Akkus laden per Fahrraddynamo
...unendlich viel Strom auf Reisen

Früher hat man auf Reisen ein Tagebuch dabeigehabt. Irgendwann gab es dann Reiseschreibmaschinen, schließlich Fotoapparate, und heute schleppt jeder ein Sammelsurium an elektronischen Helferlein mit sich herum. Die Digitalkamera ist ja noch das harmloseste, dazu kommt ein GPS, ein PDA, ein MP3-Player, ein Weltempfänger, eine Taschenlampe, ein Handy, und vor allem ein ganze Menge Kabel und Ladegeräte. Eines der wichtigsten Kaufkriterien ist daher für mich seit langem, dass sich möglichst alles mit AA-Akkus betreiben lässt. Dann bleibt nur noch die Frage, wie man unterwegs ständig frische Akkus auftreibt. Insbesondere, wenn man mal wieder mitten im nirgendwo sitzt, und die nächste Steckdose Kilometer weit weg ist.

Auf der Suche nach Ladegeräten für unterwegs stößt man unweigerlich auf Solarzellen. Nach allen Erfahrungsberichten, die man so liest, funktionieren die aber nur, wenn man richtig knallige Sonne ohne eine einzige Wolke hat. Insbesondere in nördlichen Gefilden gibt es also kaum eine Ausbeute an Strom. Sucht man etwas weiter, findet man allerlei Handkurbeln und eine Menge unausgegorener Ideen wie Jojos, Rucksack-Generatoren, Kniegelenk-Generatoren und weitere lustige Dinge. Und man stößt früher oder später auf ein paar Exoten, die ihr ganzes Haus mit einem Fahrrad-Generator versorgen wollen.

Nun möchte ich ja nur ein paar Akkus laden, aber die Idee mit dem Fahrrad bietet sich auf Radreisen doch irgendwie an. Und tatsächlich hatten auch schon andere vor mir die Idee. Es gibt sogar Bastelanleitungen für komplette Standlicht-Batterielade-12V-Adapter-und-USB-Universallösungen. Das ist mir alles zu kompliziert. Ich möchte nur morgens im Zelt einen Satz leerer Akkus irgendwo reinpacken, dann den Tag genießen, und abends im Zelt die vollen Akkus wieder auspacken. Genau sowas hab ich jetzt!







Rad und Dynamo

Als Generator fürs Fahrrad bieten sich Nabendynamos an. Hohe Energieausbeute und keine (?) Probleme mit der Wartung, beste Voraussetzungen also. Fragt sich nur noch, wo man so einen Nabendynamo einbaut. Da ich auf Reisen eigentlich immer ein drittes Rad im Gepäckanhänger habe, ist das wohl für mich die richtige Stelle: ganz hinten im 16" Rad. Zum einen brauche ich den Dynamo nur auf Reisen, also wenn ich auch den Anhänger dabei habe. Zum anderen dreht sich ein Nabendynamo im 16" Rad erheblich schneller und erzeugt dementsprechend mehr Energie. Wenn ich also mit dem Anhänger-Dynamo mit 10km/h über Schotterpisten holpere, kommt immer noch so viel Leistung raus, als würde ich mit meinem 26" Vorderrad 16km/h fahren. Schaffe ich mal auf ner Asphaltstraße 24km/h, dann entspricht das der Leistung von 39km/h im großen Rad.
Die benötigten Felgen und vor allem die typischen Speichenlängen für 16" Räder sind allerdings nicht ganz so einfach zu beschaffen. Incl. einem SON-Nabendynamo gibt es aber zum Glück alles beim Online-Laden Pedalkraft, so dass ich zwei Wochen nach der ersten Anfrage das Paket bei der Post abholen konnte. Die konkrete Bauteilliste: SON 28 (36loch), Schürmann Tiefbettfelge 305 (25mm breit, 36loch), Speichen (1x gekreuzt, 118mm oder so). Ich hatte ja erst überlegt, eine Hohlkammerfelge zu nehmen und radial einzuspeichen, aber das wäre von den Lochzahlen her alles komplizierter geworden und außerdem soll man den SON 28 besser nicht radial einspeichen.
Dann hatte ich endlich wiedermal Gelegenheit, ein Laufrad einzuspeichen. Mit improvisiertem 16" Zentrierständer war das ein Kinderspiel und das neue Laufrad im Nu fertig. Aber es ist das letzte 16" Rad, das ich gekreuzt einspeiche. Besser ists, wenn sich alle Speichenköpfe auf der Außenseite der Nabenflasch befinden, was nur bei radialer Einspeichung möglich ist.







Ladegerät und Gehäuse

Über das eigentliche Ladegerät gibt es wenig zu sagen, denn das habe ich nicht selber gebaut und mir schon gar nicht selber ausgedacht. Alle Informationen gibts auf der Forumslader-Homepage, die aus dem Rad-Forum entstanden ist. Jens hat nicht nur die Seite gebastelt, sondern freundlicherweise extra für mich auch ein Ladegerät. Da ich recht einfache Anforderungen hatte und insbesondere kein Standlicht oder eine unterbrechungsfreie Stromversorgung brauche, ist es die 6V-Version des Ladegeräts geworden, basierend auf der Uniplatine und gut eingedeckt mit Epoxidharz. Die fertige Platine ist recht überschaubar, aber eben auch noch nicht ganz fertig. Es fehlen noch ein Batteriefach, allerlei Kabelverbindungen und vor allem ein Gehäuse.

Insbesondere beim Gehäuse habe ich lange überlegt. Einerseits sollte es stabil sein, wasserdicht, staubdicht, unverwüstlich. Andererseits bräuchte ich so einige Anschlüsse, zum Dynamo hin, einen 6V Ausgang, einen Platz für die LED und insbesondere ein Fach für die Batterien. Nach einigem Hin und Her hab ich mich schließlich auch hier für die Minimal-Variante entschieden: kein Ausgang, keine LED, dafür für die Ewigkeit gebaut. Ein Peli-Case i1010.
Das Gehäuse ist eigentlich für den iPod gedacht, so als Schutz. Und natürlich möchte man als iPod-Besitzer auch Musik hören, daher der Clou am Gehäuse: eine 3.5mm Kopfhörer-Buchse. Statt Musik rauszulassen, kommt über diesen Anschluss jetzt Wechselstrom vom Dynamo rein. Innen siehts dann etwas unaufgeräumt aus. Aber so alles in allem passts ganz gut. Der Plan ist nun, abends und morgens im Zelt jeweils das Batteriefach zu befüllen und zu leeren. Tagsüber soll die Kiste dann irgendwo hinten dran hängen und es ist mir egal, was sie macht, ob sie schon fertig geladen hat oder noch nicht. Erfahrungswerte über die Ladedauer in meinem Aufbau mit 16" Laufrad fehlen mir noch, aber angeblich reichen etwa 5-6 Stunden für 2000mAh-Akkus. Hauptsache abends ist alles wieder voll!








Gesamtsystem

Fehlt nur noch das Kabel zwischen Dynamo und Ladegerät. Beim SON wird standardmäßig ein Koaxialkabel vom Typ RG 174 mitgeliefert, und so eines hab ich dann halt auch verwendet. Noch einen besonders edlen 3.5mm Stecker mit Goldkontakten für besten Hörgenuss drangebaut, hatte ich endlich ein fertiges System zum Testen. Natürlich erstmal Zuhause in der trockenen, warmen Wohnung.
  • 1. Test: Ohne Akkus, Dynamo-Rad per Hand gedreht
    Bei langsamer Drehung leuchtet die LED grün, bei schneller Drehung wird sie rot. Rot soll leuchten, wenn mehr als ein gegebener Schwellwert von Strom das Ladegerät ungenutzt wieder verlässt, was irgendwo durch eine Zener-Diode erreicht wird. Praktisch bedeutet dies, dass die Akkus voll geladen sind, und der Strom vom Dynamo jetzt nicht weiter genutzt wird. Grün soll leuchten, wenn dieser Schwellwert noch nicht erreicht ist, also wenn entweder noch nicht genug Leistung vorhanden ist, oder diese Leistung voll und ganz in die Akkus gepumpt wird. Erste Beobachtung also, dass schonmal überhaupt was funktioniert, und gleich danach zweite Beobachtung, dass ich wohl rot und grün genau andersrum erwartet hätte.
  • 2. Test: Einen Satz leerer Akkus eingelegt
    Die Akkus waren nicht tiefentladen, sondern einfach nur leer. Nun bleibt die LED grün, egal wie schnell ich drehe. Das Rad bremst schnell ab, die Leistung wird also wohl in die Akkus gepumpt. Wenn ich genug Langeweile hätte, bis die Akkus voll sind, könnte ich nachschauen, ob das mit der automatischen Abschaltung funktioniert. Ums etwas zu beschleunigen:
  • 3. Test: Akkus an der Steckdose mit Delta-V-Abschaltung geladen und eingesetzt
    Genau wie im 1. Test leuchtet die LED bei langsamer Drehung grün, bei schneller Drehung rot. Der Dynamo bremst die Drehung kaum ab. Der Strom wird also nicht mehr in den Akkus eingelagert und es überwiegt der "Reststrom", der durch die rote LED signalisiert wird. Die Akkus sind ja schon voll und werden daher nicht weiter geladen.
  • 4. Test: Mit tiefentladenen Akkus das ganze nochmal
    Bei langsamer Drehung grüne LED, bei schneller Drehung rot, wie bei vollen Akkus also. Allerdings bremst das Rad deutlich schneller ab. Laut Jens ist das auch genau so für tiefentladene Akkus zu erwarten. "Die Zellenspannung steigt sehr schnell, aber sie nehmen kaum noch Energie auf. Bei meiner Geräteauslegung besteht aber eine gewisse Chance, dass die Akkus nach und nach wieder besser werden". Muss ich noch in der Praxis ausprobieren, aber dass offensichtlich Leistung vom Dynamo aufgenommen wird, ist ja schonmal ein gutes Zeichen.
Insgesamt also erfolgreich getestet. Zumindest Zuhause. Der Praxistest auf Reisen steht noch aus, wird aber bei Gelegenheit mal ergänzt (Stand Dezember 2008).

Mein BOB Yak Anhänger ist für mich wiedermal etwas wertvoller geworden. Und ich brauch endlich keine Steckdosen mehr anzusteuern, kann das GPS durchgehend laufen lassen und so viel knipsen, wie ich will. Hoffe ich zumindest. Natürlich ist das Gerät jetzt keine eierlegende Wollmilchsau mit unterbrechungsfreier 12V Stromversorgung, aber ich denke, für meine Zwecke wird es trotzdem voll und ganz ausreichen.

Hier noch einige Links:
 
Akkus laden per Fahrraddynamo
Forumslader
Homepage mit allen nötigen Informationen für den Bau eines Ladegerätes.
Zzing
Die Steckdose fürs Fahrrad. Mit integriertem Akku und ausschliesslich USB-Ausgang.
Stollberg Elektrotechnik
Diverse Möglichkeiten, den Strom vom Dynamo zu nutzen. USB-Ausgang und Ladegeräte.
JaWeTEC Embedded Systems
USB-Stromversorgung für den Dynamo mit allerlei Überspannungsschutz etc.

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last update Thu Dec 11 23:15:14 2008