich ein wenig in seinem Windschatten hinterherradeln ließ. Zumal die letzten Kilometer vor Linz an einer nicht besonders erfreulichen Stadtautobahn entlangführen.
Auch wenn ich mir dort nach fast 100 km eine längere Pause gönnte, genug hatte ich noch lange nicht für diesen Tag. Also ging es weiter, bei starkem Gegenwind, mit der Donau zur Rechten und einem Auwald zur Linken. Recht ereignislos und durch eine flache Landschaft wiedermal. Und wiedermal wurde es spät, bis ich endlich "ankam".
Einigen Karten und Hinweisschildern am Wegesrand entnahm ich, daß in Grein wohl ein Zeltplatz sein mußte, und daß das eigentlich nicht mehr weit sein könnte. War es vielleicht dann doch. So kam ich eben erst wieder kurz vorm Dunkelwerden dazu, mein Zelt aufzubauen. Der Ort Grein ist eigentlich recht nett, hat alles, was man als einfach lebender Radtourist braucht. Bloß war der Zeltplatz erst vor wenigen Tagen überflutet gewesen und wohl noch nicht so ganz für die Touristensaison gewappnet. Aber da hatte ich auch schon mal schlimmeres...
Tagesetappe: 160,90 km
Durchschnittsgeschwindigkeit: 18,11 km/h
Fahrtzeit: 8:52:53
Höchstgeschwindigkeit: 33,9 km/h
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4. April 2002 nach Klosterneuburg bei Wien |
Ich wußte wieder mal nicht so recht, wie weit ich noch kommen wollte an diesem Tag. Aber ich wußte ja auch nichteinmal, wie weit es eigentlich noch bis Wien war. Also bin ich erstmal früh aufgebrochen, das ist immer gut.
Die Landschaft rings um mich gefiel mir wieder zusehends besser, keine langweile flache Ackerlandschaft mehr. Satt dessen hoch aufragende Berge auf beiden Seiten, mit Weinhängen, einigen kleinen Häusern, Dörfern und Burgen am Hang verstreut. Abwechslungsreich eben.
Da ich wohl ein Hinweisschild übersehen haben muß, war ich bald schon wieder auf der anderen, der rechten Donauseite unterwegs. Hätte wohl irgendwo abbiegen müßen, um auf der linken Seite zu bleiben. Aber dem trauerte ich nicht lange hinterher, und da meine Seite sowieso fürs erste etwas windgeschützter aussah, genoß ich das schnelle Vorankommen. Im Nu war ich in Melk, unterhalb des prachtvollen Klosterstiftes, das allerdings auch von der anderen Donauseite schon lange zu sehen war. Weiter ging es, erst über ein paar Berge, dann durch die Wachau nehme ich an. Jedenfalls ein schönes Stück Landschaft, und offensichtlich stark vom Weinbau geprägt.
Einige andere Radler hab ich unterwegs überholt. Aber viel war nicht los. Vor der Saison eben. So erreichte ich schließlich auch Krems, eine recht große Stadt. Dort war wieder eine kleine Pause angesagt, und dahinter wartete wieder eine neue Landschaft auf mich: ein flaches Stück, mit Auwäldern auf beiden Seiten der Donau. Und fern im Süden und immer weiter hinter mir einige Berge und Hügel obendrauf irgendwelche Kloster und Stiftskirchen. Aber weit weg und abseits meiner Route natürlich. Dennoch ein schöner Anblick.
Manchmal hatte ich hinter einigen Bäumen ein wenig Windschatten, aber insgesamt ging es recht zäh vorwärts. Nach allem was ich wußte war Tulln noch etwa gut erreichbar bis zum Abend und dort sollte es einen Zeltplatz geben. Das setzte ich mir zum Ziel, dort wollte ich noch mindestens hinkommen für diesen Tag.
Als ich dann aber dort war und auf einem Schild sah, daß der nächste Zeltplatz nur noch 25 km weiter war, überlegte ich es mir wieder anders. Die Fluß- und Auenlandschaft war wohl doch schneller an mir vorbeigezogen, als ich das mitbekommen hatte. Oder sie war mir wegen der Eintönigkeit so lang vorgekommen. Jedenfalls schien die Abendsonne noch so schön, als ich in Tulln vor dem Zeltplatz stand, daß ich lieber noch das nächte Stückchen nach Klosterneuburg in Angriff nahm.
Unterwegs wäre ich fast wieder auf die andere Donauseite geraten. Der rechtsseitige Donauradweg biegt irgendwann scharf ab, bleibt aber anhand der Beschilderung zu erkennen. Der Wind war wohl eingeschlafen oder hatte auf nordöstliche Richtung gedreht. Jedenfalls kam er zum ersten mal nicht direkt von vorne. Und als dann auch noch zwei Rennradler überholen wollten, hielt ich mit deren Tempo Schritt und kam so einige Kilometer äußerst zügig voran.
Dennoch war es wieder sehr spät bis ich endlich mein Zelt aufgebaut hatte und gemütlich meine Nudeln kochte. In Klosterneuburg. Also fast direkt in Wien. Es ist also wohl tatsächlich möglich, in 4 Tagen von Nürnberg nach Wien zu radeln.
Tagesetappe: 155,51 km
Durchschnittsgeschwindigkeit: 18,08 km/h
Fahrtzeit: 8:36:06
Höchstgeschwindigkeit: 40,4 km/h
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5. April 2002 in Wien |
Gemächlich ließ ich den nächsten Tag angehen. Zum ersten Mal war es bedeckt. Zähe Hochnebelfelder hielten sich bis weit in den Tag. Und kalt war es auch geworden über Nacht. Ich beschloß, mir noch eine Übernachtung in einer Jugendherberge zu gönnen. Zum einen wollte ich abends nicht mit meinem Fahrrad ohne Licht durch meinen Weg durch Wien suchen müssen, zum anderen fürchtete ich, daß das Wetter endgültig umschlagen würde und das Zelten recht unangenehm werden würde. Und außerdem hatte ich mir das verdient, ein weiches, warmes Bett...
Also wieder alles zusammengepackt und die Letzten paar Kilometerchen nach Wien gedüst, kein Wind, auch nicht von vorne. In der Wiener Innenstadt verfranste ich mich dann natürlich gleich wieder und war einigermaßen froh, als ich endlich eine Jugendherberge gefunden hatte, am Friedrich-Engels-Platz, etwas außerhalb vom Zentrum. Gute Fahrradreichweite, gute Straßenbahnanbindung. Dann machte ich mich auf, die Stadt zu erkunden, die Prachtbauten, Rathaus, Opernhaus, Hofburg,unzählige Schlösser und noc viel mehr Parks. Wien eben. Auf dem Rückweg zum Prater und durch die Augärten zu meiner Unterkunft gab es dann doch eine einzige klitzekleine Panne: meine Kette war rausgesprungen und das alles hatte sich ein wenig heftig verheddert. Das schlimmste daran waren aber auch schon die schmutzigen Finger, die ich mir holte.
Abends bin ich dann nochmal mit der Straßenbahn ins Zentrum gefahren, um ein Wenig Wien bei Nacht mitzunehmen. Und obwohl ich an einigen Stellen immer wieder vorbeigekommen sein muß und mindestens 70 km durch die Straßen und Gassen geradelt war, entdeckte ich doch hinter jeder Ecke ein neues schönes Plätzchen, Muß ich wohl nochmal für länger hin nach Wien.
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6. April 2002 von Wien zurück |
Bereits am Vortag hatte ich mir auch eine Fahrkarte gekauft, um zurück nach Nürnberg mit der Bahn zu fahren. Fahrradplätze sind in österreichischen Zügen reservierungspflichtig, soviel wußte ich. Außerdem wußte ich, daß das Schloß Schönbrunn mit dem riesigen Park nicht weit vom Westbahnhof entfernt lag, und es sich somit anbot, den Besuch mit dem Weg zum Bahnhof zu verbinden. Ein toller Abschlußtag, auch wenn es noch kälter geworden war und sogar ein paar Schneeflocken durch die Straßen wehten.
Die Bahnfahrt zurück verlief problemlos, ich mußte nichts extrazahlen für meinen Anhänger, und als ich in Nürnberg aus dem Zug ausstieg lachte mir auch schon die Sonne entgegen. Noch eine kleine Treppe hinunter, eigentlich das schwierigste Hinderniss der ganzen Reise, und schon fast war ich wieder zuhause.
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